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SOZIALISTEN UND EUROKOMMUNISTEN IN AKTION
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Sozialisten und Eurokommunisten in Aktion
Sozialisten in Aktion...
...Eurokommunisten in Aktion
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Sozialisten und Eurokommunisten in Aktion

Sozialisten in Aktion...
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»Sozialismus bedeutete 1847 eine Bourgeoisbewegung, Kommunismus eine Arbeiterbewegung. Der Sozialismus war, auf dem Kontinent wenigstens, salonfähig, der Kommunismus war das gerade Gegenteil. Und da wir schon damals sehr entschieden der Ansicht waren, dass 'die Emanzipation der Arbeiter das Werk der Arbeiterklasse selbst sein muss', so konnten wir keinen Augenblick im Zweifel sein, welchen der beiden Namen zu wählen.« (Engels, Vorwort zum »Manifest der Kommunistischen Partei«, MEW 22/58).

Das alte demokratische Spiel der zwei oder mehr bürgerlichen Parteien, die sich abwechselnd in der »opfervollen« Aufgabe der politischen Stabilisierung des Kapitalismus mit den damit notwendigen »unpopulären« Massnahmen in den Augen ihres »Wählervolks« verschleissen (woraufhin die enttäuschten Anhänger der dick aufgetragenen Demagogie einer »Opposition« auf den Leim gehen, um sich gelackmeiert wieder der jetzt als Opposition mit ebenso starken Sprüchen aufbauenden alten Regierungspartei zuzuwenden usf.) - dieses Spiel funktioniert zwar noch weitgehend, zeigt aber deutlichen Verschleiss. Auch den politisch Kurzsichtigen wird diese Schmiere allmählich klar, denn es ist nicht zu übersehen, dass die Auseinandersetzungen zwischen den grossen bürgerlichen Parteien der »Mitte« immer steriler wird.
»
Sie sind kaum mehr als eine rituelle Übung für den parteiinternen Gebrauch«,
so stellt das grosskapitalistische »Handelsblatt« richtig fest (25.10.1976). Mangelnde inhaltliche Unterschiede werden dann in bekannter Werbemanier durch scheinbar differenzierende »Produktsymbole« ersetzt.

Dass diese Rosstäuscherei in Zeiten eines relativ problemfreien Wirtschaftswachstums, das der Arbeiterklasse die Ausbeutung einigermassen aushaltbar werden liess, funktionierte, heisst nicht, dass es auch unter der anstehenden Verschärfung der Ausbeutung so sein wird. Jedenfalls meinen Vertreter der Bourgeoisie mit einer wachen Witterung für zukünftige soziale Konflikte, dass eine Bewegung der Parteilandschaft der BRD, eine Ergänzung des allzu eintönigen parteipolitischen Einerleis dringend notwendig sei.

Spektakuläre Vorstösse in dieser Richtung kamen allerdings bislang vor allem von »rechts«. Strauss mit seiner »deutsch-nationalen« Abspaltung liegt zwar zur Zeit noch auf Eis, aber die Zeichen sind von dieser Seite erkannt.

Dass aus einer scheinbar ganz anders motivierten Ecke in letzter Zeit sich ebenfalls Stimmen für eine grössere Parteienvielfa1t erheben, ist über einen engen Kreis eingeweihter Geister kaum ins breitere Interesse gedrungen. Die Reste der kleinbürgerlichen Studentenbewegung und ihre geistigen Väter blasen bei ihrem »Marsch durch die Institutionen« zaghaft zum Sammeln. Eine neue, natürlich »sozialistische« Partei muss her, so heisst die ausgegebene Parole. Zwar wird heute im Namen des Kommunismus von sta1inistischen und maoistischen Parteikarikaturen genügend Schindluder getrieben, aber diese selbsternannten Arbeiterführer blockieren sich in ihrer Borniertheit eher selbst; auch sind die Zeiten bei weitem noch nicht reif für die Kristallisation einer »zentristischen« Strömung. Es geht zunächst vielmehr um ein »linkes« Potpourri aus Sozialdemokraten und Sozialisten, das tendenziell an Bedeutung gewinnen sollte. Hier wird versucht, die stinkende Leiche der alten Sozialdemokratie reformistischer Prägung in ihrem bis Godesberg beherrschenden Widerspruch von radikalem Getöse und kapitalistischer Praxis angesichts sich abzeichnender sozialer Stürme wieder zu beleben.

