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HEISSER KRIEG ZUM KALTEN BUFFET…


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Heisser Krieg zum kalten Buffet…
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Heisser Krieg zum kalten Buffet…

50 Jahre NATO – 50 Jahre Kriegsvorbereitung: Der Krieg gegen Restjugoslawien

Termingerecht zum 50jährigen Bestehen der NATO eröffneten die ihr angehörenden Staaten den Krieg gegen Serbien, dem letzten weissen Fleck auf der westeuropäischen Landkarte, der sich ihrem Ziel der Einkreisung Russlands und der Integration der übrigen Staaten in Europa in einen imperialistischen europäischen Block eigenwillig widersetzt. Die Gelegenheit ist günstig, denn zum einen liefert die serbische Bourgeoisie mit ihrer Politik der nationalen Unterdrückung im Kosovo einen guten Vorwand zu einer bewaffneten »Friedensmission«, zum anderen hängt der letzte potente Partner der serbischen Bourgeoisie, Russland, auf Gedeih und Verderb am Geldtropf des westlichen Imperialismus, und ist somit gezwungen lediglich eine böse Mine zum »guten Spiel« der NATO zu machen – einem Spiel mit dem Weltkrieg!

Seit der Gründung der NATO wurde das Ziel der Schwächung und Zerschlagung der Sowjetunion – und jetzt, nachdem dieser Punkt abgehakt, der Isolierung, Einkreisung und »Kaltstellung« Russlands betrieben. Offiziell wurde zwar die NATO »zum Schutz gegen ein wiedererstarkendes Deutschland« gegründet, doch war schon damals, 1949, nicht nur den Eingeweihten klar, dass sich dieses Bündnis in erster Linie gegen den konkurrierenden imperialistischen Block im Osten richtete. Mit dabei, wenn auch noch nicht als Mitglied, war schon die westdeutsche Bourgeoisie, die sich jedoch aus historischen Gründen zuerst mit der Remilitarisierung der Bundesrepublik beschäftigen musste. Schliesslich durfte die BRD 1955, nur wenige Jahre nach der Gründung der Bundeswehr, als Vollmitglied bei der NATO einsteigen (wobei Bundeswehrkontingente schon seit 1952 in den Kriegsszenarien der NATO eingeplant werden!). Adenauer nahm den Beitritt als Beleg dafür, dass »Deutschland wieder eine unabhängige Nation« sei, heute müssen dies die Bundeswehrbomber über Belgrad endgültig unter Beweis stellen.

Die lange Phase des »Kalten Kriegs« dauerte bis zum Zusammenbruch des Systems des Staatsindustrialismus im Osten. Der durch die beinharte Aufrüstungspolitik des Westens angetriebene Rüstungswettlauf zwischen den beiden imperialistischen Blöcken sorgte nach einiger Zeit dafür, dass der Osten, um im Wettlauf mitzuhalten, seine ökonomischen Austauschbeziehungen zum Westen intensivieren musste und so die gegenseitige Abschottung der Märkte mehr und mehr ausgehöhlt wurde. Dies galt nicht nur für Waren, sondern darüber hinaus entwickelte sich als strategisch gewollte Einbahnstrasse von West nach Ost ein Kreditmarkt, der nach und nach zersetzend auf die Ökonomie des Ostblocks einwirkte und bald zu einem mächtigen Hebel für die westlichen Imperialisten wurde. Die Weltwirtschaftskrise von 1975 und die nachfolgenden kleineren allgemeinen Wirtschaftskrisen, die den Ostblock gleichermassen wie den Westen betrafen, aber auf den Osten aufgrund seiner schwächeren wirtschaftlichen Ausgangslage tiefgreifender wirkten, boten die Gelegenheit durch Abdrehen des Geldhahns – ganz exemplarisch für Polen – die Stabilität des östlichen kapitalistischen und staatsindustrialistischen Systems zu untergraben, um damit die Ostmärkte völlig zu erschliessen und auszunutzen. Die 1982 von der USA gestartete »SDI«-Aufrüstungskampagne hatte als realistisches Ziel weniger den »Krieg der Sterne«, als vielmehr den Ostblock entweder in den Bankrott oder zur Aufgabe zu zwingen.

