IBKL – Internationale Bibliothek der Kommunistischen Linken
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I. WELTKONGRESS DER KOMMUNISTISCHEN INTERNATIONALE



Content:

I. Weltkongress der Kommunistischen Internationale: V. Sitzungstag
Redebeitrag Lenin
Redebeitrag Tschitscherin
Redebeitrag Lenin
Redebeitrag Platten
Redebeitrag Trotzki
Manifest der Kommunistischen Internationale an das Proletariat der ganzen Welt
Redebeitrag Platten
Redebeitrag Sirola
Weisser Terror (Resolution über den Weissen Terror)
Redebeitrag Lenin
Redebeitrag Platten
Richtlinien der Kommunistischen Internationale
1. Die Eroberung der politischen Macht
2. Die Demokratie und die Diktatur
3. Die Enteignung der Bourgeoisie und die Sozialisierung der Produktion
4. Der Weg zum Siege
Redebeitrag Platten
Redebeitrag Rutgers
Resolution der japanischen Sozialisten
Antrag der Genossin Kollontaj über die Notwendigkeit der Heranziehung der proletarischen Frauenkräfte zu der kommunistischen Partei
Redebeitrag Lenin
Redebeitrag Sadoul
Memorandum an die Arbeiter aller Länder
Redebeitrag Lenin
Redebeitrag Guilbeaux
Redebeitrag Lenin
Redebeitrag Platten
Redebeitrag Lenin
Redebeitrag Platten
Redebeitrag Lenin
Redebeitrag Platten
Redebeitrag Lenin
Redebeitrag Platten
Redebeitrag Lenin
Redebeitrag Platten
Redebeitrag Lenin
Schlussrede
Source


I. Weltkongress der Kommunistischen Internationale:

V. Sitzungstag am 6. 3. 1919

Gen. Lenin eröffnet die Sitzung um 11.30 Uhr vormittags.

Als Vertreter der Mandatsprüfungskommission erhält Gen. Tschitscherin das Wort.

Gen. Tschitscherin. Die Mandatskommission hat die Frage des Mandats des Genossen Guilbeaux geprüft. Der Genosse Guilbeaux ist ständiger Vertreter der linken Zimmerwalder Strömung Frankreichs, nämlich der Freunde von Loriot in der Zimmerwalder Vereinigung, wobei die französischen linken Zimmerwalder die Zimmerwalder Konferenz nicht als ein Provisorium betrachten, sondern als einen Beginn der III. Internationale. Insofern gilt sein Mandat auch für unsere heutige Konferenz. Er war im ständigen Verkehr mit Frankreich und hat durch die Vermittlung seiner Frau noch vor kurzem mit Loriot korrespondiert und ist in vollem Sinne der Vertreter der Richtung von Loriot. Infolgedessen hat die Mandatsprüfungskommission es für möglich betrachtet, ihm ein beschliessendes Mandat zuzuerkennen als dem Vertreter der linken Zimmerwalder Strömung Frankreichs und ihm, da diese die einzige ist, welche die revolutionären Elemente des Proletariats von Frankreich vertreten kann, die volle Zahl der Stimmen Frankreichs, d. h. 5 Stimmen, zuzuerkennen. Falls die Versammlung damit einverstanden ist, werde ich bitten, dass die Genossen, welche die Liste haben, sie dahingehend vervollständigen.

Es wären also dann nicht 18, sondern 19 Länder vertreten, und nicht 32, sondern 33 Delegierte mit beschliessender Stimme zugegen. Bei dieser Gelegenheit bitte ich die Genossen, eine kleine Unrichtigkeit zu korrigieren, unter Nr. 32: Die chinesische Arbeiterorganisation. Es soll heissen nicht »Chinesischer Arbeiterverband«, sondern »Chinesische Sozialistische Arbeiterpartei«, für Korea: »der koreanische Arbeiterverband«. Die Namen der Delegierten sind: für die chinesische Organisation die Genossen Lau-Sin-Dschau und Dschan-Jun-Kui, für den koreanischen Arbeiterverband der Genosse Kain.

Ausserdem wurde die Genossin Balabanoff mit beratender Stimme als Vertreterin der Zimmerwalder Kommission aufgenommen. Infolgedessen sind 18 Delegierte mit beratender Stimme zugegen.

Gen. Lenin. Wir gehen zum Punkt 8 der Tagesordnung über: Manifest. Es wird nur Verlesung des Manifests beantragt.

Gen. Platten. Genossen! Ich möchte vorschlagen, dass wir den Genossen Trotzki bitten, das Manifest zu verlesen. Er ist Urheber des Manifests, und es wird sicherlich einen guten Eindruck machen, wenn er selbst das Manifest verliest.

Verlesung des Manifests durch Gen. Trotzki.

Manifest der Kommunistischen Internationale an das Proletariat der ganzen Welt

72 Jahre sind verflossen, seit die Kommunistische Partei der Welt ihr Programm in Form eines Manifestes, von den grössten Lehrmeistern der proletarischen Revolution, Karl Marx und Friedrich Engels, geschrieben, verkündet hat. Schon zu jener Zeit war der Kommunismus, der erst kaum in die Arena des Kampfes getreten war, von Hetze, Lüge, Hass und Verfolgung der besitzenden Klassen, welche mit Recht in ihm ihren Todfeind ahnten, umzingelt. Im Lauf dieser sieben Jahrzehnte ging die Entwicklung des Kommunismus schwere Wege: Stürme des Aufstiegs, aber auch Perioden des Niedergangs; Erfolge, aber auch harte Niederlagen. Im Grunde ging die Entwicklung doch den Weg, der ihr im Manifest der Kommunistischen Partei vorgezeigt war. Die Epoche des letzten entscheidenden Gefechts ist später eingetreten, als die Apostel der sozialen Revolution es erwartet und gewünscht haben. Aber sie ist eingetreten. Wir Kommunisten, die Vertreter des revolutionären Proletariats verschiedener Länder Europas, Amerikas und Asiens, die wir uns in Sowjetmoskau versammelt haben, fühlen und betrachten uns als Nachfolger und Vollbringer der Sache, deren Programm vor 72 Jahren verkündet wurde. Unsere Aufgabe besteht darin, die revolutionäre Erfahrung der Arbeiterklasse zusammenzufassen, die Bewegung von den zersetzenden Beimischungen des Opportunismus und Sozialpatriotismus zu reinigen, die Kräfte aller wirklich revolutionären Parteien des Weltproletariats zu sammeln und dadurch den Sieg der kommunistischen Revolution zu erleichtern und zu beschleunigen.

• • •

Jetzt, da Europa mit Trümmern und rauchenden Ruinen bedeckt ist, sind die verruchtesten Brandstifter damit beschäftigt, die Schuldigen am Kriege zu suchen. Hinter ihnen stehen ihre Professoren, Parlamentarier, Journalisten, Sozialpatrioten und andere politische Zuhälter der Bourgeoisie.

Im Laufe einer langen Reihe von Jahren hat der Sozialismus die Unvermeidlichkeit des imperialistischen Krieges vorhergesagt, hat die Ursache dieses Krieges in der unersättlichen Habsucht der besitzenden Klassen beider Hauptlager und aller kapitalistischen Länder überhaupt erblickt. Zwei Jahre vor Kriegsausbruch haben die verantwortlichen sozialistischen Führer aller Länder auf dem Baseler Kongress den Imperialismus als Urheber des zukünftigen Krieges gebrandmarkt und haben der Bourgeoisie gedroht, sie durch die sozialistische Revolution – als Vergeltung des Proletariats für die Verbrechen des Militarismus – heimzusuchen. Jetzt, nach der Erfahrung der 5 Jahre, nachdem die Geschichte die räuberischen Gelüste Deutschlands aufgedeckt, die nicht weniger verbrecherischen Taten der Ententestaaten enthüllt hat, fahren die Staatssozialisten der Ententeländer fort, zusammen mit ihren Regierungen den gestürzten deutschen Kaiser immer und immer wieder zu entlarven. Noch mehr, die deutschen Sozialpatrioten, welche im August 1914 das diplomatische Weissbuch des Hohenzollern als heiligstes Evangelium der Völker erklärt haben, klagen jetzt in gemeiner Liebedienerei zusammen mit den Sozialisten der Ententeländer die gestürzte deutsche Monarchie, welcher sie früher wie Sklaven gedient haben, als Hauptschuldige an. Auf diese Weise hoffen sie ihre eigene Schuld vergessen zu machen und das Wohlwollen der Sieger zu verdienen. Aber neben den gestürzten Dynastien der Romanow, Hohenzollern und Habsburger und den kapitalistischen Cliquen dieser Länder erscheinen die Regierenden Frankreichs, Englands, Italiens und der Vereinigten Staaten im Lichte der sich abrollenden Ereignisse und der diplomatischen Enthüllungen in ihrer unermesslichen Niedertracht.

Die englische Diplomatie hat bis zum Augenblick der Entfachung des Krieges mit geheimnisvoll heruntergelassenem Visier dagestanden. Die Regierung der City hütete sich, ihre Absicht, auf Seite der Entente am Kriege teilzunehmen, unzweideutig kundzugeben, um die Berliner Regierung nicht vom Kriege abzuschrecken. In London wollte man den Krieg. Daher hat man sich dort so verhalten, dass Berlin und Wien zur selben Zeit auf die Neutralität Englands hofften, in der man in Paris und Petrograd fest auf Englands Eingreifen baute.

Der von dem Gang der jahrzehntelangen Entwicklung vorbereitete Krieg war durch die direkte und bewusste Provokation Grossbritanniens entfesselt. Die Regierung Englands kalkulierte, Russland und Frankreich nur so weit Unterstützung zu gewähren, um, indem sie sie entkräftet, auch Deutschland, den Todfeind, lahmzulegen. Aber die Macht der deutschen Militärmaschine erwies sich als zu stark und verlangte nicht nur ein zum Schein unternommenes, sondern ein wirkliches Eingreifen Englands in den Krieg. Die Rolle des lachenden Dritten, auf welche nach alter Tradition Grossbritannien Anspruch hatte, ist den Vereinigten Staaten zugefallen. Mit der englischen Blockade, welche die Spekulationen der amerikanischen Börse mit dem Blute Europas vermengte, hat sich die Regierung in Washington desto leichter abgefunden, als die Länder der Entente die amerikanische Bourgeoisie für die Verletzung des »internationalen Rechts« mit fetten Profiten entschädigten. Aber das ungeheure militärische Übergewicht Deutschlands hat die Regierung in Washington dazu bewegt, aus dem Zustand der scheinbaren Neutralität herauszutreten. Die Vereinigten Staaten übernahmen Europa gegenüber jene Rolle, welche England dem Kontinent gegenüber in früheren Kriegen gespielt und im letzten zu spielen versucht hat. Nämlich, das eine Lager mit Hilfe des anderen zu schwächen, sich in die militärischen Operationen nur soweit einzumischen, als es unvermeidlich war, um für sich alle Vorteile der Lage zu sichern. Der Einsatz Wilsons war den Methoden der amerikanischen Lotterie gemäss nicht gross, aber er war der letzte, und damit war der Gewinn sein.

