IBKL – Internationale Bibliothek der Kommunistischen Linken
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FÜR DIE WIEDERHERSTELLUNG DER REVOLUTIONÄREN MARXISTISCHEN THEORIE


Content:

Für die Wiederherstellung der revolutionären marxistischen Theorie
Zurück zum Katastrophismus
Zurück zum »revolutionären Totalitarismus«!
Rückkehr zum Internationalismus
Zurück zum kommunistischen Programm!
1 – Übergangsphase
2 – Phase des niedrigen Sozialismus (oder »sozialistische Phase«)
3 – Phase des höheren Sozialismus (oder »kommunistische Phase«)
Wiederaufbau der kommunistischen Weltpartei
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Für die Wiederherstellung der revolutionären marxistischen Theorie

Zurück zum Katastrophismus

Auf dem Gebiet der allgemeinen Theorie der geschichtlichen und gesellschaftlichen Entwicklung hat die nunmehr vollkommene Degeneration der alten kommunistischen Bewegung zur Verleugnung der »katastrophenhaften« Perspektive von Marx geführt: weder die Klassengegensätze, noch die Zusammenstösse zwischen den Staaten, werden je wieder – wie es heisst – in einem gewaltsamen Kampf, in bewaffneten Konflikten münden. Grundsätzlich ist diese Perspektive zugleich die eines friedliche Koexistenz getauften Friedens und die eines durch die konservative und reaktionäre Losung »neue Demokratie« garantierten sozialen Friedens, der durch »demokratische Strukturreformen« und »Kampf gegen die Monopole« zu erreichen ist. In Wirklichkeit ist der stalinsche und nachstalinsche »Kommunismus« nichts anderes als eine Apologie des »Fortschritts«, insofern er die Steigerung von Produktion und Produktivität verherrlicht, ist nichts anderes als eine Apologie des Kapitalismus, insoweit er das Anwachsen des Handelsverkehrs in den Himmel hebt.

Gegenüber diesen Positionen einer reinen und ungetrübten Reproduktion der Ideologie der »progressiven« Bourgeoisie der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bleiben die marxistischen Positionen unverändert: unter dem Kapitalismus heisst Steigerung von Produktion und Produktivität wachsende Ausbeutung der Arbeitskraft durch das Kapital, ungeheuerliches Anwachsen des unbezahlten Teils der Arbeit, des Mehrwerts. Der Konsum des Arbeiters, die »Reserve«, die die Arbeiterklasse sich in individueller oder gesellschaftlicher Form anlegt (Kranken- und Altersfürsorge; Familiengesetzgebung usw.) können wachsen: aber im gleichen Masse wachsen die Unterwerfung des Arbeiters unter das Kapital und die an die Auf- und Abbewegung der Marktwirtschaft gebundene Unsicherheit seiner Lage. Keineswegs sind die Klassengegensätze gemildert, sie sind auf die Spitze getrieben.

Ausweitung des Handels bedeutet Ausdehnung der Herrschaft der entwickelten über die unterentwickelten Länder, fortschreitende Verschärfung der natürlichen Konkurrenz zwischen den entwickelten Ländern. Dadurch, dass der Welthandel die verschiedenen Völker der verschiedenen Kontinente in die Maschen einer fortschreitend die ganze Welt umfassenden Wirtschaft verstrickt – worin er eine wirkliche, wenn auch unfreiwillige Errungenschaft ist – verweist er dialektisch auf einen »negativen« Aspekt den sämtliche seiner Apologeten zu ignorieren vortäuschen: die Vorbereitung von Handelskrisen, somit von Finanz- und Industriekrisen, die heute wie gestern nur in einen imperialistischen Krieg einmünden können. Nicht zufällig wird ja auch heute ein immer grösser werdender Teil von Produktivkräften verschwendet. Gewiss nicht in der Produktion von »Gütern« und »Dienstleistungen«, die der den Opportunisten in West und Ost so teure »ehrliche Handel« im »gegenseitigen Interesse« an die gesamte »Menschheit« selbstlos spendabel »verteilt«, sondern in Produktion von Vernichtungswaffen, die eine nicht so sehr militärische als vielmehr ökonomische Funktion haben (Akkumulationssektor zur Absorbierung der Überproduktion).

Gegenüber den eher klassisch-reformistischen Argumenten des Nachstalinismus bleiben die Positionen des revolutionären Marxismus unverändert dieselben wie zur Zeit der Sozialdemokratie: den modernen Kapitalismus zeichnet keineswegs das »Fehlen von Planung« aus – bereits Engels stellte das fest! – aber Planung allein, wie auch immer sie beschaffen sei, genügt keinesfalls als Kennzeichen des Sozialismus. Nicht einmal das mehr oder minder wirkliche Verschwinden der gesellschaftlichen Gestalt des Kapitalisten, womit man die russische Gesellschaft von heute kennzeichnen will, genügt als Beweis der Abschaffung des Kapitalismus selbst (schon Marx stellte das fest, Kapital, Bd. III!), denn Kapitalismus ist nichts anderes als die Reduktion des modernen Arbeiters auf die Lage des Lohnarbeiters, und wo diese fortbesteht, bleibt auch der Kapitalismus am Leben. Apologie des Kapitalismus und Reformismus sozialdemokratischer Prägung, deren Verschmelzung – ein weitaus übleres Mischprodukt als der klassische Reformismus – den russischen oder chinesischen »Kommunismus« kennzeichnen, verbinden sich mit einem Defätismus, der – psychologischer und ideologischer Reflex der Auflösung der revolutionären Kraft des Proletariats – so gar die Revolte unfruchtbar macht, die in gewissen Arbeiterkreisen ein derartiger Reformismus und eine derartige Apologie hervorrufen. Dieser Defätismus besteht vor allem darin, die Arbeiterklasse jeglicher Möglichkeit zu berauben, die erbitterte gegenseitige Konkurrenz zu überwinden, die sie heute teilt; sich gegen den Despotismus der von kapitalistischer Prosperität geschaffenen falschen Bedürfnisse aufzubäumen; der von bürgerlicher Wohlstands-, Vergnügungs- und »Kultur«-Organisation hervorgerufenen Verblödung und Verdummung zu entfliehen, um sich als revolutionäre Partei zu organisieren. In zweiter Linie liegt dieser Defätismus darin, implizit oder explizit zuzugeben, der Fortschritt in der Rüstung habe den normalen Besitz des Militärpotentials der Gesellschaft durch die herrschende Klasse in ein auf ewig unzerstörbares Monopol verwandelt. Alle diese Auffassungen gleichen sich im Verzicht auf jegliche revolutionäre Hoffnung gegenüber der tatsächlich bestehenden, für uns jedoch geschichtlich vergänglichen Allmacht des Kapitals. In jeder Epoche politischer und gesellschaftlicher Reaktion finden wir sie samt und sonders wieder (abergläubischer Respekt vor der Militärmacht des Feindes, den schon Engels zur Zeit der »konventionellen« Kanonen und Gewehre bekämpfte; Verachtung oder heuchlerische Entrüstung über »Abgestumpftheit«, »Ignoranz« und »Fehlen von Idealismus« bei den Arbeitern, was schon Lenin und alle revolutionären Marxisten bekämpften); aber jede Richtung erfindet wieder ihre eigenen und gebieterischen Rechtfertigungsgründe (Atombombe und Wasserstoffbombe, oder neuerdings die jüngsten Hirnwebereien von Marcuse & Co. über die unheilbar korrumpierende Macht der »Konsumgesellschaft«! Auch hierin bleiben die marxistischen Positionen unverändert: der Kapitalismus teilt das Proletariat, aber gleichzeitig konzentriert und organisiert er es; und schliesslich gewinnt die Konzentration die Oberhand über die Teilung. Der Kapitalismus korrumpiert und schwächt, aber ohne es zu wollen gibt er dem Proletariat eine revolutionäre Erziehung und schliesslich überwiegt diese Erziehung die Korruption. Tatsächlich sind alle künstlichen Produkte der »Vergnügungsindustrie« vollkommen ausserstande, das wachsende Unbehagen des gesellschaftlichen Lebens (in Stadt und Land) zu lindern, genausowenig wie die Beruhigungsmittel der modernen Medizin nicht dazu fähig sind, den Menschen der kapitalistischen Gesellschaft die Harmonie im Verhalten sich selbst und ihren Mitmenschen gegenüber zurückzugeben, die das »moderne Leben« – wohlverstanden das Leben unter kapitalistischen Verhältnissen – zerstört.