Perestroika, Glasnost und »samtene Revolution«, wie auch immer, dies alles sind nur verklärende Ausdrücke für den Zerfall des staatsindustrialistischen Kapitalismus des Ostens und dessen umfassende Reform hin zum herkömmlichen »Privat«-Kapitalismus oder der sogenannten »freien Marktwirtschaft«. Doch diese Umstrukturierung des Markts setzte wohlgedrungen auch die Auflösung des einheitlichen politischen und militärischen Blocks voraus, dessen Existenz nur in der »nachholenden Industrialisierung« der seit Ende der 20er-Jahre konterrevolutionär und imperialistisch gewordenen Sowjetunion begründet war, die ihre nach dem Zweiten Weltkrieg eroberten »Bruderstaaten« diesem System angegliedert und untergeordnet hatte.

Beharrlich hat der Westen durch den »Kalten Krieg« und dessen politischen Pendant, der »Entspannungspolitik«, sein Ziel der Zerschlagung des Ostblocks verfolgt. Sobald dies erreicht war, setzte die Politik des Westens alles daran, eine mögliche Wiedererstarkung eines um Russland gescharten Blocks zu verhindern und allmählich dafür zu sorgen, dass ein Staat nach dem andern aus der ehemaligen Phalanx dauerhaft herausgelöst wurde. Der »Osterweiterung« Westdeutschlands durch den Anschluss der DDR folgte die Osterweiterung der NATO (und die der EU wird auf dem Fusse folgen). Sukzessive wurden selbst die Staaten der EU oder der NATO »assoziiert«, die von ihrer inneren politischen Struktur und ihrer Wirtschaft her den kostenorientierten wie politischen Auswahlkriterien der westlichen Herren nicht genügen.

Dieses Szenario ist Teil eines erneuten Aufteilungsprozesses der Welt unter imperialistische Blöcke und Staatsgebilde, wobei der sich formierende westeuropäische Block noch nicht ohne seinen amerikanischen Geburtshelfer auskommt, der unter anderem die noch immer währenden innereuropäischen Rivalitäten dämpft. Die grundlegenden ökonomischen Ursachen für den europäischen Einigungsprozess liegen vor allem darin begründet, dass mit der gewaltigen Ausdehnung der kapitalistischen Produktion seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs und dem enormen Anwachsen der Produktivkräfte und damit auch der Kapitalintensivität von Investitionen und der Erweiterung der Märkte Westeuropa relativ zu den ökonomischen Erfordernissen des heutigen Kapitalismus noch immer eine Ansammlung von Kleinstaaten darstellte. Dieses Handicap versucht das westeuropäische Kapital durch seinen »westeuropäischen Integrationsprozess« zu überwinden, um im Konzert der grossen Wirtschaftsterritorien, die aus einem Arbeitskraft- und Marktpotential von mindestens 250-300 Millionen Menschen schöpfen können, mitzusingen – nur dann sind sie in der Lage innerhalb des künftigen weltweiten kapitalistischen Konkurrenzkampfs zu bestehen. Dieses Ziel wird um jeden Preis – wie jetzt im Krieg gegen Jugoslawien zu sehen – angestrebt und durchgesetzt. Die USA sind selbst soweit an diesem Prozess interessiert, als einerseits ein »starkes Europa« an ihrer Seite die eigene Stellung auf der weltpolitischen Bühne stärkt (zum Beispiel im Hinblick auf die strategisch wichtige Ölregion) und sie andererseits eine gewisse Kontrolle über diesen europäischen Einigungsprozess behält, was unter anderem durch eine gewisse militärische Präsenz im europäischen Raum erreicht wird. Schliesslich funktionieren die USA in gewisser Weise als Kitt zwischen den sich zum Teil widerstrebenden nationalstaatlichen Eigeninteressen einiger wichtiger europäischer Mächte, vermittels derer sie aber gleichzeitig ihren eigenen Einfluss sichern (was sich unter anderem in der europäischen »Sonderrolle« Gross Britanniens widerspiegelt). Letztendlich überlässt die Bourgeoisie Westeuropas die politische Führungsrolle der USA, damit kein innereuropäischer Konkurrent eine Dominanz innerhalb der EU erhält und somit das wackelige Gefüge zusammenstürzt.

