IBKL – Internationale Bibliothek der Kommunistischen Linken
[home] [content] [end] [search] [print]


AUF DEM WEGE DER GROSSEN MARXISTISCHEN TRADITION


Content:

Auf dem Wege der grossen marxistischen Tradition
Source


Auf dem Wege der grossen marxistischen Tradition

Die Internationale Kommunistische Partei stützt sich auf dieses Programm und verteidigt uneingeschränkt die wesentlichen Grundlagen der marxistischen Lehre: den dialektischen Materialismus als systematische Welt- und Geschichtsauffassung, die in Marx»Kapital« enthaltenen grundlegenden ökonomischen Lehren als Erklärungsmethode der kapitalistischen Wirtschaftsweise, die programmatischen Formulierungen des »Kommunistischen Manifestes« als historischen und politischen Grundriss der Emanzipation der Arbeiterklasse der ganzen Welt, das gesamte System von Prinzipien und Methoden, das seine Bestätigung, Wiederherstellung und konsequente Entwicklung im theoretischen und praktischen Werk Lenins und der bolschewistischen Partei in den entscheidenden Jahren der Eroberung der Macht und des Bürgerkriegs und in den klassischen Thesen des II. Weltkongresses der Kommunistischen Internationale 1920 fand, und dessen Bedeutung heute noch klarer und ausgeprägter durch die Lehren aus der tragischen Welle des Revisionismus unterstrichen wird, die 1926–27 unter dem Namen »Sozialismus in einem Land« begann. Diese Welle ist nur konventionell mit dem Namen des Individuums Stalins verbunden, weil sie unter dem Druck objektiver gesellschaftlicher Kräfte entstand, die – da sich der revolutionäre Brand der Oktoberrevolution 1917 nicht auf die ganze Welt ausdehnte – in Russland riesenhaft anwuchsen, und man nicht glaubte, diesem Druck gegenüber rechtzeitig einen programmatischen und taktischen Damm aufrichten zu müssen der, selbst wenn er die Niederlage nicht hätte verhindern können, so doch die Wiedergeburt der internationalen kommunistischen Bewegung weniger schwierig und qualvoll gestaltet hätte. Diese dritte Welle des Opportunismus hat sich weitaus tödlicher ausgewirkt als die opportunistische Krankheit (anarchistische Abweichungen), die die Erste Internationale während ihrer kurzen Lebensdauer befiel, und die die Zweite Internationale (mit ihrem Gradualismus, Parlamentarismus und Demokratismus) in den Abgrund stürzte, als sie ihren Beitritt zur »union sacrée« und ihre Zustimmung zum imperialistischen Krieg im Jahre 1914 erklärte. Heute, fast fünfundzwanzig Jahre nach dem zweiten imperialistischen Weltkrieg erscheint so die Lage der Arbeiterbewegung tausendmal kritischer als in den Tagen des schwindelerregenden Zusammenbruchs der Zweiten Internationale bei Ausbruch des ersten Weltkrieges.

Die Dritte Internationale entstand 1919 mit einem Programm, das die Grundsätze der marxistischen Lehre wiederherstellte und unwiderruflich mit den demokratischen, parlamentaristischen und pazifistischen Illusionen der Zweiten Internationale brach (die im Übrigen während des Krieges infolge des schändlichsten Chauvinismus und der Kriegshetzerei Schiffbruch erlitten); und der gewaltige historische Beitrag Lenins, Trotzkis und der alten bolschewistischen Garde wird durch nichts herabgemindert, wenn darauf verwiesen wird, dass sich in gewissem Umfang bereits von Anfang an die Gefahr einer Rückentwicklung der Kommunistischen Internationale abzeichnete, die sowohl in der besonders in Mittel – und Westeuropa zutagetretenden zu sehr überstürzten Methode lag, kommunistische Parteien zu gründen (Aufnahme der französischen Bastardpartei, Verschmelzung mit den »linken« Unabhängigen Sozialdemokraten in Deutschland), wie auch in der zu elastischen Taktik, die angewandt wurde, »um die Massen zu gewinnen«. Diese Methode und diese Taktik bedeuteten für die Führer der Oktoberrevolution keineswegs die Abkehr von den Grundsätzen der gewaltsamen Machteroberung, der Zerstörung des bürgerlich-parlamentarischen und demokratischen Staatsapparats, der Errichtung der proletarischen Diktatur unter der Leitung der Partei, und ihre Anwendung konnte ohne verheerende Folgen bleiben, wäre die Revolution, wie man hoffte, rasch in der ganzen Welt aufgelodert. Wie die Linke schon vom II. Weltkongress 1920 an mahnte, trugen diese Methoden und Taktiken die Gefahr in sich, äusserst negativ auf das schwankende Gefüge oft nur zusammengewürfelter Parteien einzuwirken, die nicht genügend gegen die Möglichkeit sozialdemokratischer Rückfälle immunisiert waren, sobald die revolutionäre Welle zurückging. Dieser Rückfluss trat unglücklicherweise ein und brachte nicht so sehr die Personen als die krebsartigen Krankheiten einer noch zu frischen Vergangenheit wieder an die Oberfläche.