Weit mehr jedoch als in dieser Art Korruption liegt die Macht des Kapitals heute so wie gestern darin, den Produzenten durch die Länge des Arbeitstages, der Arbeitswoche, des Arbeitsjahres, des Arbeitslebens niederzudrücken. Geschichtlich gesehen ist der Kapitalismus jedoch gezwungen, diese Länge zu verkürzen; er tut dies langsam, knickerig, ständig mit der einen Hand zurücknehmend, was er mit der anderen gewährte, aber er kann nicht von der Verkürzung der Arbeitszeit absehen und die Auswirkungen werden, wie Marx und Engels voraussahen, notwendig revolutionär sein, wenn wir andererseits daran denken, dass er gleicherweise gezwungen ist, die auszubilden (während er sie zugleich verblödet, warum nicht?), die seine Totengräber sein werden. Gleichgültig also, ob die Perspektive die des nahenden Ausbruchs einer Krise wie der von 1929 ist, die den heute »verbürgerlichten Arbeiter« wieder zum Proletarier macht, oder die einer langen geschichtlichen Expansions- und »Prosperitäts«-Periode – die Dialektik der gegenwärtigen Gesellschaft selbst hindert jeden daran, sofern er nicht offenen Defätismus betreibt (wie es von unterschiedlichen Gesichtspunkten aus Maoisten, Castristen, Guevaristen, usw. tun), die Desorganisation des Proletariats als endgültiges historisches Verdammungsurteil, als »soziologisch determinierte« Unfähigkeit zum Wiederaufbau der Partei und der Internationale der Klasse »theoretisierend« zu begründen, woraus sich die Notwendigkeit ergebe, dass andere Gesellschaftsschichten oder Gruppen (Bauern, Studenten usw.) anstelle der Arbeiterklasse die Avantgarde der sozialen Revolution bilden müssten. Angesichts der erhöhten gesellschaftlichen Kraft, die der Lohnarbeiterklasse von der kapitalistischen Entwicklung selbst verliehen wird, ist es höchstgradig absurd zu glauben, dass die Arbeiterklasse unfähig geworden sei, die oberste Aufgabe jeder sozialen Revolution in der Geschichte zu erfüllen: Entwaffnung des Klassenfeindes, totalitäre Aneignung seines militärischen Potentials.

Zurück zum »revolutionären Totalitarismus«!

Der endgültige Sieg des Demokratismus über die revolutionäre Theorie des Proletariats in der alten kommunistischen Bewegung hat auf politischem und gesellschaftlichem Gebiet soweit geführt, dass der »Widerstand gegen den Totalitarismus« als Ziel des Proletariats und aller vom Kapital unterdrückten Gesellschaftsschichten ausgegeben wird. Diese Auffassung, die sich geschichtlich gesehen zuerst im Antifaschismus der Vorkriegs- und Kriegszeit kundtat, hat keine der moskauhörigen Parteien verschont (es besagt wenig, dass sie sich – wie die chinesische Partei – später der Kontrolle Moskaus entzogen haben). Das Ergebnis ist die Negation der einzigen Partei der ursprünglich unzweifelhaft kommunistischen und leninistischen Form als notwendige Führung der Revolution und der Diktatur des Proletariats. Während in den »Volksdemokratien« des sogenannt »sozialistischen Lagers« die Macht in den Händen von »Volksfronten« oder »Nationalen Fronten« liegt, d. h. in den Händen von Parteien oder »Bündnissen«, die ausdrücklich einen Block mehrerer Klassen verkörpern, haben die im »bürgerlichen Lager« wirkenden »kommunistischen« Parteien der Theorie der revolutionären Gewalt als einzigem Weg zur Macht und der von der Klasse durch die eine kommunistische Partei ausgeübten Diktatur als einzigem Weg zur Aufrechterhaltung dieser Macht feierlich abgeschworen und versprechen den so heiss umworbenen sozialdemokratischen, katholischen und anderen Gesprächspartnern einen gemeinschaftlich von mehreren, das »Volk« repräsentierenden Parteien verwalteten »Sozialismus«. Wohlwollend von allen Feinden der proletarischen Revolution akzeptiert, die im »Kommunismus« stalinscher Prägung all das ablehnten, was an den Feuerschein des Roten Oktober erinnerte, ist diese Auffassung nicht allein defätistisch, sondern auch illusorisch. So wie das Proletariat für sich selbst im Rahmen des despotischen Regimes des Kapitals keinerlei Freiheit fordert und sich folglich weder um die Fahne der »formalen« noch der »wirklichen« Demokratie schart, so fordert es als integralen Bestandteil seines Programms die Aufhebung aller Freiheiten für sämtliche an das Kapital gebundenen Gesellschaftsgruppen im Rahmen des despotischen Regimes das es, einmal die Macht erobert, der besiegten Klasse aufzwingen wird. Während die Bourgeoisie ihre eigene Diktatur hinter dem Schleier demokratischer Heuchelei verbirgt – wonach nicht etwa antagonistische Klassen, sondern freie und gleiche, untereinander in »Dialog« verwickelte Individuen in der politischen Arena aufeinanderstossen, und dieser Zusammenstoss durch Meinungen und nicht durch physische und gesellschaftliche, durch unheilbare Kontraste getrennte Kräfte bewirkt werde – sagen die Kommunisten, die seit der Zeit des Manifests »nichts zu verbergen haben«, in aller Offenheit: die revolutionäre Eroberung der Macht als notwendiges Vorspiel der gesellschaftlichen Wiedergeburt bedeutet zugleich die totalitäre Herrschaft der ehemals unterdrückten Klasse, wie sie sich in ihrer Partei verkörpert, über die zuvor herrschende Klasse.