Westeuropa und die USA verfolgen also summa summarum relativ identische Interessen in der Isolierungspolitik gegenüber Russland und der »Befriedungspolitik« auf dem Balkan. Letztlich geht es darum, einen territorial gesehen politisch homogenen Block zu schaffen, der sich, im Süden, von Portugal bis zur Ostgrenze der Türkei erstreckt, von wo aus der Zugang zu der vitalen Ölregion gegeben ist. Jugoslawien, Bindeglied zwischen dem industrialisierten westeuropäischen »Stammland« und dem EU/NATO-Mitglied Griechenland und der NATO-Türkei (die keinerlei Bombardements wegen ihrer Milosevic in Nichts nachstehenden Kurdenpolitik zu fürchten braucht) war als unzuverlässiger Kantonist eine staatliche Einheit, die es zu zerschlagen und häppchenweise einzuverleiben galt. Die erste Operation, die Herauslösung Sloweniens, war die einfachste der Unternehmungen, die auch kaum auf Widerstand stiess. Das Ausscheren Kroatiens aus dem jugoslawischen Staatsverband, mit Nachdruck im übrigen von der Regierung Kohl betrieben und unterstützt, erforderte bereits den Einsatz militärischer Kräfte, die jedoch lokal organisiert und von den Amerikanern ausgerüstet und geschult, gestützt auf eine nationalistische Propagandamaschinerie und »ethnische Säuberungen« zum gewünschten Erfolg führte. Dann folgte Bosnien-Herzegowina, auf dessen Territorium der Aufteilungskampf zwischen kroatischer und serbischer Bourgeoisie auf blutrünstigste Art weitergeführt wurde, bis das zerrüttete Land ebenfalls aus Jugoslawien herausgelöst und unter internationale Kuratel gestellt wurde (wobei hier noch ein Einsatz russischer Truppen gebraucht wurde, um die serbische Volksgruppe in Bosnien-Herzegowina zum Stillhalten zu bewegen, während sich die USA die »Bosnier« als Protegierte auserkor). Die jugoslawische Teilrepublik Mazedonien, denen Griechenland den Namen und Bulgarien zumindest die kulturelle Eigenständigkeit streitig macht, konnte auf friedlichem Wege abgetrennt werden, weil sich die serbische Bourgeoisie politisch nicht in der Lage sah, seinen Verbleib im mittlerweile arg zusammengeschmolzenen Bundesstaat zu erzwingen, auch liess es sich nicht zu »serbischem Stammland« deklarieren, wie etwa den Kosovo. Zudem war Mazedonien schon zu Titos Zeiten eine eigenständige Teilrepublik gewesen.

Mittlerweile hatte die EU Slowenien, Polen und die Tschechei zu ihren Erweiterungskandidaten gekürt, die NATO schliesslich Polen, die Tschechei und Ungarn, das an Serbien angrenzt, als Mitglieder aufgenommen. Mit Rumänien, Bulgarien und Mazedonien schloss die NATO Kooperationsabkommen, womit der Ring um Russland – ausgenommen die Ukraine, was ein längerfristiges Eingliederungsziel ist – geschlossen war – und Serbien eingekreist. Somit war die mit der russischen Bourgeoisie verbündete serbische Bourgeoisie territorial abgeklemmt und die Gefahr eines möglichen Nachschubkorridors nach Serbien von Russland aus gebannt. Jetzt schien die Zeit für die USA wie die EU reif, Restjugoslawien die Pistole auf die Brust zu setzen und seine »bedingungslose Kooperation« und damit Subordination unter ihre strategischen, politischen, wirtschaftlichen und militärischen Ziele zu erzwingen, was darüber hinaus mit einer Umgestaltung des inneren Regimes in Jugoslawien selbst verbunden wäre – eine für die an der Macht befindliche bürgerliche Fraktion nicht akzeptable Voraussetzung. Den Hebel für all das stellte der Kosovo dar.