Die Widersprüche der kapitalistischen Ordnung sind durch den Krieg für die Menschheit zu tierischen Qualen des Hungers und der Kälte, zu Epidemien, moralischer Verwilderung geworden. Dadurch ist auch der akademische Streit im Sozialismus über die Verelendungstheorie und über das Aushöhlen des Kapitalismus durch den Sozialismus endgültig entschieden. Statistiker und Pedanten der Theorie der Ausgleichung der Widersprüche haben sich im Laufe von Jahrzehnten bemüht, aus allen Weltenden wirkliche und scheinbare Tatsachen heranzuzerren, welche von der Vergrösserung des Wohlstandes verschiedener Gruppen und Kategorien der Arbeiterklasse zeugten. Man nahm an, die Verelendungstheorie sei unter dem verächtlichen Gepfiff der Eunuchen der bürgerlichen Katheder und der Bonzen des sozialistischen Opportunismus zu Grabe getragen. Heute steht die Verelendung vor uns, nicht nur die soziale, sondern die physiologische, die biologische in ihrer ganzen erschütternden Wirklichkeit.

Die Katastrophe des imperialistischen Krieges hat alle Eroberungen des gewerkschaftlichen und parlamentarischen Kampfes glatt hinweggefegt. Und dieser Krieg ist in demselben Masse aus den inneren Tendenzen des Kapitalismus herausgewachsen, wie auch jene wirtschaftlichen Abmachungen und parlamentarischen Kompromisse, welche er in Blut und Schmutz begraben hat.

Das Finanzkapital, das die Menschheit in den Abgrund des Krieges geworfen, hat selbst im Laufe des Krieges katastrophale Veränderungen erlitten. Die Abhängigkeit des Papiergeldes von der materiellen Grundlage der Produktion ward vollends gestört. Immer mehr seine Bedeutung als Mittel und Regulator des kapitalistischen Warenumlaufes verlierend, verwandelte sich das Papiergeld in ein Mittel der Requisition, des Raubes, überhaupt der militärisch-wirtschaftlichen Vergewaltigung. Die völlige Ausartung des Geldpapiers spiegelt die allgemeine tödliche Krise des kapitalistischen Warenaustausches wider. Wenn der freie Wettbewerb als Regulator der Produktion und der Verteilung in den Hauptgebieten der Wirtschaft von dem System der Trusts und Monopole noch in den dem Kriege vorangegangenen Jahrzehnten verdrängt wurde, so wurde durch den Gang des Krieges die regelnde Rolle den Händen der ökonomischen Vereinigungen entrissen und direkt der militärischen Staatsmacht ausgeliefert. Die Verteilung der Rohstoffe, die Ausnutzung des Petroleums von Baku oder Rumänien, der Donezkohle, des ukrainischen Getreides, das Schicksal der deutschen Lokomotiven, Eisenbahnwagen, Automobile, die Versorgung des hungernden Europas mit Brot und Fleisch – all diese Grundfragen des wirtschaftlichen Lebens der Welt werden nicht durch den freien Wettbewerb, nicht durch Kombinationen nationaler und internationaler Trusts geregelt, sondern durch direkte Anwendung von militärischer Gewalt im Interesse ihrer weiteren Erhaltung. Hat die völlige Unterordnung der Staatsmacht unter die Gewalt des Finanzkapitals die Menschheit zur imperialistischen Schlachtbank geführt, so hat das Finanzkapital durch diese Massenabschlachtung nicht nur den Staat, sondern auch sich selbst vollends militarisiert und ist nicht mehr fähig, seine wesentlichen ökonomischen Funktionen anders als mittels Blut und Eisen zu. erfüllen.

Die Opportunisten, die vor dem Weltkriege die Arbeiter zur Mässigkeit im Namen des allmählichen Überganges zum Sozialismus aufforderten, die während des Krieges Klassendemut im Namen des Burgfriedens und der Vaterlandsverteidigung verlangten, fordern wiederum vom Proletariat Selbstverleugnung zur Überwindung der entsetzlichen Folgen des Krieges. Fände diese Predigt bei den Arbeitermassen Gehör, so würde die kapitalistische Entwicklung auf den Knochen mehrerer Generationen in neuer, noch konzentrierterer und ungeheuerlicherer Form ihre Wiederaufrichtung feiern mit der Aussicht eines neuen, unausbleiblichen Weltkrieges. Zum Glück für die Menschheit ist dies nicht mehr möglich.

Die Verstaatlichung des wirtschaftlichen Lebens, gegen welche der kapitalistische Liberalismus sich so sträubte, ist zur Tatsache geworden. Nicht nur zum freien Wettbewerb, sondern auch zur Herrschaft der Trusts, Syndikate und anderer wirtschaftlicher Ungetüme gibt es keine Rückkehr. Die Frage besteht einzig darin, wer künftig der Träger der verstaatlichten Produktion sein wird: der imperialistische Staat oder der Staat des siegreichen Proletariats?

Mit anderen Worten: soll die gesamte arbeitende Menschheit zum leibeigenen Frondiener einer siegesgekrönten Weltclique werden, die unter dem Namen des Völkerbundes mit Hilfe eines »internationalen« Heeres und einer »internationalen« Flotte hier plündert und würgt, dort einen Brocken zuwirft, überall jedoch das Proletariat in Fesseln schlägt mit dem einzigen Ziel, die eigene Herrschaft zu erhalten, oder wird die Arbeiterklasse Europas und der fortgeschrittenen Länder der anderen Weltteile selbst die zerrüttete und zerstörte Volkswirtschaft in die Hand nehmen, um deren Wiederaufbau auf sozialistischer Grundlage sicherzustellen?

Die Epoche der gegenwärtigen Krise abzukürzen ist nur durch die Mittel der proletarischen Diktatur möglich, die nicht in die Vergangenheit Rückschau hält, weder erbliche Privilegien noch die Eigentumsrechte berücksichtigt, sondern von der Notwendigkeit der Rettung der hungernden Massen ausgeht, zu diesem Zweck alle Mittel und Kräfte mobil macht, die allgemeine Arbeitspflicht einführt, das Regime der Arbeitsdisziplin einsetzt, um auf diesem Wege im Laufe von einigen Jahren nicht allein die klaffenden Wunden zu heilen, die der Krieg geschlagen hat, sondern auch die Menschheit auf eine neue ungeahnte Höhe zu erheben.

Der nationale Staat, der der kapitalistischen Entwicklung einen mächtigen Impuls gegeben hat, ist für die Fortentwicklung der Produktivkräfte zu eng geworden. Umso unhaltbarer wurde die Lage der unter den Grossmächten Europas und anderer Weltteile verstreuten kleinen Staaten. Diese Kleinstaaten, die zu verschiedenen Zeiten als Bruchstücke von grossen Staaten, als Scheidemünze zur Bezahlung verschiedener Dienstleistungen, als strategische Puffer entstanden sind, haben ihre Dynastien, ihre herrschenden Banden, ihre imperialistischen Ansprüche, ihre diplomatischen Machenschaften. Ihre illusorische Unabhängigkeit hatte bis zum Kriege dieselbe Stütze, wie das europäische Gleichgewicht: den ununterbrochenen Gegensatz zwischen den beiden imperialistischen Lagern. Der Krieg hat dieses Gleichgewicht gestört. Indem der Krieg anfänglich Deutschland ein gewaltiges Übergewicht verlieh, zwang er die Kleinstaaten, Heil und Rettung in der Grossmut des deutschen Militarismus zu suchen. Nachdem Deutschland geschlagen wurde, wandte sich die Bourgeoisie der Kleinstaaten gemeinsam mit ihren patriotischen »Sozialisten« dem siegreichen Imperialismus der Verbündeten zu und begann in den heuchlerischen Punkten des Wilsonschen Programms Sicherungen für ihr weiteres selbständiges Fortbestehen zu suchen. Gleichzeitig ist die Zahl der Kleinstaaten gestiegen: aus dem Bestand der österreichisch-ungarischen Monarchie, aus den Teilen des Zarenreiches sonderten sich neue Staatswesen ab, die, kaum in die Welt gesetzt, sich gegenseitig wegen der staatlichen Grenzen an die Kehle springen. Unterdessen bereiten die alliierten Imperialisten solche Kombinationen von neuen und alten Kleinstaaten vor, um sie durch die Haftpflicht des gegenseitigen Hasses und allgemeiner Ohnmacht zu binden.

Die kleinen und schwachen Völker unterdrückend und vergewaltigend, sie dem Hunger und der Erniedrigung preisgebend, hören die Ententeimperialisten nicht auf, genau wie dies unlängst noch die Imperialisten der Zentralmächte taten, vom Selbstbestimmungsrecht der Völker zu sprechen, welches nunmehr in Europa wie in den übrigen Weltteilen vollständig zertreten daliegt.

Den kleinen Völkern eine freie Existenzmöglichkeit zu sichern vermag nur die proletarische Revolution, welche die produktiven Kräfte aller Länder aus der Enge der Nationalstaaten befreit, die Völker im engsten wirtschaftlichen Zusammenarbeiten auf der Grundlage eines allgemeinen Wirtschaftsplans vereinigt und auch dem kleinsten und schwächsten Volke die Möglichkeit gibt, frei und unabhängig die Angelegenheiten seiner nationalen Kultur zu führen, ohne Schaden für die vereinigte und zentralisierte Wirtschaft Europas und der ganzen Welt.

Der letzte Krieg, der nicht zuletzt ein Krieg um Kolonien gewesen, war gleichzeitig ein Krieg mit Hilfe der Kolonien. In nie dagewesenem Umfang wurde die Bevölkerung der Kolonien in den europäischen Krieg hineingezogen. Indier, Neger, Araber, Madagassen kämpften auf dem europäischen Festlande. Wofür? Für ihr Recht, auch weiterhin Knechte Englands und Frankreichs zu bleiben. Niemals zeigte sich die kapitalistische Herrschaft schamloser, nie wurde das Problem der kolonialen Sklaverei in solcher Schärfe aufgerollt wie jetzt.

Daher eine Reihe offener Aufstände und revolutionäre Gärung in allen Kolonien. In Europa selbst erinnerte Irland in blutigen Strassenkämpfen daran, dass es noch immer ein geknechtetes Land ist und sich als solches fühlt. Auf Madagaskar, in Annam [Vietnam, d.Red.] und in anderen Ländern haben. die Truppen der bürgerlichen Republik während des Krieges mehr als einen Aufstand der Kolonialsklaven zu unterdrücken gehabt. In Indien ist die revolutionäre Bewegung auch nicht einen Tag zum Stillstand gekommen, und in der letzten Zeit kam es zu dem grössten Arbeiterstreik in Asien, auf welchen die Regierung Grossbritanniens mit der Arbeit der Panzerautomobile in Bombay antwortete.

Auf solche Weise wurde die Kolonialfrage in ihrem ganzen Umfang nicht nur an dem grünen Tische des Diplomatenkongresses in Paris, sondern auch in den Kolonien selbst auf die Tagesordnung gestellt. Das Programm Wilsons bezweckt im besten Falle nur eine Änderung des Firmenschildes der Kolonialsklaverei. Die Befreiung der Kolonien ist nur zusammen mit der Befreiung der Metropolen möglich. Die Arbeiter und Bauern nicht nur von Annam, Algier, Bengalien, sondern auch von Persien und Armenien erhalten die Möglichkeit einer selbständigen Existenz erst dann, wenn die Arbeiter Englands und Frankreichs Lloyd-George und Clemenceau gestürzt und die Staatsmacht in ihre Hände genommen haben. In den mehrentwickelten Kolonien geht der Kampf schon jetzt nicht bloss unter dem Banner der nationalen Befreiung vor sich, sondern nimmt gleich einen offen ausgesprochenen sozialen Charakter an. Wenn das kapitalistische Europa die rückständigen Weltteile zwangsweise in den kapitalistischen Strudel hineingezogen hat, so wird das sozialistische Europa den befreiten Kolonien zu Hilfe kommen mit seiner Technik, seiner Organisation, seinem geistigen Einfluss, uni deren Übergang zur planmässig organisierten sozialistischen Wirtschaft zu erleichtern.

