IBKL – Internationale Bibliothek der Kommunistischen Linken
[home] [content] [end] [search] [print]


DRANG NACH OSTEN – DRANG NACH WESTEN!


Content:

Drang nach Osten – Drang nach Westen!
Tatsachen und Tendenzen
Die Sowjetunion
Polen
Die CSSR
Rumänien
Ungarn
Bulgarien, Kuba und die Mongolei
Jugoslawien
Die DDR
Die Integrierung Russlands in den kapitalistischen Weltmarkt
Source


Drang nach Osten – Drang nach Westen!

Die unaufhaltsame Eingliederung Russlands und seiner Satelliten in den Weltmarkt am Beispiel des Warenaustausches mit der BRD

Der Warenaustausch zwischen dem kapitalistischen Westen und dem vermeintlich sozialistischen Osten hat in den letzten Jahren eine wahrhaft stürmische Entwicklung genommen, wobei die BRD unter den entwickelten Ländern zusammen mit Japan zu den wichtigsten »Partnern« zählt. Im folgenden sollen zunächst einige Daten die Grössenordnung und Tendenz dieser sich verstärkenden Wirtschaftsbeziehungen zwischen den »Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsordnung« verdeutlichen, um dann im weiteren einige Konsequenzen dieser Entwicklung darstellen zu können.

Tatsachen und Tendenzen

Ende der 60er-Jahre geriet der Ost-West-Handel erst eigentlich richtig in Schwung. Zwei Entwicklungsstränge überschnitten sich gleichsam: Zum einen öffneten sich die »Ostblockländer«, die unter den Bedingungen der Autarkie ein gewisses quantitatives Niveau der Produktivkraftentwicklung erreicht hatten und somit qualitativ in ein neues Stadium der Öffnung und allmählichen Integrierung in den kapitalistischen Weltmarkt als mehr oder weniger entwickelte kapitalistische Länder gekommen waren, nach Westen und versuchten ihre weitere Entwicklung durch »Technologie«-Import und einen steigenden Handel mit den westlichen Ländern zu beschleunigen. Zum anderen geriet mit wachsendem Produktionsvolumen das entwickelte Kapital des Westens immer mehr in die Notwendigkeit, sich diesen Märkten verstärkt zuzuwenden. Das »brüderliche« Wettrennen des westlichen Kapitals um die Märkte des sich in einer beschleunigten Entwicklungsphase befindenden östlichen Kapitals begann. Wie die verschiedenen Westländer dabei abschneiden, zeigt folgende Tabelle, in der die erste Spalte den absoluten Betrag und die zweite den prozentualen Anteil am Gesamtexport des jeweiligen Landes angeben:

Export von West nach Ost in Mio. US-Dollar (1) und Anteil am Gesamtexport des jeweiligen Landes in % (2)
Land 1970 1973 1974 1975
(2) (1) (2) (1) (2) (1) (2)
USA 0,8 1796,4 2,5 1428,0 1,5 2809,1 2,7
Japan 2,5 916,0 2,5 1873,0 3,4 2325,6 4,4
BRD 5,7 5035,4 7,0 7090,5 7,8 7828,9 8,8
Frankreich 3,9 1336,3 3,7 1692,5 3,7 2636,4 4,9
England 3,5 833,5 2,7 1060,0 2,7 1284,2 2,9
Italien 5,8 1005,2 4,5 1711,1 5,7 2136,0 6,5
(Berechnet nach: »Statistics of Foreign Trade«, (OECD), Serie A und B, Paris, lfd.)

Die BRD liegt also eindeutig an der Spitze. Der Anteil der Ostgeschäfte am gesamten Aussenhandel der BRD – wobei natürlich der Export in die DDR hier miteinbezogen wird – erreicht mittlerweile eine durchaus beachtliche und nicht mehr leicht verzichtbare Grössenordnung.
»Rund 22 Prozent der deutschen Maschinenexporte gingen 1975 gen Osten. Unternehmen, die ganze Chemie- oder Stahlwerke auf dem Weltmarkt anbieten wie Krupp oder Hoechst, erzielten im vergangenen Jahr im Schnitt 12 Prozent ihres Umsatzes im Ostgeschäft« (»Wirtschaftswoche« Nr. 40 v. 1. 10. 1976).
Früchte zeigte diese Entwicklung nicht zuletzt auch in der letzten Weltwirtschaftskrise: Knapp ¼ des Ausfuhrüberschusses, den die BRD-Wirtschaft 1975 erzielte, erwirtschaftete sie in diesen Geschäften.

Vorreiter bei der neuerlichen »Eroberung« dieser Riesenmärkte für das BRD-Kapital waren bekanntlich die Sozialdemokraten, die unter grossem Pathos und Tamtam Vergangenheitsbewältigung mimten, während sie allein das Geschäft und unter der Parole »Wandel durch Annäherung« eine deutsche »Wiedervereinigung« unter scheinbar weniger aggressiven Tönen im Auge hatten.

Nachdem mit den »Moskauer Verträgen« von 1970 die politische Grundlage gelegt war, wurden Anfang der 70er Jahre unter der Regie der »sozialliberalen« Koalition langfristige Abkommen über den Warenverkehr und die Kooperation auf wirtschaftlichem, wissenschaftlich-technischem und industriellem Gebiet abgeschlossen, die den Rahmen für die anlaufende Expansion der Ostgeschäfte abgaben. So wurden in den Jahren 1969 bis 1972 derartige Verträge mit Bulgarien, Polen, Rumänien, der Sowjetunion, der CSSR und Ungarn vereinbart. Allein mit der Mongolischen Volksrepublik und Kuba bestehen z. Zt. keine Handelsabkommen.

Diese grundlegenden Abkommen waren das Ergebnis einer vorherigen Entwicklung. Mit ihnen kam aber andererseits das bis dahin nur mässige Geschäft mit den protektionistischen Märkten des Osten bald in Fahrt. Und die BRD konnte neben Standortvorteilen und traditionellen Bindungen als stärkste Maschinenbauindustrie das Bedürfnis nach Produktivkraftentwicklung des östlichen Kapitals vorrangig befriedigen. In den Jahren von 1965 bis 1974 vervierfachte sich das BRD-Handelsvolumen mit dem Osten. Nachdem bis 1965 die Einfuhren überwogen, stellen dabei die Jahre 1970–75 eine Kette sich türmender Ausfuhrüberschüsse von 1,2 Mrd. DM (1970) bis zu 7,4 Mrd. DM (1974) und 8,8 Mrd. DM (1975) dar. Im Zeitraum 1965–74 betrugen die durchschnittlichen jährlichen Exportsteigerungen 20 % gegenüber einer durchschnittlichen jährlichen Zunahme der Einfuhren um nur 12,4 %.

In diese für die Kapitalisten von West wie Ost positive Entwicklung fallen aber gerade wegen der chronischen Exportüberschüsse des Westens in letzter Zeit einige Wermutstropfen. Man ist über die weitere Entwicklungsmöglichkeit besorgt, was sich ja bei der Frage der Verschuldung als konkreter Ausdruck dieser ungleichgewichtigen Warenströme besonders zeigte. So ist nicht nur die Tatsache der Expansion an sich, sondern auch die gegenseitige Warenstruktur interessant. Sie widerspiegelt nahezu sinnbildlich den jeweiligen kapitalistischen Entwicklungsgrad der Produktivkräfte und wirft ein Licht auf die Schwierigkeiten des Ost-West-Handels:

  Lieferungen der BRD in RGW-Staaten Bezüge der BRD aus dem RGW
  (Anteil der Warengruppen in %)
Erzeugnisse 1965 1970 1973 1974 1965 1970 1973 1974
Land- u. Forstwirtschaft 2,3 3,8 2,1 1,2 18,1 12,4 11,1 8,0
Nahrungsmittel 7,1 6,1 6,5 4,1 13,6 13,1 11,5 9,9
Bergbau 1,8 1,7 1,4 1,0 12,3 8,6 6,4 12,0
Grundstoff- u. Produktionsgüterindustrie 44,4 38,8 37,3 47,6 36,9 35,6 39,4 42,4
Investitionsgüterindustrie 38,3 41,1 43,0 37,2 6,1 11,6 9,1 7,0
Verbrauchsgüterindustrie 5,0 7,2 8,8 8,0 10,8 16,6 20,4 18,9
sonstige Erzeugnisse 1,1 1,3 0,9 0,9 1,7 2,2 1,9 1,9
Insgesamt 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 % 100 %
(»Euro-Cooperation« Nr. 14/15, Seite 56/57)

Während die BRD sich ganz eindeutig auf industrielle Grundstoffe und vor allem auch Investitionsgüter konzentriert, zeigt die Warenstruktur des »Ostens« in ihren Schwerpunkten agrarischer und mineralischer Rohstoffe noch klare Züge der mangelnden Entwicklung der eigenen Produktivkräfte. Zum jetzigen Zeitpunkt steht der Warenaustausch zwischen West – hier die BRD in ihrer Stellvertreterposition – und Ost ja auch ganz unter dem Zeichen der Produktivkraftentwicklung des »östlichen« Kapitals, das seinerseits nur mit Mühe die wachsende Flut von Maschinen und Grossanlagen mit eigenen Waren zu saldieren versteht.

Die daraus resultierende riesige Verschuldung der UdSSR und ihrer Satelliten kann man folgender Tabelle entnehmen (BSP = Bruttosozialprodukt):

Die Verschuldung der Comecon-Staaten
(in Mrd. Dollar)
Land Nettoverschuldung Ende 1976 BSP 1976 Westexporte 1976 Verschuldung in % des BSP Verschuldung in % des Exports
Bulgarien 2,6 19,0 0,51 13,7 510
DDR 5,5 71,2 2,34 7,5 235
Polen 10,0 105,7 3,53 9,5 283
Rumänien 2,7 30,5 2,21 8,9 122
Tschechoslowakei 1,6 57,2 1,65 2,8 97
Ungarn 2,5 28,8 1,55 8,7 161
Osteuropa 24,9 312,4 11,79 7,8 211
UdSSR 12,4 699,9 10,39 1,8 119
Gesamt 37,3 1012,3 22,18 3,7 168
Quelle: Bank für Internationalen Zahlungsausgleich.

Der BRD-Anteil daran soll rund ¼ betragen. Das führte die Diskussion um das »Ostgeschäft« vor allem im Zuge der Wahlkampfauseinandersetzungen 1976 erneut ins öffentliche Rampenlicht.

Die CDU machte sich als ausgewiesene Partei des Kapitals Sorgen um die weitere Kreditwürdigkeit der »Kommunisten«. Doch wiesen alle wichtigen Kapitalistenbonzen diese gespielten Bedenken unisono und energisch von sich. Das Geschäft sei wichtig, und im Bereich von Maschinenbau und Grossanlagen sei man ohne Kreditbasis gar nicht wettbewerbsfähig. Dass es jedoch Kapitalistenkreise gibt, die die Frage äusserst »undialektisch« anpacken, zeigt folgendes Zeitungszitat:
»Realistischer wäre, die Verteidigungsetats im Westen stärker zu erhöhen. Mehr Rüstungsaufträge bringen ohne Umweg über das Wunschbild eines straffen Osthandels-Dirigismus direkt mehr Sicherheit und tragen wie andere staatliche Konjunkturspritzen zur Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen bei.« (»Berliner Morgenpost« v. 15. 8. 1976)
Rüstung statt Osthandel lautet also hier die Devise, die Kehrseite des russischen Propagandabildes vom Frieden als einer Folge des zunehmenden Warenaustausches.

Die kapitalistische Wirklichkeit aber verlangt Rüstung und Handel. Beide Sachen bedingen sich wechselseitig, und andererseits kann der übergrosse Teil des BRD-Kapitals auf die sprunghaft gewachsenen Ostgeschäfte nicht verzichten, vor allem wenn man bedenkt, dass die traditionellen Westmärkte recht saturiert sind, während die Ostblockländer sich durch einen grossen Nachholbedarf kennzeichnen. Zudem steht die BRD in einem scharfen Konkurrenzkampf zu ihren westlichen »Freunden«. Es gilt also, der Stagnation und Abkühlung entgegenzuwirken und die eigene Position zu behaupten, denn die BRD-Lieferungen in den Osten, die 1974 noch um 43 % (Importe: plus 26 %) stiegen, verzeichnetet 1975 eine Zunahme von nur noch rund 9 %, wobei inflationäre Prozesse noch zu berücksichtigen wären. Diese Abnahmetendenz setzte sich 1976–77 fort. Ausserdem zeigte sich 1975 erstmals, dass die BRD bei den Exporten in die »Staatshandelsländer« fast durchweg schlechter abschnitt als die Gruppe der OECD-Länder (also der 24 wichtigsten westlichen kapitalistischen Länder). Deshalb gilt die Devise:
»Ein Investitionsgüterexporteur kann es sich einfach nicht leisten, seine Erzeugnisse nur gegen Bezahlung oder ganz kurzfristige Kredite zu verkaufen, wenn die Konkurrenten eine diametral entgegengesetzte Politik betreiben.« (»Ostwirtschafts-Report« [OWR] Nr. 18, 3. 9. 1976).
Und dies gilt neben Japan und den USA vor allem auch für die europäischen »Partner«. Der »französische Drang nach Osten« – so ein Artikel des OWR – wird durch grosszügige Staatskredite angeheizt, und dies mit entsprechenden Resultaten:
»Der gesamte französische Export in die sozialistischen Länder stieg im vergangenen Jahr gegenüber 1974 um 55,2 % auf 3,5 Mrd. Dollar…« (OWR v. 28. 5. 1976).
Und es ist noch nicht lange her, dass der Präsident der FIAT-Werke, Agnelli, sich in Moskau aufhielt, um grosse Pläne für die 80er Jahre zu besprechen.

Die Integration der Ostblockländer in den Weltmarkt ist also eine unumkehrbare Tatsache, und die sich daraus ergebenden Handelsprobleme können zwar zeitweilig zu relativen Stockungen führen, langfristig erzwingen sie aber nur eine weitere Integration. So müssen die Ostblockländer infolge ihrer Verschuldung zunehmend exportieren und auch ihre Exporte differenzieren, was ohne weitere Importe aus dem Westen nicht möglich ist usw. Eine Verallgemeinerung und Zuspitzung der Konkurrenz ist die Folge, und diese wird hüben und drüben auf dem Rücken des Proletariats ausgetragen. In diesem Zusammenhang ist interessant zu vermerken, dass die Kapitalisten des Ostens die »Öffnung« nach dem Westen mit hochgestochenen Entwicklungsträumen und mit der Perspektive einer Einschläferung des eigenen Proletariats in einer Flut von Konsumgütern verklärten. Sie werden aber wohl weiterhin ihr Proletariat mit offener Repression zur Räson, sprich Ausbeutung zwingen müssen.

Nach dieser summarischen Betrachtung sollen noch kurz die Entwicklungen in den einzelnen Ländern des Ostens betrachtet werden, wofür die nachfolgende Tabelle einen ersten Überblick für einige Länder bietet. Die Zahlen für die DDR folgen getrennt, wenn wir uns weiter unten mit diesem Land befassen.