Paradoxerweise ist die serbische Bourgeoisie selbst alles andere als »antieuropäisch«, und alle bürgerlichen Parteien in Serbien betonen dies gerne. Doch sie erwarten für ihre Kooperation und Integration einen Preis, den die politischen Strategen der EU und der USA nicht zu zahlen bereit sind. Die serbische Bourgeoisie verlangt neben territorialen Zugeständnissen und eine Art Kompensation für den »erlittenen Verlust« aus den abhandengekommenen Einkommensquellen der verlorenen Territorien. Diplomatischen Gerüchten zufolge soll sogar eine sofortige EU-Mitgliedschaft auf der Wunschliste der serbischen Bourgeoisie gestanden haben. Andererseits versucht sie ihr Restterritorium zusammenzuhalten, um nicht völlig aufgerieben zu werden und etwa neben dem Kosovo auch noch Montenegro zu verlieren, und damit jede Basis für eine relativ eigenständige Politik. In diesem Sinne hob auch die serbische Bourgeoisie die Autonomieregelungen im Kosovo 1989 auf und versuchte mittels dieser Massnahme dem aufkommenden Unabhängigkeitsstreben der Albaner im Kosovo, vor allem nach dem Sturz des »stalinomaoistischen« Regimes in Tirana, von vornherein den Garaus zu machen. Doch genau diese Massnahme verkehrte sich ins Gegenteil und die Schraube von »nationaler Unterdrückung« und »Unabhängigkeitsbewegung« drehte sich munter nach oben, Grossserbien oder Grossalbanien liessen grüssen.

Der ohnehin wirtschaftlich schwach entwickelte Kosovo, dessen wenige Industrie der serbischen Bourgeoisie gehört, bot seiner Bevölkerungsmehrheit mit Zunahme der Repressalien und der Unterdrückung der skipetarischen Kultur nur noch wenig verlockende Aussichten, sofern er weiter unter dieser Form der Verwaltung stand. Für die in ihrer Entwicklung politisch wie ökonomisch gehemmte kosovarische Kleinproduktion schienen andere Alternativen attraktiver: ein unabhängiger Nationalstaat, der an die verschiedenen Fördertöpfe der EU angeschlossen ist – die möglicherweise mehr abwerfen als etwa Belgrad an Geldern locker macht – oder der Anschluss an Albanien, das zwar auch arm und wirtschaftlich am Boden ist, aber dem Akkumulationstrieb vermutlich keine künstlichen Knüppel zwischen die Beine wirft und das – als williger Kooperant der EU – auch etliche Fördermittel zu verteilen hat. Eine weitere und nicht zu unterschätzende Einkommensquelle tat sich in der Aussicht auf den Reflux der kosovarischen Arbeitsimmigranten auf, der bisher vor allem Zentralserbien zu gute kommt. So scheint sich in den bürgerlichen kosovarischen Organisationen ein selbständiges Kosovo mit EU- und US-Hilfe als verlockender erwiesen zu haben, die grossalbanischen Töne waren anfänglich aus dem Kosovo kaum zu vernehmen. Mit dieser EU- und US-Hilfe und dem Devisenrückfluss durch das kosovarische Auslandsproletariat hätte man zunächst auch eine »umfassende Autonomieregelung« notfalls in Kauf genommen – um dann weiterzusehen.