Der Antitotalitarismus ist ein Programmpunkt jener Klassen, die sich auf derselben gesellschaftlichen Basis wie die Kapitalistenklasse bewegen (private Verfügung über Produktionsmittel und Produkte), die jedoch von dieser nach wie vor verdrängt werden. Diese den buntscheckigen, die heutige politische Bühne bevölkernden Bewegungen der »Intellektuellen«, »Studenten« usw. gemeinsame Ideologie ist die Ideologie des städtischen und ländlichen Klein- und Mittelbürgertums, das sich an jene Mythen der Kleinproduktion, der Souveränität des Individuums und der »direkten Demokratie« klammert, die es von der Geschichte verurteilt weiss und trotzdem jedoch verzweifelt zu retten sucht. Der Antitotalitarismus ist daher zugleich bürgerlich und antihistorisch und aus diesen beiden Gründen antiproletarisch. Der Ruin des Kleinbürgertums unter den harten Schlägen des Grosskapitals ist historisch unvermeidlich; gesellschaftlich bedeutet er – in der zugleich brutalen und langsamen kapitalistischen Weise – einen Schritt vorwärts zur sozialistischen Revolution, da er den wahren und einzigen geschichtlichen Beitrag des Kapitalismus verwirklicht: Zentralisierung der Produktion und Vergesellschaftung der produktiven Tätigkeit.

Das Proletariat, das – selbst wenn dies möglich wäre – in der Rückkehr zu weniger konzentrierten Produktionsformen nur eine Abkehr von seinem eigenen geschichtlichen Ziel einer vollkommen gesellschaftlichen Produktion von und Disposition über Produkte sehen kann, sieht es weder als seine Aufgabe an, die Verteidigung der kleinen Bourgeois gegen die grossen zu übernehmen (beide sind gleichermassen Feinde des Sozialismus) noch auf politischem Gebiet jenen Pluralismus und »Polyzentrismus« anzunehmen, der auf ökonomischem und gesellschaftlichem Gebiet keinerlei Daseinsberechtigung hat.

Genauso reaktionär wie die Parole »Kampf gegen die Monopole« zur Verteidigung der Kleinproduktion sind deshalb auch diejenigen Bewegungen, die, sei es als Reflex kleinbürgerlicher Ideologien, sei es aus missverstandener Reaktion auf den Degenerationsprozess der russischen Revolution – interpretiert als Folge nicht etwa der ausbleibenden internationalen Ausdehnung der proletarischen Revolution und des dadurch begründeten Abgehens vom internationalen Kommunismus, sondern interpretiert als Folge der von Anfang an bestehenden totalitären, d. h. antidemokratischen Diktatur – den revolutionären Prozess als eine schrittweise Eroberung peripherischer »Machtinseln« durch undifferenzierte proletarische Organismen auf betrieblicher Grundlage sehen, die eine phantomhaft »direkte Demokratie« ausdrücken sollen (Fabrikrätetheorie Gramscis und des »Ordine Nuovo«, die heutigen Phantasmagorien verschiedener »Arbeitermacht«-Gruppen usw.). Dabei wird das Hauptproblem der Eroberung der politischen Macht, der Zerstörung des kapitalistischen Staates und folglich auch das Problem der Funktion der Partei als zentralisierendes Organ der Klasse mit Stillschweigen übergangen, oder es wird ein auf einem Netz »autonom geführter« Betriebe beruhendes System als bereits verwirklichter »Sozialismus« ausgegeben, wobei jeder Betrieb seinen Plan durch entsprechende Organe der »Entscheidung von unten her« ausarbeitet (jugoslawische Theorie der betrieblichen Selbstverwaltung). Dadurch wird die Möglichkeit einer von gesellschaftlicher Voraussicht geregelten gesellschaftlichen Produktion an der Wurzel zerstört, d. h. gerade das, worin Marx »die politische Ökonomie der Arbeiterklasse« sah, und die nur verwirklicht werden kann, wenn die Autonomie der Produktionszellen an der Basis der kapitalistischen Wirtschaft und die »blinde Macht« des Marktes überwunden werden, worin diese ihr einziges chaotisches und unberechenbares Element des Zusammenhalts finden.

Vor oder nach der Machteroberung, auf politischem wie auf ökonomischem Gebiet darf das revolutionäre Proletariat auf keinen Fall irgendwelche Konzessionen dem Antitotalitarismus gegenüber machen, dieser neuen Version jenes idealistischen und utopistischen Antiautoritarismus, den Marx und Engels in ihrer langen Polemik mit den Anarchisten vernichtend kritisierten und dessen Konvergenz mit dem gradualistischen und demokratischen Reformismus Lenin in »Staat und Revolution« aufwies. Den Kleinproduzenten wird das sozialistische Proletariat nicht mit der Grausamkeit gegenübertreten, die den Kapitalismus in seiner ganzen Geschichte auszeichnete; aber gegenüber der Kleinproduktion und ihren politischen, ideologischen und religiösen Ausdrucksformen wird seine Aktion unendlich entschiedener, schneller, kurzum totalitärer sein. Die Diktatur des Proletariats wird der gesamten Menschheit das unendliche Mass an Gewalttätigkeiten und Nöten ersparen, die unter dem Kapitalismus ihr täglich Brot sind. Sie wird es aber nur dann tun können, wenn sie bedenkenlos Gewalt, Drohung und nötigenfalls auch entschiedenste Unterdrückung gegenüber jedwede kleine oder grosse gesellschaftliche Gruppe ausübt, die sie in der Erfüllung ihrer historischen Aufgabe hindern will.

Zusammengefasst: jeder, der den Begriff Sozialismus mit irgendeiner Form von Liberalismus, Demokratismus, Betriebsdemokratie, lokaler Borniertheit, Mehrparteiensystem oder schlimmer noch Antiparteigefasel verknüpft, was auf verschiedene Weise die »antirussischen« Strömungen auszeichnet, die sich infolge der tückischen bürgerlichen stalinschen Konterrevolution innerhalb der Arbeiterbewegung entwickelt haben, flüchtet von selbst aus der Geschichte, verlässt den Weg, der zur Wiederherstellung der totalitär kommunistischen Partei und der Internationale führt.