Aussenhandel der BRD mit ausgewählten Staatshandelsländern
  Deutsche Ausfuhr Deutsche Einfuhr Saldo
Zeitraum Mill. DM Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in % Anteil an der Gesamtausfuhr in % Mill. DM Veränderungen gegenüber dem Vorjahr in % Anteil an der Gesamteinfuhr in % Mill. DM
Sowjetunion
1965 586     1101     - 515
1970 1546     1254     + 292
1974 4774 + 53,3 2,1 3269 + 64,0 1,8 + 1505
1975 6948 + 45,5 3,1 3240 - 0,9 1,8 + 3708
1976 6754 - 2,8 2,6 4362 + 34,6 2,0 + 2392
Jan.-Sept.1977 4625 - 8,7 2,3 3009 - 9,9 1,7 + 1616
Polen
1965 366     435     - 69
1970 658     744     - 86
1974 3615 + 37,3 1,6 1426 + 16,9 0,8 + 2189
1975 3213 - 11,1 1,4 1436 + 0,7 0,8 + 1777
1976 3218 + 0,2 1,3 1919 + 33,6 0,9 + 1299
Jan.-Sept.1977 2159 - 8,5 1,1 1536 + 18,4 0,9 + 623
CSSR
1965 403     336     + 67
1970 1058     727     + 331
1974 1782 + 19,9 0,8 1035 + 4,4 0,6 + 747
1975 1678 - 5,8 0,8 1158 + 11,8 0,6 + 520
1976 2021 + 20,4 0,8 1269 + 9,6 0,6 + 752
Jan.-Sept.1977 1365 - 2,6 0,7 932 + 3,0 0,5 + 433
Ungarn
1965 308     288     + 20
1970 522     490     + 32
1974 1766 + 67,2 0,8 908 + 9,4 0,5 + 858
1975 1417 -19,8 0,6 906 - 0,2 0,5 + 511
1976 1550 + 9,4 0,6 1133 + 25,0 0,5 + 417
Jan.-Sept.1977 1370 + 23,0 0,7 925 + 18,7 0,5 + 445
Rumänien
1965 462     290     + 172
1970 722     580     + 142
1974 1836 + 55,6 0,8 964 + 11,9 0,5 + 872
1975 1607 - 12,5 0,7 994 + 3,1 0,5 +613
1976 1307 - 18,7 0,5 1197 + 20,4 0,5 + 110
Jan.-Sept.1977 1109 + 16,3 0,6 803 - 9,2 0,5 + 306
Anmerkung: Die Veränderungen und Anteile des Zeitraums Januar bis September 1977 beziehen sich auf denselben Zeitraum des Vorjahres.
Quelle: für 1965 und 1970: Aussenhandelsblätter der Commerzbank 6/76; für 1974 bis 1977: Statistisches Bundesamt (nach dem Wirtschaftsbericht der Berliner Bank 3/77)

Die Sowjetunion

Natürlich spielt der Handel mit der UdSSR hier die gewichtigste Rolle. Die SU ist seit jeher der bedeutendste deutsche Osthandelspartner. In den Krisenjahren 1974–75 übertraf der Umsatz im BRD-SU Aussenhandel sogar das Volumen des »innerdeutschen« Handels. 1975 überstieg er erstmals die 10-Mrd.-DM-Grenze. Kein anderes Land im RGW wies in den letzten Jahren derartige Rekordraten gleichermassen im Export wie im Import auf. Damit ist es der SU als erstem »Ostblockland« gelungen, sich unter die zehn wichtigsten Handelspartner der BRD einzureihen. Die SU belegte sowohl 1975 bis 1976 unter den wichtigsten Kunden der BRD-Industrie den 10. Platz, während sie als Lieferant erst an 14. Stelle rangiert (»Frankfurter Allgemeine Zeitung« v. 2. 3. 1977). Von 1965 bis 1974 stiegen die Lieferungen der BRD in die UdSSR im Jahresdurchschnitt um 26,2 %; die Importe blieben mit durchschnittlich plus 12,9 % klar zurück. Das Gewicht des BRD-Exports in die SU ist bei einem Anteil von 2–3 % noch immer bescheiden, aber 1970 lag dieser Anteil erst bei 1,2 %. Gemessen an den Gesamtimporten der UdSSR sind die BRD-Lieferungen bedeutender: Sie betrugen 1975 bereits etwa 7,5 %. Dabei konzentrierte die SU stärker noch als die übrigen Ostblockländer ihre Bezüge vor allem auf hochwertige Waren aus dem Produktionsgüterbereich. 1975 z. B. stellten die Lieferungen des Maschinen- und Fahrzeugbaus und der elektrotechnischen Industrie 45 % und die der Eisen- und Stahlindustrie 40 %, also zusammen rund 85 % der sowjetischen Importe, während etwa 10 % der BRD-Exporte an Stahlröhren, Stab- und Formeisen sowie Eisenbleche 1974 in die UdSSR gingen.

Die Entwicklung des Aussenhandels der UdSSR kann man anhand der nachstehenden Tabelle verfolgen:

Aussenhandel der UdSSR
(Gliederung nach Ländergruppen 1960/1975)
  Einfuhr Ausfuhr
  1960 1970 1975 1960 1970 1975
Mill. Rubel (1 Rbl.=3,20 DM)
Westliche Industrieländer 1052 2766 10 480 963 2448 6922
darunter: BRD 182 338 1948 107 231 926
Entwicklungsländer 575 1611 4447 371 2416 4451
darunter: OPEC 55 168 806 52 334 725
Staatshandelsländer 3439 6182 11 744 3674 6657 12 660
Alle Länder 5066 10 558 26 671 5007 11 520 24 034
  Anteile in %
Westliche Industrieländer 20,8 26,2 39,3 19,2 21,3 28,8
darunter: BRD 3,6 3,2 7,3 2,1 2,0 3,9
Entwicklungsländer 11,4 15,3 16,7 7,4 21,0 18,5
darunter: OPEC 1,1 1,6 3,0 1,0 2,9 3,0
Staatshandelsländer 67,9 58,6 44,0 73,4 57,8 52,7
Alle Länder 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0 100,0
Quelle: UN-Statistik/Ministerium für Aussenhandel der UdSSR (aus: »Wirtschaftsbericht der Berliner Bank«, 3/77)

Nicht nur werden die höchsten Zuwachsraten im Westhandel erzielt: Die Importe aus den »kapitalistischen Ländern« waren bereits 1975 nahezu gleich stark wie die Importe aus den »sozialistischen« Ländern: der Anteil der westlichen Industrieländer betrug 39,3 %, während sich der Anteil der Staatshandelsländer auf 44 % belief. Diese Entwicklung einer Vergrösserung des Anteils der westlichen Industrieländer zu Lasten des Anteils der östlichen »Bruderländer« setzt sich fort. So stiegen die Importe aus den westlichen Industrieländern in der ersten Hälfte des Jahres 1976 um 27,9 %, während die Importe aus den Staatshandelsländern nur um 8,8 % zunahmen. Auch bei den Ausfuhren der SU, die seit 1975 besonders stark zunehmen, erhöht sich der Anteil des Westens immer mehr. In den ersten sechs Monaten des Jahres 1976 erhöhten sich die Ausfuhren der SU in die RGW-Länder um 6,8 % auf 7140,20 Mio. Rubel. Die Exporte in die westlichen Industrieländer betrugen in derselben Zeit nur 3627,20 Mio. Rubel, sie erhöhten sich aber im Vergleich zur selben Vorjahreszeit um 38,8 %. (Lt. »Aussenhandelsdienst der Bank für Gemeinwirtschaft« [BfG], Nr. 21/76)

Deutlich ist also, dass die Sowjetunion ihre Einfuhr aus dem Westen verstärkt und sich dabei auf Waren konzentriert, die ihr helfen sollen, ihre stark unterentwickelte Produktionsstruktur zu verbessern und ihren Industrialisierungsprozess zu beschleunigen, denn insgesamt ist die UdSSR trotz aller Steigerungen der Produktivkräfte mit rund 25 % Beschäftigten in der Landwirtschaft im Verhältnis zu ihren westlichen Konkurrenten noch nicht wettbewerbsfähig.

Dagegen kauft z. B. die BRD vor allem grosse Mengen an Erdgas, Erdölerzeugnissen, NE-Metallen, Gold, Kupfer, bearbeitetem Holz und anderen Rohstoffen. Die Struktur dieses Warenaustausches besteht demnach massgeblich in einem Tausch von Rohstoffen gegen Waren aus der Produktionsgüterindustrie. Von beiden Seiten wird die Notwendigkeit einer zunehmenden Erweiterung des bisherigen Handelsvolumens bekräftigt.
»Allerdings ist der künftige Ausbau des Handels nicht ohne Schwierigkeiten. Die deutschen direkten oder indirekten Kredite für die Sowjetunion müssten wachsen, um die Überbrückung bis zur Realisierung von grossen Projekten zu sichern« (OWR Nr. 8 v. 16. 4. 77)
Andererseits sprach man von deutscher Seite auf der Werkzeugmaschinenausstellung der BRD in der UdSSR von einer Verdoppelung des Handelsvolumens auf ca. 20 Mrd. DM für die Jahre bis 1980. Und in welchen Dimensionen seitens der UdSSR gedacht wird, zeigen die Verhandlungen um das Riesenprojekt Kursk. Hier soll unter westdeutscher Federführung – praktisch sind alle grösseren BRD-Konzerne daran beteiligt – ein Riesenstahlkombinat erstellt werden. Das Gesamtvolumen des Hüttenwerks steht noch nicht fest, es wird von 20 Mrd. DM gesprochen, wobei auf den ersten Bauabschnitt bereits 4–5 Mrd. DM zufallen. Damit geht der immer stärkere Versuch der UdSSR einher, auch ihrerseits Investitionsgüter im Westen abzusetzen, was nur ein Ausdruck ihrer stetigen Bemühungen um vermehrte Ausfuhren in den Westen ist: Ohne Importe aus dem Osten keine Exporte in den Osten, wiederholen die massgeblichen Sowjetvertreter, aber der Westen sitzt auf dem längeren Hebel, d. h. um auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig zu sein, ist die SU gezwungen, weiterhin und zunehmend Produktionsgüter aus dem Westen zu importieren, um die eigene Produktion zu steigern und qualitativ auf eine höhere Ebene zu bringen.

Polen

Lässt man den »Sonderfall« DDR erst einmal ausser Betracht, so ist Polen, ein Land, in dem rd. 32 % der Bevölkerung in der Landwirtschaft beschäftigt sind, der zweitwichtigste Absatzmarkt der BRD im Osten. Wie im Falle der UdSSR, so sind auch hier die Exportüberschüsse der BRD beträchtlich. Mit 2,2 Mrd. DM verzeichnete Polen 1974 das grösste Defizit aller Ostblockstaaten im Handel mit der BRD, obwohl diese 17 % mehr polnische Waren abnahm als im Vorjahr. Der BRD-Warenstrom nach Polen verstärkte sich um mehr als ⅓, und Polen behauptete seinen Anteil von rd. 1,2 % am BRD-Aussenhandelsvolumen. 1975 gingen allerdings die westdeutschen Exporte um 11 % zurück und bei stagnierenden Importen (plus 0,7) ermässigte sich der BRD-Aktivsaldo von 2,2 auf 1,8 Mrd. DM deutlich. Diese Entwicklung setzte sich in den folgenden Jahren fort, denn die BRD-Exporte nach Polen stagnierten, während die Importe aus Polen zunahmen, so dass der Überschuss der BRD 1976 weiter auf 1,3 Mrd. zurückging.

Für Polen entwickelte sich die BRD nach der Sowjetunion und noch vor der DDR zu ihrem zweitwichtigsten Handelspartner. Hier betrug der Anteil der BRD an den Gesamtimporten 1974 12 % und 1975 rd. 8 % (zum Vergleich DDR: 7,3 % und 6,9 %) (DIW, 1–2/76).

Die Warenstruktur ist ähnlich wie bei der UdSSR. Stahlröhren, chemische Erzeugnisse, Maschinen, aber auch Textilien dominieren im BRD-Export, während Polen vor allem Rohstoffe wie Kohle, Kupfer und Nahrungsmittel liefert. So gehört Polen neben Argentinien zu den wichtigsten westdeutschen Bezugsquellen von Fleisch und Fleischwaren ausserhalb der EG.

Neue Impulse erhielt die Entwicklung vor allem im Laufe der letzten Jahre. Durch den gewaltigen Exportkredit von 2,3 Mrd. DM – teilweise allerdings als »Wiedergutmachung« ausgewiesen – versuchte die BRD einen sich abzeichnenden Exportrückgang zu bremsen, und während des Gierek-Besuchs 1976 gelang dem BRD-Kapital der grosse Durchbruch im bislang nur schleppend ablaufenden Grossanlagengeschäft. Besonders das letztere Ereignis wurde bei den BRD-Kapitalisten gross gefeiert. Mit den beiden Grossprojekten – eine Kohlevergasungsanlage und ein Kupferkombinat, beide in einer Kostenhöhe von je 2,6 Mrd. DM – kam in der Tat der Handel der BRD mit Polen erst richtig in Schwung.
»Der Abschluss der beiden polnisch-deutschen Abkommen über die Kohlevergasung und Kupferförderung« – so kommentierte das Fachblatt OWR die Perspektive – »wird neue Weichen im Handel zwischen beiden Ländern stellen und deutet eine neue Richtung für die Zukunft an« (OWR, 12/76).
Und es fährt fort:
»Alle Hindernisse sind jetzt beseitigt: In Polen wurden alle Vorbehalte gegen die Kooperation mit den Bundesdeutschen aufgegeben; auf unter Marktniveau liegende Zinssätze wurde verzichtet. Die Bundesregierung hat sich bereit erklärt, die unter normalen Marktbedingungen aufgenommenen Kredite zu garantieren«.

Beide Seiten sind sich der Bedeutung des gegenseitigen Handels voll bewusst. Aber Gierek brennt es dabei besonders unter den Nägeln. Wie stark die polnische Wirtschaft im Argen liegt, zeigt sich allenthalben nicht zuletzt in sozialen Unruhen. Mit starkem agrarischen Anteil an der Gesamtwirtschaft (dies zudem in einer besonders unproduktiven, kleinbäuerlichen Manier) macht das polnische Kapital zwar gewaltige Kraftanstrengungen, um sein Produktionspotential zu entwickeln, stösst dabei aber immer wieder auf klar erkennbare Grenzen. Einmal im ökonomischen: Um die nötige Steigerung der Produktivität und der Industrieanlagen zu erreichen, ist man auf westliche Importe angewiesen, wofür Devisen notwendig sind, die man mit allen Mitteln zu beschaffen versucht. Dies bringt die absurdesten Konsequenzen: Grosse Agrarexporte sollen Devisen bringen, zwingen aber die eigene Bevölkerung zur Entsagung; und soweit die Agrarexporte nicht mehr zu steigern sind, geht das polnische Kapital auf die verstärkte Ausfuhr von Kohle über, weswegen in Polen Strom und Energie gespart werden müssen (bis hin zur Rationierung von Kohle).

Wie dünn die ökonomische Balance und wie schwierig die Bedingungen der wirtschaftlichen Entwicklung sich in diesen Ländern des vermeintlichen »realen Sozialismus« gestalten, zeigt sich überaus deutlich gerade im sozialen Leben Polens mit seinen grellen Schlaglichtern 1956, 1970 und 1976. Auch dem Technokraten Gierek lief die Wirklichkeit davon und machte alle in den letzten Jahren nach dem Schock von 1970 eingeleiteten Anstrengungen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur und vor allem der Konsumbedingungen mit einem Schlag zunichte. Und in diesen Ländern sollen sich keine Wirtschaftskrisen ausleben, sollen nicht die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise spürbar werden, wie man von allen Seiten immer wieder versichert bekommt. Das polnische Proletariat ist da offensichtlich ganz anderer Ansicht – und hier zeigt sich die Misere der kapitalistischen Entwicklung unter stalinistischem Vorzeichen nur offensichtlicher als in den anderen Ländern.

In der abgelaufenen »Plan«-periode 1971–75 – auch so ein Mythos, der nur immer wieder die letztlich planlose Anarchie selbst dieser autoritär geführten Märkte ausweist – standen alle Bemühungen des polnischen Kapitals eindeutig unter dem Zeichen der »Erweiterungsinvestitionen«, also des extensiven Ausbaus der gesamten Produktionskapazitäten. Und hier lauten die Urteile der »Experten« durchaus positiv:
»Die Wirtschaft Polens hat sich in der Periode 1971/75 besonders dynamisch entwickelt. Der Lebensstandard der Bevölkerung ist in einem Tempo gestiegen, das seit Kriegsende niemals zuvor erzielt worden war« (DIW, 1–2/76).
Aus den Wirtschaftsdaten mag so etwas herauszulesen sein, und sicher wird auch einiges spürbar bei den »kleinen« Leuten angekommen sein. Aber vor diesem Hintergrund kann man erst richtig ermessen, was der letzte grossartige Aufstand der polnischen Arbeiter 1976 und die sich jetzt allenthalben abzeichnende soziale Zuspitzung in Polen für die polnische Bourgeoisie bedeutet.