Seit die ersten Versuche der »Neuen Linken« um diese »Partei neuen Typs« auf Diskussionsrunden November 1975 in Berlin und Februar 1976 in Hannover (vgl. »Neuorientierung Neuorganisierung zur zweiten Organisationsdebatte in der BRD«, Frankfurt 1976, Arndthefte 1, wo die wichtigsten Beiträge zu finden sind) still versandeten, halten Protagonisten wie R. Dutschke (SB) und J. Steffens (SPD) in ihrem Organ »das da« die Diskussion am Leben. Vor allem der »linke Sozialdemokrat« Steffens wird als einsamer, noch wenig ernst genommener Warner nicht müde, seine Parteigenossen die neuen Zeichen der Zeit ins politische zu übersetzen. Der Kapitalismus durchlebe keine übliche Konjunkturkrise, sondern vielmehr eine
»
schwere Systemkrise, die viele Jahrzehnte dauern wird« (»das da«, 5/2).
Mit den alten Mechanismen lasse sich die »Basis« nicht mehr in gewohnter Dressur manövrieren, vielmehr verlören die bürgerlichen Parteien, vor allem die SPD als traditioneller Schmelztiegel für radikale Anwandlungen, ihre in den Kapitalismus integrierende Kraft. Das Symptom der Bürgerinitiativen sei erst der sichtbare Anfang.

Vor diesem Hintergrund ist der Jüngste Vorstoss in dieser Richtung von O. K. Flechtheim in der Zeitschrift »der lange Marsch« (Februar 77) zu sehen. Unter dem programmatischen Titel »Für eine neue Partei der Zukunft« unterbreitet dieser deutsche Professor in dankenswerter Klarheit seine diesbezüglichen Überlegungen.

Wie sieht nun diese Partei der Zukunft für einen Sozialisten aus:
»
Sie würde die Grossparteien (...) komplementieren. Dabei würde sie den rationalen Konflikt mit diesen nicht scheuen, ihn freilich stets gewaltfrei (!) und kritisch-solidarisch (!!) auszutragen suchen. Die Bemühung um die Rationalisierung, Demokratisierung, Humanisierung der Konflikte im Lande selber wie in der Welt wäre ihr besonderer Beitrag zur Politik«.
Angesichts des wachsenden und immer offensichtlicher werdenden Wahnsinns dieser asozialen »Marktwirtschaft« mit ihren national wie international sich verschärfenden Kampffronten, mit ihren brutaler werdenden Angriffen der Bourgeoisie auf das Proletariat predigen diese Sozialisten also »Vernunft, Ruhe und Gewaltfreiheit«.

Sicher ist es auch für eine kommunistische Partei vordringliche Aufgabe, durch politische Agitation und Aktion den Ausgebeuteten Klarheit über ihre Lage zu verschaffen und die wild wuchernden Mythen über den Kapitalismus zu zerstören. Dies aber, um im dialektischen Prozess von Bewusstsein und Kampfwille revolutionär die Machtfrage zu stellen. Eine kommunistische Partei verhält sich deswegen zu den bürgerlichen Parteien nie »komplementär«. Sie scheut allerdings auch den »rationalen Konflikt« (nennen wir mal die Vorbereitung der »Kritik der Waffen« so), zumal sie dank der marxistischen Wissenschaft und der kapitalistischen Wirklichkeit die besseren Argumente auf ihrer Seite weiss.

Aber genausogut weiss sie, dass der Klassenkampf zwischen Kapital und Lohnarbeit nie »gewaltfrei« und »kritisch-solidarisch« auszutragen ist.

Bei dieser sozialistischen Bestimmung einer »Partei der Zukunft« überrascht der politische Standort nicht:
»
Natürlich könnte man sie als links und radikal charakterisieren, 'ultra-links' oder extremistisch sollte sie keineswegs sein«.
Flechtheim sagt wenigstens deutlich, wes Geistes Kind da in der Zukunft sein Unwesen treiben soll.