Rückkehr zum Internationalismus

Seit 1848, d. h. seit dem Erscheinen dessen, was nicht zufällig ohne nationale Spezifizierungen, das Manifest der Kommunistischen Partei heisst, sind der Kommunismus und der Kampf für die revolutionäre Umwälzung der Gesellschaft ihrem Begriff nach international und internationalistisch: »Die Arbeiter haben kein Vaterland«; »Vereinigte Aktion, wenigstens der zivilisierten Länder ist eine der ersten Bedingungen seiner Befreiung.«

Bei ihrer Gründung im Jahre 1864 schrieb die Internationale Arbeiterassoziation in ihren Allgemeinen Statuten, »Dass alle auf dieses Ziel« – die ökonomische Emanzipation der Arbeiterklasse – »gerichteten Versuche bisher gescheitert sind aus Mangel an Einigung unter den mannigfachen Arbeitszweigen jedes Landes und an der Abwesenheit eines brüderlichen Bundes unter den Arbeiterklassen der verschiedenen Länder«, und erklärte nachdrücklich, »Dass die Emanzipation der Arbeiterklasse weder eine lokale noch eine nationale, sondern eine soziale Aufgabe ist, welche alle Länder umfasst, in denen die moderne Gesellschaft besteht, und deren Lösung vom praktischen und theoretischen Zusammenwirken der fortgeschrittensten Länder abhängt«.

Hervorgegangen aus dem langen Kampf der internationalistischen Linken auf der ganzen Welt für die Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg sowohl in der demokratischsten aller Republiken wie auch im autokratischsten aller Kaiserreiche oder in der konstitutionellsten und parlamentarischsten aller Monarchien, nahm die Kommunistische Internationale 1920 die Statuten der Ersten Internationale wieder auf, machte sie sich zu eigen und proklamierte: »Die neue internationale Arbeitervereinigung ist geschaffen zur Organisierung von gemeinsamen Aktionen der Proletarier der verschiedenen Länder, die das Ziel anstreben: Sturz des Kapitalismus, Errichtung der Diktatur des Proletariats und einer internationalen Sowjetrepublik zur vollen Beseitigung der Klassen und zur Verwirklichung des Sozialismus, dieser ersten Stufe der Kommunistischen Gesellschaft«, und fügte hinzu: »Der Organisationsapparat der Kommunistischen Internationale muss den Arbeitern jedes Landes die Möglichkeit gewährleisten, in jedem gegebenen Moment die grösstmögliche Hilfe von den organisierten Proletariern der übrigen Länder zu erhalten.«

In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen ist der Faden dieser grossen Tradition durch die vereinte Aktion von Theorie und Praxis des »Sozialismus in einem Land« und die Ersetzung des Kampfes für die proletarische Diktatur durch den Kampf für die Demokratie gegen den Faschismus zerrissen worden. Die erste Direktive hat das Geschick der siegreichen Revolution in Russland vom dem der revolutionären Weltbewegung des Proletariats losgelöst und die Entwicklung der letzteren von den wechselhaften diplomatischen und machtpolitischen Interessen des sowjetischen Staates abhängig gemacht; die zweite hat das Geschick der Arbeiterklasse an das der jeweiligen »Vaterländer« und deren bürgerliche Institutionen gebunden. Durch die Aufteilung der Welt in faschistische und demokratische Länder kam es dazu, dass den Proletariern in den totalitären Regimes verordnet wurde, gegen ihre Regierung zu kämpfen, jedoch nicht für die revolutionäre Machteroberung, sondern für die Wiederherstellung der demokratischen und parlamentarischen Institutionen. Die Proletarier in den demokratischen Regimes sollten dagegen die eigenen Regierungen verteidigen, und – wenn nötig – für sie gegen die eigenen Brüder jenseits der Grenzen in den Krieg ziehen.

Die Auflösung der Kommunistischen Internationale im Laufe des zweiten Weltkriegs war das logische Ergebnis dieser Umstülpung von Lehre, Strategie und Taktik. Aus dem erneuten imperialistischen Massaker gingen in Osteuropa Staaten hervor, die sich sozialistisch nennen, die eigene nationale »Souveränität« aber proklamieren und sie wütend verteidigen; die sich Brüder nennen, aber durch eifersüchtig gehütete Grenzen voneinander getrennt sind; die sich Mitglieder eines »sozialistischen Lagers« nennen, aber durch wirtschaftliche Kontraste gespalten sind, zu deren Lösung sie – sobald diese einen Punkt höchster Spannung erreichen – zur brutalen Gewaltanwendung Zuflucht nehmen müssen (Ungarn, Tschechoslowakei) oder die – wie im Falle Chinas und Jugoslawiens, wo eine militärische Intervention nicht möglich ist – zu tiefgehenden Rissen führen. Die noch nicht an die »Macht« gelangten Parteien beanspruchen ihrerseits, einen eigenen »nationalen Weg zum Sozialismus« zu besitzen (der dann für alle ein einziger Weg ist, der Revolution und der Diktatur des Proletariats abzuschwören und der demokratischen, parlamentarischen und reformistischen Ideologie voll und ganz zuzustimmen). Stolz die eigene Autonomie gegenüber den anderen »Bruder«-Parteien verteidigend, präsentieren sie sich als die Erben der reinsten politischen und patriotischen Traditionen ihrer jeweiligen Bourgeoisie, bereit – wie es Stalin ausdrückte –, die Fahne, die die Bourgeoisie aus ihren Händen gleiten liess, wieder aufzunehmen.

In einer solchen Situation ist der Internationalismus zu einer noch leereren und rhethorischeren Phrase geworden als die »internationale Völkerverbrüderung«, die Marx bereits in der »Kritik des Gothaer Programms« der deutschen Arbeiterpartei grob entgegenhielt als »vom bürgerlichen Freiheits- und Friedensbund entlehnte Phrase«. Keine internationale Solidarität ist möglich – und keine effektiv wirksame internationale Solidarität ist auch seither mehr zustandegekommen, nicht einmal in Augenblicken grosser sozialer Spannungen (Streik der Bergarbeiter in Belgien, der Hafenarbeiter in England, Aufstände des Negerproletariats in der amerikanischen Autoindustrie, französischer Generalstreik von 1968, usw.) – seitdem proklamiert wird, dass das Proletariat und die »kommunistische« Partei jedes Landes als die einzigen zur Lösung ihrer eigenen Probleme Befugten ihre besonderen Probleme lösen müssten, und jede dieser Parteien sich in ihrem »privaten« Eckchen zum Verteidiger der vaterländischen Traditionen, der nationalen Wirtschaft und sogar der heiligen »Grenzen« aufwirft. Wozu auch noch ein Internationalismus, und nicht ein Internationalismus leerer Worte, sondern ein Internationalismus »in der Tat« (Lenin), wenn die Botschaft der »neuen Parteien« an die Welt im Lobgesang auf die friedliche Koexistenz und den Wettbewerb zwischen Kapitalismus und »Sozialismus« besteht?

Die Bewegung des Proletariats wird nur dann mit all ihren geschichtlichen Kennzeichen wieder erstehen, wenn anerkannt wird, dass der Weg seiner Befreiung in jedwedem Land ein einziger ist, und – in der Lehre, den Prinzipien, dem Programm und den praktischen Aktionsregeln – darf es nur eine einzige Partei für das Proletariat geben, kein zwitterhaftes Zusammentreffen buntgemischter, sich widersprechender Programme, »sondern sichere und organische Überwindung aller partikularen Strömungen, die das Interesse bei nach Arbeitszweigen und nationaler Zugehörigkeit voneinander unterschiedenen Gruppen von Proletariern hervorruft, in einer zusammenfassenden Kraft, die in Richtung der Weltrevolution wirkt« (politische Plattform der Partei, 1945).