Obwohl die ursprünglichen »Planvorstellungen« weit übertroffen wurden und die durchschnittlichen Netto-Monatslöhne von 2235 Zloty 1970 auf zuletzt 3500 Zloty gestiegen sind (rd. 220 bzw. 350 DM), hat dieser Reformismus durch materielle Verbesserungen seine Grenzen klar erreicht. Der Pragmatiker Gierek löste nicht umsonst im Krisenjahr 1970 seinen ähnlich wie er heute in einer Sackgasse steckenden Vorgänger ab. Er musste damals die von Gomulka beabsichtigten Preiserhöhungen rückgängig machen. Die von ihm vorher im Industrierevier von Kattowitz erprobte Vorbeugung gegen zukünftige soziale Unruhen bzw. genauer Klassenkämpfe versuchte er auf ganz Polen zu übertragen. Mit verbessertem Warenangebot, Lohnerhöhungen, verstärke Industrialisierung sollten die Ursachen der sozialen Spannungen aus der Welt geschaffen werden. Der Versuch war natürlich vergeblich, denn Ausbeutung bleibt Ausbeutung, und Industrialisierung bedeutet Konsumverzicht zugunsten der Maschinenproduktion, ganz nach dem Motto, dass im »Sozialismus« der Schwerindustrie der Vorrang gebührt. Zwar gibt es Lohn, aber keine Waren. Der sogenannte Kaufkraftüberhang sollte jetzt wieder durch Preiserhöhungen – natürlich gibt es in den »sozialistischen Ländern« keine Inflation – abgeschöpft werden, wie man diese Art Lohnraub auch bei uns so elegant umschreibt. Und plötzlich platzte wieder der Kessel. Durch den grandiosen Arbeiteraufstand vom 25.–26.Juni 1976 in Random und Ursus ist die Spitze der allgemein lodernden Unruhe und des chronischen passiven Widerstandes bei einem Grossteil des Proletariats wieder einmal sichtbar geworden. Angesichts der beabsichtigten Preiserhöhungen haben sich Arbeiter bewaffnet, Verwaltungen gestürmt, Bullen und Parteibonzen attackiert, eine zentrale Zugverbindung durch Herausreissen der Schienen blockiert und Barrikaden errichtet. Eine Lektion für die polnische Bourgeoisie, vor allem aber ein Beispiel für die Proletarier der ganzen Welt. Dass dieser Aufstand wie schon mehrere vor ihm scheitern musste, liegt nicht zuletzt an der völlig desolaten Lage des polnischen Proletariats, das bar jeder Organisation mit klarem revolutionär-marxistischem Programm einer Bourgeoisie ausgeliefert ist, die vorgibt, im Namen einer solchen Organisation und im Sinne des Interesses des Proletariats zu handeln. In dieser völlig absurden Situation, geschaffen durch die konterrevolutionären Bedingungen des Stalinismus, schieben sich nunmehr berufene Konterrevolutionäre und ausgemachte Antikommunisten wie die katholische Kirche, diverse Intellektuelle und vor allem die scheinbar so wohlmeinende westliche »Öffentlichkeit« vor und wollen den Eindruck erwecken, die Belange der ausgebeuteten Kämpfer zu unterstützen. Hier liegt aber nur die andere Karte in den Händen der Bourgeoisie: die einer demokratischen Lösung der Krise durch Ablenkung des Kampfes auf das Ziel einer »Liberalisierung«, um die im Westen noch vorherrschende unumschränkte Einordnung der Arbeiterklasse mit ihren klassenkollaborationistischen Betrügereien auf den Osten auszudehnen. »Organischere Verhältnisse« – wie die amerikanische Sonnenfeldt-Doktrin predigte – sollen die sozialen Spannungen im russischen Machtbereich abbauen. Denn die Arbeiter in Polen – wie im übrigen Ostblock – leben offensichtlich in stillem Widerstand. Arbeitstempo und Leistungskraft nehmen nur langsam zu, man arbeitet immer mehr nach der Methode »Dienst nach Vorschrift«. Allabendliche Appelle im Fernsehen, Leistungslöhne, Gruppenakkord in der »Brigade«, all diese »Anreize«, die man auch in unserem offen als kapitalistisch enttarnten Gesellschaften als so leistungsstimulierend kennt, scheinen in diesen »paradiesischen« Breiten weniger zu fruchten.

Was auf das polnische Kapital – eingeklemmt zwischen dem russischen Imperialismus und dem imperialistischen Weltmarkt – noch alles zukommt, begreift man erst, wenn man weiss, dass als investitionspolitische Leitlinie für die Jahre 1976–80 gelten soll, den Anteil der sogenannten Modernisierungsinvestitionen am Gesamtbudget wesentlich zu erhöhen. Dies heisst nichts anderes, als dass man versuchen will, vom extensiven zum intensiven Wirtschaften, praktisch also verstärkt zur Form des relativen Mehrwertes überzugehen. Möglichkeit zur Erhöhung der Rentabilität des Kapitaleinsatzes und allgemeine Steigerung der Rationalisierung heissen die Parolen, mit denen das polnische Kapital dem Proletariat den »Schlendrian« austreiben will. Und dass dies nicht ohne Import moderner westlicher Maschinen geht, ist dieser Sorte »Sozialisten« nur allzu bekannt: mit Neid blicken sie auf das höhere Arbeitstempo der westlichen Betriebe empor. Aber da gilt die alte Regel: Kein Import ohne entsprechenden Export. Exportieren muss Polen aber jetzt schon soviel, wie nur möglich, um seinen Passivsaldo in der Handelsbilanz abbauen und seine Auslandsschulden abtragen zu können. Die Erfordernisse verstärkter Ausbeutung liegen also für die polnische Bourgeoisie klar auf der Hand. Die Bedingungen der verstärkten Ausbeutung von morgen werden durch verstärkte Ausbeutung heute geschaffen. Aber angesichts eines jetzt schon rebellierenden Proletariats wird die polnische Bourgeoisie die benötigte Erhöhung des Mehrwerts erzwingen müssen. Es wird Zeit, dass das polnische Proletariat endlich wieder eine organisierte revolutionär-marxistische Stimme bekommt. Aber das hier aus aktuellem Anlass zu Polen gesagte gilt im Grunde natürlich für alle diese »Bruderländer«.

Die CSSR

Der nach Polen wichtigste Ostblockhandelspartner der BRD ist die CSSR (rd. 16 % der Bevölkerung sind in der Landwirtschaft tätig), die gemessen am Handelsumsatz unter den RGW-Staaten an 4. Stelle steht. Die Lieferungen der BRD stiegen von 1965 bis 1974 um 18 % jährlich, die Bezüge um gut 13 %. Damit lag der Ausbau des Warenverkehrs geringfügig über den mittleren Expansionsraten des gesamten BRD-Osthandels. Aber mit einem gesamten Volumen von 2,8 Mrd. DM (1975) ist die CSSR nur mit gut 0,7 % am BRD-Export und mit 0,6 % am BRD-Import beteiligt. Sie steht in der Rangliste des gesamten BRD-Aussenhandels noch hinter Staaten wie Finnland und Griechenland.
»Trotz aller Bemühungen«, so beurteilt ein Kapitalistenblatt die Lage, »steckt die industrielle Kooperation mit der CSSR immer noch in den Kinderschuhen. Nach den Zahlen, die im Bundeswirtschaftsministerium bekannt sind, gibt es zur Zeit 31 Kooperationsvorhaben, von denen sich noch 12 im Verhandlungsstadium befinden«. (»Handelsblatt« v. 3. 12. 75).

Dabei ist der Handel mit der CSSR von besonderem Interesse, trägt er doch als einziger schon die typischen Merkmale des Handels zwischen Industrieländern. So bezieht die CSSR mehr Nahrungsmittel aus der BRD, als sie liefert; andererseits verzeichnet die BRD Defizite bei Eisen und Stahl sowie Erzeugnissen der Eisenverarbeitung. Vor allem haben Investitionsgüter an den Importen in die BRD einen grösseren Anteil als bei irgendeinem anderen Ostblockland.

Dass die Wirtschaftsmisere in der CSSR praktisch chronisch ist, braucht ja wohl kaum hervorgehoben zu werden. Seit Jahren versucht dieses neben der DDR entwickeltste Ostblockland durch verstärkte intensive Ausbeutung seine Wettbewerbsposition zu verbessern. Und es ist nicht zuletzt die hoch entwickelte Maschinenbauproduktion, die den Statthaltern Moskaus in Prag immer wieder Sorgen macht. Im Rahmen der russischen RGW-Arbeitsteilung ist nämlich vor allem auch der CSSR die »ehrenvolle« Aufgabe zugefallen, den mangelhaften Maschinenpark des »Vaterlandes aller Werktätigen« tatkräftig und zu günstigen Preisen aufzustocken. Die Sowjets zwingen ja in letzter Zeit ihre »Bruderländer« immer stärker, sich an der wirtschaftlichen Erschliessung der UdSSR massiv zu beteiligen. »Intensivierung und Erweiterung der Zusammenarbeit« nennt man dieses Programm des RGW, das im Grunde nichts anderes darstellt, als eine gigantische ökonomische Fesselung dieser »Bruderländer« an die UdSSR. Wachsende Lieferauflagen in die UdSSR versuchen nun die Vertreter des Kapitals in der CSSR krampfhaft mit den weiteren Modernisierungsanforderungen zu vereinbaren, wozu natürlich entsprechend umfangreiche Maschinenimporte aus dem Westen, und hier vor allem aus der BRD notwendig sind. Wie all diese Widersprüche sich lösen sollen, ist natürlich wieder klar. Es gibt hier nur das bekannte Ventil des »Inlandverbrauchs«. Konsumverzicht und erhöhtes Arbeitstempo heisst deshalb die oberste Devise auch in der CSSR. Und das alles vor dem Hintergrund wachsender Wirtschaftsmisere, die besonders durch die katastrophale Ernte von 1976 verschärft wurde. Um nicht ganz das Gesicht gegenüber den Ausgebeuteten zu verlieren, liess man damals als scheinbar Verantwortlichen den Agrarminister und zwei stellvertretende Ministerpräsidenten über die Klinge springen, eine Lösung, die den bekannten »Kabinettsumbildungen« in den westlichen Demokratien entspricht.

Rumänien

Im Handel mit dem noch weitaus agrarischen Rumänien – rd. 42 % der «Erwerbstätigen« sind noch in der Landwirtschaft beschäftigt – nimmt die BRD vor Frankreich und Italien den 1. Platz unter den westlichen Handelspartnern ein. Hier steht vor allem die Nachfrage nach BRD-Investitionsgütern im Vordergrund, die allerdings wegen der geringen rumänischen Liefermöglichkeit ihre Grenzen hat. Noch 1956 wuchsen die BRD-Exporte um 56 %; der Absatz rumänischer Waren war dagegen durchweg konstant oder gar rückläufig. 1975 hat sich die Entwicklung allerdings umgekehrt. Während die BRD-Exporte schrumpften (−12,5 %) sind die rumänischen Lieferungen weiter gestiegen (plus 3,1 %). Diese Tendenz setzte sich 1976 in verschärfter Form fort. Dies bedeutet aber nicht, dass Rumänien keinen Bedarf hat, es hat vielmehr keine »effektive« Nachfrage, d. h. also, es kann die benötigten Maschinen nicht bezahlen. Die nationale Bourgeoisie hat für die nächsten Jahre zahlreiche ehrgeizige Industrialisierungsprojekte vor, wodurch sie ihren mühsamen und durchaus riskanten »Emanzipationsversuch« vom russischen Kapital, das ihr ursprünglich die Rolle eines Obst- und Gemüsebauern aufzwingen wollte, zu untermauern versucht. Die politische Tragweite der rumänischen Solonummern in der Innen- wie Aussenpolitik ist sicherlich äusserst begrenzt. Angesichts der eigenen begrenzten Exportfähigkeit und der gewaltigen Industriealisierungsnotwendigkeiten ist es jedoch nicht erstaunlich, dass gerade die Vertreter des rumänischen nationalen Kapitals auf dem Wege der »Ost-West-Kooperation« besondere Schrittmacherfunktion einnehmen: Rumänien öffnet sich den Direktinvestitionen des westlichen Kapitals. So wurde kürzlich z. B. in der rumänischen Stadt Resita die gemischte deutsch-rumänische Gesellschaft »Resita-Renk S.A.« offiziell eröffnet, die Getriebe und Antriebselemente für den Maschinenbau produziert. Die BRD-Firma Renk, eine Tochter der Gute-Hoffnungs-Hütte [GHH], hält mit 20 Mio. DM 49 % am Grundkapital, wovon sie allerdings nur 7 Mio. bar einzahlen musste, während der Rest als »Know-how« gilt. Profit- und Vermögenstransfer wurde dabei zugesichert. Die Leitung ist paritätisch besetzt, und die Tatsache, dass die Mehrheit der Aktien in rumänischen Händen liegt, kann nicht zu einer Überstimmung der westdeutschen Kapitalisten führen, da alle wichtigen Beschlüsse nur mit Zweidrittelmehrheit gefasst werden können. Wie der sozialdemokratische »Vorwärts« betont, hat diese Neugründung eine prinzipielle Bedeutung: Das BRD-Kapital schlägt eine entscheidende Bresche in die nationalkapitalistische Phalanx des Ostens, denn zum ersten Mal wurde in einem RGW-Land
»eine Firma gegründet, die die Rechtsform einer privaten Aktiengesellschaft hat« (»Vorwärts« v. 18. 11. 76)
Brachte der Warenaustausch »zum gegenseitigen Nutzen« dem Westen sicher seinen erklecklichen Profit, so werden mit dieser Art Geschäfte erst eigentlich die fetten Jahre des Ost-West-Handels sichtbar: Zusammen mit der jeweiligen Bourgeoisie übernimmt man die Ausbeutung des dortigen Proletariats und zeigt so nebenbei den einheimischen Herren des Billiglohnlandes, was mit Hilfe der »modernen« Mehrwertproduktion so alles aus den Leuten herausgepresst werden kann. Der zitierte »Vorwärts«-Schreiber kommt auch zu dem hoffnungsfrohen Schluss:
»Hohe transferierbare Dividenden erwarten die deutschen Aktionäre wegen der um etwa 50 Prozent niedrigeren Löhne«.

Allerdings dürfen die deutschen Investoren nicht mehr lange mit einer sozialen Friedhofsruhe rechnen. Auch das rumänische Proletariat reagiert zunehmend auf den unglaublichen Druck der Kapitalakkumulation. Grössere und entschlossene Streiks in der Stahlindustrie kennzeichneten das Jahr 1977 und wurden – neben der üblichen Repression – mit der »schlichtenden« Intervention von Ceauşescu selbst bekämpft. Den Druck der sozialen Spannung kann man daran gut ermessen.

Ungarn

Auch für Ungarn – rd. 25 % Beschäftige in der Landwirtschaft – ist die BRD mit Abstand der grösste westliche Handelspartner. Entsprechend den langfristigen Industrialisierungsbemühungen Ungarns überwiegen in den Exporten der BRD neben Maschinen und Ersatzteilen vor allem Grundstoffe, Hüttenwerkserzeugnisse, Walzwaren, Rohre, Speziallegierungen und andere sog. Halbzeuge. Während Ungarn andererseits früher in erster Linie als Lieferant von Agrarprodukten und Nahrungsmitteln bekannt war, tritt es parallel zur stetigen Entwicklung seiner Industrie auch zunehmend mit Waren aus diesen Bereichen auf den westlichen Märkten auf. Stellten vor 10 Jahren die Agrarprodukte noch ⅔ der Exporte Ungarns in die BRD, so machen sie gegenwärtig nur noch rd. ⅓ aus. Dagegen lag der Anteil industrieller Fertigprodukte – Maschinen und langlebige Konsumwaren – bereits bei rund 30 %. Einen wichtigen Faktor bilden daneben nach wie vor die Exporte von Rohmaterialien und Halbfabrikaten, die 1974 rd. 40 % ausmachten. (RGW 4/76, S.34) Ähnlich wie in Rumänien ging 1975 der Export der BRD nach Ungarn, der sich kontinuierlich auf ein Volumen von 1,7 Mrd. DM (1974) gesteigert hatte, absolut zurück (1975: 1,4 Mrd. DM), um sich ab 1976 wieder, aber zunächst zaghaft zu erhöhen.

Ein Ausgleich wird mehr noch als im Falle Rumäniens vor allem und schon seit einigen Jahren in gemeinsamen Kooperationen – im westlichen Jargon »Joint Ventures« genannt – gesucht. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass die BRD mit Ungarn unter allen »Ländern des Ostblocks« die grösste Zahl von Kooperationsvorhaben abgeschlossen hat. Ende 1975 waren es 225, wovon 159 allerdings noch nicht voll abgewickelt waren. Branchenschwerpunkte sind dabei Maschinenbau, Elektrotechnik, Fahrzeugbau und die Chemie (HB v. 28. 4.76).

Interessant ist auch in diesem Zusammenhang, dass die ungarische Industrie – gleichsam der osteuropäische Vorreiter auf dem vielbeschworenen Weg des »Marktsozialismus« – derzeit in 63 gemischten Unternehmen mit ungarischer Interessenbeteiligung im Ausland versucht, in fremden Märkten Fuss zu fassen, bzw. schon geknüpfte Verbindungen zu festigen. Dabei arbeiten 46 von diesen »Joint Ventures« in Europa, 7 in Asien und je 5 in Afrika und Amerika. Vom Gesichtspunkt ihrer Tätigkeit aus sind es 41 Handels-, 8 Produktions- und 14 Dienstleistungsunternehmen. Der eigene Kommentar gibt folgende Begründung:
»Unsere ungarischen Unternehmen erkennen immer mehr, welche Vorteile, gleich welcher Formen, solche gemischten Unternehmen bieten. Im Falle der Handelsunternehmen ermöglicht die ständige Anwesenheit am Markt bessere Export- und Importpreise; die Dienstleistungsunternehmen können sich für die Ausweitung des geistigen Exportes als geeignet erweisen, und die Gründung von gemischten Produktionsunternehmen ermöglicht es, neben dem Export von Halbfabrikaten solche gemischte Unternehmen mit ungarischen Produktionsinstrumenten auszustatten und dadurch unseren Maschinenexport zu vergrössern.« (RGW, 4/76, S. 35)
Nach der quantitativen Entwicklung des Kapitalismus mit seinen wachsenden Produktivkräften entwickelt sich also auch in diesen scheinbar so ganz anders gearteten »sozialistischen« Ländern mit unaufhaltsamer Konsequenz der Zwang zur Expansion – zuerst in Form von Warenexporten, aber schon bald auch in Form von Kapitalexporten. Und diese Tatsache kann nur für die Schar derer ein kaum lösbarer Widerspruch sein, die entsprechend ihrem ausschliesslich an der Oberfläche klebendem Bewusstsein die dortige Produktionsweise als »realen Sozialismus«, als »Übergangsgesellschaft« usw. – jedenfalls als nicht kapitalistisch begreifen.

