Die angelsächsischen Mächte haben zweimal den Weltkrieg gewonnen und damit zweimal den Kapitalismus vor dem totalen Untergang gerettet, indem sie sich als Opfer von Aggression darstellten. Man muss zugeben, dass in beiden Fällen das raffinierte Spiel, den »Aggressor« dazu zu bringen, zuerst zu schiessen, super geklappt hat. Es ist offensichtlich, dass nicht diplomatisches Geschick oder die Kunst des Opferspielens, sondern materielle Bedingungen der historischen Entwicklung das heuchlerische Spiel der westlichen imperialistischen Hochburgen begünstigen: Wer in der internationalen Arena als Letzter ankommt – gestern war es Deutschland, heute ist es Russland –, findet bei der Aufteilung der Besitztümer, Kolonien, Protektorate und schliesslich der »Einflusssphären« nur noch das Schild »ausverkauft« vor, sodass er sich an fremdem Eigentum vergreifen muss, also »angreifen« muss. Es spielt keine Rolle, dass der neue imperialistische Anwärter dazu neigt, den bereits von anderen beschrittenen Weg zu gehen und dasselbe zu wollen wie die bereits »angekommenen« Rivalen: Er bleibt der Angreifer. Genau das passiert derzeit mit Russland, das in den letzten Jahrzehnten daran gehindert wurde und sich nun mühsam einen Durchgang zum Nahen Osten bahnt.
Die russische Geschicklichkeit! Es ist eine Tatsache, dass jedes Mal, wenn Russland gezwungen ist, seine Karten auf den Tisch zu legen, weil der Westen sich hartnäckig weigert, dem neuen imperialistischen Konkurrenten und ehemaligen Kriegsverbündeten »Plätze an der Sonne« zuzugestehen, die Presse, die direkt oder indirekt von den imperialistischen Zentren in Washington und London inspiriert und finanziert wird, vom »geschickten russischen Schachzug« spricht. Nun fragen wir uns, was geschickt an der jüngsten schwerwiegenden Entscheidung Moskaus ist, zur Aufrüstung Ägyptens beizutragen. Angesichts des virtuellen Kriegszustands zwischen Ägypten und der Arabischen Liga auf der einen Seite und Israel auf der anderen Seite würde Russland nicht automatisch in die Position des »Aggressors«, wenn auch indirekt, geraten, sollte der Krieg wieder aufflammen? Und wenn es den Grossmächten, wie es wahrscheinlich scheint, gelingt, den Konflikt zu vermeiden, ist die Tatsache, dass Russland sich vor den Augen der Welt als Waffenhändler präsentiert, kein reiner Verlust für Moskau im Propagandakrieg, denn die Škoda-Maschinengewehre in den Händen von Nassers Offizieren machen die ganze Flut von Antikriegsliteratur der Friedenspartisanen zunichte. Die Wahrheit ist, dass es den obersten Piraten des angloamerikanischen Imperialismus einmal mehr gelingt, sich als »Opfer der Aggression« darzustellen und sich damit eine hervorragende Ausgangsposition für den künftigen widerwärtigen Kreuzzug zugunsten des »Verteidigungskrieges« zu verschaffen.
Die Wahrheit ist, dass das Waffenangebot Russlands an Ägypten und die Entscheidung Ägyptens, dieses Angebot trotz der strengen Warnungen und offenen Drohungen der britischen und amerikanischen Regierungen anzunehmen, die letzten Glieder einer eisernen Kette von Ereignissen sind, die sicherlich nicht als Produkte des Willens der Regierenden betrachtet werden können. Es sind der Zweite Weltkrieg, der Eintritt des amerikanischen Imperialismus in den Nahen Osten, die Gründung des Staates Israel, die Gründung der Arabischen Liga, die ägyptische Halb-Revolution und der türkisch-irakische Pakt. Jedes dieser gigantischen Ereignisse hat die historische Bewegung im Nahen Osten stark beschleunigt, aber keines davon kann aus dem komplexen und furchtbaren Bild der Umwälzungen der letzten zwei oder drei Jahrzehnte der Weltgeschichte isoliert werden. Vergeblich ist zumindest für uns der Versuch der demokratisch-atlantischen Presse, die jüngsten Umwälzungen im Nahen Osten auf grossem Fuss der »teuflischen Geschicklichkeit« Moskaus anzulasten. Was im »mittleren« Teil Asiens geschieht, wie das, was bereits im »äussersten« Teil Asiens geschehen ist, entspringt den gewaltigen Gegensätzen, die durch die neue Teilung der Welt hervorgerufen wurden, die im Gegensatz zur Situation in der Zwischenkriegszeit deterministisch den Ausbruch der nationalen Revolutionen in Asien und Afrika ausgelöst hat, eine grandiose Manifestation der extremen Ausbreitung des Kapitalismus auf dem Planeten.