Kolonialsklaven Afrikas und Asiens! Die Stunde der proletarischen Diktatur in Europa wird auch die Stunde Eurer Befreiung sein!

• • •

Die gesamte bürgerliche Welt klagt die Kommunisten der Vernichtung der Freiheiten und der politischen Demokratie an. Zu Unrecht! Zur Herrschaft gelangt, stellt das Proletariat nur die volle Unmöglichkeit fest, die Methoden der bürgerlichen Demokratie anzuwenden und schafft Bedingungen und Formen einer neuen, höheren Arbeiterdemokratie. Der ganze Gang der kapitalistischen Entwicklung untergrub, besonders in der letzten imperialistischen Epoche, die politische Demokratie nicht nur dadurch, dass er die Nationen in zwei unversöhnliche Klassen spaltete, sondern auch dadurch, dass er die zahlreichen kleinbürgerlichen und halbproletarischen Schichten ebenso wie die Unterschichten des Proletariats zur bleibenden wirtschaftlichen Verkümmerung und politischen Ohnmacht verurteilte.

Die Arbeiterklasse derjenigen Länder, in denen die historische Entwicklung ihr dazu die Möglichkeit gegeben hat, hat das Regime der politischen Demokratie zur Organisation gegen das Kapital ausgenutzt. Dasselbe wird auch ferner in jenen Ländern geschehen, in denen die Vorbedingungen einer Arbeiterrevolution noch nicht herangereift sind. Aber die breiten Zwischenschichten auf dem flachen Lande wie in den Städten werden durch den Kapitalismus in ihrer historischen Entwicklung gehemmt und bleiben um ganze Epochen zurück. Der nicht über seine Kirchturmspitze hinaussehende badische und bayerische Bauer, der durch die grosskapitalistische Weinverfälschung zugrunde gerichtete französische kleine Weinbauer, der durch Bankiers und Abgeordnete ausgeplünderte und betrogene amerikanische Kleinfarmer, alle diese durch den Kapitalismus von der grossen Strasse der Entwicklung abgedrängten sozialen Schichten werden auf dem Papier durch das Regime der politischen Demokratie zur Verwaltung des Staates berufen. In Wirklichkeit aber fällt in allen wichtigen Fragen, welche die Geschicke der Völker bestimmen, die Finanzoligarchie ihre Entscheidungen hinter dem Rücken der parlamentarischen Demokratie. So war es vor allem in der Kriegsfrage, und dasselbe spielt sich jetzt in der Frage des Friedens ab.

Wenn es die Finanzoligarchie für nützlich hält, ihre Gewalttaten durch parlamentarische Abstimmungen zu decken, stehen dem bürgerlichen Staate zur Erreichung der erforderlichen Ziele alle von früheren Jahrhunderten der Klassenherrschaft geerbten und durch die Wunder der kapitalistischen Technik vervielfachten Mittel zur Verfügung: Lüge, Demagogie, Hetze, Verleumdung, Bestechung und Terror.

An das Proletariat die Forderung zu stellen, dass es im letzten Kampfe mit dem Kapitalismus, in dem es sich um Leben und Tod handelt, lammfromm den Forderungen der bürgerlichen Demokratie folge, hiesse, von einem Menschen, der sein Leben und seine Existenz gegen Räuber verteidigt, die Befolgung der künstlichen, bedingten Regeln des französischen Ringkampfes zu verlangen, die von seinem Feinde festgestellt von ihm aber nicht befolgt worden.

Im Reiche der Zerstörung, in dem nicht nur die Produktions- und Transportmittel, sondern auch die Institutionen der politischen Demokratie blutige Trümmer darstellen, muss das Proletariat seinen eigenen Apparat schaffen, der vor allem als Bindemittel für die Arbeiterklasse dient und ihr die Möglichkeit eines revolutionären Eingreifens in die weitere Entwicklung der Menschheit sichert. Dieser Apparat sind die Arbeiterräte. Die alten Parteien, die alten Gewerkschaften haben sich in der Person ihrer Führer unfähig erwiesen, die von der neuen Epoche gestellten Aufgaben zu verstehen, geschweige denn sie auszuführen. Das Proletariat schuf einen Apparat, der die gesamte Arbeiterschaft umfasst, unbeachtet des Berufs und der politischen Reife, einen elastischen Apparat, der fähig ist, sich immerwährend zu erneuern, zu erweitern, immer neue und neue Schichten in seine Sphäre hineinzuziehen, seine Türen den dem Proletariat nahestehenden arbeitenden Schichten der Stadt und des Dorfes zu öffnen. Diese unersetzliche Organisation der Selbstverwaltung der Arbeiterklasse, ihres Kampfes und in Zukunft auch der Eroberung der Staatsmacht ist durch die Erfahrung verschiedener Länder erprobt und stellt die grösste Errungenschaft und die mächtigste Waffe des Proletariats unserer Zeit dar.

In allen Ländern, in denen die Massen zum Denken erwacht sind, werden auch fernerhin Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte gebildet. Die Räte zu befestigen, ihre Autorität zu heben, sie dem Staatsapparat der Bourgeoisie entgegenzustellen – das ist jetzt die Hauptaufgabe der klassenbewussten und ehrlichen Arbeiter aller Länder. Mittels der Räte vermag die Arbeiterklasse sich vor der Zersetzung zu retten, die in ihre Mitte durch die Höllenqualen des Krieges, des Hungers, durch die Gewalttaten der Besitzenden und den Verrat der ehemaligen Führer hineingetragen wird. Mittels der Räte wird die Arbeiterklasse am sichersten und leichtesten in all den Ländern zur Macht gelangen, in denen die Räte die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung um sich vereinigen. Mittels der Räte wird die zur Macht gelangte Arbeiterklasse alle Gebiete des ökonomischen und kulturellen Lebens verwalten, wie dies zur Zeit in Russland schon der Fall ist.

Der Zusammenbruch des imperialistischen Staates, vom zaristischen bis zum meistdemokratischen, geht gleichzeitig mit dem Zusammenbruch des imperialistischen Militärsystems vor sich. Die vom Imperialismus mobilisierten Millionenarmeen konnten nur solange standhalten, als das Proletariat gehorsam unter dem Joche der Bourgeoisie verblieb. Der Zerfall der nationalen Einheit bedeutet auch einen unausbleiblichen Zerfall der Armee. So geschah es zuerst in Russland, dann in Österreich-Ungarn und Deutschland. Dasselbe ist auch in anderen imperialistischen Staaten zu erwarten. Der Aufstand des Bauern gegen den Gutsbesitzer, des Arbeiters gegen den Kapitalisten, beider gegen die monarchistische oder »demokratische« Bürokratie, führt unausweichlich zum Aufstand des Soldaten gegen das Kommando und im weiteren auch zu einer scharfen Spaltung zwischen den proletarischen und bürgerlichen Elementen der Armee. Der imperialistische Krieg, der eine Nation der anderen entgegenstellte, ging und geht in den Bürgerkrieg über, der eine Klasse der anderen entgegenstellt.

Das Gezeter der bürgerlichen Welt gegen den Bürgerkrieg und den roten Terror ist die ungeheuerlichste Heuchelei, die die Geschichte der politischen Kämpfe bisher aufzuweisen hat. Es würde keinen Bürgerkrieg geben, wenn nicht die Cliquen der Ausbeuter, die die Menschheit an den Rand des Verderbens gebracht haben, jedem Vorwärtsschreiten der arbeitenden Massen entgegengewirkt hätten, um ihre räuberischen Vorrechte aufrecht zu erhalten oder wiederherzustellen.

Der Bürgerkrieg wird der Arbeiterklasse von ihren Erzfeinden aufgezwungen. Die Arbeiterklasse muss Schlag mit Schlag beantworten, wenn sie sich nicht von sich selbst und von ihrer Zukunft, die zugleich die Zukunft der ganzen Menschheit ist, entsagen will. Indem die kommunistischen Parteien niemals den Bürgerkrieg künstlich heraufbeschwören, streben sie danach, seine Dauer nach Möglichkeit zu verkürzen, falls er zur eisernen Notwendigkeit geworden, die Zahl seiner Opfer zu verringern und vor allem – dem Proletariat den Sieg zu sichern. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit der rechtzeitigen Entwaffnung der Bourgeoisie, der Bewaffnung der Arbeiter, der Bildung einer kommunistischen Armee als Beschützerin der Macht des Proletariats und der Unantastbarkeit seines sozialistischen Aufbaus. Eine solche ist die Rote Armee Sowjetrusslands, welche zum Schutze der Errungenschaften der Arbeiterklasse gegen jeden Überfall von innen und von aussen entstanden ist. Die Rätearmee ist unzertrennbar von dem Rätestaat.

Im Bewusstsein des weltgeschichtlichen Charakters ihrer Aufgaben haben die aufgeklärten Arbeiter schon bei den ersten Schritten ihrer organisierten sozialistischen Bewegung nach einer internationalen Vereinigung gestrebt. Der Grundstein zu derselben wurde 1864 in London, in der Ersten Internationale, gelegt. Der deutsch-französische Krieg, aus dem das Deutschland der Hohenzollern erwachsen ist, untergrub die erste Internationale, indem er gleichzeitig zu der Entwicklung der nationalen Arbeiterparteien Anstoss gab. Schon im Jahre 1889 vereinigten sich diese Parteien auf dem Kongress in Paris und schufen die Organisation der Zweiten Internationale. Aber der Schwerpunkt der Arbeiterbewegung lag in dieser Periode gänzlich auf nationalem Boden, im Rahmen der nationalen Staaten, auf der Grundlage der nationalen Industrie, im Gebiete des nationalen Parlamentarismus. Jahrzehnte organisatorischer und reformatorischer Arbeit schufen eine Generation von Führern, die in ihrer Mehrheit das Programm der sozialen Revolution in Worten anerkannten, in Wirklichkeit aber es verleugneten und im Reformismus und in der Anpassung an den bürgerlichen Staat versumpften. Der opportunistische Charakter der leitenden Parteien der Zweiten Internationale entpuppte sich endgültig und führte zum grössten Zusammenbruch der Weltgeschichte im Moment, da der Lauf der Ereignisse von den Arbeiterparteien revolutionäre Kampfmethoden verlangte. Wenn der Krieg von 1870 der Ersten Internationale einen Schlag versetzte, indem er die Tatsache enthüllte, dass hinter dem sozialrevolutionären Programm noch keine geschlossene Macht der Massen stand, so tötete der Krieg von 1914 die Zweite Internationale, indem er zeigte, dass über den zusammengeschweissten Arbeitermassen Parteien stehen, die sich in untertänige Organe des bürgerlichen Staats verwandelten.

Dies bezieht sich nicht nur auf die Sozialpatrioten, die heute offen in dem Lager der Bourgeoisie zu ihren bevorzugten Vertrauenspersonen und zu verlässlichen Henkern der Arbeiterklasse geworden sind, sondern auch auf das verschwommene, unbeständige sozialistische Zentrum, das heute bemüht ist, die Zweite Internationale, d. h. die Beschränktheit, den Opportunismus und die revolutionäre Machtlosigkeit ihrer leitenden Spitzen, zu erneuern. Die Unabhängige Partei Deutschlands, die heutige Mehrheit der sozialistischen Partei Frankreichs, die Gruppe der Menschewiki in Russland, die Unabhängige Arbeiterpartei Englands und andere ähnliche Gruppen versuchen tatsächlich den Platz auszufüllen, den die alten offiziellen Parteien der Zweiten Internationale vor dem Kriege eingenommen hatten, indem sie wie früher mit Ideen des Kompromisses und der Einigung auftreten, auf diese Weise mit allen Mitteln die Energie des Proletariats paralysieren, die Krise in die Länge ziehen und somit das Elend Europas noch vergrössern. Der Kampf gegen das sozialistische Zentrum ist die notwendige Vorbedingung des erfolgreichen Kampfes gegen den Imperialismus.