Dabei können die ungarischen Konzerne die Mittel für diese Investitionen im Ausland in erster Linie ihrem jeweiligen »Entwicklungsfonds« entnehmen, oder sie erhalten bei knappem Eigenkapital Kredite zu Lasten ihres Entwicklungsfonds. Denn es sind – wie das kapitalistische »Handelsblatt« nicht ohne Wohlwollen registriert -
»die ungarischen Unternehmen, die über die Mehrheit der Investitionen autonom entscheiden; 60 bis 65 % der industriellen Investitionen werden (…) aus den Mitteln der Unternehmen beziehungsweise ergänzenden Bankkrediten finanziert. Die staatlichen Investitionen betreffen vor allem den Bergbau (Bauxit, Kohle), die Energieerzeugung (Kohle, Atomkraftwerke), die Metallurgie und Infrastrukturprojekte.« (HB v. 16. 9. 76)
Aber die dortigen Manager heissen halt »Bürokraten« und machen nach bekannter Lesart zusammen mit den staatserhaltenden Politikern nicht eine Achse der Bourgeoisie als Klasse aus, sondern bilden eine ominösen Eigeninteressen verpflichtete »Kaste« bzw. »Bürokratie«.

Bulgarien, Kuba und die Mongolei

Nachdem die wichtigsten Länder des RGW behandelt sind, soll auf den Rest – Bulgarien, Kuba, die Mongolei – nur der Vollständigkeit halber – kurz eingegangen werden, um sich dann den »Sonderfällen« Jugoslawien und schliesslich DDR zuzuwenden.

Der Handel mit Bulgarien (rd. 30 % Beschäftigte im Agrarbereich) hat erst verhältnismässig spät, praktisch erst nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen im Dezember 1973, einigen Schwung bekommen, leidet aber besonders an den praktisch stagnierenden Lieferungen Bulgariens in die BRD. 1975 hatten die Bemühungen um eine Intensivierung der Wirtschaftsbeziehungen relative Erfolge. Zur Festigung einer »langfristigen Perspektive« wurde in Bonn am 14. 5. 1976 ein Abkommen über die wirtschaftliche, industrielle und technische Zusammenarbeit unterzeichnet und im November 1976 kam mit Todor Schiwkow der oberste Vertreter der bulgarischen Bourgeoisie höchstpersönlich an den Rhein, so dass auch mit diesem osteuropäischen »Schlusslicht« das BRD-Kapital in Zukunft verstärkt Handel zum »gegenseitigen Nutzen« treiben wird, und dies trotz des Rückgangs des BRD-Exports 1976 auf 0,85 Mrd. DM (1975: l Mrd. DM).

Die beiden aussereuropäischen RGW-Länder – Mongolei und Kuba – haben am BRD-Osthandel ein insgesamt geringes Gewicht. Der Warentausch mit der Mongolei pendelt seit 1965 zwischen l Mio. und 2 Mio. DM jeweils im Import und Export. Dagegen erlebte der Handel mit Kuba seit 1965 die höchsten Steigerungsraten unter den RGW-Ländern, wobei die Importe durchschnittlich um rd. 20 % und die Exporte nach Kuba um 40 % jährlich stiegen. Allein 1974 schnellten die Exporte, vor allem Produktions- und Investitionsgüter, um insgesamt 235 % sprunghaft in die Höhe, blieben jedoch mit rd. 300 Mio. DM auf einem bescheidenen Niveau. Es ist klar, dass die Öffnung Kubas vor allem eine Öffnung zu den USA sein wird.

Jugoslawien

Dass neben China nach dem 2. Weltkrieg sich allein Jugoslawien aus der sowjetischen Klammer lösen konnte, hängt sicher mit der allein in diesen Ländern durchgeführten langjährigen kämpferischen »Befreiungsphase« zusammen. Wer führt schon ein mörderisches Ringen, um nachher zum Zulieferer eines »Bruderlandes« verdonnert zu werden. Gewöhnlich können aber dieses Abenteuer unter den heutigen imperialistischen Bedingungen nur Staaten von einer gewissen Grössenordnung erfolgreich durchführen. Kleinere Staaten wie Jugoslawien geraten wieder schnell in eine kaum kaschierte Abhängigkeit wie auch Kuba und jüngst Angola, oder sie geraten in eine völlig absurde und lachhafte Position wie z. B. Albanien.

Auch mit Jugoslawien zeigte der Aussenhandel in den letzten Jahren eine stetige Entwicklung, die die BRD noch vor der UdSSR zum grössten Handels- und Wirtschaftspartner werden liess.

Von Mitte 1967, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen über Kapitalbeteiligungen ausländischer Konzerne an jugoslawischen Firmen bzw. gemeinsame Neugründungen in Jugoslawien bis zum 31. Dezember 1975 wurden insgesamt 136 Joint-Venture-Verträge registriert. Dabei steht die BRD mit 20,6 % nach den USA (22,7 %) an zweiter Stelle (»Aussenhandels-Dienst« der BfG, 5/77). Den ersten Platz nehmen BRD-Konzerne auf dem Gebiet der industriellen Kooperation (165 Verträge mit einem 37 %igen Marktanteil) ein. Die gleiche Position bekleidet sie auch beim Technologietransfer (Anlagen- und Lizenzverträge) mit 97 Verträgen (27 % aller Vereinbarungen dieser Art). (»Handelsblatt« v. 24. 5. 76).

Der Warentausch zwischen Jugoslawien und der BRD nahm 1975 nur noch geringfügig zu, nachdem er in den letzten Jahren zuvor kontinuierlich gestiegen war. Ursachen der schwachen Entwicklung des Handelsvolumens, das 1975 nur auf 6,25 (6,13) Mrd. DM kam, waren nach offiziellen Angaben die
»schwierige konjunkturelle Situation in der Bundesrepublik und andererseits die von Belgrad erlassenen einschneidenden Einfuhrbeschränkungen« (»Handelsblatt« v. 4. 2. 76)

Auch hier besteht ein chronischer Exportüberschuss der BRD, der sich 1975 auf 3 Mrd. DM belief. Im Laufe des Jahres 1976 begann sich allerdings ähnlich wie bei den anderen »Ostblockländern« dieser Trend zugunsten Jugoslawiens zu ändern. Überhaupt macht die Wirtschaftspolitik der jugoslawischen Bourgeoisie in letzter Zeit gewaltige Anstrengungen, dieses Defizit im Handel mit dem Westen einzudämmen. Auffälligstes Resultat dieser Bemühungen ist eine allmähliche Verschiebung des jugoslawischen Aussenhandels wieder in Richtung Osten. In den ersten 7 Monaten des Jahres 1976 ging fast die Hälfte des jugoslawischen Exports (21,2 Mrd. Dinar) in die RGW-Länder, was einer Steigerung von 14 % gleichkommt. Hier zeigen sich längerfristige Entwicklungen an, vor deren Hintergrund der vor einiger Zeit wieder ausgetauschte Bruderkuss zwischen den halbtoten »Berufsrevolutionären« Tito und Breschnew zu sehen ist:
»Noch ist der Westen der grösste Warenlieferant für die jugoslawische Wirtschaft. Die rückläufigen Verkaufserfolge westdeutscher Firmen in Jugoslawien und der vom Staat geförderte Trend, jugoslawische Handelsbeziehungen zu den Comeconländern stärker als bisher zu forcieren, wird den Vorsprung des Westens im jugoslawischen Aussenhandel zugunsten der Comeconländer aber weiter schmelzen lassen«.
So besorgt äusserte sich die deutsche Bourgeoisie im »Handelsblatt« v. 17. – 18. 9. 76.

Das Musterland des »Selbstverwaltungssozialismus« steckt darüber hinaus – ähnlich wie die offenen Wasserträger der UdSSR – in einer schweren Wirtschaftskrise, von der die chronische Verschuldung gegenüber dem Westen nur ein Indiz ist. Entsprechend dieser sich ganz offen marktwirtschaftlich gebärdenden jugoslawischen Wirtschaft, zeigen sich dort alle wohlbekannten Spuren der kapitalistischen Misere ohne Schminke: rund 25 % Inflation im Jahre 1975, die sich allerdings inzwischen auf »nur« 10 % vermindert haben soll (Mitte 1977), etwa 900 000 Jugoslawen arbeiten im Ausland, dies zusammen mit einer hohen eigenen Arbeitslosenquote; dazu allgemeine Versorgungsmisere.

Vor allem die Landwirtschaft bildet einen ständigen Klotz am Bein der jugoslawischen Wirtschaft, und die regelmässigen Versorgungsengpässe im Winter und im Frühling werden als normal betrachtet. Obwohl die Landwirtschaft seit Jahren ihre Produktion um 3–4 % steigert, fehlt immer irgendetwas. Aus einem einst wichtigen Weizen- und Fleischexporteur ist darüberhinaus Jugoslawien zum Importeur dieser Agrarprodukte geworden. Bezeichnend für diese Form »sozialistischer Wirtschaft« ist auch die Tatsache, dass trotz der Agrarmisere rd. 10 % Ackerboden brach liegt und darüberhinaus rd. 30 % der gesamten Ackerfläche sich im Besitz solcher Bauern befindet, die über 60 Jahre alt sind.
»Somit werden fast 40 % des gesamtjugoslawischen Ackerbodens entweder aus Altersgründen unzulänglich oder überhaupt nicht bestellt« (»Handelsblatt« v. 22. 7. 76).
Nur 15 % des landwirtschaftlichen Nutzbodens und 10 % des Viehbestandes entfallen in Jugoslawien auf den »vergesellschafteten« Sektor.

Auch in der Industrie versucht Jugoslawien gar nicht erst die sonst immer so krampfhaft am Leben gehaltene Fassade des grandiosen Schwindels einer irgendwie gearteten »Planwirtschaft« zu betonen. Hier hebt man dagegen ganz offen hervor, dass die jugoslawische Wirtschaftsordnung der »Planung« nur einen geringen Stellenwert einräumt. Aus ideologischen Gründen sowie zur Bekräftigung des »Selbstverwaltungsgedankens« wird auch nicht von einem Staatsplan, sondern nur von »gesellschaftlicher Planung« mit direktivem Charakter gesprochen. Deshalb werden nur wenige Produktionsziele konkret vorgegeben; über die Durchführung der »Pläne« wird kaum ein Wort verloren, vielleicht nicht zuletzt deshalb, weil noch kein einziger Fünfjahresplan erfüllt wurde.

Und obwohl die Durchschnittslöhne mehr als mickrig und insgesamt die Industrie über eine »geringe Kaufbereitschaft der Konsumenten«, d. h. den für ihren Warenabsatz wichtigen inneren Markt sich beklagt, gilt auch dort die hierzulande so beliebte Devise:
»Jugoslawien befindet sich in einer ernsten Krise. Das Land lebt offenkundig über seine Verhältnisse« (»Süddeutsche Zeitung« v. 3./4. 4.76).
Und das hat auch für hiesige Breiten ganz »natürliche« Konsequenzen: Die Bemühungen der Wirtschaftspolitik laufen
»darauf hinaus, sowohl die Investitionstätigkeit jugoslawischer Unternehmen, als auch den privaten Konsum der Bevölkerung soweit herabzudrücken, damit sie sich im Rahmen der tatsächlich vorhandenen Möglichkeiten und weniger sprunghaft als bisher vollziehen können«. (»Handelsblatt« v. 20.4.76)
Hier gibt’s also schon eine »sprunghafte«, d. h. zyklische Konjunkturbewegung mit Höhen und Tiefen, Krisen und Boomphasen. Und das Ganze versucht man mit den Mitteln der bei uns so umkämpften »Investitionslenkung« in den Griff zu bekommen – natürlich mit dem weltweit bekannten Erfolg. Dabei steht natürlich die Notwendigkeit der »Einkommenspolitik«, des Lohnraubes, des »Sich-den-Gürtel-wieder-enger-Schnallens« ganz oben an.

Einen wichtigen Schritt hin auf diese notwendige Steigerung der Ausbeutung stellt sicher das am 25. November »einmütig« vom jugoslawischen Parlament verabschiedete neue Arbeitsgesetz dar, das vorgibt, das seit 25 Jahren bestehende System der Arbeiterselbstverwaltung in Industrie und Handel zu »modernisieren«. Wichtigste »Errungenschaft« dieser Neuerung ist eine gewachsene Kompetenz der »Selbstverwaltungsorgane« der »Arbeiter« in ganz besonderer Hinsicht: Sie sind jetzt befugt »unordentliche und faule Arbeiter« zu feuern. Bislang war die Entlassung aus disziplinarischen Gründen sehr erschwert. Das soll jetzt anders werden. Dieses Arbeitsgesetz, dass nebenbei auch die in Staatsbesitz befindlichen Betriebe weiter dezentralisiert, zielt also besonders darauf ab, »sinkende Produktivität« und ansteigendes »Krankfeiern« zu beseitigen. Der eingerissene Schlendrian soll endlich ausgemerzt, die jugoslawischen Arbeiter entsprechend der wachsenden Industrialisierung gleichsam »hochkapitalistischen« Arbeitsrhythmus kennenlernen. Aber was man bei uns auf »natürliche« Art, durch den Terror der Maschine eher nebenbei erreicht, muss dort wegen der mangelnden Technik noch weitgehend durch äusseren Zwang durchgesetzt werden. Und in der Tat ist die »Arbeitsmoral« der jugoslawischen Ausgebeuteten für das jugoslawische Kapital kaum ausreichend: In den ersten sechs Monaten 1976 ist die Produktivität um 1,5 % zurückgegangen; täglich bleiben durchschnittlich rd. 220 000 der fünf Millionen Lohnabhängigen – nahezu 5 % – dem »Arbeitsplatz fern«. (NZZ v. 27. 11. 76) Nun darf also der »Arbeiterrat« – natürlich im Namen der Arbeiter – dagegen vorgehen – ähnlich wie in Italien die offiziellen Gewerkschaften den »Absentismus« der dortigen Arbeiter bekämpfen. Lohnraub und Arbeitshetze machen auch im jugoslawischen Kapitalismus steigende Ausbeutung aus – nur wird das hier als Sozialismus ausgegeben, der den Arbeitern ihre Realität in einem Schein vernebeln soll.

Unterstützt wird dieser ganze Betrug der Bourgeoisie sicher in gewisser Weise immer noch von der Fassade dieser auch hierzulande oft gepriesenen »Selbstverwaltung«, dieser gleichsam institutionalisierten Form des Stabilitätspaktes oder – nach hiesigen Begriffen – der »konzertierten Aktion«. Auch wenn sich im Laufe der Jahre für die grösste Zahl der jugoslawischen Lohnabhängigen diese zwangsweise durchgeführte Form der Klassenkollaboration als leeres Stroh erwiesen haben mag, so sind sie immer noch zu sehr in diesem materiellen Kontrollapparat und ideologischen Gestrüpp verfangen, als dass es nicht seine massive Wirkung bei der Verhinderung einer proletarischen Klassenbewegung haben würde.

Unabhängig davon, wie bald ihr grosser Stratege das Zeitliche segnen wird, geht auch die jugoslawische Bourgeoisie harten Zeiten entgegen. Es gilt auch hier, das »Volk« mehr ranzunehmen. Allein mit ausgefeilten Polizeistaatsmethoden wie besonders in letzter Zeit lässt sich dieser Prozess der so dringenden Klassenscheidung und des revolutionären Kampfes gegen die jugoslawische Bourgeoisie glücklicherweise höchstens verzögern. Und auch durch die Züchtung der nationalen Rivalitäten lässt sich dieser Prozess nur verzögern, nicht aber von der Welt schaffen.