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Der Verzicht der kommunistischen Bewegung auf ihre internationalen revolutionären Aufgaben spiegelt sich andererseits grausam wider im restlosen und schändlichen Aufgeben der klassischen marxistischen Position gegenüber den Aufständen und Kämpfen der Kolonialvölker gegen die imperialistische Unterdrückung. Diese Kämpfe sind in der zweiten Nachkriegszeit mit äusserster Gewalt ausgebrochen und zwar in dem Augenblick, als das Proletariat der imperialistischen Metropolen feigerweise von den »kommunistischen« Parteien vor den Karren des bürgerlichen »Wiederaufbaus« gespannt wurde. Angesichts der bewaffneten Kämpfe der Kolonialvölker, die bereits in der Zeit nach dem ersten Weltkrieg den Imperialismus erschütterten, umrissen 1920 der 2. Kongress der Kommunistischen Internationale und der 1. Kongress der Völker des Orients die grossartige Perspektive einer einzigen weltumfassenden Strategie, die den Defätismus des sozialen Aufstands in den kapitalistischen Metropolen mit der nationalen Revolte in den Kolonien und Halbkolonien verbinden sollte. Diese politisch von der jungen Kolonialbourgeoisie geleitete Revolte verfolgte wohl das bürgerliche Ziel der nationalen Einheit und Unabhängigkeit, aber in einer politischen Situation, die »auf der ganzen Welt die Diktatur des Proletariats auf die Tagesordnung stellt« (Lenin), hätten auf der einen Seite das aktive Eingreifen in den Kampf auf Seiten der jungen, politisch und organisatorisch unabhängigen kommunistischen Parteien an der Spitze riesiger Arbeiter- und Bauernmassen, auf der anderen Seite die Offensive des Proletariats der Metropolen gegen die Zitadellen des Kolonialismus es ermöglicht, die nationalrevolutionären Parteien aus dem Feld zu schlagen und die ursprünglich bürgerlichen Revolutionen in proletarische Revolutionen zu verwandeln, so wie es Marx 1850 in der »Ansprache der Zentralbehörde an den Bund« als permanente Revolution skizzierte, die die Bolschewiki 1917 im halbfeudalen Russland verwirklichten. Der Schwerpunkt dieser Strategie lag (und musste liegen) beim revolutionären Proletariat der »zivilisierteren«, d. h. wirtschaftlich fortgeschritteneren Länder, da ihr Sieg, und ihr Sieg allein, den ökonomisch rückständigen Kolonialländern es erlaubt hätte, das geschichtliche Handicap ihrer Rückständigkeit zu überwinden: im Westen, im Besitz der Macht und der Produktionsmittel, hätte das Proletariat der Metropolen die Wirtschaft der ehemaligen Kolonien daran teilhaben lassen mittels eines »Weltwirtschaftsplans«, der einheitlich wie der, auf den bereits der Kapitalismus hin tendiert – im Gegensatz zu diesem jedoch keinerlei Unterdrückung oder Eroberung, keinerlei Vernichtung oder Ausbeutung gewollt hätte; und die ehemaligen Kolonialvölker wären zum Sozialismus gelangt dank der »Unterordnung der lokalen Interessen der Länder der siegreichen Revolution unter die allgemeinen Interessen der Weltrevolution«, ohne die Abscheulichkeiten einer kapitalistischen Phase durchmachen zu müssen, die umso grausamer ist, als die früheren Kolonialländer gezwungen sind, eine Reihe von Entwicklungsstufen schnell zu durchlaufen, um das Niveau der entwickelteren Wirtschaftsgebiete zu erreichen.

Von diesem gewaltigen theoretischen Gebäude hat der Opportunismus keinen Stein auf dem anderen gelassen, seit den Jahren 1926–1927, in denen die Geschicke der chinesischen Revolution entschieden wurden. In den Kolonien waren die sogenannten kommunistischen Parteien, vor allem nach dem zweiten Weltkrieg, weit davon entfernt, »sich an die Spitze der ausgebeuteten Massen zu stellen« um deren Loslösung vom unförmigen Block mehrerer Klassen, der sich unter der Fahne der nationalen Unabhängigkeit gebildet hatte, zu beschleunigen. Sie haben sich dagegen von der einheimischen Bourgeoisie und sogar von »antiimperialistischen« feudalen Klassen oder Potentaten ins Schlepptau nehmen lassen, oder – wenn sie an die Macht gelangten – haben sie das politische Programm der konstitutionellen parlamentarischen Mehrparteien-Demokratie bekräftigt und dabei »vergessen«, »die Frage des Eigentums in den Vordergrund zu stellen«, um wenigstens die entschädigungslose Enteignung der riesigen Ländereien der Grossgrundbesitzer vorzu nehmen, (die engstens an die Handels- und Industriebourgeoisie und dadurch an den Imperialismus selbst gebunden sind). Sie haben nie das junge, aber kämpferische und äusserst konzentrierte lokale Proletariat an die Spitze der bäuerlichen und halbproletarischen Massen gestellt, die seit Jahrhunderten in schmählichem Elend leben, um gemeinsam das Joch des Kapitals abzuwerfen.

In den imperialistischen Metropolen haben sie andererseits den Prinzipien der gewaltsamen Revolution und der Diktatur des Proletariats abgeschworen und – noch tiefer gesunken als die Reformisten der Zweiten Internationale – sich darauf beschränkt, in Frankreich während der letzten Periode des algerischen Unabhängigkeitskrieges wie in Amerika während des Vietnamkrieges, »Frieden« und »Verhandlungen« zu erflehen und von den jeweiligen Regierungen jene »formelle und rein offizielle Anerkennung der Gleichheit und Unabhängigkeit« zu fordern, die die Dritte Internationale bereits als heuchlerische Parole der »demokratischen Bourgeois, die sich als Sozialisten verkleiden«, abgestempelt hatte.

Die Folge dieses vollständigen Verlusts der marxistischen Perspektive der Doppelrevolution war und ist die Tatsache, dass das riesige revolutionäre Potential vergeudet worden ist, das in den grossartigen und oft blutigen Bewegungen enthalten ist, deren Last immer und nur von Millionen von Proletariern und armen Bauern getragen wurde. In den formal unabhängigen Ländern ist heute ein gieriges, korruptes und blutsaugerisches Bürgertum an der Macht, das umso mehr dazu bereit ist, sich mit dem »Feind« von gestern, dem Imperialismus, erneut zu verbünden, als es sich der von den ausgebeuteten Arbeiter- und Bauernmassen ausgehenden Drohung bewusst wird, während durch die »Wirtschaftshilfe«, die Darlehen und den Handel mit Rohstoffen und Fertigwaren das in den Ex-Metroplen unversehrt gebliebene Kapital wieder in die Länder zurückkehrt, aus denen es schändlich zu fliehen gezwungen war. Die Lähmung der revolutionären proletarischen und kommunistischen Bewegung in den Zitadellen des Imperialismus verlieh und verleiht gleichzeitig den degenerierten maoistischen, castristischen und guevaristischen Theorien einen Schein von Rechtfertigung, Theorien, die phantomatische Bauern-, Volks- oder anarchistische Revolutionen als einzig möglichen Ausweg aus dem weltweiten Sumpf des legalitären und pazifistischen Reformismus angeben. Soweit hat das Verlassen des Hauptwegs des Internationalismus geführt und führen müssen.