Indem wir die Halbheit, Lügenhaftigkeit und Fäulnis der überlebten offiziellen sozialistischen Parteien verwerfen, fühlen wir, die in der Dritten Internationale vereinigten Kommunisten, uns als die direkten Fortsetzer der heroischen Anstrengungen und des Märtyrertums einer langen Reihe revolutionärer Generationen, von Babeuf bis Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg.

Wenn die Erste Internationale die künftige Entwicklung vorausgesehen und ihre Wege vorgezeichnet, wenn die Zweite Internationale Millionen Proletarier gesammelt und organisiert hat, so ist die Dritte Internationale die Internationale der offenen Massenaktion, der revolutionären Verwirklichung, die Internationale der Tat.

Die sozialistische Kritik hat die bürgerliche Weltordnung genügend gebrandmarkt. Die Aufgabe der internationalen kommunistischen Partei besteht darin, diese Ordnung umzustürzen und an ihrer Stelle das Gebäude der sozialistischen Ordnung zu errichten.

Wir fordern die Arbeiter und Arbeiterinnen aller Länder auf, sich unter dem kommunistischen Banner zu vereinigen, unter dessen Zeichen die ersten grossen Siege bereits erfochten sind.

Proletarier aller Länder! Im Kampfe gegen die imperialistische Barbarei, gegen die Monarchien, gegen die privilegierten Stände, gegen das bürgerliche Eigentum, gegen alle Arten und Formen der sozialen oder nationalen Bedrückung – vereinigt Euch!

Unter dem Banner der Arbeiterräte, des revolutionären Kampfes für die Macht und die Diktatur des Proletariats, unter dem Banner der Dritten Internationale, Proletarier aller Länder vereinigt Euch!

Gen. Platten. Über alle Resolutionen wird später abgestimmt werden. Jetzt kommt der Punkt »Weisser Terror«. Die Resolution ist eingebracht worden von den finnischen Genossen. Das Wort hat Genosse Sirola.

Gen. Sirola verliest die Resolution. Sie lautet:

Weisser Terror (Resolution über den Weissen Terror)

Das kapitalistische System war von Anfang an ein System des Raubes und Massenmordes. Die Schrecken der ursprünglichen Akkumulation, die Kolonialpolitik, welche mit Bibel, Syphilis und Schnaps auch schonungslose Ausrottung ganzer Stämme und Völker mit sich führte, Elend, Hungertod, Erschöpfung und vorzeitiger Untergang unzähliger Millionen von ausgebeuteten Proletariern, blutige Unterdrückung der Arbeiterklasse, wenn sie sich gegen ihre Ausbeuter erhob, endlich das riesige ungeheure Gemetzel, das die Weltproduktion in eine Produktion von Menschenkadavern verwandelte, das ist das Bild der kapitalistischen Ordnung.

Gleich mit dem Anfang des Krieges haben die herrschenden Klassen, die auf den Schlachtfeldern mehr als zehn Millionen Menschen gemordet, noch viel mehr verkrüppelt haben auch im Innern der Länder das Regime der blutigen Diktatur eingesetzt. Die russische zaristische Regierung schoss und hängte die Arbeiter, organisierte Judenpogrome, rottete alles Lebendige im Lande aus. Die österreichische Monarchie erdrosselte im Blute den Aufstand der ukrainischen und tschechischen Bauern und Arbeiter. Die englische Bourgeoisie schlachtete die besten Vertreter des irländischen Volkes. Der deutsche Imperialismus wütete im Innern seines Landes, und die revolutionären Matrosen waren die ersten Todesopfer dieser Bestie. In Frankreich knallte man die russischen Soldaten nieder, die nicht willig waren, die Profite der französischen Bankiers zu verteidigen. In Amerika lynchte die Bourgeoisie die Internationalisten, verurteilte Hunderte der besten Leute des Proletariats zu zwanzig Jahren Zuchthaus, schoss die Arbeiter wegen der Streiks nieder.

Als der imperialistische Krieg anfing, sich in den Bürgerkrieg zu verwandeln, und vor den herrschenden Klassen, diesen grössten Verbrechern, die die Menschengeschichte je kannte, ganz nahe die Gefahr des Untergangs ihres Blutregimes stand, wurde ihre Bestialität noch grausamer.

Im Kampf für die Aufrechterhaltung der kapitalistischen Ordnung wendet sich die Bourgeoisie zu den unerhörtesten Methoden, vor denen alle Grausamkeiten des Mittelalters, der Inquisition, des Kolonialraubes erblassen.

Die bürgerliche Klasse, die, am Rande ihres Grabes stehend, jetzt die wichtigste Produktivkraft der menschlichen Gesellschaft – das Proletariat – physisch vernichtet, hat sich durch diesen weissen Terror in ihrer vollen abscheulichen Nacktheit blossgestellt.

Die russischen Generäle, diese lebendige Verkörperung des Zarenregimes, schossen und schiessen auch jetzt die Arbeiter massenhaft nieder, und zwar mit direkter oder indirekter Unterstützung der Sozialverräter. Während der Herrschaft der Sozialrevolutionäre und Menschewiki in Russland füllten Tausende von Arbeitern und Bauern die Gefängnisse, und die Generäle rotteten für Ungehorsam ganze Regimenter aus. Jetzt haben Krasnow und Denikin, die die wohlwollende Mitarbeit der Ententemächte geniessen, Zehntausende von Arbeitern totgeschlagen und aufgehängt, »jeden Zehnten« niedergeschossen; sie liessen sogar die Leichen der Aufgehängten zur Terrorisierung der noch Gebliebenen drei Tage am Galgen hängen. Im Ural und Wolgagebiet schnitten die tchechoslowakisch-weissgardistischen Banden den Gefangenen die Beine und Hände ab, liessen sie in der Wolga ersäufen, sie lebendig begraben. In Sibirien schlugen die Generäle Tausende von Kommunisten nieder, vernichteten eine unzählige Menge von Arbeitern und Bauern.

Die deutschen und österreichischen Bourgeois und die Sozialverräter haben ihre Kannibalennatur zur Genüge gezeigt, als sie in der Ukraine auf transportablen eisernen Galgen die von ihnen beraubten Arbeiter und Bauern, die Kommunisten, ihre eigenen Landeskinder, unsere österreichischen und deutschen Genossen, hängten. In Finnland, diesem Lande des bürgerlichen Demokratismus, haben sie den finnischen Bourgeois geholfen, dreizehn bis vierzehn Tausend Proletarier zu erschiessen und mehr als fünfzehn Tausend in den Gefängnissen zu Tode zu quälen.

In Helsingfors trieben sie Frauen und Kinder als Schutz gegen Maschinengewehrfeuer vor sich her. Durch ihre Unterstützung wurden den finnischen Weissgardisten und den schwedischen Helfershelfern die blutigen Orgien gegen das besiegte finnische Proletariat möglich gemacht. In Tammerfors zwang man die zum Tode verurteilten Frauen, ihre Gräber selbst zu graben. In Wiborg machte man Hunderte von finnischen und russischen Männern, Frauen und Kindern nieder.

Im Innern ihres Landes haben deutsche Bourgeois und deutsche Sozialdemokraten durch die blutige Unterdrückung des kommunistischen Arbeiteraufstandes, durch die bestialische Ermordung Liebknechts und Luxemburgs, durch Totschlagen und Vernichtung der spartakistischen Arbeiter die äusserste Stufe der reaktionären Wut erklommen. Der Massen- und der Individualterror der Weissen – das ist die Fahne, unter welcher die Bourgeoisie marschiert.

Dasselbe Bild ist auch in anderen Ländern gegeben.

In der demokratischen Schweiz ist alles bereit zur Hinrichtung der Arbeiter, falls sie es wagen würden, das kapitalistische Gesetz zu verletzen. In Amerika erscheinen das Zuchthaus, das Lynchgericht und der elektrische Stuhl als auserwählte Symbole der Demokratie und der Freiheit.

In Ungarn und in England, in Böhmen und Polen – überall dasselbe. Die bürgerlichen Mörder schrecken vor keinen Schandtaten zurück. Sie entflammen für Befestigung ihrer Herrschaft den Chauvinismus und organisieren zum Beispiel die ukrainische bürgerliche Demokratie mit dem Menschewik Petljura an der Spitze; die polnische – mit dem Sozialpatrioten Piłsudski an der Spitze und so weiter, ungeheure Judenpogrome, die weit über die von den Zarenpolizisten organisierten Pogrome hinausgehen. Und wenn das polnische reaktionäre und »sozialistische« Gesindel die Vertreter des Russischen Roten Kreuzes ermordet hat, ist das nur ein Tropfen im Meere von Verbrechen und Greueltaten des untergehenden bürgerlichen Kannibalismus.

Der »Völkerbund«, der nach den Erklärungen seiner Schöpfer den Frieden bringen soll, führt den Krieg gegen das Proletariat aller Länder. Die Ententemächte, die ihre Herrschaft retten wollen, bahnen mit schwarzen Truppen den Weg zu einem unglaublich brutalen Terror.

Indem der erste Kongress der Kommunistischen Internationale die kapitalistischen Mörder und ihre sozialdemokratischen Helfershelfer verflucht, ruft er die Arbeiter aller Länder auf, alle ihre Kräfte anzustrengen, um dem Mord- und Raubsystem durch die Niederwerfung der Macht des kapitalistischen Regimes auf immer ein Ende zu machen.

• • •

Gen. Lenin. Wir schlagen vor, dass alle sich von ihren Plätzen erheben zu Ehren aller Opfer des weissen Terrors.

Alle erheben sich, Gen. Lenin dankt.

Gen. Lenin. Das Wort hat Gen. Platten als Berichterstatter der Resolutionskommission.

Gen. Platten. Parteigenossen, nachdem alle Referate entgegengenommen sind, ist die Resolutionskommission zu dem Antrag gekommen, es möchten heute alle Resolutionen die Sanktion des Kongresses erhalten. Weil eine ganze Anzahl Punkte zu erledigen sind, müssen wir bitten, Diskussion wenn möglich zu vermeiden. Ich darf Sie versichern, die Kommission hat Stunden und Nächte gesessen, um möglichst alle Anregungen genau zu prüfen und ihnen weitmöglichst Rechnung zu tragen, und auch Inhalt und Form sind eingehend geprüft worden.

Wir kommen zu den Richtlinien. Sie lauten:

Richtlinien der Kommunistischen Internationale

angenommen vom Kongress der Kommunistischen Internationale in Moskau (2. bis 6. März 1919).

Die Widersprüche des kapitalistischen Weltsystems, die in seinem Schosse verborgen waren, äusserten sich mit kolossaler Kraft in einer riesigen Explosion – in dem grossen imperialistischen Weltkriege.

Der Kapitalismus versuchte seine eigene Anarchie durch Organisierung der Produktion zu überwinden. Anstatt zahlreicher konkurrierender Unternehmer bildeten sich mächtige Kapitalistenverbände (Syndikate, Kartelle, Trusts); das Bankkapital vereinigte sich mit dem Industriekapital; das ganze ökonomische Leben wurde von der finanzkapitalistischen Oligarchie beherrscht, die durch ihre Organisation auf Grund dieser Macht zur ausschliesslichen Herrschaft gelangte. Anstatt der freien Konkurrenz entstand das Monopol. Der einzelne Kapitalist wird zum Verbandskapitalisten. Wahnsinnige Anarchie wird durch Organisation ersetzt.