Unter dieser gar nicht neuen Fassade sollen unsere »Neu-Progressiven« ihr einigendes Dach finden:
»
Das breite Spektrum könnte reichen von kritischen (!) Marxisten, realistischen (!) Syndikalisten und anarchistischen Humanisten bis zu Nicht-Marxisten, Radikal-Demokraten, Links-Katholiken und Links-Protestanten bis Pazifisten verschiedenster Spielart«.
Dieser schwer verdauliche Eintopf »fortschrittlicher«, natürlich »neu-linker« Geister
»
könnte und sollte sich von Fall zu Fall an Wahlen beteiligen, könnte und sollte versuchen, in die Parlamente (wo sonst?) zu kommen«.
Damit wäre wenigstens einigen arbeitslosen »Politologen« eine qualifizierte Zukunft erkämpft.

Zum Schluss lässt Flechtheim seine Katze aus dem Sack:
»
Schliesslich könnte die neue Partei zu einem Auffangbecken (!!) für alle jene werden, die den alten Parteien vielleicht schon morgen enttäuscht den Rücken kehren werden. Sie, die enttäuschten Aktivisten und Wähler, könnten versucht sein, sich extrem ultra-linken Gruppierungen oder, was wahrscheinlicher ist, solchen der Rechte zuzuwenden«.
Damit also die vom Kapitalismus im Teufelskreis von Ausbeutung, Monotonie und Entwürdigung gehaltenen Proletarier ihre zahlreichen individuellen Rechnungen nicht kollektiv der Bourgeoisie präsentieren und dabei womöglich das Institut dieses Professors beschädigen, müssen die Sozialisten mit ihren starken Sprüchen wieder her. Und dass der Sieg des Faschismus über das deutsche Proletariat vor allem den konterrevolutionären »Vorleistungen« dieser Sorte Sozialisten in entscheidenden Phasen der deutschen Arbeiterbewegung zu verdanken war, wird diesem Fachmann in Sachen Arbeiterfragen wohl nie zu vermitteln sein.

Für wie gefährlich revolutionäre Marxisten diese Sandkastenspiele halten müssen, zeigt auch der »inter- und übernationale« Anspruch. Wichtigste Gesprächspartner sind natürlich die »Euro-Kommunisten«, womit Flechtheim sicher seine Brüder im Geiste trifft. Über diese »neue« Spielart des alten Opportunismus bekundet Flechtheim an anderer Stelle seine Bewunderung und politische Nähe:
»
Ganz anders als die stalinistischen Parteien haben die euro-kommunistischen Parteien die Möglichkeit, die Sozialdemokratie dort, wo sie, wie in England und Westdeutschland, die Massen vertritt, nach links zu drängen. Zugleich ist es die Aufgabe aller unabhängigen Linken in der Bundesrepublik, in kritischer Solidarität mit den Eurokommunisten wie mit den linken Sozialdemokraten eine neue Front zu schaffen, die über die Politik der früheren Einheits- und Volksfronten hinausführt. Dabei ist ihre Position nicht einfach. Einerseits dürfen sie nie in eine Haltung abgleiten, die als politische oder psychologische Kriegsvorbereitung erscheinen könnte sondern muss nach Möglichkeit ALLE Machthaber kritisieren - in Ost und West. Nur so kann ein Westeuropa entstehen, das liberal, demokratisch und sozialistisch wird - liberal in der Kultur, demokratisch in der Politik und sozialistisch in der Wirtschaft. Ein solches Westeuropa könnte sich dann eines Tages mit einem sich liberalisierenden und demokratisierenden Osteuropa zusammenschliessen und zugleich die wohlwollende Neutralität der beiden halbeuropäischen Supermächte, der SU und der USA, gewinnen«. (O.K. Flechtheim, »Eurokommunismus - Chance für Sozialisten?«, »das da«, 4/41)
... und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute...

Im Sinne dieser »ausgefeilten« Perspektive lanciert die Redaktion des »langen Marsch« auch gleich ihre Initiative. Um das »Sozialistische Büro« (SB) als Kristallisationskern soll eine Koalition im Sinne Flechtheims gebildet werden, die
»
glaubwürdig (...) für die breite radikaldemokratische, christlich-sozialistische und sozialistische Öffentlichkeit«
bei den anstehenden Wahlen zum »Europa-Parlament«, diesem Superlativ aller bürgerlichen Scheinparlamente, dabei wäre. Mit dem Maskottchen der SB-Gewerkschaftszeitung kann man da nur sagen: Mein lieber Scholli!