Neben dem Eingreifen der imperialistischen Grossmächte wird die historische Situation im Nahen Osten durch den nationalen Krieg verschärft, den die Republik Israel gegen die arabischen Staaten führt, während der heftige diplomatische und politische Konflikt zwischen Ägypten und dem Irak, die beide Mitgliedstaaten der Arabischen Liga sind, noch immer andauert. In diesem verworrenen Geflecht von Interessen, das sowohl das tödliche Spiel interkontinentaler Koalitionen als auch den begrenzten Konflikt zwischen lokalen Staatsmächten imperialistischer und nationalistischer Prägung widerspiegelt, ist es Aufgabe der Presse, die davon lebt, den »Aggressor« zu entdecken. Wenn man den Russen diese Bezeichnung anheften will, weil sie versuchen, die »Schlüsselposition« im Nahen Osten zu umgehen und von hinten anzugreifen, dann zeigt ein kurzer Blick in die Geschichte, dass die Angloamerikaner nicht immer in diesem wichtigen strategischen Schauplatz und Ölgebiet, das bis zum Ersten Weltkrieg zum Osmanischen Reich gehörte, das Sagen hatten.
Trotz der von den jeweiligen Regierungen entfesselten Opferkampagne, ja sogar unter deren Deckung, ist es den Generalstäben der USA und Grossbritanniens gelungen, unter Ausnutzung des schmutzigen Themas der »Verteidigung gegen den Aggressor« einen grossen Coup zu landen, den sie schon lange geplant hatten: die Aufnahme des Iran in den Bagdad-Pakt. Seit der blutigen Niederschlagung des Mossadeqh-Regimes hatten die Westmächte vor, Persien in das atlantische Bündnis einzubinden, nachdem sie sich bereits durch das Knebelabkommen zwischen dem internationalen Ölkartell und der Regierung in Teheran die Ölquellen gesichert hatten. Aber sie wurden immer wieder davon abgehalten, weil sie befürchteten, dass Russland angesichts eines solchen Schrittes des Westens die Klauseln des russisch-persischen Vertrags von 1921 anwenden könnte, die die russische Regierung ermächtigen, den nördlichen Teil Persiens zu besetzen, wenn die Gefahr einer Intervention einer dritten Macht im Land besteht. Die sensationelle Entscheidung, Ägypten mit Waffen zu beliefern, wurde von den westlichen Regierungen offensichtlich als das grösste Risiko interpretiert, das Moskau in dieser Region eingehen wollte, und so wurde der Regierung in Teheran »grünes Licht« gegeben. Die Überlegung musste richtig sein: Moskau beschränkte sich auf heftige Proteste und fügte sich wohl oder übel der vollendeten Tatsache.