Aber indem die Anarchie der kapitalistischen Produktionsweise durch die kapitalistische Organisation in einzelnen Ländern ersetzt wird, werden die Gegensätze, der Konkurrenzkampf, die Anarchie in der Weltwirtschaft immer schärfer. Der Kampf zwischen den grössten organisierten Raubstaaten führte mit eiserner Notwendigkeit zu dem ungeheuren imperialistischen Weltkrieg. Profitgier trieb das Weltkapital zum Kampf für neue Absatzmärkte, neue Anlagesphären, neue Rohstoffquellen, billige Arbeitskräfte der kolonialen Sklaven. Die imperialistischen Staaten, die die ganze Welt unter sich aufgeteilt, die viele Millionen der afrikanischen, asiatischen, australischen, amerikanischen Proletarier und Bauern in Arbeitsvieh verwandelt hatten, mussten früher oder später in dem gewaltigen Zusammenstösse die wirkliche anarchische Natur des Kapitals zeigen. So entstand das grösste Verbrechen – der räuberische Weltkrieg.

Der Kapitalismus versuchte auch seine widerspruchsvolle soziale Struktur zu überwinden. Die bürgerliche Gesellschaft ist eine Klassengesellschaft. Das Kapital der grössten »zivilisierten« Staaten wollte die sozialen Gegensätze vertuschen. Auf Kosten der beraubten kolonialen Völker korrumpierte das Kapital seine Lohnsklaven, schuf die Interessengemeinschaft zwischen Ausgebeuteten und Ausbeutern gegenüber den unterdrückten Kolonien – gelben, schwarzen, roten Kolonialvölkern – fesselte die europäische und amerikanische Arbeiterschaft an das imperialistische Vaterland.

Aber dieselbe Methode der permanenten Korrumpierung, mit der der Patriotismus der Arbeiterklasse und ihre geistige Unterwerfung geschaffen wurde, hatte sich durch den Krieg in ihr Gegenteil verwandelt. Physische Vernichtung, vollständige Versklavung des Proletariats, ungeheurer Druck, Verelendung und Entartung, der Welthunger – das war der letzte Lohn für den Burgfrieden. Er brach zusammen. Der imperialistische Krieg verwandelte sich in den Bürgerkrieg.

Die neue Epoche ist geboren! Die Epoche der Auflösung des Kapitalismus, seiner inneren Zersetzung. Die Epoche der kommunistischen Revolution des Proletariats.

Das imperialistische System bricht zusammen. Gärung in den Kolonien, Gärung unter den früher unselbständigen kleinen Nationen, Aufstände des Proletariats, siegreiche proletarische Revolution in einigen Ländern. Auflösung der imperialistischen Armeen, vollständige Unfähigkeit der herrschenden Klassen, die Geschicke der Völker weiter zu leiten – dies ist das Bild der jetzigen Zustände in der ganzen Welt.

Der Menschheit, deren ganze Kultur jetzt in Trümmern liegt, droht die Gefahr vollständiger Vernichtung. Es gibt nur eine Kraft, die sie retten kann, und diese Kraft ist das Proletariat. Die alte kapitalistische »Ordnung« existiert nicht mehr, sie kann nicht mehr bestehen. Das Endresultat der kapitalistischen Produktionsweise ist das Chaos. Und dieses Chaos kann nur die grösste, produktive Klasse überwinden: die Arbeiterklasse. Sie muss eine wirkliche Ordnung schaffen, die kommunistische Ordnung. Sie muss die Herrschaft des Kapitals brechen, die Kriege unmöglich machen, die Grenzen der Staaten vernichten, die ganze Welt in eine für sich selbst arbeitende Gemeinschaft verwandeln, die Verbrüderung und Befreiung der Völker verwirklichen.

Dagegen rüstet sich das Weltkapital zum letzten Kampf. Unter dem Deckmantel des »Völkerbundes« und eines pazifistischen Phrasenschwalls macht es die letzten Anstrengungen, die spontan zerfallenden Teile des kapitalistischen Systems wieder zusammenzukleben und seine Kräfte gegen die immer mehr wachsende proletarische Revolution zu richten.

Diese neue ungeheure Verschwörung der Kapitalistenklasse muss das Proletariat mit der Eroberung der politischen Macht beantworten, diese Macht gegen seine Klassenfeinde richten und als Hebel der ökonomischen Umwälzung in Bewegung setzen. Der endgültige Sieg des Proletariats der Welt bedeutet. den Anfang wirklicher Geschichte der befreiten Menschheit.

1. Die Eroberung der politischen Macht

Die Eroberung der politischen Macht durch das Proletariat bedeutet die Vernichtung der politischen Macht der Bourgeoisie. Das stärkste Machtmittel der Bourgeoisie ist der bürgerliche Staatsapparat mit seiner kapitalistischen Armee unter Führung bürgerlich-junkerlicher Offiziere, seiner Polizei und Gendarmerie, seinen Kerkermeistern und Richtern, seinen Pfaffen, Staatsbeamten usw. Die Eroberung der politischen Macht bedeutet nicht nur einen Personenwechsel in Ministerien, sondern die Vernichtung des feindlichen Staatsapparats, die Eroberung der wirklichen Kraft, die Entwaffnung der Bourgeoisie, der gegenrevolutionären Offiziere, der weissen Garde und die Bewaffnung des Proletariats, der revolutionären Soldaten, der roten Arbeitergarde; die Beseitigung aller bürgerlichen Richter und die Organisation des proletarischen Gerichts; die Aufhebung der Herrschaft der reaktionären Staatsbeamten und die Schaffung neuer Verwaltungsorgane des Proletariats. Der Sieg des Proletariats liegt in der Desorganisation der feindlichen, der Organisation der proletarischen Macht; er besteht in der Zertrümmerung des bürgerlichen, im Aufbau des proletarischen Staatsapparats. Nur nachdem das Proletariat den Sieg errungen, den Widerstand des Bürgertums gebrochen hat, kann es seine früheren Gegner der neuen Ordnung nützlich machen, indem es sie unter seine Kontrolle stellt und allmählich zur Arbeit des kommunistischen Aufbaus heranzieht.

2. Die Demokratie und die Diktatur

Der proletarische Staat ist wie jeder Staat ein Unterdrückungsapparat, aber er richtet sich gegen die Feinde der Arbeiterklasse. Sein Zweck ist, den Widerstand der Ausbeuter, die im Verzweiflungskampf alle Mittel anwenden, um die Revolution im Blute zu ersticken, zu brechen, ihn unmöglich zu machen. Die Diktatur des Proletariats, die diesem offen die bevorzugte Stellung in der Gesellschaft gibt, ist andererseits eine provisorische Einrichtung. In dem Masse, in dem der Widerstand der Bourgeoisie gebrochen, diese expropriiert und allmählich zu einer arbeitenden Schicht wird, verschwindet die proletarische Diktatur, der Staat stirbt ab und mit ihm die Klassen selbst.

Die sogenannte Demokratie, d. h. die bürgerliche Demokratie, ist nichts anderes, als die versteckte Diktatur der Bourgeoisie. Der vielgepriesene allgemeine »Volkswille« existiert ebenso wenig, wie das einheitliche Volk. In Wirklichkeit existieren die Klassen mit gegensätzlichem, unvereinbarem Willen. Da aber die Bourgeoisie eine kleine Minderheit ist, so braucht sie diese Fiktion, die Vortäuschung des nationalen »Volkswillens«, um unter diesem gut klingenden Titel die Herrschaft über die arbeitenden Klassen zu befestigen und diesen ihren eigenen Klassenwillen aufzuzwingen. Demgegenüber übt das Proletariat als übergrosse Mehrheit der Bevölkerung ganz offen die Klassengewalt seiner Massenorganisation, seiner Räte aus, um die Vorrechte der Bourgeoisie zu beseitigen und den Übergang zur klassenlosen kommunistischen Gesellschaft zu sichern.

In der bürgerlichen Demokratie liegt das Hauptgewicht in den rein formellen Deklarationen der Rechte und Freiheiten, die aber gerade für das arbeitende Volk, für die Proletarier und Halbproletarier, die keine materiellen Mittel haben, unerreichbar sind, während die Bourgeoisie ihre materiellen Mittel ausnutzt, um durch ihre Presse und ihre Organisationen das Volk zu belügen und zu betrügen. Demgegenüber legt das Rätesystem, dieser neue Typus der Staatsgewalt, das Hauptgewicht darauf, dem Proletariat die Möglichkeit zu geben, seine Rechte und Freiheiten zu verwirklichen. Die Rätemacht gibt die besten Paläste, Häuser, Druckereien, Papiervorräte usw. dem Volke für seine Presse, seine Versammlungen, seine Vereine. Und nur damit ist die wirkliche proletarische Demokratie erst möglich.

Die bürgerliche Demokratie mit ihrem parlamentarischen System täuscht nur durch Worte den Massen den Anteil an der Staatsverwaltung vor. In der Tat sind die Massen und ihre Organisationen von der wirklichen Macht und von der wirklichen Staatsverwaltung ferngehalten. Im Rätesystem verwalten die Massenorganisationen und durch sie die Masse selbst den Staat, indem die Räte die immer wachsende Menge der Arbeiter zur Staatsverwaltung heranzieht; nur dadurch wird allmählich das ganze arbeitende Volk an der wirklichen Staatsverwaltung beteiligt. Das Rätesystem stützt sich also auf die Massenorganisationen des Proletariats, auf die Räte selbst, die revolutionären Gewerkschaften, Kooperationen usw.

Die bürgerliche Demokratie und das parlamentarische System verschärfen durch Teilung in legislative und exekutive Gewalt, durch unwiderrufliche parlamentarische Mandate die Trennung der Massen vom Staate. Das Abberufungsrecht im Rätesystem, die Vereinigung der legislativen und exekutiven Gewalt, die Eigenschaft der Räte als arbeitende Kollegien vereinigen demgegenüber die Massen mit den Verwaltungsorganen. Diese Verbindung wird auch dadurch gefördert, dass im Rätesystem die Wahlen selbst nicht nach künstlichen territorialen Bezirken, sondern nach den Produktionseinheiten stattfinden.

So verwirklicht das Rätesystem die wahre proletarische Demokratie, die Demokratie für und innerhalb des Proletariats gegen die Bourgeoisie. Das industrielle Proletariat wird in diesem System bevorzugt als die führende, bestorganisierte, politisch reifste Klasse, unter deren Hegemonie die Halbproletarier und die Kleinbauern auf dem Lande allmählich erhoben werden. Diese provisorischen Vorrechte des industriellen Proletariats müssen ausgenutzt werden, um die ärmeren kleinbürgerlichen Massen auf dem Lande dem Einfluss der ländlichen Grossbauern und der Bourgeoisie zu entziehen und sie zu Mitarbeitern am kommunistischen Bau zu organisieren und zu erziehen.

3. Die Enteignung der Bourgeoisie und die Sozialisierung der Produktion

Die Auflösung der kapitalistischen Ordnung und der kapitalistischen Arbeitsdisziplin macht den gegebenen Klassenverhältnissen die Wiederherstellung der Produktion auf früherer Basis unmöglich. Lohnkämpfe der Arbeiter bringen – auch wenn sie erfolgreich sind – nicht die erhoffte Hebung ihrer Lebenslage, da der sprungweise sich erhöhende Kaufpreis aller Bedarfsgüter jeden Erfolg illusorisch macht. Die Lebenslage der Arbeiter kann nur dann gehoben werden, wenn nicht die Bourgeoisie, sondern das Proletariat selbst die Produktion beherrscht. Die gewaltigen Lohnkämpfe der Arbeiter in allen Ländern, in denen deutlich die verzweifelte Lage zum Ausdruck kommt, verunmöglichen durch ihre elementare Wucht und Tendenz der Verallgemeinerung die Fortführung der kapitalistischen Produktion. Um die Produktivkräfte der Wirtschaft zu heben, um den Widerstand der Bourgeoisie, die die Agonie der alten Gesellschaft verlängert und damit zur Gefahr der vollständigen Ruinierung des Wirtschaftslebens führt, möglichst sofort zu brechen, muss die proletarische Diktatur die Enteignung der Grossbourgeoisie und des Junkertums durchführen und die Mittel der Produktion und des Verkehrs in gemeinsames Eigentum des proletarischen Staates verwandeln.