In der Zeit von 1920 bis 1926 orientierte sich die Linke an diesem Kriterium: einerseits forderte sie die Definition eines einzigen Programms und einheitlicher taktischer Normen für alle Sektionen der Kommunistischen Internationale, zum anderen warnte sie vor den Gefahren, die in der Anwendung des »revolutionären Parlamentarismus« in dem seit mehr als einem Jahrhundert von Demokratie verpesteten Westen liegen.

Vor allem aber opponierte die Linke zuerst gegen die Taktik der »politischen Einheitsfront« und später gegen die Taktik der »Arbeiterregierung« (und »Arbeiter- und Bauernregierung«) als missverständliche Reserveformel anstelle der unmissverständlichen Parole »Diktatur des Proletariats«, und missbilligte die Methode, von den bestehenden kommunistischen Parteien unabhängige Organisationen zum direkten Beitritt zur Kommunistischen Internationale zu bewegen sowie »sympathisierende« Parteien aufzunehmen. Die Praxis der Infiltration (»noyautage«) in Pseudo-Arbeiterparteien oder geradezu bürgerliche Parteien (wie der Kuomintang) und die noch schlimmere Politik der, wenn auch nur zeitlich begrenzten »Blockbildung« mit sogenannt gleichartigen Parteien oder solchen, die zeitweise nur dem Anschein nach »ähnliche« Positionen vertraten, wurden von der Linken abgelehnt. Folgendes Kriterium war damals und ist auch heute noch für sie massgebend: die Stärkung der kommunistischen Parteien hängt nicht ab von taktischen Manövern oder von aufwendigem subjektivem Voluntarismus, sondern vom objektiven revolutionären Prozess, der nicht unbedingt den Regeln eines linearen und kontinuierlichen Fortschritts gehorchen muss: die Eroberung der Macht kann fern oder nah liegen, und in beiden Fällen, vor allem aber im ersten, heisst sich darauf vorbereiten (und eine mehr oder weniger breite Schicht von Proletariern darauf vorzubereiten), jede Aktion zu vermeiden, die darauf hinauslaufen könnte, dass die kommunistische Organisation in einen analogen Opportunismus wie den der Zweiten Internationale zurückfällt, d. h. in einen Bruch der unmittelbaren Verknüpfung von Mittel und Zweck, Taktik und Prinzipien, unmittelbaren Zielen und Endzielen, dessen Ergebnis nichts anderes bedeuten kann als eine Rückkehr zu Stimmenfang und Demokratismus in der Politik und zum Reformismus auf gesellschaftlichem Gebiet.

Von 1926 an verschob sich der Kontrast direkt auf politische Ebene und endete mit dem Bruch zwischen der Internationale und der Linken. Die beiden Fragen, die zur Diskussion standen, waren der »Sozialismus in einem Land« und wenig später der »Antifaschismus«. Der »Sozialismus in einem Land« verneint den Leninismus auf zweifache Weise. Einmal, weil er als Sozialismus das vortäuscht, was Lenin »kapitalistische Entwicklung europäischer Art im kleinbürgerlichen und halbmittelalterlichen Russland« nannte. Zum andern, weil er das Schicksal der russischen Revolution von dem der proletarischen Weltrevolution loslöst. Es ist die Doktrin der Konterrevolution: im Inneren rechtfertigt sie die Unterdrückung der alten marxistischen und internationalistischen Garde, mit Trotzki beginnend; jenseits der Grenzen der Sowjetunion begünstigt sie die Unterdrückung der linken Strömungen vonseiten der Zentrumsfraktionen, diesen oft direkt sozialdemokratischen Relikten, die »auf der ganzen Front vor der Bourgeoisie kapitulieren« (Trotzki).