Aber ebenso wie der von den an Moskau oder Peking gebundenen Parteien verleugnete Internationalismus dazu bestimmt ist, wiederzuerstehen, weil er seine Wurzeln in den realen Verhältnissen der immer enger verflochtenen Weltwirtschaft und des Welthandels hat, so werden die Aufkündigung der nationalen Hypothek, die in den Kolonien die Einheitsfront aller Klassen festigte, ihre Zwangsindustrialisierung, die rasche Umwandlung ihrer politischen und sozialen Strukturen gezwungenermassen dazu führen, dass überall die Frage des Klassenkrieges und der Diktatur des Proletariats wieder auf die Tagesordnung kommt. Bereits heute wird die Internationale Kommunistische Partei auf die Aufgabe verwiesen, der jungen einheimischen Arbeiterklasse der sogenannten Dritten Welt zu helfen, endgültig das eigene Geschick von den an der Macht befindlichen Gesellschaftsschichten zu trennen und den Platz einzunehmen, den sie sich im Heer der kommunistischen Weltrevolution hart erkämpft hat.

Zurück zum kommunistischen Programm!

Unsere Auffassung des Sozialismus unterscheidet sich auf dem Gebiet des Programms von allen anderen Auffassungen insofern, als sie auf der Notwendigkeit einer dem Sozialismus vorhergehenden gewaltsamen Revolution, der Zerstörung aller Einrichtungen des bürgerlichen Staates und der Schaffung eines neuen Staatsapparates besteht, der von einer einzigen Partei in entgegengesetzter Richtung geleitet wird: und zwar der Partei, die die Angriffe des Proletariats gegen das alte Regime vorbereitet, vereinigt und zum Sieg geführt haben wird.

Aber ebenso wie wir die Auffassung von einem stufenweisen und friedlichen Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus ohne politische Revolution, d. h. ohne Zerstörung der Demokratie, zurückweisen, verneinen wir auch die anarchistische Auffassung, die die Aufgaben der Revolution auf den Sturz der bestehenden Staatsmacht beschränkt. Für den orthodoxen Marxismus eröffnet die politische Revolution eine neue gesellschaftliche Epoche, deren Phasen in grossen Linien zu definieren wichtig ist.

1 – Übergangsphase

Politisch gesehen ist diese Übergangsphase durch die Diktatur des Proletariats gekennzeichnet; ökonomisch durch das Überleben der spezifisch an den Kapitalismus gebundenen Formen: eine auf Warenproduktion beruhende Verteilung der Produkte, auch der Produkte der Grossindustrie, sowie in gewissen Sektoren – vor allem in der Landwirtschaft – eine Produktion auf parzellarer Basis. Diese Formen können nur durch despotische Massnahmen der proletarischen Macht überwunden werden: sie wird die Leitung aller Sektoren mit bereits sozialem und kollektivem Charakter übernehmen (Grossindustrie, landwirtschaftliche Grossbetriebe, Grosshandel, Transportwesen, usw.); sie wird einen ausgedehnten Verteilungsapparat schaffen, unabhängig vom Privathandel, der zumindest noch in der ersten Zeit nach Kriterien der Warenwirtschaft funktionieren wird. In dieser Phase überwiegen jedoch die Aufgaben des militärischen Kampfes gegenüber den Aufgaben ökonomischer und gesellschaftlicher Neuordnung, es sei denn, die im Inneren besiegte und im Ausland bedrohte Klasse verzichtete entgegen aller logischer Voraussicht auf jeden bewaffneten Widerstand.

Die Dauer dieser Phase hängt einerseits davon ab, in welchem Umfang es der kapitalistischen Klasse gelingt, dem revolutionären Proletariat ernsthafte Schwierigkeiten zu bereiten, sowie andererseits vom Umfang der Arbeit der Reorganisation: diese steht im umgekehrten Verhältnis zu der Stufe, die die ökonomischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in jedem Sektor und in jedem Land erreicht haben, und erweist sich somit in den entwickelten Ländern als einfacher.

2 – Phase des niedrigen Sozialismus (oder »sozialistische Phase«)

Diese Phase geht dialektisch aus der vorhergehenden hervor. Ihre Merkmale sind folgende: der proletarische Staat verfügt nun über alle austauschbaren Produkte, auch wenn ein Sektor der Kleinproduktion noch fortbesteht; dies ist die Bedingung, um zu einer nicht mehr an Geld gebundenen Verteilung überzugehen, die jedoch noch die Merkmale des Austauschs trägt, da die Zuweisung der Produkte von der geleisteten Arbeit des Produzenten abhängt, die auf entsprechenden Arbeitsscheinen verzeichnet wird. Ein derartiges System unterscheidet sich wesentlich von dem der Lohnarbeit, die die Behandlung des Arbeiters an den Wert seiner Arbeitskraft kettet und so einen immer tieferen Abgrund zwischen dem Leben der Individuen und den gesellschaftlichen Möglichkeiten und dem gesellschaftlichen Reichtum schafft: nichts schiebt sich nunmehr zwischen die Bedürfnisse und deren Befriedigung, ausgenommen die Arbeitspflicht für alle arbeitsfähigen Individuen, und so wird jeder gesellschaftliche Fortschritt, der unter dem kapitalistischen Regime sich zu einer der produzierenden Klasse, dem Proletariat, feindlichen Macht erhebt, sogleich zu einem Mittel der Emanzipation für die ganze Menschheit. Es handelt sich jedoch noch immer um Formen, die von der bürgerlichen Gesellschaft herrühren: »Dasselbe Quantum Arbeit, das er der Gesellschaft in einer Form gegeben hat, erhält er in der andern zurück. Es herrscht hier offenbar dasselbe Prinzip, das den Warenaustausch regelt, soweit er Austausch gleichwertiger ist. … Das gleiche Recht ist hier daher immer dem Prinzip nach - das bürgerliche Recht obgleich Prinzip und Praxis sich nicht mehr in den Haaren liegen, während der Austausch von Äquivalenten beim Warenaustausch nur im Durchschnitt, nicht für den einzelnen Fall existiert. Trotz dieses Fortschritts ist dieses gleiche Recht stets noch mit einer bürgerlichen Schranke behaftet . Das Recht der Produzenten ist ihren Arbeitslieferungen proportional; die Gleichheit besteht darin, dass an gleichem Massstab, der Arbeit, gemessen wird«. (Marx: »Kritik des Gothaer Programms«). Die Arbeit erscheint vor allem weiterhin als gesellschaftlicher Zwang, der jedoch immer weniger bedrückend wird in dem Masse, in dem sich die allgemeinen Arbeitsbedingungen verbessern.