Der Kommunismus wird jetzt aus den Trümmern des Kapitalismus geboren; die Geschichte lässt der Menschheit keinen anderen Ausweg. Die Opportunisten, welche die utopische Forderung des Wiederaufbaus der kapitalistischen Wirtschaft stellen, um die Sozialisierung zu verschieben, verlängern nur den Auflösungsprozess und führen zur direkten Gefahr des vollen Unterganges. Die kommunistische Revolution ist in solcher Zeit das einzige Mittel, womit die wichtigste gesellschaftliche Produktivkraft – das Proletariat – und mit ihr die Gesellschaft selbst erhalten werden können.

Die proletarische Diktatur bringt keineswegs irgendwelche Aufteilung der Produktions- und Verkehrsmittel mit sich. Umgekehrt, ihr Zweck besteht darin, die Produktivkräfte noch mehr zu zentralisieren und die ganze Produktion einem einheitlichen Plane unterzuordnen.

Als erste Schritte zur Sozialisierung der gesamten Wirtschaft sind zu erwähnen: die Sozialisierung des Apparates der Grossbanken, die jetzt die Produktion leiten; die Eroberung aller wirtschaftlichen staatskapitalistischen Organe durch ihre Übernahme in die Staatsgewalt des Proletariats; die Übernahme aller kommunalen Unternehmungen; die Sozialisierung der syndizierten und trustierten Produktionszweige sowie auch solcher Produktionsbranchen, in denen die Konzentration und Zentralisation des Kapitals dies technisch erlaubt; die Sozialisierung der landwirtschaftlichen Güter und deren Verwandlung in gesellschaftlich geleitete landwirtschaftliche Betriebe.

Was die kleineren Betriebe betrifft, so muss das Proletariat sie allmählich vereinigen, je nach der Stufe ihrer Grösse.

Dabei ist ausdrücklich zu betonen, dass das Kleineigentum keineswegs expropriiert werden wird und dass die Eigentümer, die keine Lohnarbeit ausbeuten, auch keinen Gewaltmassregeln ausgesetzt werden. Diese Schicht wird allmählich in die sozialistische Organisation hineingezogen durch das Beispiel, durch die Praxis, die ihr die Vorzüge der neuen Ordnung zeigen wird, der Ordnung, die das Kleinbauerntum und das städtische Kleinbürgertum von dem wirtschaftlichen Druck des Wucherkapitals und Junkertums, von Steuerlast (speziell durch Annullierung der Staatsschulden) usw. befreien wird.

Die Aufgabe der proletarischen Diktatur auf ökonomischem Gebiet kann nur in dem Mass gelöst werden, in dem das Proletariat imstande sein wird, die zentralisierten Verwaltungsorgane der Produktion zu schaffen und die Arbeiterverwaltung zu verwirklichen. Dabei muss es notwendigerweise diejenigen seiner Massenorganisationen ausnutzen, welche am engsten mit dem Produktionsprozess verwachsen sind.

Auf dem Gebiet der Verteilung muss die proletarische Diktatur den Handel durch die richtige Verteilung der Produkte ersetzen; auf dem Wege dazu sind folgende Massnahmen zu erwähnen: die Sozialisierung der Grosshandelsgeschäfte, die Übernahme aller bürgerlich-staatlichen sowie auch munizipalen Verteilungsapparate durch das Proletariat; die Kontrolle über die grossen kooperativen Vereinigungen, deren Organisation in der Übergangsepoche noch eine grosse wirtschaftliche Rolle spielen wird; die allmähliche Zentralisation aller dieser Organe und deren Verwandlung in ein einheitliches Ganzes, das die Verteilung der Produkte rationell betreibt.

Wie auf dem Gebiete der Produktion, so auch auf dem Gebiete der Verteilung sind alle qualifizierten Techniker und Spezialisten heranzuziehen, wenn ihr politischer Widerstand gebrochen ist und sie schon fähig sind, sich nicht dem Kapital, sondern dem neuen Produktionssystem einzuordnen.

Das Proletariat wird sie nicht unterdrücken, sondern ihnen erst die Möglichkeit geben, die intensivste schöpferische Arbeit zu leisten. Die proletarische Diktatur wird die Trennung der physischen und geistigen Arbeit, die der Kapitalismus entwickelt hat, durch ihre Kooperation ersetzen und auf diese Weise Wissenschaft und Arbeit vereinigen.

Neben der Expropriation der Fabriken, Bergwerke, Güter usw. muss das Proletariat auch die Ausbeutung der Bevölkerung durch die kapitalistischen Hausbesitzer abschaffen, die grossen Häuser in die Hände der örtlichen Arbeiterräte geben, die Arbeiterschaft in die bürgerlichen Häuser übersiedeln usw.

Während dieser grossen Umwälzungsperiode muss die Rätegewalt ununterbrochen den ganzen Verwaltungsapparat immer zentralisierter aufbauen, andererseits aber eine immer grössere Schicht des arbeitenden Volkes zur unmittelbaren Verwaltung heranziehen.

4. Der Weg zum Siege

Die revolutionäre Epoche fordert vom Proletariat die Anwendung solcher Kampfmittel, die seine ganze Energie konzentrieren, nämlich die Methode der Massenaktionen und ihr logisches Ende – den direkten Zusammenstoss mit der bürgerlichen Staatsmaschine in offenem Kampfe. Diesem Ziele müssen alle anderen Methoden, wie z. B. die revolutionäre Ausnutzung des bürgerlichen Parlamentarismus, untergeordnet sein.

Die notwendige Voraussetzung eines solchen erfolgreichen Kampfes ist die Trennung nicht nur von den direkten Lakaien des Kapitals und den Henkern der kommunistischen Revolution, in welcher Rolle die rechten Sozialdemokraten erscheinen, sondern auch vom »Zentrum« (den »Kautskyanern«), das in den kritischsten Momenten das Proletariat verlässt, um mit dessen offenen Gegnern zu kokettieren.

Andererseits ist ein Block mit denjenigen Elementen der revolutionären Arbeiterbewegung notwendig, welche, obgleich sie früher der sozialistischen Partei nicht angehörten, jetzt im grossen und ganzen auf dem Standpunkt der proletarischen Diktatur in der Form der Rätemacht stehen, wie z. B. mit den entsprechenden Elementen des Syndikalismus.

Das Anwachsen der revolutionären Bewegung in allen Ländern, die Gefahr der Erstickung dieser Revolution durch das Bündnis der kapitalistischen Staaten, die Versuche der sozialverräterischen Parteien, sich zu einigen (die Bildung der gelben »Internationale« in Bern), um dem Wilsonschen Bunde Dienste zu leisten; endlich die absolute Notwendigkeit der Koordinierung der proletarischen Aktionen – alles das muss zur Gründung einer wirklich revolutionären und wirklich proletarischen Kommunistischen Internationale führen.

Die Internationale, die den Interessen der internationalen Revolution die sogenannten nationalen Interessen unterordnet, wird die gegenseitige Hilfe des Proletariats verschiedener Länder verkörpern, denn ohne wirtschaftliche und andere gegenseitige Hilfe wird das Proletariat nicht imstande sein, die neue Gesellschaft zu organisieren. Andererseits wird im Gegensatz zur gelben sozialpatriotischen Internationale der internationale proletarische Kommunismus die ausgebeuteten Kolonialvölker in ihren Kämpfen gegen den Imperialismus unterstützen, um den endgültigen Zusammenbruch des imperialistischen Weltsystems zu fördern.

Die kapitalistischen Verbrecher behaupteten am Anfang des Weltkrieges, sie verteidigten nur das gemeinsame Vaterland. Aber bald zeigte der deutsche Imperialismus durch seine blutigen Taten in Russland, in der Ukraine, in Finnland seine wirkliche Raubnatur. Jetzt demaskieren sich selbst vor den zurückgebliebenen Schichten der Bevölkerung die Ententestaaten als Welträuber und Mörder des Proletariats. Zusammen mit der deutschen Bourgeoisie und den Sozialpatrioten, mit heuchlerischen Phrasen über den Frieden auf den Lippen, erdrosseln sie mittels ihrer Kriegsmaschinen und verdummten barbarischen Kolonialsoldaten die Revolution des europäischen Proletariats. Unbeschreiblich ist der weisse Terror der bürgerlichen Kannibalen. Zahllos sind die Opfer der Arbeiterklasse. Ihre besten Führer – Liebknecht, Luxemburg – hat sie verloren.

Dagegen muss das Proletariat sich wehren, wehren um jeden Preis! Die Kommunistische Internationale ruft das ganze Weltproletariat zu diesem letzten Kampfe auf. Waffe gegen Waffe! Gewalt gegen Gewalt!

Nieder mit der imperialistischen Verschwörung des Kapitals!

Es lebe die internationale Republik der proletarischen Räte!

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Gen. Platten. Zum Punkt »Verschiedenes« haben wir von dem Gen. Reinstein eine Resolution zugestellt bekommen, die der Kongress zurückzuweisen für notwendig gefunden hat. Aber nach einer Erklärung des Gen. Reinstein ist ihm eröffnet worden, es stehe ihm frei, den Antrag unter dem Punkte »Verschiedenes« einzubringen. Die Kommission ist der Auffassung, es wäre eine Überweisung an das Büro angebracht. Es kann der Gedanke nicht von der Hand gewiesen werden, dass für einzelne Länder dieser Resolution eine grosse Bedeutung zukommt, aber wir glauben, das Büro könnte die Angelegenheit sehr wohl erledigen.

Ferner ist von dem Genossen Rutgers ein Antrag eingereicht, eine Resolution, die sich auf frühere Publikationen in der Presse stützt, in der die Japanische Sozialistische Partei zum Ausdruck bringt, dass sie gegen die Entsendung von japanischen Truppen nach Russland ist.

Gen. Rutgers schlägt vor: (verliest die Resolution von Rutgers).

Resolution der japanischen Sozialisten

»Wir Sozialisten Japans, versammelt in Tokio am 1. Mai 1917, entbieten der russischen Revolution, die wir mit Bewunderung verfolgen, unsere tiefste Sympathie.

Wir anerkennen, dass die russische Revolution einerseits eine politische Revolution der Bourgeoisie darstellt, die sich gegen den mittelalterlichen Absolutismus aufgelehnt hat, anderseits eine Revolution des Proletariats ist, das sich gegen den neuzeitlichen Kapitalismus erhoben hat.

Die Umwandlung der russischen Revolution in eine Weltrevolution ist nicht nur Sache der russischen Sozialisten, es ist dies die Aufgabe der Sozialisten der ganzen Welt.

Das kapitalistische Regime hat bereits in allen Ländern die höchste Stufe seiner Entwicklung erreicht. Wir durchleben die Periode des schon völlig gereiften. kapitalistischen Imperialismus.

Die Sozialisten aller Länder, sofern sie nicht den Ideologen des Imperialismus zum Opfer fallen wollen, müssen standhaft den Standpunkt der Internationale vertreten. Alle Kräfte des internationalen Proletariats müssen gegen unseren gemeinsamen Feind, den internationalen Kapitalismus, gerichtet werden. Nur wenn es diesen Weg einschlägt, wird das Proletariat imstande sein, seiner historischen Mission gerecht zu werden.