Am deutlichsten zeigte sich diese Abwendung vom grundlegenden Programm des kommunistischen Weltkampfes darin, dass die Kampfparole der revolutionären Machteroberung durch die Parole der Verteidigung der Demokratie gegen den Faschismus ersetzt wurde, geradezu als ob die beiden Regimes nicht die Erhaltung der kapitalistischen Ordnung angesichts der Gefahr einer neuen revolutionären Welle des Proletariats zum Ziel hätten und sich dabei je nach den vordringlichen Erfordernissen der Dynamik des Kampfes zwischen den antagonistischen Klassen am Staatsruder abwechselten. Nach dem Fall der deutschen Bastion durch Hitlers Sieg 1933 zeigte sich dieses Phänomen nicht nur innerhalb der Dritten Internationale, sondern in der »trotzkistischen« Opposition selbst, die das Schlagwort der »Verteidigung der Demokratie gegen den Faschismus« wieder aufnahm, selbst wenn sie diese »Verteidigung« nur als »Phase« oder »Etappe« hinstellte, die zu durchlaufen sei, bevor man in der Lage sei, die Maximalforderungen des revolutionären Proletariats zu erheben. In beiden Fällen führte diese Politik zur Vernichtung der Arbeiterklasse als deutlich unterschiedene politische Kraft mit Zielen, die denen sämtlicher anderer gesellschaftlichen Schichten diametral entgegenstehen, zur Mobilmachung der Proletarier der verschiedenen Länder erst für die Verteidigung der demokratischen Institutionen, bald darauf zur Verteidigung des »Vaterlands«, zum Wiederaufblühen und zur Verschärfung chauvinistischer Hassgefühle, bis hin schliesslich zur auch formellen Auflösung der Kommunistischen Internationale und zur zeitweiligen Vernichtung eines jeglichen Wunsches nach ihrer Wiederbegründung. Die Arbeiterklasse wurde vor den blutigen Wagen des imperialistischen Krieges 1939–45 gespannt und die schwachen Kräfte des internationalen und internationalistischen Kommunismus waren, soweit und wo sie überhaupt überlebt hatten, daher nicht imstande, in irgendeiner Weise auf die Situation einzuwirken: der Ruf »Verwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg«, 1914 erster Vorbote der russischen Revolution von 1917, verhallte im Leeren – und fand nur Verachtung. Die Nachkriegszeit erfüllte nicht allein nicht die naiven »Hoffnungen« auf eine Ausdehnung des revolutionären Kommunismus auf den Spitzen russischer Bajonette, sondern führte – schlimmer noch als zu Zeiten der Zweiten Internationale – zum Triumph eines Neo-Ministerialismus, da er in der schwierigsten Zeit des kapitalistischen Wiederaufbaus ausgeübt wurde zugunsten der Restaurierung der Staatsautorität (Entwaffnung der in die Partisanenverbände eingegliederten Proletarier, blutige Unterdrückung der Teilnehmer an einer Versammlung für die Unabhängigkeit Algeriens im Mai 1945 unter dem Kommando eines »kommunistischen« Innenministers der Regierung De Gaulle), der Rettung der nationalen Wirtschaft (Wiederaufbauanleihen, Akzeptierung der Austerität im Namen der »höchsten Interessen« der Nation, usw. ) und später, in den »Volksdemokratien«, das Eintreten zugunsten der Wiederherstellung einer als »sowjetisch« drapierten Ordnung (Berlin, Posen, Budapest). Nach Abschluss dieser Periode offener Kollaboration am Staatsruder sahen sich die »kommunistischen« Filialparteien des Kreml von den Alliierten in Krieg und im »Frieden« wieder an den Rand einer nur parlamentarischen »Opposition« innerhalb einer immer mehr stahlgepanzerten polizeistaatlichen und faschistischen Welt zurückgedrängt. Aber weit davon entfernt, wieder zu dem von Lenin vorgezeichneten richtigen Weg zurückzufinden (was sie auch nicht hätten tun können, selbst wenn sie es rein hypothetisch hätten tun wollen), stürzten sie immer tiefer in den Abgrund einer totalen Revision der marxistischen Theorie und Praxis, bis sie in diesen Jahren auf dem finstersten Grund landeten, wo weder das Ende des Kapitalismus vorausgesehen und verkündet wird, der im Gegenteil in der Person des internationalen Handels überschwenglich gepriesen wird, noch das Ende des Parlamentarismus, der im Gegenteil gegen die Angriffe der ihre »glorreiche« Vergangenheit vergessenden Bourgeoisie zu verteidigen sei, wo nicht einmal mehr die Weiterentwicklung jenes angeblichen Kampfes zwischen »sozialistischem Lager« und »kapitalistischem Lager« vorausgesehen wird, worauf der Stalinismus den Klassenkampf reduziert hatte, denn auf internationalem Gebiet lautet nun die Devise »Friedliche Koexistenz und friedlicher Wettbewerb«.

Aus der Tiefe des Abgrundes erhebt sich als Vorbote der Erhebung des Proletariats der Ruf: »Proletarier aller Länder, vereinigt euch!« und »Diktatur des Proletariats!« Es ist unser Ruf.


Source: »Internationale Revolution«, Nr.1, Januar 1969, S.5

[top] [home] [mail] [search]