Die DDR

Die DDR wird von der BRD-Bourgeoisie bekanntlich mit stoischer Energie behandelt. Die Sehnsucht nach einer »deutschen Nation« schlägt unter der sozialliberalen Regierung nur andere, scheinbar süssere Töne an. »Wandel durch Annäherung« tritt an die Stelle der aggressiven Politik. Hier wie überhaupt zeigt sich wieder deutlich, dass die BRD-Bourgeoisie, ob nun von SPD/ FDP oder von CDU/CSU vertreten, auf einer einzigen strategischen Linie liegt und sich lediglich über die einzuschlagende Taktik »spaltet«. Dies gilt aussen- wie innenpolitisch. Ob diese Demokraten in ihrer Schattierung von »sozialdemokratisch«, »liberal«, »christlich« und gar »christlich-sozial« diesem Anspruch auf die »gesamte deutsche Nation« in naher Zukunft eine reale Chance zugestehen, ist dabei unwichtig, wichtig allein ist vielmehr, dass sie diese Perspektive so krampfhaft und mit allen Mitteln betonen und lebendig halten. Die Option ist in der Tat wichtig für das dahinterstehende Programm: sich nämlich auch in Zukunft die Erzielung eines eindeutigen Übergewichtes in ganz Europa freizuhalten, um so wieder einmal den gordischen Knoten durchzuhauen, der wegen der praktisch gleichstarken »Partner« BRD, Frankreich und England die Entwicklung zur wirtschaftlichen und politischen »Einheit« blockiert und langsam in Stagnation verkommen lässt. Zwar führt man jetzt noch immer eifrig die Friedenspalmen mit sich herum aber wie das BRD-Kapital in einer vielleicht gar nicht so fernen Zukunft reagieren wird, wenn es wegen der wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten von Italien, England und Frankreich selbst in den Strudel des ökonomischen Marasmus mit allen seinen politischen wie sozialen Konsequenzen gezogen zu werden droht, ist doch gar nicht klar auszumachen.

Das Erstaunlichste dabei ist allerdings, dass auf der politischen Bühne nicht nur ausgemachte Nationalisten und Faschisten mit diesem »Evergreen« einer »Heim-ins-Reich»-Bewegung hausieren gehen, sondern dass eine verwirrte Kleinbürgerschar diese Parolen im Namen des Proletariats glaubt verbreiten zu können. »Für ein unabhängiges, vereinigtes und sozialistisches Deutschland« oder »Damit Deutschland den Deutschen gehört« schallt es aus der sich zunehmend faschistoid, eben nationalsozialistisch gebärdenden maoistischen Ecke. Aber auch alle Trotzkisten reden von »revolutionärer Wiedervereinigung« als einer der Hauptforderungen des Klassenkampfes. Nationalismus und Patriotismus scheinen sich umgekehrt proportional zur faktischen Entwicklung des Weltmarktes und der progressiven Infragestellung des nationalen Rahmens zu entwickeln. Im Zeitalter der Herausbildung der kapitalistischen Nationen, die sich teilweise wie die deutsche unter strenger Abschirmung der eigenen Wirtschaft nach dem Motto »Seinen eigenen Kräften vertrauen«, nur mühsam unter Aufbietung aller nationalen und entsprechend kleinbürgerlichen patriotischen Energien gegen die damalige »Supermacht« England behaupten und entwickeln konnten, galt unter Marxisten allgemein die Auffassung, dass die Proletarier kein Vaterland zu verlieren und entsprechend auch nicht zu verteidigen hätten, was auch konsequent in der Gründung der I. Internationale seinen Ausdruck fand. Je mehr allerdings der Kapitalismus die »Nation« als historisch Überkommenes in Frage stellte und mit der Schaffung des Weltmarktes sich einen entsprechenden Rahmen setzte, wurden die proletarischen Parolen durch kleinbürgerliche ersetzt. Dies ist nur ein beiläufig angeführtes Indiz für die nicht oft genug zu betonende Tatsache, dass mit der allgemeinen Konterrevolution in den letzten 50 Jahren ihre stalinistischen und sozialdemokratischen Protagonisten nicht nur jegliche Organisation des Proletariats, sondern auch jegliche Theorie und Programmatik mit ihrem Blutbad und mit ihrem Terror zu vernichten suchten, was ja auch seine bezeichnenden Folgen hatte.

Das sogenannte deutsche Volk war immer geteilt. Vor dem grossen industriellen Aufschwung in einen »nationalen« Flickenteppich und nach der Zwangseinigung mit »Blut und Schwert« unter Bismarck immer noch in Proletariat und Bourgeoisie. Trotz der Nichteingliederung Österreichs (ein Bestandteil der »deutschen Nation«), standen die zwei wesentlichen Klassen der Gesellschaft seitdem nicht mehr vor einer nationalen, sondern vor einer internationalen Frage. Durch die Entwicklung des Kapitalismus wurden die nationalen Grenzen zu eng. Darauf antwortete die Bourgeoisie mit imperialistischer Expansion, und das Proletariat mit der Behauptung seines Programms der Weltrevolution. Die Teilung des deutschen Reiches nach 1945 war keineswegs die Folge der Niederlage in einem nationalen Befreiungs- oder Vereinigungskrieg, sondern der Niederlage in einem imperialistischen Krieg. Die deutsche Teilung diente der Fesselung des deutschen Imperialismus durch seine siegreichen Konkurrenten. Die »nationale Frage« ist in Deutschland objektiv die ideologische Hülle für imperialistische Bestrebungen. Sie hier im Namen der proletarischen Bewegung zu stellen hat eine ausgesprochene sozial-imperialistische Bedeutung, denn auf diesem Boden kann lediglich eine Verbindung der sozialen Bewegung des Proletariats mit der imperialistischen Politik der Bourgeoisie stattfinden. Den maoistischen wie den trotzkistischen Gegnern kann man nur ins Stammbuch schreiben, dass auch das »deutsche« Proletariat natürlich immer in einer gespaltenen »Nation« lebt, bis es seine eigene Diktatur errichtet hat: Die Ausweitung der Revolution in Europa wird sich nicht im Namen einer Wiederherstellung von Nationen vollziehen, sondern als revolutionäre Abschaffung der nationalen Grenzen, als Ausweitung der Diktatur des internationalen Proletariats.

Nach diesen längeren Vorbemerkungen kommen wir nun eigentlich zu unserem »Sonderfall« in den Wirtschaftsbeziehungen BRD/Ostblock. Wegen der angesprochenen eigenartigen, aber durchaus konsequenten Behandlung durch klein- wie grossbürgerliche Ideologen erscheint die DDR nicht in der BRD-Aussenhandelsstatistik. Der Sonderstatus der DDR wurde sogar auf Drängen der BRD von der EG einst anerkannt, weswegen die Regeln der EG nicht für den »innerdeutschen Handel« gelten, also Lieferungen aus der DDR zollfrei und ohne Abschöpfungen in die BRD gelangen.

Diese Handelsvergünstigungen gegenüber der DDR haben bemerkenswerte Folgen für die Struktur des »innerdeutschen« Warenaustausches: Nicht zuletzt gerade diesen Sondergenehmigungen ist es zuzuschreiben, dass er dem eines Entwicklungslandes mehr gleicht als dem einer hochindustrialisierten Wirtschaft, die die DDR – nur rund 11 % Beschäftigte im Agrarbereich – noch vor der CSSR im »Ostblock« ja darstellt.

Die ihr gewährten Handelspräferenzen nutzt die DDR nämlich dazu, überwiegend Erzeugnisse der Landwirtschaft, der Grundstoff- und der Konsumgüterindustrie in die BRD zu liefern, während sie von dort vor allem Investitionsgüter und Produkte der chemischen Industrie bezieht. DDR-Exportprodukte aus dem Bereich der Produktionsgüterindustrie, insbesondere Maschinen, bleiben dagegen – soweit sie nicht in die osteuropäischen Länder ausgeführt werden müssen – den westlichen Absatzmärkten vorbehalten, auf denen Devisenerlöse zu weitaus ungünstigeren Bedingungen als in der BRD zu erzielen sind, denn – laut Honecker – kann die DDR mit 90 % ihrer Produktion nicht auf den westlichen Märkten konkurrieren (»Der Spiegel« 16/77, S. 24). Da diese Anomalie in der Struktur des »innerdeutschen Handels« ein wesentlicher Grund für seine Wachstumsgrenzen und zugleich für die Verstetigung des Ungleichgewichts der Handelsbilanz darstellt, drängen die BRD-Kapitalisten seit langem auf »Strukturverbesserungen«.
»Maschinen gegen Eier«, so Rohwedder (Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium) könne »auf Dauer keine Grundlage für die Intensivierung der Beziehungen bilden. Dies um so weniger, als die Bundesrepublik beim Aussuchen ihrer Lieferanten für Agrarprodukte und Textilien in zunehmendem Masse die Dritte Welt berücksichtigen muss« (»Handelsblatt« v. 9. 9. 76).

Trotz verschiedener Stagnationsphasen und Rückschläge zeigte der Warenaustausch der BRD-DDR in den letzten Jahren einen eindeutigen aufwärts gerichteten Trend. Noch 1950 hatte das Handelsvolumen nur 810 Mio. Verrechnungseinheiten (1 VE = 1 DM = 1 M der DDR) betragen gegenüber dem bisherigen Höhepunkt 1976 von rund 8 Mrd. VE.

1976 entwickelte sich der »innerdeutsche Handel«, dessen Wachstumsraten zwischen 1970–75 jährlich im Durchschnitt 11 % betrugen, wie folgt (in Mio. VE):

Innerdeutscher Handel 1975/1976
(in Mio. Verrechnungseinheiten)
  1975 1976 Veränderungen gegenüber Vorjahr
Exporte in die DDR 4028,2 4469,9 +11,0 %
Importe aus der DDR 3390,9 3938,4 +16,1 %
(Bulletin Nr. 19/77, S. 130)

Offensichtlich machte die DDR im Jahre 1976 (und auch 1977) verstärkte Anstrengungen, ihre Exporte in die BRD zu steigern, wobei mit 23 % besonders stark die Lieferungen von Investitionsgütern zunahmen (DIW 9–10/77, S. 80)

Zeigte der Warenaustausch zwar eine stetig expansive Entwicklung, so sind die BRD-Kapitalisten insgesamt doch eher unzufrieden. Eine klagende Stimme soll hier beispielhaft angeführt werden. Unter der Schlagzeile »Innerdeutscher Handel braucht neue Impulse«, veröffentlichte das »Handelsblatt« anlässlich der Leipziger Frühjahrsmesse 1976 einen Artikel, in dem es unter anderem heisst: Nähme man die Entwicklung des Warenaustausches, dann käme
»man sehr schnell zu einem Ergebnis, das schlicht und einfach besagt, dass die Entwicklung des letzten Jahres, ja der letzten Jahre, nicht gerade günstig gewesen ist… Knapp siebeneinhalb Milliarden Umsatz können auch nicht annähernd als jene Grössenordnung angesehen werden, die in Struktur und Umfang dem hohen Entwicklungsniveau der beiden Volkswirtschaften entspricht« (»Handelsblatt« v. 4. 3. 76).
In der Tat schwankte der Anteil des Warenaustausches mit der DDR am gesamten Aussenhandel der BRD immer um 2 % und lag 1975 lediglich bei 1,8 % (»Die Zeit« v. 17. 9. 76).

Dabei hat der Handel mit der BRD für die DDR ein ungleich grösseres Gewicht. 1974 war die BRD wiederum nach der UdSSR zweitwichtigster Handelspartner. Das Volumen des »innerdeutschen« Handels liegt über dem addierten Warenaustausch der DDR mit Holland, England, der Schweiz und Frankreich. Zwar expandiert der Warenaustausch der DDR mit westlichen Industrieländern rascher als der Handel mit der BRD, doch vergrösserte sich dessen Anteil am gesamten Handel der DDR mit anderen Staaten leicht von 9,2 (1973) auf 9,4 % 1974. In den letzten Jahren hat auch die DDR durch einen stark expandierenden Westhandel zunehmende Handelsdefizite aufgehäuft, die gegenüber der BRD z. Zt. rd. 2,3 Mrd. DM und gegenüber dem gesamten Westen rd. 10 Mrd. DM ausmachen. Das bedeutet ganz eindeutig, dass die DDR unter starkem Exportzwang steht. Dies nicht nur im Handel mit der BRD, sondern in ihrem gesamten Westhandel, denn alles, was die DDR bezieht, sei es auch über die unterschiedlichen Kredite, muss sie letzten Endes mit Lieferungen bezahlen.

Auf der anderen Seite ist die DDR noch mehr als z. B. die CSSR durch »enge freundschaftliche« Bindungen zu Lieferungen von hochwertigen Industriewaren an die UdSSR gebunden. Rund ein Viertel aller sowjetischen Importe von Maschinen und Ausrüstungen stammen aus der DDR-Produktion. Besonders im Zusammenhang mit dem 1975 vereinbarten »Freundschaftspakt DDR-UdSSR« wurde die DDR zu vermehrter Beteiligung an der sowjetischen Industrialisierung gezwungen. Der Anteil der technisch hochentwickelten Produktion im Warenaustausch zwischen diesen zwei »Bruderländern« soll entsprechend von heute 25 % bis 1980 auf 35 % ansteigen. Schon in wenigen Jahren sollen ⅔ der Exporte der DDR in die UdSSR auf Maschinen und Ausrüstungen fallen, wobei sich die DDR bei ihren Exporten in Richtung Osten besonders stark in den Bereichen Waggonbau, Werkzeugmaschinen, Landmaschinen und Schiffbau spezialisiert. Daneben sollen DDR-Lieferungen von Informations- u. Datenverarbeitungstechnik, Büromaschinen, metallurgische Ausrüstungen, Eisenbahnkräne und andere Waren des Maschinenbaus sowie chemische Erzeugnisse in den nächsten Jahren verstärkt werden.

Im Gegenzug importiert die DDR besonders Rohstoffe aus der UdSSR. Wegen des Bedarfs an noch stärkeren Bezügen von Roh- und Brennstoffen muss sich die DDR darüber hinaus am Bau von Ferngasleitungen, an der Ausweitung der sowjetischen Kapazitäten der Ölindustrie, der Walzblecherzeugung, der Eisenerzgewinnung, der Eisenlegierung, der Zellulose- und Asbestindustrie beteiligen. Die DDR hat in diesen Bereichen breite Verpflichtungen für Anlagenbau und andere Lieferungen übernommen. Besonders eng soll künftig auch die Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Errichtung von Produktionsbetrieben in beiden Staaten sein.

Dass dabei die Vertreter des russischen Kapitals ihr Rohstoffmonopol weidlich ausnutzen, wird seit der mit der Erdölverteuerung verbundenen Praxis der UdSSR immer offensichtlicher. Seit 1975 werden z. B. die Aussenhandelspreise für wichtige Wirtschaftsgüter nicht mehr für 5 Jahre festgesetzt, sondern laufend den Weltmarktpreisen angepasst. Der Effekt dieser Politik ist für die kaum verhüllten Statthalter Moskaus in der DDR keineswegs erfreulich, denn für die DDR bedeutet dies, dass sie mengenmässig zunehmend mehr in die UdSSR liefern muss, um gleichviel Rohstoffe zu erhalten.

So gerät die DDR in eine keineswegs beneidenswerte Zwickmühle: Um die Lieferverpflichtungen an den grossen Bruder termingerecht erfüllen zu können, aber auch natürlich um die eigene Wirtschaft weiter auf Vordermann zu bringen, benötigt man immer stärkere Importe westlicher Technologie, für die man aber immer schwieriger etwas zum Austausch feil bieten kann. Produktivitätssteigerung, erhöhte Arbeitseffektivität und Materialersparnis sind deshalb die beherrschenden Schlagworte, die dem DDR-Proletariat alltäglich aufmunternd zugerufen werden. Kein Wunder deshalb auch, dass die bessere Versorgung dieser Auszubeutenden – auf dem 8. Parteitag noch oberstes Gebot – auf dem im Mai 1976 stattgefundenen 9. Parteitag nur noch an untergeordneter Stelle auftauchte. Vorrang haben jetzt wieder ganz offen die Investitionen in der Industrie, und zwar vor allem die Rationalisierungsinvestitionen. Auch hier also der »gesetzmässig bevorzugte Ausbau der Schwerindustrie«, der ja für diesen »realen Sozialismus« so charakteristisch – wie für unseren Kapitalismus – ist. Und was man mit Rationalisierungsinvestitionen eigentlich bezweckt, ist eben die altbekannte Steigerung der Ausbeutung.

Über die rein »technisch« bedingte Steigerung der Ausbeutung hinaus, vollzogen die Verfügungsberechtigten an den Produktionsmitteln der DDR eine einschneidende Reform der Entlohnung. Diese stille Einführung neuer Grundlöhne unterstreicht den Zwang zur Leistungssteigerung nachhaltig. Im Kern wird folgendes erreicht: Die heutige Schwankungsbreite beim Grundlohnanteil reicht von 20–80 % – in der Regel liegt er um 50 %. Künftig soll dieser Basislohn nach der Umstellung generell 70–90 % ausmachen. Diese »Reform« – natürlich zur weiteren Verwirklichung der »sozialistischen Errungenschaften« – wird in ihren Wirkungen erst klar, wenn man weiss, dass der Grundlohn mit bis zu 20 % besteuert wird. Im Endeffekt handelt es sich bei dieser Neuerung um eine nicht unbeträchtliche Steuererhöhung, denn die Leistungslohnanteile, die nur unter eine 5 %ige Besteuerung fallen, werden künftig nur noch zwischen 10 und 30 % betragen.