Die Sozialisten Russlands müssen alles, was in ihren Kräften steht, unternehmen, um dem Krieg ein Ende zu setzen und um dem Proletariat der kriegführenden Länder dazu zu verhelfen, die Waffen, die jetzt gegen die Brüder auf der andern Seite der Schützengräben gerichtet sind, gegen die herrschenden Klassen der eigenen Länder zu wenden.

Wir halten den Glauben an den Heldenmut der russischen Sozialisten und unserer Genossen in der ganzen Welt aufrecht.

Der Vollzugsausschuss der Sozialistischen Gruppe in Tokio.

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Das Büro beantragt eine Zustimmung zu dieser Resolution. Es ist dies eine Ermunterung für die japanischen Genossen, sich trotz ihrer schweren Lage der revolutionären Arbeit Weiter zu widmen.

Ferner ist von der Genossin Kollontaj ein Antrag eingegangen über die Notwendigkeit der Heranziehung der proletarischen Frauenkräfte zu der kommunistischen Partei. Ich werde denselben verlesen.

Der Antrag lautet:
»Der Kongress der Kommunistischen Internationale stellt fest, dass sowohl die Erfolge aller von ihm aufgestellten Aufgaben, wie auch der endgültige Sieg des Weltproletariats und die vollständige Abschaffung der kapitalistischen Ordnung nur durch den engverbundenen, gemeinsamen Kampf der Frauen und Männer der Arbeiterklasse gesichert sein können.
Die kolossal anwachsende Anwendung der Frauenkräfte in allen Branchen der Volkswirtschaft; die Tatsache, dass nicht weniger als die Hälfte aller Werte der Welt von Frauenhänden produziert wird; andererseits die Anerkennung der wichtigen Rolle, die die proletarischen Frauen beim Aufbau der neuen kommunistischen Gesellschaftsordnung spielen, insbesondere beim Übergang zum kommunistischen Haushalt, bei der Reform des Familienwesens und der Durchführung der sozialistischen, gesellschaftlichen Erziehung der Kinder, deren Aufgabe es ist, den Räterepubliken arbeitsfähige, von dem Geiste der Solidarität erfüllte Bürger zu schaffen – alles das macht es zur dringenden Aufgabe aller an die Kommunistische Internationale angeschlossenen Parteien, mit aller Kraft und Energie für die Gewinnung der proletarischen Frauen für die Parteien einzutreten und alle Mittel anzuwenden, um die Arbeiterinnen im Sinne der neuen Gesellschaftsformen und der kommunistischen Ethik im Sozial- und Familienwesen zu erziehen.
Die Diktatur des Proletariats kann nur unter dem regen und aktiven Anteil der Frauen der Arbeiterklasse verwirklicht und behauptet werden«.

Das Büro beantragt Zustimmung zu dieser Resolution. Wir teilen durchaus den Gedankengang, der darin zum Ausdruck kommt.

Ferner muss ich Kenntnis geben, dass dieser Kommission auch ein Schriftstück unterbreitet worden ist von dem Genossen Sadoul, der beabsichtigt, dieses Schriftstück dem Büro zu überweisen als eine Deklaration der französischen Delegation. Ich nehme an, da der Text den Genossen nicht bekannt ist, dass das Präsidium wohl wünscht, dass Genosse Sadoul den Kongress mit dem Text bekannt macht.

Gen. Lenin. Genosse Sadoul hat das Wort. Deutscher Text ist in 10 Exemplaren vorhanden, und der Genosse Sekretär wird ihn verteilen.

Gen.. Sadoul verliest das Memorandum.
Es lautet:

An die Arbeiter aller Länder

Der Erste Kongress der III. Internationale, der am 5. März 1919 im Kreml zusammengetreten ist, richtet an das russische revolutionäre Proletariat und an seine leitende Partei, die Kommunistische Partei der Bolschewiki, den Ausdruck seiner dankbaren Bewunderung.

Die gewaltige Revolution, die unternommen wurde, um die durch die Opportunisten zu lange korrumpierte sozialistische Doktrin zu den Quellen des Marxismus zurückzuführen, die übermenschlichen Anstrengungen, die seit fast anderthalb Jahren gemacht werden, um an die Stelle der alten bürgerlichen Welt eine neue kommunistische Gesellschaftsordnung zu setzen, sowohl auf dem Gebiete der moralischen und intellektuellen Kultur wie auf dem Gebiete des materiellen kollektiven oder individuellen, politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Lebens, die den Arbeitern aller Länder zu jeder Zeit verliehene Hilfe gegen ihre militaristischen und unterjochenden Regierungen, all das muss die allgemeine begeisterte Billigung der werktätigen Klassen aller Länder finden.

Ein ungeheurer Erfolg ist bereits in dem Aufbau einer auf Arbeit und Gleichheit begründeten Gesellschaft gezeitigt worden: die ganze Grossindustrie ist zu einem kollektiven, von dem Obersten Rat der Volkswirtschaft in seinem ganzen und von den Arbeiterkomitees im einzelnen geleiteten Werk geworden. Ein Arbeitergesetzbuch ist veröffentlicht worden, das eine Reihe Reformen, die das alte Minimumprogramm der Sozialdemokratischen Partei übertreffen, verwirklicht. Die Gerichte, Universitäten, Krankenhäuser, Paläste, kurz alle Organe des öffentlichen Lebens sind schon in der Tat in die Hände des Volkes übergegangen. Auf verschiedenen anderen Gebieten ist die Befreiung des Proletariats nicht etwa erst begonnen, sie ist verwirklicht.

Die Revolution dehnt ihre befreiende und regulierende Wirkung auch auf das flache Land aus: es genügt nicht, den Grund und Boden den Bauern zu geben und diese dem geistigen und materiellen Joch der Dorfwucherer zu entreissen. Diese Reformen sind bereits seit November 1917 und März 1918 durchgeführt. Gegenwärtig sind die Ausbeutung des befreiten Landes und die Organisation der Bebauung des Grund und Bodens auf kommunistischer Basis rege begonnen, in den Dorfgemeinden, wie auch allen grossen nationalen Besitzungen, auf welchen Gebieten der Staat die letzten Erfindungen der agronomischen Wissenschaft anwendet und ein fruchtbares Beispiel musterhafter Ausbeutung liefert.

Das direkte Ziel all dieser Reformen besteht darin, dass die Arbeitsproduktivität und somit der Wohlstand des Volkes gefördert werde.

Es ist jedoch nicht die Schuld der Sowjetordnung und des Bolschewismus, wenn dieses Ziel bis jetzt nicht erreicht worden ist, wenn die Bevölkerung der russischen Zentren unter Hunger und dem zunehmenden Mangel an fertigen Produkten leidet. Denn diese Ordnung und der Bolschewismus allein haben ganz im Gegenteil dem anarchischen Chaos, das Kerenski und die bürgerliche Demokratie hervorgerufen haben, ein radikales Ende bereitet; sie allein haben dem Lande die Möglichkeit gegeben, sein wirtschaftliches Leben noch soweit zu erhalten, wie es der Fall ist.

Die Verantwortung für die Krise fällt allein auf die inneren und äusseren Feinde der Rätemacht, da diese durch Sabotage, Verschwörungen und militärische Interventionen Russland gezwungen haben, einen grossen Teil seiner Kräfte, Hilfsquellen und Mittel zur Schaffung eines neuen Heeres zu verwenden.

Trotz der heissen Friedenssehnsucht wurde diese Notwendigkeit von dem ganzen russischen Volke mutig eingesehen und angenommen; man kennt den grossen Erfolg, den die Sowjetregierung in der Ausführung dieser ungeheuren Aufgabe geerntet hat. Man kann den Bolschewismus beschuldigen, und das beste Mittel, um sich davon zu überzeugen, ob die Schuld an ihm liegt oder nicht, wäre, dass die Ententemächte davon ablassen würden, die Sowjetmacht zur militärischen Verteidigung zu zwingen.

Dazu müssen dieselben nicht nur unterlassen, bewaffnete Truppen nach Russland zu senden und dessen Häfen zu besetzen, sondern sie müssen auch auf jeden inneren Einfluss verzichten, aufhören, die konterrevolutionären Banden, die sich ohne äusserliche Stütze der Entente von selbst schnell auflösen würden, mit ihrem Gelde, ihren Waffen und Technikern zu unterstützen.

Alsdann könnten die Soldaten der Roten Armee zu ihren Familien zurückkehren, und die besten Arbeiter, die ergebensten Organisatoren, die bewährtesten Ingenieure ständen sofort zur Verfügung. Ihre Tätigkeit auf dem Gebiete der Friedensproduktion wurde aufs schnellste die ansehnlichsten Resultate zeitigen.

Man muss jedoch nicht ausser acht lassen, dass die junge russische Industrie nie ohne ausländische Kräfte ausgekommen ist. Die Entente paralysiert die neue wirtschaftliche Organisation, indem sie den ausländischen Spezialisten, die in der Tat die russische Industrie leiteten, die Rückkehr nach Russland verbietet. Sie behindert die Einrichtung und den Unterhalt der Fabriken, den Transport von Rohstoffen und Heizmaterial, sie gibt die Industrie dem Ruin und das Volk der Arbeitslosigkeit preis, indem sie die Einfuhr jeglicher Maschinen, Waggons und Lokomotiven nach Russland verbietet. Der Mangel an Transportmaterial macht die Versorgung der Städte mit Nahrungsmitteln unmöglich. Die Ernten selbst sind in Gefahr, da der Bauer die unentbehrlichen landwirtschaftlichen Maschinen und Instrumente, die sämtlich von dem Ausland geliefert wurden, nicht mehr erhält.

Wiederholt hat die Räterepublik offiziell den Wunsch ausgedrückt, die Hilfe der ausländischen Industrie und Spezialisten auch ferner in Anspruch zu nehmen; sie erklärte sich bereit, deren Dienste, die für das gegenwärtige Gedeihen des wirtschaftlichen Lebens Russlands unentbehrlich sind, teuer zu bezahlen. Jedoch, ohne sich überhaupt die Mühe zu geben, auf diese Vorschläge zu antworten, übt die Entente auf Russland – ja selbst auf die Zentralmächte und die neutralen Länder – durch Drohungen und Gewalttätigkeiten eine strenge Blockade aus.

Die werktätigen Massen aller Länder müssen von ihren Regierungen den aufrichtig gemeinten Verzicht auf jegliche direkte oder indirekte Intervention gegen Sowjetrussland verlangen. Um nun diesen Forderungen eine Form zu geben, schlägt der Kongress der III. Internationale allen Völkern folgendes Aktionsprogramm vor.