...Eurokommunisten in Aktion
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Wir möchten nun hier die »Eurokommunisten« selbst kurz erzählen lassen, wie ihr »Auffangbecken für Radikale« beschaffen ist und welch erbauliche Rolle das von ihnen mitgetragene System der parlamentarischen Wahlen erfüllt.

Der Senator Ugo Pecchioli, »Innenminister« im Schattenkabinett der »KP« Italiens gab vor kurzem folgende Antwort auf die Frage des [Magazins] »Espresso«, wie man die »subversiven Erscheinungen« - im gegebenen Fall die Studentenunruhen - bekämpfen solle:
»
Indem man das Gesetz energisch anwendet. Man muss alle subversiven Organisationen zerschlagen, die klandestinen Rundfunksender, die im Namen der Meinungsfreiheit zu Operationszentralen werden, zum Schweigen bringen. Die Polizei muss ohne Hindernisse die Universitäten betreten können, um dort die Ordnung herrschen zu lassen. Die heutige Polizei ist nicht mehr die von Scelba, die auf friedliche Demonstranten geschossen hat, aber auf einen bewaffneten Aufstand kann man doch nicht mit Blumen antworten.«
Alles klar.

Wohl zur Freude unserer »unabhängigen Linken« hat vor kurzem auch die französische »KP« der Direktwahl zum Europa-Parlament zugestimmt.

Die Initiative dazu geht auf Sozialistenführer Mitterand zurück, der diese Forderung als Bestandteil des »gemeinsamen Programms« haben wollte. Sein Erfolg zeigt den zögernden französischen Bourgeois, wer in der »Volksfront« den Ton angibt.

Der Wechsel in der KPF-Haltung ist verständlich, wenn man sich vor Augen hält, dass die Gaullisten vor einiger Zeit ebenfalls diesen Wahlmodus akzeptiert hatten. Jedermann weiss, dass die KPF - die übrigens auch vor kurzem ihre prinzipielle Zustimmung zur atomaren Bewaffnung Frankreichs offiziell verkündete - in Sachen Aussenpolitik immer eine Position einnahm, die sich im Rahmen der gaullistischen Politik bewegt - siehe den Widerstand, Indochina, Algerien, Europa usw.

Damit haben wir aber zwei zusätzliche Bestätigungen einer geschichtlichen Tatsache: wenn die KPF in der Opposition ist, gibt sie vor, eine »alternative« Politik darzustellen, wenn sie aber an der Macht ist oder sich der Macht annähert, zeigt es sich, dass sie überhaupt keine eigene Politik hat: ihre Funktion besteht ganz einfach darin, die Proletarier irrezuführen und das zu tun, was man von ihr verlangt.

Bedeutet nun ihr Einlenken in der Frage der Direktwahl zum Europa-Parlament nun eine Preisgabe ihrer Ablehnung der »Übernationalität«, ein prinzipielles Zugeständnis? Keineswegs, denn, wie der Gaullist Chirac in aller Öffentlichkeit sagte:
»
Wir sind für das europäische Parlament unter der Voraussetzung, dass es keine Macht hat«.

Nun gut, die volle »nationale Souveränität« ist sichergestellt, das Europa-Parlament ist eine Farce, die KP will aber die Arbeiterklasse für die Eurowahlen mobilisieren! Damit geben die Herren Opportunisten faktisch zu, dass sie die Arbeiterklasse für Scheinparlamente mobilisieren; sie geben ausserdem implizit zu, dass es im allgemeinen überhaupt nicht um Wahlen und Parlamente geht, sondern um Ablenkung der Arbeiterklasse, und das der »demokratische und parlamentarische Weg zum Sozialismus« nichts anderes ist als Augenwischerei.

Im alten Rom hiess es panem et circenses, heute heisst es law and order... and entertainment.

Source: »Kommunistisches Programm«, Nr. 14, Mai 1977

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