Mit dieser Option boten sich die kosovarischen Nationalisten der EU und der USA an und diese griffen gerne nach dem dargebotenen Strohhalm, anhand dessen eine weitere Unterdrucksetzung Belgrads möglich war und eine »friedliche« Besetzung eines weiteren Teils des ehemaligen Jugoslawiens – diesmal sogar ohne russische Hilfe – erreichbar schien. Zuerst trat man völlig harmlos, als über den Dingen stehender »Vermittler«, zwischen den Interessensgruppen auf, um alsbald eine »Friedenstruppe« vorzuschlagen, sprich die militärische Kontrolle und das Gewaltmonopol über den Kosovo durch die NATO zu verlangen. Die Eigentümlichkeit dieser »Vermittlung« bestand darin, dass sie von vornherein die Zustimmung zu der militärischen Besetzung beinhaltete, dass es sich also faktisch nicht um eine Verhandlung, sondern um ein Diktat handelte, auf das einzugehen die auf relative Unabhängigkeit und ihren eigenen Vorteil bedachte serbische Bourgeoisie nicht willens war, ohne Zugeständnisse der EU und der USA auf den anderen Gebieten – unter anderem der Aufhebung des Wirtschaftsembargos (Milosevic selber klagte nach den Verhandlungen darüber, dass auf seine Vorschläge gar nicht ernsthaft eingegangen worden ist). Die Vertreter der kosovarischen »Möchtegernbourgeoisie« andererseits unterschrieben den Friedensvertrag erst, als es quasi sicher war, dass von serbischer Seite der sogenannte »Friedensvertrag« sicher nicht unterschrieben wird, wohl wissend, dass somit die NATO unter dem Zugzwang ihrer eigenen Drohung der Bombardierung Jugoslawiens stand.

Die bürgerliche »Nationale Befreiungsbewegung« im Kosovo tat im übrigen alles, um den Konflikt zu verschärfen und zur Eskalation zu bringen. Die UCK, unter anderem via staatlicher türkischer Hilfe aus den von Deutschland gelieferten Restbeständen der NVA versorgt und inzwischen aller Wahrscheinlichkeit nach von amerikanischen Militärberatern gestützt, wendete vor allem in den Monaten vor den »Friedensverhandlungen« von Rambouillet die klassische Guerillataktik der Provokation des Gegners an: Angriffe durch Kleingruppen, die sich danach schnell in die besiedelten Gebiete, in Ortschaften und Kleinstädte, zurückzogen. Eine derartige Taktik zieht fast zwangsweise eine Überreaktion des Gegners nach sich, der nun gezwungen ist innerhalb der undefinierbaren zivilen Masse die »Übeltäter« ausfindig zu machen – »Übergriffe auf die Zivilbevölkerung« sind damit vorprogrammiert. Die UCK versprach sich von dieser Taktik eine zwangsweise Verstärkung ihrer Reihen durch die so drangsalierte aber noch nicht politisierte albanische Bevölkerung. Die kosovarischen Nationalisten legten es förmlich auf eine Eskalation der Verhältnisse an, den Opfern dieser Taktik unter der »eigenen« Bevölkerung vollkommen gleichgültig gegenüber, liefert doch ihr Leid den wichtigsten Aspekt zur »humanitären« Verbrämung der an einem Sonderstatus des Kosovos interessierten Kräfte und steigert dies den »nationalen Zusammenhalt« ungemein, also die Unterordnung der Bevölkerung unter die Weisungen der separatistischen Kräfte.

Damit hatte der Westen gleichzeitig ein gutes Argument für den Einsatz seiner Kriegsmaschine gefunden, indem er seinen Krieg gegen Jugoslawien als »humanitäre« Aktion zu tarnen vermochte und so, wenn auch nicht Kritik in der eigenen Bevölkerung ausschalten, doch zumindest Zweifel an Antikriegspositionen sähen konnte. Kein so neues Verfahren, schon Hitler beherrschte diese Art von Volksbetrug und tarnte die Besetzung der Tschechei als »begrenzte humanitäre Friedensmission«, um den »ethnischen Säuberungen« der Tschechen im Sudetenland Einhalt zu gebieten – und für jeden ernsthaften Menschen steht es heute ausser Frage, dass die wirklichen Ziele Nazideutschlands alles andere als humanitärer Natur waren.