Neben dieser Steuererhöhung ergibt sich für das DDR-Kapital noch eine weitere positive Seite: Konnte man bisher durch eine »Übererfüllung« der Norm seinen Lohn nicht unbeträchtlich erhöhen, so bleibt hierfür angesichts des höheren Grundlohnanteils und einer stärkeren Klassifizierung des Arbeitsprozesses, die mit den neuen Grundlöhnen verbunden ist, nur noch wenig Spielraum übrig. Das wiederum bedeutet, dass es sich bei der Einführung neuer Grundlöhne in Wirklichkeit auch um eine geschickt kaschierte Normerhöhung handelt.

Steuer- und Akkorderhöhung bedeuten zusammen eine raffiniert getarnte Verschärfung der Ausbeutung der DDR-Lohnabhängigen. Die DDR-Bourgeoisie hat offensichtlich aus den bisherigen Erfahrungen gelernt. Aber dass sich die Wirkung beim eigenen Proletariat doch als das auswirken wird, was man da bezweckt, ist ja sonnenklar. Wer nach dieser »Reform« den gleichen Lohn mit nach Hause bringen will, muss angesichts der höheren Besteuerung des grösser gewordenen Grundlohnanteils erheblich mehr leisten.

Dass insgesamt die Rechnung der stärkeren Lieferbindungen an den »Bruder« bei allgemein sich verschlechternder Wirtschaftslage nicht ganz aufgehen kann, zeigen auch interessante Hinweise auf einen noch leisen Protest gegenüber den wachsenden Verpflichtungen, den Russen die Wirtschaft auszubauen. Denn steigender Exportzwang fordert verschärfte Ausbeutung, die sich in den »sozialistischen« Satelliten als verschärfte sozialpolitische Spannung niederschlägt. Und auch für das DDR-Kapital sind die reformistischen Mittel steigender Löhne und besserer Konsumversorgung zunehmend beschränkt und zeigen darüber hinaus auch nicht die Wirkung, die man sich bei den Erfindern dieses »Gulaschkommunismus« versprach. Wachsender Widerstand wird selbst in der disziplinierten DDR immer stärker sichtbar. Und über die Innen- und Aussenpolitik scheint es innerhalb der Herrschenden durchaus zu starken Meinungsverschiedenheiten gekommen zu sein. Innenpolitisch weiss man nicht so recht, wie man die beiden Seiten bürgerlicher Herrschaft – staatliche »Wohlfahrt« und Gewalt – jeweils dosieren soll. Die Bourgeoisie ist auch in diesen Ländern gespalten in diejenigen, die die Ausbeutung möglichst aushaltbar gestalten wollen und jenen, die um die zukünftige Beschränktheit der materiellen Zugeständnisse wissen und deshalb vorbeugend mit Gewalt den verängstigten Lohnabhängigen klar machen wollen, dass Widerstand nur blutige Köpfe provoziert. Aber insgesamt hat es auch die DDR-Bourgeoisie mit ihrem Proletariat weitaus schwieriger als die BRD-Bourgeoisie. Und dass da die relative Enge des materiellen Rahmens und die sklavische Unterwerfung unter die Gunst des grossen Bruders eine Rolle spielen, ist gewiss. Deutschland hat zwar als ganzes den Krieg verloren, dies allerdings mit dem Unterschied, dass die USA ein hochindustrialisiertes Land waren und keinen Vasallen als Maschinenlieferanten brauchten, während der sich allmählich imperialistisch erweiternde russische »Sozialismus« vor allem nach der riesigen Zerstörung nach Produktionsmitteln gierte, nicht zuletzt, um in dem Ringen der zwei kapitalistischen Supermächte überhaupt bestehen zu können.

Gab es zwar auch in der DDR schon einige spektakuläre Proteste gegen dieses »brüderliche« Aussaugen durch die UdSSR, so meldet wohl in letzter Zeit zumindest ein Teil der DDR-Bourgeoisie auch aussenpolitisch immer deutlicher ihre Bedenken an. So wandte sich ein Aufsatz in der DDR-Zeitschrift »Deutsche Aussenpolitik« v. Okt. 1976 gegen eine noch stärkere Ausweitung des RGW-Anteils am Aussenhandel der DDR. Die Vertiefung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den Ländern müsse sich nicht gleichermassen im Anteil des gegenseitigen Warenaustausches am Gesamtaussenhandel niederschlagen. Es sei auch falsch, dass insbesondere die wachsende Zusammenarbeit in Produktionsvorbereitung und Produktion zwangsläufig zu einem ständig einseitigen Anwachsen des Anteils der gegenseitigen Wirtschaftsbeziehungen am Gesamthandel der RGW-Länder führen müsse. Eine solche These würde nach Ansicht der Zeitschrift auf die Begründung einer regionalen Autarkie und die Diskriminierung von Drittländern hinauslaufen. Vorsichtshalber unterstrich das dem DDR-Aussenministerium nahestehende Blatt jedoch, dass der RGW-Handel »im Interesse einer planmässigen wirtschaftlichen Entwicklung« auch weiterhin »solide Grundlage« des DDR-Aussenhandels bleiben werde.

Und Vorsicht ist auch geboten, denn bislang gingen die Sowjets gegen diese Art »nationaler« Töne stets rigoros vor. Dies zumal bei der DDR, denn auf dieses Land wirk die ökonomische Saugkraft der BRD unvergleichlich stärker als auf irgendein anderes. An dieser Stelle müsste die Frage der deutschen Teilung/Wiedervereinigung, auf die wir oben kurz eingingen, nunmehr unter genauer Berücksichtigung der Entwicklung der DDR-Wirtschaft wiederaufgegriffen und theoretisch vertieft werden. Im »Drang nach Osten – Drang nach Westen« bildet dies aber einen besonderen Aspekt, der zugleich wohl der brisanteste ist. Ihn hier gebührend zu untersuchen würde allerdings den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, weshalb wir in einer der nächsten Nummern dieser Zeitschrift gesondert darauf zurückkommen werden. Nach den bisherigen Ausführungen wird aber dem Leser ein wesentlicher Punkt klar geworden sein: Der Versuch, die DDR wirtschaftlich von der BRD zu verselbständigen und in einen auf ökonomischen Gesetzmässigkeiten beruhenden Verbund mit der Sowjetunion zu bringen, konnte trotz aller politischen und wirtschaftspolitischen Bemühungen nicht gelingen. Im Gegenteil, die vom ökonomischen Determinismus erzwungene Integration des Ostblocks in den Weltmarkt (bzw. der Drang des Westens nach Osten) verstärkt die Tendenz zur wirtschaftlichen Verflechtung der DDR mit der BRD, was vor dem Hintergrund der gegebenen politischen und militärischen Konstellation eine Masse Zündstoff für soziale und politische Konflikte liefert.

Der DDR-Bourgeoisie stehen durchaus harte Zeiten bevor. Wenn wir uns auf den sozialen Aspekt beschränken, so ist zunächst festzustellen, dass sie in den nächsten Jahren ihr Proletariat – natürlich zum höheren Ruhm des »Aufbaus des Sozialismus« –, immer stärker wird rannehmen müssen. Eine teilweise Entschärfung der brisanten Lage durch verstärkten Konsum wird – so ungenügend er schon in den letzten Jahren war – in Zukunft kaum mehr möglich sein. Und das angesichts wachsender sozialer Spannungen, die sich jetzt – nach den Bemühungen um eine bessere Versorgung – auch in der DDR allenthalben breit machen, zwar nicht in Arbeiteraufständen wie in Polen, sondern in einer ständigen Sehnsucht nach dem jetzt krisenbedingt kaum mehr »goldenen« Westen sowie in einer Arbeitsunlust, deren Ausmass an der alles durchdringenden Produktivitätshetze zu erkennen ist.

Angesicht dieser Gesamtlage wird selbst die ausgemachteste »Kompradorenbourgeoisie« von inneren Krisen erschüttert und vom »nationalen Virus« heimgesucht. Zwar können die Sowjets mit ihren Panzern die Aufrechterhaltung der politischen Lage in der DDR immer noch militärisch erzwingen, aber eine längerfristige Perspektive ist damit kaum zu erreichen. Nach alter Erfahrung der Herrschenden kann man mit Bajonetten zwar zeitweise alles erreichen – aber nicht lange auf ihnen sitzen. Reine Gewalt, das wissen auch die Praktiker der Durchsetzung der kapitalistischen Gesetze, braucht mehr als zwangsweise Zustimmung. Erst die innere Überzeugung und offene, gleichsam automatisch sich ergebende Bejahung des Ausbeutersystems durch die Ausgebeuteten schafft jene durch wachsende Arbeitsproduktivität und »freudig« allein der Kapitalistenlogik nach optimaler Kapitalverwertung verpflichtete »Volksgemeinschaftsstimmung«, die die Weltmeister der Ausbeutung »im Westblock« – wie die USA, die BRD, die Schweiz und Japan – so einzigartig in der Vergangenheit auszeichnete. Wenn aber eins durch den ökonomischen Schock der letzten Weltwirtschaftskrise die politisch-soziale Szene verändert hat, dann ist es die praktische Infragestellung dieses für das Kapital so profitträchtige Modell eines reformistisch-sozialpartnerschaftlichen »Wohlfahrtsstaates«. Er wird zwar auch weiterhin sein Unwesen treiben und die Köpfe der Ausgebeuteten verwirren aber die Bourgeoisie muss dank der sich krisenbedingt verschärfenden internationalen Wirtschaftskriege auch in diesen Ländern immer mehr zu offeneren Formen der Ausbeutung und Unterdrückung übergehen. Was das für den kaum ähnlich disziplinierten »östlichen« Kapitalismus und nicht zuletzt für die in brennenden Widersprüchen verstrickte DDR bedeutet, ist kaum abzusehen, vor allem, wenn dem dortigen Proletariat wegen wachsender Krisensymptome das westliche »Paradies«, an das es sich wie an eine Erlösungshoffnung bisher glaubte klammern zu können, endlich als Scheinalternative genommen wird, denn dieses »Paradies« ist auch die Zielvorstellung aller reformerischen Versuche der Bourgeoisie des Ostblocks. Auch in der DDR werden sich dann nicht mehr »linke« Philosophen, Schriftsteller und Liedermacher allein als die eigentlichen Sachwalter des dortigen Proletariats aufspielen können.

Die Integrierung Russlands in den kapitalistischen Weltmarkt

Zum tieferen Verständnis der knappen Daten sind noch grundsätzlichere Betrachtungen zum Ost-West-Problem nötig.

Die deutsche Wirtschaft drängte nicht zufällig seit den ersten Anzeichen des Endes eines problemlosen, expansiven Wirtschaftswachstums verstärkt auf die Märkte des Ostens. Über Aspekte einer reinen konjunkturbelebenden Exportpolitik hinaus müssen diese, vor allem von den Sozialdemokraten angestrengten Bemühungen unter dem Anzeichen einer »neuen« Ostpolitik auf der Linie der traditionellen deutschen Macht- und Expansionspolitik gesehen werden. Der zentrale Geburtsfehler des »Spätentwicklers« Deutschland war und ist die schwache Verankerung im Weltmarkt über informelle wie formelle Einflussmöglichkeiten in Form von Kolonien, oder aktueller von im Ausland investierten Kapitalien. Auf immer kleineren nationalen Raum drängten sich immer konzentriertere Produktivkräfte, die vor allem über einen verstärkten Warenexport sich Luft verschaffen mussten. Das stellte auch solange kein Problem dar, als ein internationaler Wirtschaftsboom den Absatz recht ungehindert regelte. Sobald aber der Widerspruch zwischen Produktions- und Konsummöglichkeiten sich zuerst national, dann auch international in verschärften Wirtschaftskrisen auswirkte, wurden die stets vorhandenen protektionistischen Tendenzen zusehends manifester und drohten der deutschen Industrie den Export ihrer Waren zu verwehren. Jeder Aussenmarkt ist ja in erster Linie Binnenmarkt für das dortige Kapital, und wenn es hart auf hart geht, verflüchtigen sich die schönen Theorien schnell zu Ideologien, und durch die handfesten Interessen der Industrieländer reduziert sich die internationale Wirtschaft auf einen reinen »Merkantilismus«.

So war vor allem die Lage in der Weltwirtschaftskrise 1929–32, in der die verschuldete, von ihren Konkurrenten nach der Kriegsniederlage kontrollierte deutsche Industrie mit ihren hochgezüchteten Produktivkräften plötzlich in einem zusammenbrechenden Weltmarkt vor den verrammelten Toren der meisten Staaten ihre eigene Warenmenge nicht mehr losschlagen konnte. Der Zwang zum Export bedingte notgedrungen eine verstärkte Ausbeutung des eigenen Proletariats, denn man konnte nicht wie die europäischen Kolonialländer und die ihren Imperialismus mit Moralsprüchen und anderem Freiheitszauber beschönigenden USA auf ausländische Möglichkeiten zurückgreifen, um sich durch Abschottung dieses eroberten Gebietes relativ günstige Rohstoffbezugsquellen und Absatzmärkte auch unter Krisenbedingungen zu erhalten. Zumindest gewann das Kapital in Frankreich, England und den USA den nötigen Spielraum, um eine Massenradikalisierung wie in Deutschland zu verhindern. Auch wenn damals die deutschen Lohnabhängigen keine revolutionäre Bedrohung für das deutsche Kapital bedeuteten, so stellten sie doch einen bedrohlichen Faktor dar, der die unter dem Zwang der Kostengünstigkeit stehende Industrie hart in Bedrängnis bringen konnte. Angesichts des Zusammenbruchs des Weltmarktes unter der Bildung von autarken »Grosswirtschaftsräumen« seitens der wichtigsten Konkurrenten wurde das deutsche Kapital gezwungen, rigorose Formen der »Massenbefriedung« unter dem Zeichen der faschistischen »Volksgemeinschaft« zu finden, um unter der Politik einer relativen Autarkie und Aussenhandelskontrolle die Konkurrenzfähigkeit vor allem gegen die angelsächsischen Gegner auf dem Weltmarkt zu stärken. Als traditioneller Expansionsraum diente dabei im Hinblick auf die »besetzte« Welt in erster Linie der Südosten und Osten Europas. Hier ergab sich für das deutsche Kapital die einzige Spalte in der imperialistisch von der Konkurrenz beherrschten Welt. In der zweimaligen imperialistischen Katastrophe der Weltkriege nahm dieser Zwang der deutschen Expansion seinen Lauf. Hier versuchte das deutsche Kapital mit Brachialgewalt die nötigen Rohstoffquellen und Absatzmärkte für seinen Kampf gegen die westliche, vor allem angelsächsische Konkurrenz zu finden.

Die Geschichte fiel bekanntlich anders aus. In beiden Teilen »Restdeutschlands« liegt die Bourgeoisie ihren »Befreiern« vor den Füssen und feiert sie lauthals als Freunde.

Die heutige Lage kann natürlich nicht einfach mit der früheren gleichgesetzt werden, aber nur wenn man in der Vergangenheit blättert, lassen sich Probleme der Gegenwart und künftige Entwicklungen abschätzen. Sichtbar fallen in letzter Zeit in die Freundschaften einige Wermutstropfen, denn die Interessen der grossen »Brüder« stossen sich zusehends mit den Interessen ihrer »Schützlinge«. Die politische Atmosphäre wird wieder eisiger, und die Bourgeoisie in aller Welt schnallt sich angesichts bevorstehender internationaler Stürme die Kinnriemen fester. Die laxen Zeiten der »Entspannung« und der »friedlichen Koexistenz« sind vorbei.

Die BRD-Wirtschaft droht in dieser internationalen Entwicklung trotz scheinbarer Solidität auch in der Weltwirtschaftskrise wieder in die Mangel eines verstärkten Protektionismus zu geraten. Zwar versuchte man in den letzten Jahren eifrig die im Warenexport erwirtschafteten Devisen zur Sicherung der schwachen Verankerung im Weltmarkt durch einen forcierten Kapitalexport einzusetzen, aber trotzdem ist nicht zu übersehen, dass die kleine BRD mit ihren dichtgedrängten Produktivkräften bei der sich daraus ergebenden Exportabhängigkeit eine zentrale Achillesferse besitzt, die das äusserlich so saturierte »Modell Deutschland« über kurz oder lang in einem Strudel nationaler wie internationaler Friktionen zu zertrümmern droht. Hinsichtlich dieser Visionen befällt die deutsche Bourgeoisie eine geradezu hysterische Europabesessenheit, die aber im Verlauf der konkreten Einigung der »künftigen Weltmacht« immer kläglicher wird. Mit seiner Ausstrahlung ins Mittelmeer und nach Afrika war Europa ohnehin stets die Alternative zur als »Ultima Ratio« gedachten Ostexpansion. Nachdem die Perspektive einer Ersatznation in einem vereinten Europa in ständig neuen Schwierigkeiten zu ersticken drohte, verstärkte man nicht ohne Bedacht seinen neuerlichen »Drang nach Osten«. Hier fühlt man sich des BRD-Kapitals offensichtlich auch weitaus sicherer, und hier kennt man sich aus.