Die Ehre, die Unabhängigkeit, das elementare Interesse des Proletariats aller Länder fordern, dass es sofort handle, um mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, wenn erforderlich mit revolutionären Mitteln, folgendes durchzusetzen.
1. Die Nichteinmischung der Entente in die inneren Angelegenheiten Sowjetrusslands.
2. Die sofortige Rückberufung aller sich augenblicklich in Russland befindenden europäischen und asiatischen Truppen der Verbündeten.
3. Das Aufgeben jeglicher direkten oder indirekten Interventionspolitik, sei es in Form von Provozierung oder materieller oder moralischer Unterstützung der russischen Gegenrevolutionäre oder der reaktionären Randländer Russlands.
4. Die Annullierung der Verträge, die schon abgeschlossen sind und welche die eigene Intervention oder diejenige der russischen Gegenrevolutionäre oder der Nachbarn des russischen Staates bezwecken; die sofortige Rückkehr der diplomatischen und militärischen Missionen in ihre respektiven Länder, welche die Ententeregierungen nach Nord- und Südrussland, Rumänien, Polen, Finnland, die tschechischen Länder delegiert haben, um daselbst den Kampf gegen die Räterepubliken zu provozieren.
5. Die Anerkennung der Rätemacht, die nach 18-monatlichem Bestehen fester und populärer als je ist.
6. Die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen,. unter welcher auch die Delegierung offizieller (sozialistischer) Vertreter nach Russland und die Anerkennung russischer Vertreter im Ausland verstanden wird.
7. Die Zulassung Delegierter der Sowjetregierung als Vertreter und zwar als alleinige Vertreter des russischen Volkes zum Friedenskongress. Ein europäischer Friede, der ohne Russland erörtert und geschlossen würde, wäre nur ein höchst unsicherer Friede. Es wäre gehässig und lächerlich, die Hampelmänner, die die verschiedenen regionalen, von den Verbündeten künstlich geschaffenen Regierungen bilden, die nur dank der Unterstützung der Entente existieren und die übrigens kaum einige persönliche Wünsche und Interessen vertreten, als Vertreter ganz Russlands oder eines Teiles Russlands ohne die Bolschewiki oder selbst an ihrer Seite zuzulassen.
8. Abbruch der wirtschaftlichen Blockade, deren Fortsetzung Russland in Kürze dem industriellen Ruin und der Hungersnot preisgeben würde.
9. Die Wiederaufnahme der Handelsbeziehungen und der Abschluss eines wirtschaftlichen Vertrags.
10. Die Delegierung einiger hundert oder eher einiger tausend Organisatoren nach Russland, Ingenieure, Werkführer und bewährter Arbeiter, besonders Metallarbeiter, die der jungen sozialistischen Republik auf industriellem Gebiet entschiedene Hilfe leisten würden, vor allem in bezug auf die wichtigste Aufgabe: die Wiederherstellung des Rollmaterials, der Eisenbahnen und die Organisation des Transports.

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Gen. Lenin. Wünscht jemand, dass man den französischen oder den deutschen Text verlese? Es ist nicht der Fall. Gen. Guilbeaux hat das Wort.

Gen. Guilbeaux (übersetzt von Gen. Kollontaj). Genosse Guilbeaux teilt hier zuerst mit, das letzte Mal, als er mit den russischen Genossen in Verbindung stand und diese die Schweiz verliessen, habe er gesagt: das nächste Mal sehen wir uns in Russland wieder. Und das ist tatsächlich der Fall. Jetzt wohnt Genosse Guilbeaux hier einem grossen Ereignis, der Gründung der III. Kommunistischen Internationale, der wahren Internationale, bei. Die II. Internationale hatte den Fehler, dass sie bürgerlich und opportunistisch war. Im Jahre 1914 gingen die Opportunisten zu der bürgerlichen Partei über und schlossen ein Bündnis mit ihr. Als jetzt die Berner Konferenz stattfand, da reichte der Mörder von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg die Hand Thomas, dem Mörder von so vielen Hunderttausenden von Soldaten, da er den Krieg unterstützt hat. Aber jetzt bleiben alle diese Leute ausserhalb der neuen Internationale, die nun gebildet ist. Die grösste Gefahr für die neue Internationale aber sind die schwankenden Elemente wie Kautsky und Longuet, diese Elemente, die einerseits für Lenin und Trotzki eintreten und sich als Freunde der neuen Bewegung äussern, aber gleichzeitig auch mit Wilson ein gemeinsames Spiel führen. Loriot, der Vertreter Frankreichs auf der Berner Konferenz, hat in seiner Rede festgestellt, dass die Zimmerwalder Bewegung jetzt tot sei und dass es jetzt in der ganzen Welt eigentlich nur zwei Lager gäbe: auf einer Seite die Bourgeoisie, auf der anderen Seite die Kommunisten, und im Namen der französischen Zimmerwalder erklärt Genosse Guilbeaux dass er auch der Meinung ist, dass die Zimmerwalder Bewegung tot sei, aber dass er jetzt die neue Internationale begrüsse, die Internationale, die lebendig und arbeitsfähig ist, und ihre Siege auch noch weiter entwickeln wird.

Gen. Lenin. Im Auftrag der Resolutionskommission hat das Wort Gen. Platten.

Gen. Platten. Es folgt der Punkt »Berner Konferenz«. Diese Resolution ist Ihnen vom Genossen Sinowjew verlesen worden. Die Durchsicht hat stattgefunden, zu Abänderungen liegt kein Anlass vor. Die Kommission beantragt Zustimmung.

Gen. Lenin. Ist jemand dagegen? Es ist nicht der Fall. Die Resolution wird angenommen.

Gen. Platten. Zu dem Punkte »Thesen über die internationale Lage« ist die Kommission nach eingehender Beratung dazu gekommen, zu beantragen, den letzten Absatz dieser Thesen, der über die Aufgaben des internationalen Proletariats spricht, zu streichen. Diese Streichung soll erfolgen, weil über die Aufgaben des Proletariats in bezug auf die Politik in all den anderen Tagespunkten schon genügend gesagt ist und daher eine Wiederholung als überflüssig betrachtet werden kann. Die Kommission beantragt Streichung des letzten Absatzes.

Gen. Lenin. Sind keine Einwendungen dagegen? Meldet sich jemand zur Diskussion? Es ist nicht der Fall, der Antrag wird angenommen.

Gen. Platten. Es folgt das Manifest des Genossen Trotzki. Sie haben dasselbe angehört. Es ist in einer langen Nachtsitzung des genauesten geprüft worden, und es ist selbstverständlich, dass es Aufgabe des Büros ist, sofort an die weitgehendste Verbreitung des Manifestes heranzutreten. Wir beantragen Zustimmung.

Gen. Lenin. Wünscht jemand das Wort in. dieser Frage? Niemand.

Gen. Platten. Die Kommission hat dann noch beschlossen, dass bei der Veröffentlichung dieses Manifests eine Unterzeichnung stattfinden soll und zwar indem die Organisation aufgezeichnet und der Name der betreffenden Delegierten, die am Kongress teilgenommen haben, unter dem Manifest stehen soll. Es ist dies von ausländischen Delegierten, die einzig aus konspirativen Gründen Einwendung hätten machen können, beantragt worden. Es findet also eine Unterzeichnung der anwesenden Stimmberechtigten auf dem Kongress statt.

Nun zum Punkt: Weisser Terror. Sie haben heute aus dem Munde des Genossen Sirola die Resolution vernommen. Die Kommission stimmt dieser Resolution ohne Abänderung zu.

Gen. Lenin. Wünscht jemand das Wort dazu? Es ist nicht der Fall. Jetzt gehen wir zur Organisationsfrage über.

Gen. Platten. Genossen, die Organisation ist eine Frage gewesen, die die Kommission ausserordentlich lange beschäftigt hat. Es ist die Frage, in welcher Form man rasch zu einer gut fundierten Organisation gelangen kann. Es ist von der Kommission gesagt worden, dass man sich zwei leitende Instanzen geben soll, ein Exekutivkomitee und ein Büro. Nun ist bei der Erörterung der Frage des Exekutivkomitees gesagt worden, es sei wünschenswert, dass in demselben Vertreter der unserer Organisation angeschlossenen Länder figurieren sollen und dass der Sitz in Moskau sein soll, wobei vorausgesetzt wurde, dass dem Büro und dem Exekutivkomitee die Berechtigung übertragen sei, die eventuell nötige Verlegung des Wohnortes vorzunehmen. Wir, die wir als Delegierte hier sind, sind gezwungen in unsere Länder zurückzukehren, Bericht zu erstatten, sie zu veranlassen, den Beschlüssen nachzukommen, also zur Absendung eines Delegierten ins Exekutivkomitee nach Moskau zu schreiten. Es wird einige Zeit vergehen, bis diese Delegierten hier sind, und es entsteht die Frage, wer inzwischen die notwendigen Arbeitslasten tragen soll. Wir haben einen Weg gefunden und schriftlich fixiert, den wir Ihnen in Namen der Kommission vorschlagen. Der Text ist kurz, und erst in späterer Zeit wird ein endgültiges Statut geschaffen. Der Text lautet:
»Um ohne Aufschub die Tätigkeit aufnehmen zu können, wählt der Kongress sofort die notwendigen Organe, in der Meinung, dass die endgültige Verfassung der Kommunistischen Internationale auf Vorschlag des Büros vom nächsten Kongress gegeben werden soll.
Die Leitung der Kommunistischen Internationale wird einem Exekutivkomitee übertragen. Dieses setzt sich zusammen aus je einem Vertreter der kommunistischen Parteien der bedeutendsten Länder. In das erste Exekutivkomitee sollen die Parteien
Russlands,
Deutschland,
Deutsch-Österreichs,
Ungarns,
der Balkanföderation,
der Schweiz,
Skandinaviens
sofort ihre Vertreter entsenden.
Parteien von Ländern, die vor dem zweiten Kongress der Kommunistischen Internationale ihren Beitritt erklären, erhalten einen Sitz im Exekutivkomitee.
Bis zur Ankunft der Vertreter aus dem Ausland übernehmen die Genossen des Landes, in dem das Exekutivkomitee seinen Sitz hat, die Last der Arbeit.
Das Exekutivkomitee wählt ein Büro von fünf Personen«
.

Gen. Lenin. Wünscht jemand das Wort zur Diskussion? Es ist nicht der Fall. Also der Antrag wird angenommen. Damit sind wir am Ende unserer Arbeiten angelangt.

Schlussrede

Wenn es uns gelungen ist, uns trotz aller polizeilichen Schwierigkeiten und Verfolgungen zu versammeln, wenn es uns gelungen ist, in kurzer Zeit ohne irgend welche ernst zu nehmenden Differenzen wichtige Beschlüsse über alle brennenden Fragen der heutigen revolutionären Epoche zu fassen, so verdanken wir das dem Umstand, dass die Massen des Proletariats der ganzen Welt eben diese Fragen schon durch ihr praktisches Auftreten auf die Tagesordnung gestellt und praktisch zu entscheiden begonnen haben.

Wir brauchten hier nur zu verzeichnen, was die Massen schon in ihrem revolutionären Kampf erobert haben.

Nicht nur in den osteuropäischen, sondern auch in den westeuropäischen Ländern, nicht nur in den Ländern, die besiegt sind, sondern auch in denen der Sieger, z. B. in England, breitet sich die Rätebewegung weiter und weiter aus, und diese Rätebewegung ist nichts anderes als die Bewegung zur Schaffung der neuen proletarischen Demokratie, als der wichtigste Schritt in der Richtung zur Diktatur des Proletariats, zum vollen Sieg des Kommunismus.

Mag die Bourgeoisie der ganzen Welt noch so wüten, mag sie die Spartakusleute und Bolschewiki ausweisen, einkerkern ja ermorden, dies alles hilft ihr nichts mehr. Dadurch werden die Massen nur aufgeklärt, von ihren alten bürgerlich-demokratischen Vorurteilen befreit und zum Kampfe gestählt. Der Sieg der proletarischen Revolution in der ganzen Welt ist sicher. Die Gründung der Internationalen Räterepublik wird kommen.

Stürmischer Beifall.



Source: »Der I. Kongress der Kommunistischen Internationale. Protokoll der Verhandlungen in Moskau vom 2. bis zum 19. März 1919«, Bibliothek der Kommunistischen Internationale, Bd. VII, Verlag der Kommunistischen Internationale, Hamburg 1921. Digitalisierung und Bearbeitung: sinistra.net Februar/März 2001.

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