Die Bourgeoisie hat seit ihrem Bestehen in nationalstaatlicher Verfasstheit stets »gute Gründe« für ihre verheerenden Kriege gefunden, um damit dem Widerstand der Bevölkerung gegen Massaker und Vernichtung das Wasser zu entziehen. Stets mussten dem profanen Macht- und Gewinnstreben, dem banalen aber blutigen Kampf um Märkte und Rohstoffe ideologische Gründe vorgeschoben werden, um das Volk in die jeweiligen Kriegsmaschinen einzuspannen und es für das entfremdete gegenseitige Gemetzel zu mobilisieren. Daran hat sich bis heute nichts geändert – sondern im Gegenteil, es bestätigt gerade dieser Krieg wieder: während das Volk in Serbien und im Kosovo für das jeweilige »Vaterland« bluten soll, dürfen die aus der ferne angereisten Soldaten für den »Frieden« oder gar die »Menschlichkeit« ins Gras beissen. In Wirklichkeit steckt aber hinter allen Kriegsparteien ein trockenes berechnendes Kalkül nach Ausdehnung und Festigung der jeweils eigenen Macht um jeden Preis, den letztendlich die Ausgebeuteten, aber nicht die Ausbeuter zu zahlen haben…

Anstatt wenigstens mit dem Bombardement unverzüglich nach der Ablehnung des »Friedensdiktats« von Rambouillet zu beginnen, wartete die NATO eine ganze Woche, genug Zeit für das serbische Militär die bereits während der Verhandlungen einsetzende Massierung der serbischen Truppen im Kosovo zu verstärken und ihre Repressionstaktik gegenüber der dortigen albanischen Bevölkerungsmehrheit auszudehnen. Die UCK ihrerseits intensivierte ihre Nadelstichtaktik gegen serbische Sonderpolizei und Militär, deren vorrangige Aufgabe zunächst darin Bestand, die Landesgrenze zu Mazedonien gegen die dort stationierten »Friedenstruppen« der NATO abzusichern und zu verminen. Nachdem so die NATO ihrem Gegner genug Zeit gelassen hatte, seine militärische Schlagkraft und Präsenz im Kosovo auszubauen und die nun im Schatten der Bombardements völlig entfesselte Vertreibungspolitik zu beginnen, wurden die ersten Lufteinsätze gegen sogenannte »strategische Ziele« geflogen. Zu diesen »strategischen Zielen« gehörten aber seltsamer Weise nicht die zwischen dem Kosovo und Rumpfjugoslawien liegenden Verkehrsverbindungen, man schonte also – und dies schon seit über einer Woche nach Kriegsbeginn! – die Nachschublinien des Feindes. Dies mutet merkwürdig an, weil doch offiziell der NATO-Einsatz der »Verhinderung« der brutalen Einsätze von serbischen Truppen gegen die Zivilbevölkerung gelten sollte.