Die beiden Eisen im imperialistischen Feuer der deutschen Industrie haben dabei ihre folgenschwere Verknüpfung. Die Stagnation in der europäischen »Vereinigung« hat nicht zuletzt ihre Ursache in dem relativen Gleichgewicht ihrer wichtigsten Protagonisten. Deutschland ist nur der »primus inter pares« in Europa, zu schwach um gegenüber Frankreich, England und auch Italien seine Linie durchsetzen zu können. Wie stets in der Geschichte ist auch hier die Machtfrage das Ausschlaggebende, und da paralysieren sich die Kräfte nicht zuletzt eben wegen dieses relativen Gleichgewichts.

Völlig anders sähe die Lage nach einer »Wiedervereinigung« für das deutsche Kapital aus. Mit einem Streich liesse sich dann das Übergewicht gewinnen, das dem deutschen Kapital die nötige Durchschlagkraft für eine Koordinierung der Kräfte unter seinen Vorzeichen in Europa geben würde, und wie bereits bemerkt wirkt der wirtschaftliche Determinismus in der DDR in dieselbe Richtung. Voraussetzung dafür ist allerdings eine Machtkonstellation, die es Russland geraten lässt, auf ihr »Faustpfand« DDR zugunsten eines wie auch immer gearteten Arrangements mit dem deutschen Kapital zu verzichten.

Und das ist keineswegs so unwahrscheinlich, wie es heute noch klingen mag, denn Russland hat auf seinem Weg der Entwicklung des »Kapitalismus in einem Land« einen Punkt erreicht, an dem einerseits eine offensivere Weltmarktorientierung sich immer stärker bemerkbar macht, aber andererseits die Unterentwicklung der eigenen Produktivkräfte im Verhältnis zum wichtigsten Gegner, den USA, sich mit der Zeit als chronisch herauszustellen droht.

Nach der stalinistischen Konterrevolution auf die Perspektive der nationalen kapitalistischen Entwicklung verwiesen, praktizierte Russland in den ersten Jahrzehnten genau das, wozu vor ihm ohnehin stets Spätentwickler gezwungen waren. Es absolvierte seine »ursprüngliche Akkumulation« bei rigoroser Ausbeutung der Lohnabhängigen, wobei letztere erst im gewaltigen sozialen Prozess der Industrialisierung ihre neue »doppelte« Unabhängigkeit, nämlich Unabhängigkeit von den Produktivkräften wie von ausserökonomischen Bindungen fanden. Angesichts allgemeiner imperialistischer Bedrohung durch das entwickelte Kapital, wie der konkreten faschistischen Expansion, blieb hierbei dem russischen Kapital keine Musse. Nichts durfte dem Zufall überlassen werden, am wenigsten konnte man es sich leisten, den Industrialisierungsprozess von den Launen individueller Kapitalisten abhängig zu machen – abgesehen davon, dass diese Spezies der Bourgeoisie in Russland vor der sozialistischen Revolution schon zur Genüge ihre Schwäche bewiesen hatte und ein Grossteil von ihnen von dem revolutionären Klassenterror der Bolschewiki verjagt worden war.

Der Staat musste vielmehr diese Aufgabe der Akkumulation und Investition übernehmen. Er musste versuchen, die anarchischen Reibungsverluste des Marktes auf ein Minimum zu reduzieren und sozialpolitisch eine kontinuierliche Zufuhr der Ware Arbeitskraft unter Niedriglöhnen zu garantieren. Nach aussen war wie stets ein merkantilistischer Schutz der noch schwachen Produktivkräfte gegen die aggressiven etablierten Kapitalzentren nötig, was eine weitgehende Abkapselung der russischen Wirtschaft vom imperialistischen Weltmarkt bedeutete. »Verstaatlichung«, »Planwirtschaft« und »Aussenhandelskontrolle«, diese scheinbaren sozialistischen Gütesiegel, haben hier ihre materiellen Ursachen. Dies mit der rigorosen Integrierung der Ware Arbeitskraft in den kapitalistischen Staat garniert, ergibt den nicht nur in Russland anzutreffenden Typus der »ursprünglichen Akkumulation« im imperialistisch-faschistischen Zeitalter.

Durch den II. Weltkrieg weitgehend zerstört, einer Weltmacht mit Atommonopol ausgeliefert, zwang das »Vaterland aller Werktätigen« die durch die Rote Armee befreiten Länder, in denen die Russen ihre Quislinge etablierten, zu »Wasserträgern« des ausgebluteten »Sowjetreiches« zu werden. Nicht wirtschaftliche, finanzielle Abhängigkeit bildete die Basis dieses russischem Imperialismus, sondern im Vordergrund stand anfangs ausschliesslich die militärische Macht, die mit der Zeit lediglich politisch-ideologisch ein wenig kaschiert wurde. Aufgrund dieser fundamentalen Schwäche dieses »Imperialismus ohne Geld« ergibt sich bis heute als vorrangiges Mittel der russischen Dominanz die Waffenpräsenz. Zielstrebig wurden die eroberten »Satelliten« im »Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe« (RGW) auf die Belange der Industrieentwicklung Russlands ausgerichtet. Nur China, Jugoslawien und Albanien machten sich von dieser Lieferverpflichtung frei, und Rumänien weigerte sich in seinem »nationalen Weg zum Sozialismus« in einem halsbrecherischem Balanceakt, die RGW-Spezialisierung des Agrarlandes zu übernehmen, die das russische Kapital der dortigen Bourgeoisie anfangs aufzwingen wollte.

In diesem autarken »Grosswirtschaftsraum« forcierte Russland die Entwicklung seiner Produktivkräfte besonders durch eine rigorose Ausrichtung der Handelsströme der beiden halbwegs industrialisierten Länder, nämlich der DDR und der CSSR, auf die eigenen Bedürfnisse. Das Beispiel der CSSR ist frappant: Der Anteil des Aussenhandels der CSSR mit den wirtschaftlich entwickelten kapitalistischen Ländern, der noch 1948 bei der Einfuhr 47,3 % und bei der Ausfuhr 43,9 % betrug, sank zugunsten der unterentwickelten »sozialistischen« Staaten auf 14,9 % bzw. 14,7 % im Jahre 1953. Diese erzwungene Integration der CSSR in die »sozialistische Staatengemeinschaft« führte zwangsläufig zu scharfen Spannungen in der gesamten sozialen Struktur, denn ein industriell entwickeltes Land wurde in untergeordneter Stellung in einen Verbund mit Ländern gezwungen, die weitgehend noch in der Phase der vorindustriellen Agrargesellschaft steckten, oder wie Russland mitten in der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals.

Der Molotowplan als Vorläufer dieses RGW war die Antwort Russlands auf den von den USA lancierten Marshallplan, mit dem der Hauptsieger des II. Weltkrieges die Expansion des schwachen ehemaligen »Waffenbruders« in einem Kapitalstrom zu ersticken versuchte. Die Russen konnten aufgrund der Kriegsschäden im eigenen Land und der bestehenden Kapitalknappheit nichts ähnliches wie die USA bieten. Durch ihren Gegenzug gelang es dem russischen Kapital aber relativ schnell, die Handelsbeziehungen des Westens mit den jungen »Volksdemokratien« auf ein Minimum zu drosseln und so die Polarisierung der aussenwirtschaftlichen Beziehungen der Satelliten auf die Nachfrage und das Angebot Russlands zu reduzieren.

Ohne auf diese Aspekte näher eingehen zu können, soll hier nur festgehalten werden: Unter dem scheinbar so roten Banner des stark angeschlagenen und sich entwickelnden russischen Kapitalismus wurde unter dem Schlagwort des »proletarischen Internationalismus« ein Imperialismus betrieben, der entsprechend der eigenen wirtschaftlichen Schwäche sich vor allem auf seine Militärmacht stützen musste. Maximale Ausbeutung in Russland und politisch-militärische Bindung der »Bruderländer« im Sinne der russischen wirtschaftlichen Erfordernisse brachte jene widersprüchliche Dynamik hervor, die dieses »sozialistische Staatensystem« heute noch kennzeichnen.

Ziel all dieser Bemühungen des russischen Kapitals war und ist die maximale Entwicklung der Produktivkräfte. Damit geht eine Zuspitzung der inneren Widersprüche einher, doch tendenziell mussten entsprechend dem erreichten Entwicklungsniveau diese Produktivkräfte auf den Weltmarkt drängen.

Andererseits erzeugte diese Ausbeutung der eroberten Gebiete schwere soziale Spannungen unter den Lohnabhängigen, die in verschiedenen Erhebungen sporadisch ausbrachen. Als Statthalter russischer Interessen pressten die Kompradorenbourgeoisien aus ihrem Proletariat das letzte heraus, was dieses schliesslich auf die Strasse gegen ihre stalinistischen Ausbeuter trieb.

Auch wenn sich bis heute einige Aspekte geändert haben, so bleibt diese Grundsituation doch aktuell. Russland bezieht immer noch 75 % seines Bedarfs an Investitionsmitteln aus den RGW-Staaten, wobei letztere rund die Hälfte ihres gesamten Exports von Maschinen und Anlagen nach Russland abliefern. Nicht durch finanzielle oder wirtschaftliche Durchdringung nach Art der entwickelten Kapitale gelangt somit das »sozialistische Vaterland« zu seiner imperialistischen Einflusszone, sondern vor allem durch die politisch-militärische Präsenz – gepaart mit einer fast vollkommenen Abhängigkeit der »Bruderländer« im Aussenhandel von dieser »sozialistischen« Grossmacht. Die Satelliten beziehen die notwendigen Rohstoffe aus Russland und liefern dorthin ihre Industriewaren, die aufgrund der Qualitätsmängel (deren Behebung infolge der relativen Rückständigkeit des Abnehmers nicht erforderlich ist) auf dem Weltmarkt kaum abzusetzen wären.

Insgesamt bietet somit der »Ostblock« eine seltsame Situation. Während intern die Handelsströme zwischen Russland und den Satelliten vorwiegend ein Austausch zwischen Rohstoffen und Industriewaren ist, sieht die Handelsstruktur mit dem Westen genau umgekehrt aus. Dorthin exportieren die nicht-russischen RGW-Länder hauptsächlich Rohstoffe und Agrarprodukte, während sie Investitionsgüter beziehen.

In der Klemme zwischen den Lieferverpflichtungen gegenüber dem grossen »Bruder« und den eigenen Belangen der Produktivkraftentwicklung, die im wesentlichen nur mit Hilfe von Westlieferungen ohne grosse Verzögerung bewerkstelligt werden kann, geraten diese Länder in einen immer stärkeren Exportzwang, aus dem es für die Bourgeoisie nur den Ausweg verstärkter Ausbeutung gibt. Die jüngsten sozialen Spannungen in fast allen Ländern des Ostblocks sind Resultat dieser engen »Freundschaft« der Satelliten zu ihrer »Schutzmacht«. Sich artikulierende Widerstände seitens nationaler Bourgeoisfraktionen gegen diese Ausbeutungspraktiken der Russen, die den materiellen Spielraum der Befriedung stets soweit einengen, dass soziale Ausbrüche wahrscheinlich werden und langfristig eine tiefe Identifizierung der Lohnabhängigen mit ihrem Ausbeuterstaat verhindern, wurden schnell im Keim erstickt. Die letzte spektakuläre Aktion war die »Befreiung« der CSSR von der »Konterrevolution«. Diese Vertreter mehr oder weniger betonter Abrücktendenzen vom russischen Kapital sehen nur allzu klar, dass diese Unterwerfung ihrer Wirtschaften unter den kapitalhungrigen russischen Staat nicht nur die sozialen Spannungen immer akuter werden lässt, sondern auch der eigenen Produktivkraftentwicklung ernsthaft im Wege steht.

Die Bedenken dieser »Dissidenten« über die Abhängigkeit vom russischen Kapitalismus und über dessen Zukunft selbst sind sicher berechtigt: Ökonomisch erweisen sich die Steuerungsmechanismen der »ursprünglichen Akkumulation« für den heutigen entwickelteren Grad des östlichen Kapitalismus immer weniger als stimulierend für die Wirtschaftsentwicklung. Die Praktiken der rigorosen Zusammenfassung aller Potenzen unter die gesellschaftliche Kraft des absoluten, totalitären Staates stossen im Masse der Entwicklung immer stärker an ihre Grenzen. Mit der Entfaltung der Produktivkräfte in Russland werden die anarchischen Kräfte des Kapitalismus zusehends manifester, und der Anspruch einer umfassenden Kontrolle der Wirtschaft entlarvt sich immer offener als Bluff. Mit fortschreitender Wirtschaftsentwicklung erwies sich der Totalitarismus, der den Bedingungen der ursprünglichen Akkumulation, bzw. des Wiederaufbaus nach dem Kriege entsprach, ständig mehr als Hemmschuh der Industrialisierung und wurde zu einer Fessel der Produktivkräfte. Hier setzen in der Nach-Stalin-Ära die bekannten Reformdiskussionen unter dem Motto »Markt oder Plan« ein, die mit der Einführung des »Neuen ökonomischen Systems der Planung und Leitung« (NÖS) 1963 in der DDR und im »Neuen System der Planung und ökonomischen Stimulierung« 1965 in Russland ihre konkreten Ergebnisse brachten. Die spezifisch kapitalistische Rationalität, derzufolge nur das »nutzbringend« sein kann, was auch für den Einzelbetrieb »nützlich« ist, wurde mit der Festsetzung des Profits als wichtigster betrieblicher Kennziffer hier praktisch umgesetzt.

Das Proletariat des Ostblocks zeigt in diesem Prozess des allmählichen Übergangs von einer mehr extensiven zur verstärkt intensiv betriebenen Ausbeutung sein eigenes Gewicht. Ganz im Sinne der kapitalistischen Logik, derzufolge das Wachstum der Schwerindustrie gegenüber der Konsumindustrie den Vorrang hat, leiden die Lohnabhängigen an einer weitgehenden Unterversorgung, die sozialpolitisch in latente Unruhen umschlägt und im Arbeitsprozess als verbreitete Arbeitsunlust sich auswirkt. Ständiger Appell an die »Werktätigen« ist nötig. um die im Verhältnis zum Weltmarktniveau geringe Arbeitsproduktivität zu steigern. Dass in diesem Prozess der Antreiberei die Staatsgewerkschaften ganz vorne agieren, entlarvt ihren Charakter zur Genüge. Sie stehen nicht in der Tradition autonomer Kampfverbände zur Verbesserung der unmittelbaren Lebensbedingungen des Proletariats, sondern fungieren im Gegenteil als eiserne Klammer, die jegliche ökonomische Kämpfe des Proletariats um Lohn und Arbeitszeit von vornherein unterbinden und das variable Kapital allein den Erfordernissen des Kapitals unterwerfen sollen. Da das Proletariat jeglicher kollektiven Stärke beraubt ist, gelingt es auch der dortigen Bourgeoisie, den Lohnfaktor weitgehend in den Griff zu kriegen. Da es dem russischen Kapital so in einem starken Masse gelingt, über ihre sozialistisch verbrämte »Volksgemeinschaft« den Lohnfaktor als zentralen Fixpunkt der Kapitalverwertung umfassend zu kontrollieren, erübrigen sich gewissermassen die mit Inflation und Arbeitslosigkeit zusammenhängenden traditionellen Praktiken. Diese werden aber in jüngster Zeit mit den Erfordernissen verstärkter Ausbeutung angesichts massierter Konkurrenzkämpfe auf dem Weltmarkt auch in diesen Breiten immer offener ein Knebel der dortigen Arbeiterklasse. Und dass die Planung eine Farce ist, zeigt gerade die offene Unfähigkeit der dortigen »Arbeiterführer«, die Konsumindustrie verstärkt zu entwickeln – und sei es auch nur, um dem maulenden »Volk« das Maul zu stopfen. Vor allem die Landwirtschaft hängt wie ein ständiger Klotz am Bein des russischen Kapitalismus. Noch heute produzieren in der russischen Landwirtschaft 30 % der Bevölkerung weniger Getreide als 5 % der amerikanischen. Wahrlich ein schlagender Beweis für den Unsinn der immer behaupteten souveränen »Planwirtschaft«. Dabei sind die landwirtschaftlichen Voraussetzungen keineswegs schlecht: In Russland werden etwa 550 Mill. ha Land genutzt, d. h. dass pro Kopf der Bevölkerung 1,9 ha Ackerfläche zur Verfügung stehen. Das ist eine Fläche, die viermal so gross ist wie diejenige, die beispielsweise in der BRD pro Kopf vorliegt. Daraus ergibt sich, dass Russland eigentlich ein Land sein müsste, das keinerlei Agrarprobleme kennt, denn es gibt nur wenige Länder in der Welt, in denen eine derart grosse landwirtschaftlich genutzte Fläche pro Einwohner vorhanden ist. Auch hier zeigt sich die russische Unterentwicklung deutlich. Die Ausstattung der dortigen Landwirtschaft mit Maschinen – neben der sozialen Struktur auf dem Lande sicher ein wichtiger Punkt in dieser chronischen Misere – ist nach wie vor unzureichend. Die russische Industrie ist nicht einmal in der Lage, die von russischen Fachleuten errechnete Mindestausstattung der landwirtschaftlichen Betriebe zu decken. Dies mit dem Effekt, dass in den Kolchosen und Sowchosen in der Regel immer nur halb so hohe Erträge wie in der westeuropäischen Landwirtschaft erwirtschaftet werden. Gerade auch am Beispiel Russlands zeigt sich überdeutlich, dass
»das kapitalistische System einer rationellen Agrikultur widerstrebt oder die rationelle Agrikultur unverträglich ist mit dem kapitalistischen System…« (»Kapital«, Bd. 3, S. 131).