Die Verfügung des proletarischen Staates über die wichtigsten Produktionsmittel erlaubt nun andererseits – nachdem bereits in der Übergangsphase damit begonnen wurde, alle unnützen und antisozialen Wirtschaftssektoren drakonisch abzuschaffen – auch eine beschleunigte Entwicklung der vom Kapitalismus vernachlässigten Sektoren, d. h. vor allem des Wohnungsbaus und der Landwirtschaft; darüber hinaus erlaubt sie eine geographische Reorganisation des Produktionsapparates, die letztlich zur Aufhebung des Gegensatzes von Stadt und Land führt sowie zur Bildung einer einzigen Produktionseinheit zumindest auf kontinentaler Ebene. Sie gestattet gleichfalls die Eingliederung der Kleinproduzenten in die gesellschaftliche Produktion, dank der Vorteile, die der proletarische Staat – sobald er über das effektive Monopol der Industrieproduktion verfügt – ihnen einräumen wird, nur damit sie den Übergang zu entwickelteren und konzentrierteren Produktionsformen akzeptieren.

Durch den so verwirklichten Fortschritt werden schliesslich all die allgemeinen Bedingungen abgeschafft, die einerseits das weibliche Geschlecht an unproduktive und beschränkte Hausarbeit fesseln und andererseits eine grosse Anzahl von Produzenten in den Grenzen rein körperlicher Arbeit festhalten, die intellektuelle Arbeit somit zu einem gesellschaftlichen Privileg erhebt und den gesamten Besitz an wissenschaftlichen Kenntnissen einer einzigen Gesellschaftsklasse aushändigen. Ausser der Aufhebung der Klassen in ihrem jeweiligen Verhältnis zu den Produktionsmitteln zeichnet sich so auch das Ende der starren Zuordnung bestimmter Aufgaben an bestimmte Menschengruppen ab.

3 – Phase des höheren Sozialismus (oder »kommunistische Phase«)

Sobald der Staat diese Aufgaben erfüllt hat, für die er entstanden ist und die über seine geschichtliche Funktion der Vorbeugung und Unterdrückung von kapitalistischen Restaurationsversuchen hinausgehen, tendiert er dahin, als Staat abzusterben: »An die Stelle der Regierung über Personen tritt die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen. Der Staat wird nicht »abgeschafft«, er stirbt ab« (Engels). Dieses Absterben ist damit verknüpft, dass die innerhalb der Gesellschaft sich voneinander abhebenden entgegenstehenden Klassen sich auflösen; d. h. wenn der an die Kleinproduktion gebundene Bauer ( oder Handwerker) voll und ganz zum industriellen Arbeiter geworden ist. So wird das Stadium des höheren Kommunismus erreicht, das Marx so beschreibt: »In einer höhern Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung auch die Produktionskräfte gewachsen sind und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fliessen – erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahnen schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!«

Diese grosse geschichtliche Lösung führt über die Zerstörung der Antagonismen zwischen den Menschen hinaus, deren Wirkung, wie Babeuf sagte, »allgemeine, besondere und fortdauernde« Unruhe und Unsicherheit sind: das Schicksal der Menschen in der kapitalistischen Gesellschaft; sie ist die Bedingung für eine wirkliche Herrschaft der Gesellschaft über die Natur, die Engels »Sprung der Menschheit aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit« nannte, wo die Entwicklung der menschlichen Kräfte zum ersten Mal zum Selbstzweck der menschlichen Tätigkeiten wird. Dann auch lösen sich in der gesellschaftlichen Praxis all die Antinomien des traditionellen theoretischen Denkens von »Sein und Wesen, Objektivierung und Selbstbestimmung, Freiheit und Notwendigkeit, Individuum und Gattung« (Marx), so dass der Kommunismus die Bezeichnung verdient, die ihm die Gründer des wissenschaftlichen Sozialismus gaben: »das endlich gelöste Rätsel der Geschichte«.

Wiederaufbau der kommunistischen Weltpartei

Auf nationaler und internationaler Ebene eine politische Partei des Proletariats wiederaufzubauen, die in der Lage ist, die Kontinuität der revolutionären Politik zu sichern, wird sich geschichtlich nur dann wirksam durchführen lassen, wenn sich die Kräfte der Vorhut des Proletariats in den entwickelten und unterentwickelten Ländern an die oben definierten grundsätzlichen Positionen halten werden. Von allen Spielarten eines sich mehr oder weniger sozialistisch gebärdenden Extremismus unterscheidet sich der orthodoxe Kommunismus dadurch, dass er leugnet, dass die Entwicklung der modernen Gesellschaft das Wiederentstehen eines solchen geschichtlichen Phänomens ausschliesse; oder dass dieselben Gesetze, die in der heutigen, im wesentlichen faschistischen Phase der kapitalistischen Gesellschaft die politischen Kämpfe zwischen bürgerlichen Parteien zum Abflauen bringen, auch das Proletariat dazu unfähig machten, sich als revolutionäre Partei zu organisieren. Der orthodoxe Kommunismus behauptet im Gegenteil, dass gerade das Verschwinden der, wenn auch nur formalen, Gegensätze zwischen der klassischen Rechten und Linken, zwischen Liberalismus und Autoritarismus, zwischen Faschismus und Demokratie die beste geschichtliche Grundlage für die Entwicklung einer entschieden kommunistischen und revolutionären Partei darstellt. Dass diese Möglichkeit sich verwirklicht hängt nicht nur von der mehr oder minder fernen unvermeidlichen Explosion einer offenen Krise jeglicher Form ab, sondern von der objektiven Verschärfung der gesellschaftlichen Konflikte in den Phasen der Expansion und der Prosperität selbst. Wer auch nur den geringsten Zweifel zu diesem Punkt hegt, bezweifelt in Wirklichkeit die geschichtlichen Zukunftsmöglichkeiten der kommunistischen Revolution. Diese Haltung erklärt sich durch das Ausmass des Rückschlags, den die Degeneration der Dritten Internationale, der zweite Weltkrieg, die weltweite Ausdehnung des Kapitalismus und sein darauffolgendes Wiedererstarken herbeigeführt haben; aber dies spiegelt nur den augenblicklichen Triumph des Kapitals wider, bis hinein in die Gedanken seiner »Totengräber«. Weit davon entfernt, die Ewigkeit des Regimes zu sichern, bereitet dieser Triumph in Wirklichkeit, indem er sie hinauszögert, die gewaltigste revolutionäre Explosion der Geschichte vor.