Es scheint also ganz, als hätte man es bei der NATO anfänglich auf eine Eskalation der Situation angelegt, damit der Beginn der Attacken gegen Belgrad die völlige »moralische« Berechtigung erfahre. Die serbischen Truppen begannen sofort nach dem Anfang der »Luftschläge« gegen serbisches Gebiet mit ihrer massiven Vertreibungs- und Internierungspolitik. Bezüglich des Kosovo war diese Strategie für die serbischen Bourgeois die einzig gangbare Alternative. Einerseits schwächen sie auf diese Art das mögliche Rekrutierungspotential für die UCK, andererseits entledigen sie sich einer ganzen Bevölkerungsgruppe für deren Versorgung nun der Gegner zuständig wird (was dieser sich durch das »Diktat von Rambouillet« eigentlich gerade ersparen wollte). Gleichzeitig schafft die serbische Bourgeoisie ein »ethnisch sauberes« Gebiet, das dem Gegner keinen Rückhalt mehr gewährt bei seinen militärischen Operationen und über das nun auf anderer Grundlage verhandelt werden kann. Darüber hinaus schwächen diese in die Hunderttausende gehenden Flüchtlingsströme den Widersacher NATO, da sie nun ein grosses logistisches Problem zu lösen hat, das auch die Kräfte des militärischen Apparats benötigt, ausserdem aber eine Art »Cordon humanitaire« um die Aussengrenzen des Kosovo legt, was einen eventuellen Aufmarsch von Bodentruppen der NATO behindert. Mit dieser Taktik hatte die NATO nicht gerechnet.

Die grundlegende Strategie der serbischen Bourgeoisie ausserhalb des Kosovo besteht darin abzuwarten und auszuhalten. Fast ein halbes Jahr, seit Oktober 1998, hatte sie Zeit, sich auf die NATO-Attacken vorzubereiten und die wichtigsten militärischen Strukturen entsprechend den kommenden Erfordernissen zu organisieren. Sie weiss genau, dass der NATO letztendlich nur zwei Alternativen bleiben: entweder ihre militärischen Angriffe aufzugeben und – nun auf anderer Grundlage – zu verhandeln, oder früher oder später Bodentruppen einzusetzen. Der Einsatz der Bodentruppen wäre aber ein offener Krieg und damit eine neue Qualität in dieser Auseinandersetzung, die die politische Lage in Europa weiter destabilisieren würde und möglicherweise eine Veränderung der bisherigen Zurückhaltung Russlands nach sich ziehen könnte.

Die NATO selbst steht vor dem Dilemma, dass ihre Taktik der »begrenzten Luftschläge« ins Leere laufen könnte und sie somit früher oder später dazu verdammt wäre Bodentruppen einzusetzen, was auch in den beteiligten NATO-Ländern selbst zu innenpolitischen Problemen führen kann. Doch je mehr Zeit verstreicht, ohne dass sich die serbische Bourgeoisie dem NATO-Diktat beugt, umso mehr deutet alles daraufhin, dass die NATO um den Einsatz von Bodentruppen nicht umhin kommt. Die Bewaffnung und Ausbildung der UCK durch die NATO ist dafür keine wirkliche Alternative, denn diese Truppe hat, selbst bei guter Ausrüstung, gegen die kampferprobten serbischen Militärs kaum eine Chance. Bei den Luftschlägen der NATO gegen Serbien und das Kosovo fehlen mit der Zeit die militärischen Ziele für die Angriffe. Dies bedeutet, dass mehr und mehr gleichsam »zivile Ziele« für die Angriffe herhalten müssen, also Fabrikanlagen und – wie bereits zu sehen – Heizkraftwerke, Donaubrücken usw., und die Liste der möglichen Angriffsziele erweitert sich von Tag zu Tag, da ja auch schliesslich alles militärisch genutzt werden kann, was den Zivilisten zur Verfügung steht.