Trotz dieser chronischen Schwierigkeiten gelangte Russland in ein Entwicklungsstadium, welches die autarken Grenzen zunehmend sprengte und immer stärker auf den Weltmarkt drängte. Auf allen Ebenen wird dieser Bezug zum Weltmarkt stets aktueller. Unter dem Zeichen einer »friedlichen Koexistenz« betreibt Russland eine wachsende Bindung an die entwickelten kapitalistischen Zentren, die allerdings immer noch mehr der Entwicklung eigener Produktivkräfte verpflichtet ist, als dass sie machtvoll ihre erreichte Produktivität ins Spiel bringen könnte. So wie aber einst z. B. Deutschland und die USA durch einen ständigen Strom von Maschinen usw. aus England ihre Produktivkraft steigerten und (hochverschuldet) dennoch immer stärker die englische Vorherrschaft angreifen konnten, so wird das russische »Weltreich« zunehmend zur eigenen aktiven »Weltpolitik« gedrängt, die den Status quo der jetzt dominierenden Staatenkonstellation mit den USA an der Spitze im wachsenden Masse störend in Frage stellt.

Hatte Russland anfangs mit sich und seinen Eroberungen genug zu tun, so forciert es für alle Zeitgenossen sichtbar immer stärker eine expansive Aussenpolitik, die allerdings an der eigenen wirtschaftlichen Schwäche noch ihre Grenzen findet. Aber seit dem »Schock von Kuba« hat sich doch entscheidendes geändert: Hier kam den Vertretern des russischen Kapitals ihre Unterlegenheit richtig zu Bewusstsein, und angesichts dieser Tatsache verstärkten sie in einem riesigen Kraftakt die militärischen, vor allem maritimen Potenzen. Jetzt drängt die »Rote Flotte« allmählich in alle Meere vor, die bislang vom vorherrschenden Kapital gewissermassen qua Gewohnheitsrecht allein beansprucht werden.

Wie eh und je werden diese Machtkämpfe um den Weltmarkt weniger direkt zwischen den eigentlichen Kontrahenten, als vielmehr auf dem Rücken der Länder an der »Peripherie« ausgetragen. Diese Länder der sogenannten 3. Welt sind nach der formalen politischen Unabhängigkeit über vielfältige wirtschaftliche, finanzielle und militärische Einflüsse von den alten »Herren« abhängig und vermehren über eine konstante »primitive Akkumulation« weiterhin deren Reichtum, während parallel dazu durch diese Ausbeutung eine progressive Verelendung der Masse der Bevölkerung in der 3. Welt erzeugt wird.

Dieser Prozess der weitgehenden Unterwerfung des relativen Industrialisierungsprozesses dieser unterentwickelt gehaltenen Länder unter die Belange der produktivsten Kapitale geht natürlich mit einer komplexen Form von Widersprüchen einher, die hier nicht näher dargestellt werden kann. Es geht hier um diese Dialektik zwischen der von der »1. Welt« als offizieller »Heilslehre« propagierten Ordnung der internationalen Wirtschaft und ihrer realen Durchsetzung in der ökonomischen wie sozialen Entwicklung der Betroffenen, die selbst korrupte Vertreter dieser Länder in einen allmählichen Widerstand zwingt. Die vom herrschenden Kapital gepriesene und durch vielfältige nationale wie internationale Kanäle durchgesetzte Politik der »offenen« Weltwirtschaftsordnung, die für alle die vermeintlich besten Ergebnisse bringen soll, zeigt in der Realität je länger, desto schärfer ihre völlig entgegengesetzten Resultate, die für jeden, der die innere Mechanik dieser internationalen Arbeitsteilung kennt, auch gar nicht anders zu erwarten waren.

In diese Widersprüche, die sich immer stärker in »antiimperialistischen« Kampfrufen der verschiedenen nationalen Bourgeoisien Luft zu machen versuchen, setzt Russland seine Hebel an. Während das entwickelte Kapital in seiner konterrevolutionären Politik des absoluten Status quo seine Rechte als stärkster Teil der Weltwirtschaft zu verteidigen sucht und dabei mit Vorliebe auf die reaktionärsten, vorkapitalistischen Kräfte zurückgreift, erhebt sich Russland mit seinem »proletarischen« Getöse zum Anwalt aller »Entrechteten und Geknechteten«, wobei aber, wenn es »ums Geschäft geht« auch das russische Kapital mit gewohnter Skrupellosigkeit die scheinbar so hehren Ideale über Bord wirft. Beim Geschäft mit Chiles Junta vergisst der Osten diese Ideologie, und auch in Persien wittert Russland gute Geschäfte. Analog zu früheren Entwicklungen stehen im »antiimperialistischen« Kampf wieder ähnliche Parolen im Vordergrund, mit denen das aggressiv sich entwickelnde Kapital in traditionelle Herrschaftsbereiche des weit entwickelteren Gegners vorzudringen versucht. Mit diesen moralischen Ansprüchen machte einst England den Spaniern deren Weltreich abspenstig, um sofort danach gegen die Etablierung des französischen und nordamerikanischen Kapitals sein Erstgeburtsrecht zu verteidigen. Und die Nordamerikaner glauben selbst heute noch in einer Neuauflage ihrer moraltriefenden imperialistischen Politik, den Völkern ihre Sitten lehren zu können – dies angesichts der eigenen blutigen Geschichte von Völkermord und Unterdrückung in den Gebieten, die man dank eigener Wirtschaftskraft und »antiimperialistischen« Geseiche einst den Engländern abjagte. Es ist das ewig gleiche kapitalistische Lied. Der Stärkere verlangt dann gebieterisch, dass man zukünftige Konflikte und Machtkämpfe »friedlich«, »gewaltfrei« usw. auszutragen habe, nachdem er bluttriefend das Siegerpodest erreichte. Wie die Bourgeoisie das von ihr ausgebeutete Proletariat in seinen Fesseln und Niederlagen halten und, bis an die Zähne bewaffnet, zu jeder blutigen Unterdrückung bereit, den Arbeitern als einzige Waffe den Palmenwedel zugestehen will, so versucht die stärkste Fraktion der Weltbourgeoisie, dieses Spiel von Macht und Ohnmacht auch gegenüber ihren mit allerlei wilden Sprüchen und möglicherweise roten Tarnfarbe auf die Bühne drängenden Kumpanen zu praktizieren. Wie würde sich wohl heute die offizielle Kommentierung einer so gewaltträchtigen Revolution wie der französischen in diesen »frommen, caritativen« Köpfen der etablierten konterrevolutionären Bourgeoisien des Westens ausmachen, wenn sie selbst bei weit lächerlicheren Ausgaben heute ihr lautes Zeter und Mordio in die Welt hinausheulen. Der Kaiser von Äthiopien ist ermordet worden. Ach Gott! Und an den Händen dieser humanistisch tönenden Galgenvögel klebt das Blut von Jahrhunderten, das bis heute nie trocken wurde.

In diesem Machtkampf um die Pfründe der Welt sehen allerdings die Trümpfe der Russen nicht allzu prächtig aus. Ihre Kapitalmittel sind noch zu beschränkt, und sie sind noch zu sehr mit eigenen inneren Problemen beschäftigt, als dass sie eigentlich offensiv auftreten könnten. Aber im Falle Vietnams und jetzt aktuell des südlichen Afrikas zeigt sich doch deutlich, dass die Russen immer stärker gewillt sind, die Kreise der »heiligen Allianz« der westlichen Konterrevolution zu stören. Sicher nicht, um die»Völker« vom Joch des Kapitalismus zu befreien, sondern um die Grundlagen des Hauptgegners zu schwächen, aber auch um der eigenen imperialistischen Expansion Stützpunkte zu verschaffen.

Fasst man die bisher knapp skizzierten Grundlinien des russischen »Drangs nach Westen« zusammen, so ergibt sich eine komplexe Situation, angefüllt von Spannungen und Widersprüchen. Im Innern bemühen sich die Vertreter des russischen Kapitalverwertungsprozesses, die eigene Entwicklung zu beschleunigen, wobei neben der rigorosen Ausbeutung des eigenen Proletariats die »brüderlichen« Verpflichtungen der kleinen Ostblockstaaten zum »Aufbau des Sozialismus« herhalten müssen. Erst in jüngster Zeit gelang es den Russen, diese Bindungen unter dem Zeichen des »proletarischen Internationalismus« wieder zu festigen. Nach dem Preisanstieg für Rohstoffe, vor allem Erdöl, sitzt Russland gegenüber seinen Satelliten wieder eindeutig am längeren Hebel. Diesen »Bruderländern« erhöhten die russischen Kapitalvertreter den Ölpreis seit 1971 um das dreieinhalbfache, wobei er aber immer noch um rund 30 % billiger als auf dem Weltmarkt ist. Erst im letzten Jahr verteuerte sich das russische Öl im Ostblock um 22,6 % auf 49 Rubel pro Tonne (»Handelsblatt« v. 28. 2. 77). Wenn man bedenkt, dass der russische Export heute zu 35 % aus mineralischen und agrarischen Rohstoffen und zu 45 % aus Halbfabrikaten besteht, dann versteht man, weswegen die »Planer« in Moskau mit langfristig hohen Rohstoffpreisen rechnen (»Handelsblatt« v. 4./5. 3. 77). Auf diese Weise ist der Wert der Rohstoffexporte in westliche Staaten von 2,2 Mrd. Rubel 1971 auf 5,5 Mrd. Rubel gestiegen, wobei natürlich auch ein Mengenzuwachs vorliegt. Durch zukünftige, allerdings durchweg kostspielige Erschliessungen neuer Rohstoffvorkommen im fernen Osten und im Norden des Landes hofft man, im Laufe der nächsten Jahre noch stärker ins Rohstoffgeschäft zu kommen. Da neben Polen, das Kohle aus Oberschlesien exportiert, selbst aber von Öl- und Erdgaslieferungen abhängig ist, nur Russland Rohstoffe in den RGW-Bereich exportiert, besitzt es eine deutliche Monopolstellung, von der das russische Kapital auch Gebrauch zu machen versteht. Die so von Russland abhängigen Länder geraten auf Grund dieser relativen Auszehrung in zunehmende Spannungen, die das gesamte soziale Gefüge des Ostblocks zu unterminieren drohen. Es ergibt sich folgender charakteristischer Teufelskreis: Die Bindungen an Moskau engen den eigenen Wirtschaftsspielraum ein, wodurch die materiellen Möglichkeiten der Befriedung des Proletariats schwinden. Dieses greift damit zwangsläufig zu den verschiedenen Formen des Widerstandes und wird sich immer mehr des schreienden Widerspruches zwischen Anspruch und Wirklichkeit dieser »sozialistischen« Schmiere bewusst. Jedenfalls gelingt es der dortigen Bourgeoisie kaum mehr, die weitgehende Identifizierung der Ausgebeuteten mit ihrer Ausbeutung zu erreichen, wie sie sich im Westen – zumindest bislang – als so profitträchtig und arbeitsfördernd erwiesen hat. Die Arbeitsproduktivität muss vielmehr dort mit vielfältigen Mitteln des ausserökonomischen Zwangs stimuliert werden, was nie zu einem befriedigenden Ergebnis führen kann. Sicher spielt auch die Tatsache eine Rolle, dass im Ostblock durchweg weniger moderne, d. h. weniger produktive Maschinen im Einsatz sind, die nicht dieses mörderische Arbeitstempo vorgeben, wie es im Westen Mode ist. Die »schlechte« Arbeitsproduktivität verhindert nicht zuletzt die Verwirklichung des alten Traumes des russischen Kapitals, mit dem entwickelten Kapital gleichzuziehen. Und falls sich die vom neuen Freiheitsapostel in den USA eingeschlagene Politik der härteren Gangart gegenüber Russland fortsetzt, so werden die Russen zu immer schärferen Anstrengungen im Wettrüsten gezwungen werden, was im Endeffekt nichts anderes heisst, als dass das eigene Proletariat noch mehr rangenommen werden muss. Subbotniks zum Wohle der Stärke der »Sowjetmacht« werden sicher Mode. Wie allerdings das russische Kapital auf diese Weise die nötige Arbeitsproduktivität erreichen will, bleibt Geheimnis der »Berufsrevolutionäre« im Kreml. Oder anders gesagt: Wer gibt den Russen die Karten im grossen Poker um die Weltmacht in die Hand? Nur naive Geister können sich vorgaukeln, dass die Vertreter des russischen Kapitals souverän ihre Bedingungen bestimmen. Ihnen ist ihr materieller Rahmen vielmehr weit enger gezogen, als den ebenso ohnmächtigen Aktivisten an der Verwertungsfront im Westen. Allein dass Basis und Überbau, wie eine Karikatur überspitzt, das tiefere Wesen von Ausbeutung und Herrschaft so weitaus klarer zu Tage fördern als im Westen, sagt genug über den Spielraum der Russen. In der Ökonomie herrscht offene Ausbeutung und in der Politik die Farce der kaum demokratisch verbrämten Diktatur der Bourgeoisie. Zur Herrschaftssicherung muss deshalb weitaus stärker als im Westen die offene Gewalt eingesetzt werden.

Vom Westen versucht man in diesem Dilemma durch weitgehendes Wohlverhalten wirtschaftliche »Entwicklungshilfe« zu erlangen. Aber bislang zeigte der Kooperationswille der Russen seitens der Amerikaner kaum eine entsprechende Belohnung. Ernüchterung macht sich im Osten breit, zumal die westlichen Apostel ihre »Frohe Botschaft« des entwickelten Kapitalismus immer offensiver gegen die östlichen Diktaturen ins Spiel bringen. Jedes erlittene Unrecht an ihrem geringsten »Bruder« im Osten erzeugt bei diesen Berufshumanisten wilden Schaum vorm Mund. Wir leben in der Tat in einer Zeit der»Tendenzwende«. Noch sind die Bedingungen für eine allgemeine militärische Austragung des Konflikts nicht reif, die zunehmende Aufrüstung mit konventionellen Waffen und mit »taktischen« atomaren Waffen spricht hier aber eine beredte Sprache. Das völlige Scheitern einer Entspannungs- und Abrüstungsstrategie, die von zunehmender Aufrüstung begleitet wird, zeigt deutlich, wohin der Weg führt. Und soweit man diese Wahnsinnigen – getrieben von der Logik ihrer kapitalistischen Produktionsweise – aus der bisherigen Geschichte kennt, haben sie in letzter Konsequenz noch immer ihre Scheu »überwunden« und in wildem Amok ihren Gesetzen Genüge getan. Damit sich in diesem Jahrhundert dieser Wahnsinn des Kapitalismus nicht nochmals auswirken kann, ist die revolutionäre Zerschlagung dieser Produktionsweise vordringlich.

Wie im Falle Deutschlands schon zweimal exerziert, wird sicher das russische Kapital der Bann aller Friedensfreunde treffen, denn es wird in der Tat proportional zu seinem Wachstum und zu seinen inneren sozialen Spannungen zusehends stärker gezwungen werden, die Kreise der Alteingesessenen zu stören. Für den Dominierenden ist jeder fehlende Zacken in seiner herrschaftlichen Krone eine nationale Katastrophe, und in der Tat wird in diesem»Zweifrontenkrieg« der »Zweiten« und »Dritten Welt« gegen die Erbhöfe der »Ersten« letztere stets mehr ihren heute noch so stolz präsentierten Spielraum verlieren, um das Proletariat über das Blendwerk des »Wohlfahrtsstaates« in den Griff zu bekommen.

In dieser sich zuspitzenden »Dreifaltigkeit« weltweiter Widersprüche werden sich die Eruptionen, die heute noch schwach sind, vielfach verstärken. Dass diese aus der inneren Gesetzmässigkeit des Kapitalismus auf Weltebene sich entfaltenden sozialen Spannungen zur revolutionären Überwindung dieses Wahnsinnssystems zusammengefasst und vorwärtsgetrieben werden, dafür ist die zielstrebige Arbeit einer Internationalen Kommunistischen Partei nötig.


Source: »Kommunistisches Programm«, Nr.17, Februar 1978, S. 6–25

[top] [home] [mail] [search]