Die Entwicklung der Partei kann nicht formalen Regeln vom Typ des von vielen antistalinistischen Oppositionsgruppen geforderten »demokratischen Zentralismus« unterworfen werden, die in der Forderung bestehen, die richtige Orientierung der Partei sei abhängig von der freien Äusserung der Gedanken und des Willens der proletarischen »Basis« und von der Einhaltung demokratischer Regeln und Wahlverfahren bei der Ernennung der verantwortlichen Personen auf den verschiedenen Ebenen. Obwohl unsere Partei nicht leugnet, dass das Ersticken der Oppositionen und die Regelwidrigkeit der Verfahrensweisen effektiv zur Liquidierung der revolutionären Tradition in Russland und der ganzen Welt bei getragen haben, betont sie – so wie sie es schon immer hervorgehoben hat – dass hier im Wesentlichen ein Programm und eine Taktik liquidiert wurden, und dass die eventuelle Rückkehr zu gesunden Normen der Organisation, wie es die Trotzkisten wollen, keineswegs genügt hätte, um dies zu verhindern. Für die Zukunft vertrauen wir gleichermassen nicht so sehr auf ein Statut, das ausgiebig und regelmässig den Mechanismus von Mehrheitsentscheidungen herbeiführen hilft, sondern darauf, unmissverständlich und kompromisslos die Ziele und Mittel des revolutionären Kampfes klar zu definieren. Entweder gelingt es der Partei, aus sich selbst heraus solche Organe hervorzubringen, die deutlich in der Lage sind, ihren »Katechismus« ohne Zögern in die Tat umzusetzen, oder man muss ihre Existenz selbst in Zweifel ziehen. Diese Auswahl hat in diesem Fall stattzufinden, und nicht die Befolgung eines wie auch immer gearteten Modells innerparteilichen Funktionierens. Das besagt die Formel »organischer Zentralismus«, die zuerst unsere Richtung und heute unsere Partei immer der Formel »demokratischer Zentralismus« entgegengesetzt hat. Der organische Zentralismus betont das einzig wirklich wesentliche Element: Respektierung nicht der Mehrheit, sondern des Programms, nicht der individuellen Meinung, sondern der geschichtlichen und ideologischen Tradition der Bewegung. Dieser Auffassung entspricht eine innere Struktur, die von den unverbesserlichen Anhängern der individuellen oder kollektiven Freiheiten als Diktatur von Komitees oder sogar von Individuen abgestempelt werden kann, die aber wesentlich das verwirklicht, was unaufgebbare Bedingung der Beständigkeit der Partei als revolutionäres Organ ist: die Diktatur der Prinzipien. Ist diese Bedingung verwirklicht, so stellt sich die Disziplin der Basis gegenüber den Entscheidungen des Zentrums mit einem Mindestmass an Reibungen her, während hingegen eine wirkliche Diktatur von Individuen dann notwendig wird, wenn die Taktik der Partei sich von der Autorität des Programms loslöst und dabei Spannungen und Zusammenstösse hervorruft, deren man nur durch Disziplinarmassnahmen Herr wird, wie es noch vor dem Sieg Stalins in der Kommunistischen Internationale geschah.

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Die geschichtliche Entwicklung der Partei der Klasse zeigt – in welcher Epoche auch immer sie vor sich geht – »den Übergang einer Avantgarde des Proletariats vom Gebiet spontaner, von Teil- und Gruppeninteressen hervorgerufener Bewegungen auf das Gebiet einer allgemeinen Aktion des Proletariats« an. Dieses Ergebnis wird nicht durch die Negation dieser elementaren Bewegungen begünstigt, sondern im Gegenteil dadurch, dass der, wenn auch noch embryonale, Organismus der Partei an den physischen Kämpfen des Proletariats teilnimmt. Die ideologische Propaganda und die Werbung von Anhängern, die natürlich der Inkubationsphase ideologischer Klärung folgen, können daher nicht von einer Beteiligung an den Lohnkampfbewegungen losgelöst gesehen werden , die – ohne den gewerkschaftlichen »Errungenschaften« einen Selbstzweck zuschreiben zu wollen – ein doppeltes Ziel verfolgt: einmal, diese Bewegungen zum Vehikel der zu einer wirklichen revolutionären Vorbereitung unerlässlichen Erfahrung und Einübung zu machen durch eine erbarmungslose Kritik der Voraussagen, Forderungen und Methoden der Gewerkschaften und der sie kontrollierenden klassenversöhnlerischen Parteien; und – in einem weiteren Stadium – die Vereinigung dieser Bewegungen und ihre revolutionäre Aufhebung in der lebendigen Erfahrung zu verwirklichen, indem sie zu ihrer vollständigen Verwirklichung getrieben werden.

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Wenn heute auch unbestritten sich alle Probleme der Entwicklung der Partei im historischen Rahmen einer in der internationalen sozialistischen Bewegung noch nie dagewesenen ideologischen und praktischen Krise stellen, so genügt trotzdem die Erfahrung der Vergangenheit, um ein Gesetz aufzustellen: die Wiederherstellung der Offensivkraft der Arbeiterklasse kann nicht aus einer Revision, aus einem Auf-den-letzten-Stand-der-Dinge-Bringen, und weniger denn je aus der »Schöpfung« einer anscheinend neuen Doktrin hervorgehen, sondern nur aus der Wiederherstellung des ursprünglichen Programms, das von der bolschewistischen Partei gegenüber den Abweichungen der Zweiten Internationale bewahrt wurde und – unter allgemein gesehen noch schlechteren Bedingungen – von der italienischen marxistischen Linken gegenüber den Abweichungen der Dritten Internationale. Welches auch immer die Abschnitte sein werden, auf denen der Kampf für den Kommunismus wiederzuentstehen bestimmt ist, wie viel Zeit auch noch verstreichen mag, die uns von diesem Zeitpunkt trennt – das geschichtliche Ziel des von dieser Strömung ausgetragenen Kampfes wird die zukünftige internationale Bewegung sein und es ist wahrscheinlich, dass sie auch physisch in ihr eine entscheidende Rolle einnehmen wird. Deshalb kann die Wiederherstellung einer Keimzelle der Internationale in der gegenwärtigen Phase nur eine einzige Form annehmen: dem Programm und der Aktion der Internationalen Kommunistischen Partei zuzustimmen und mit ihr solche organisatorische Bindungen einzugehen und zu schaffen, die dem Prinzip des organischen Zentralismus entsprechen und jeglicher Form von Demokratismus fern stehen.

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Der Kommunismus ist eine weltumspannende absolute Notwendigkeit der heutigen Gesellschaft. Früher oder später werden die proletarischen Massen wieder in einer gewaltigen revolutionären Welle gegen die Festungen des Kapitalismus anstürmen. Die Zerstörung dieser Festungen, der Sieg des Proletariats kann nur dann eintreten, wenn sich die Tendenz zur Wiederherstellung der Partei der Klasse vertieft und auf der ganzen Welt ausdehnt. Die Bildung der Weltpartei des Proletariats: dies ist das Ziel all derer, die den Sieg der kommunistischen Revolution wollen, gegen die bereits die vereinigten Kräfte der Bourgeois-Internationale ankämpfen.


Source: »Internationale Revolution«, Nr. 1, Januar 1969 und Nr. 2 Juni 1969

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