Die Bourgeoisie Restjugoslawiens und die NATO stehen sich also unversöhnlich gegenüber und das Kräftemessen scheint bis zum Ende geführt zu werden. Die NATO kann – als Speerspitze der von ihr vertretenen Ökonomien – nicht zurückweichen, will sie weiterhin ihre Mission der Verbreitung der »demokratischen Diktatur« verwirklichen und nicht als einzahnig fletschende Sphinx in Zukunft von allen möglichen Kontrahenten verlacht werden. Sie ist also darauf angewiesen ihr Konzept des »vereinigten Europas« durchzusetzen, in dem sich alle Staaten des Kontinents den zentralen Institutionen des europäischen Kapitals unterordnen und innenpolitisch die »demokratische« Präventionstaktik zur Anwendung bringen, was nichts anderes heisst als jeden Widerspruch zu ihrer Ausbeuterordnung gleich im Ansatz zu unterdrücken oder in die gewünschten Bahnen zu lenken. Eine in etwa gleichartige aussenpolitische Doktrin, hier heisst sie »für Menschenrechte«, gilt für den NATO-Krieg gegen Serbien, da es ja zur unmittelbaren Interessensphäre der Bourgeois Grosseuropas zählt und der Kosovo-Konflikt unmittelbar Rückwirkungen auf ihre künftigen Projekte hat. Das einzige, was die NATO momentan von einer Eskalierung des Krieges in Jugoslawien abhalten kann, sind aussenpolitische Rücksichten (auf Russland z. B.) und militärstrategische Erfordernisse ausserhalb Europas.

Dies wären auch die einzigen Gründe dafür, dass die serbische Bourgeoisie mit ihrer Strategie des Aushaltens zum Erfolg kommen könnte. Denn, langfristig gesehen, verfügt natürlich die NATO über weitaus grössere Reserven als Restjugoslawien, was letztlich auch in einem Bodenkrieg von entscheidender Bedeutung ist. Der serbischen Bourgeoisie bleibt also letztendlich nur die Spekulation auf äussere Hemmnisse für die NATO den Krieg zu intensivieren. Zum Aufgeben ihrer jetzigen Position ist es bereits zu spät, die Dynamik des Krieges und seiner Konsequenzen stellt sie vor die Wahl entweder alles zu riskieren – und zu gewinnen, oder sich wenigstens zu behaupten, oder zu verlieren – oder sich gleich ihren Widersachern unterzuordnen. Wie so oft in diesem Jahrhundert entscheiden sich die Bourgeois für das »unternehmerische Risiko« – bezahlen müssen dafür ja letztendlich doch immer die Arbeiter.

Wie dem auch immer sei, und wie auch immer dieser Krieg enden möge, die Stellung der Partei des Proletariats, und damit aller klassenbewussten Arbeiterinnen und Arbeiter, zu diesem Krieg bleibt eindeutig und klar:
Keine Unterstützung für jedwede Seite in diesem Krieg!
Wie aufgezeigt wurde handelt es sich bei keinem der Beteiligten um irgendeine Gruppe, die unserem Ziel der Befreiung der Menschen von Ausbeutung und Unterdrückung entspräche. Es handelt sich alleine um einen Kampf um die Neuordnung der Märkte, der Macht- und Einflusszonen, es geht allein um die Frage, wer beutet wen wo und zu welchen Bedingungen aus. Alle an diesem Krieg beteiligten Parteien sind Parteien der Ausbeuter, die ihre Auseinandersetzung auf dem Rücken der serbischen und kosovarischen Bevölkerung austragen. Unser Kampf richtet sich aber nie gegen vermeintlich schlechtere oder für bessere Ausbeuter, sondern gegen die kapitalistische Barbarei überhaupt, die die Menschheit ständig erneut in Elend und Kriege stürzt.

Die einzige Alternative für die Ausgebeuteten dieser Welt bleibt der konsequente Klassenkampf gegen die Ausbeuter und Unterdrücker in jedem Land, zusammen mit allen Arbeitern der Welt, welcher Herkunft sie auch seien! Dieser Kampf wird jedoch nur dann von Erfolg beschieden sein, wenn sich der Kampf der Arbeiter gegen den Kapitalismus und seine unmenschliche Politik mit einem Organ versieht, das in all den Kämpfen der Klasse gegen »ihre« jeweilige Bourgeoisie die einheitlichen Interessen hervorhebt und vertritt. Dieses Organ ist die Internationale Kommunistische Partei. Nur dann werden die Arbeiter der Welt künftig in der Lage sein, den kapitalistischen Kriegsverbrechern aller Nationen das Handwerk zu legen!


Source: K.G. (sinistra.net, April 1999)

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