Die beiden Ereignisse folgten innerhalb von weniger als zwei Wochen: Am 2. Oktober bestätigte Oberst Gamal Abdel Nasser im Radio während einer heftigen Attacke auf die westliche Politik im Nahen Osten die zuvor vom Aussenministerium verbreiteten Informationen über Waffenlieferungen aus Tschechien und Russland; am 12. gab der Schah im Parlament den Beitritt des Iran zum Bagdader Pakt bekannt. Das ist ein Beispiel für die angelsächsische Technik, den Gegner zu zwingen, zuerst zuzuschlagen und sich den Vorwurf der Aggression aufzubürden. Über den Bagdad-Pakt, so genannt nach der Hauptstadt, in der er am 24. Februar dieses Jahres unterzeichnet wurde, werden wir später noch sprechen. Hier beschränken wir uns darauf zu sagen, dass es sich ursprünglich um einen bilateralen Vertrag zwischen der Türkei und dem Irak handelte. Er wurde von der angloamerikanischen Diplomatie ausgeheckt und gewollt, um auf diese Weise Zwietracht und Spaltung in der Arabischen Liga zu säen, deren Mitglieder sich mit dem interarabischen Sicherheitspakt vom September 1950 verpflichtet hatten, keinen fremden Militärbündnissen beizutreten, und damit gelang es Ägypten einen schweren Schlag zu versetzen, das sich insbesondere seit der Revolution als so genannte Führungsmacht der arabischen Welt aufspielt.
Die russische Ablehnung des Paktes lässt sich leicht damit erklären, dass er ein feindliches Militärbündnis an den südlichen Grenzen Russlands begründet, das über die Türkei zudem mit dem Atlantischen Bündnis verbunden ist. Der Beitritt Englands im April zeigte deutlich, dass das diplomatische Instrument von englischer Seite ausgeheckt worden war. Im September schloss sich Pakistan an, das in den vergangenen Jahren Abkommen mit der Türkei und den Vereinigten Staaten geschlossen hatte. Stück für Stück bauten die westlichen Mächte, allen voran Grossbritannien, eine mächtige Barriere vor den russischen Zugängen zum Nahen Osten auf. Man muss bedenken, dass die Türkei, der Irak und Pakistan, die alle zwischen dem 30. und 40. Breitengrad liegen, aneinander und jeweils an Russland grenzen. Die Lieferung tschechoslowakischer Waffen an Ägypten war ein Versuch Russlands, die Einkreisung zu durchbrechen und sich hinter dem Feind zu positionieren. Aber nachdem sie in Ägypten getroffen wurden, gingen die Angloamerikaner zum Gegenangriff in Persien über, der einzigen Macht, die an Russland grenzt und sich noch aus dem anglo-türkisch-irakisch-pakistanischen Pakt heraushielt.
Im Nachhinein ist es schwer zu sagen, welche der Konfliktparteien mehr gewonnen hat: die Russen, die ihre Hand auf das »Tor nach Afrika« gelegt haben, wie die Presse Ägypten bezeichnet, oder die Angloamerikaner, die mit der Einbindung des Iran in den Bagdader Pakt praktisch die Lücke in der riesigen Kette interkontinentaler Bündnisse geschlossen haben, die sich nun von Norwegen bis Pakistan erstreckt. Sicher ist, dass die atlantische Propaganda, immer darauf bedacht, sich als Opfer darzustellen, den Erfolg Moskaus künstlich übertrieben, weil bekannt ist, dass Ägypten trotz seiner stolzen Unabhängigkeitsbekundungen auf ausländische Finanzmittel angewiesen ist, um sein ehrgeiziges Fünfjahresprogramm für grosse Bewässerungs- und Industriebauprojekte voranzutreiben, hinter denen das herrschende Regime die ausgebliebene Revolution auf dem Land zu verbergen versucht.
So hofft die Regierung in Kairo für das grosse Wasserbauprojekt in Assuan, ein gigantisches Unterfangen, das mehr als 300 Milliarden Lire kosten wird, auf einen Kredit von 200 bis 300 Millionen Dollar von der Internationalen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung. Diese Finanzinstitution wird bekanntlich formal von 57 Nationen verwaltet. Da die USA 72 Prozent des Kapitals eingezahlt und 65 Prozent der ausgegebenen Anleihen gekauft haben, ist sie praktisch ein Instrument der US-Aussenpolitik. Ein weiteres riesiges »Projekt des Regimes«, eine grosse Fabrik für chemische Düngemittel im Wert von 45 Milliarden Lire, wartet ebenfalls dank amerikanischer Hilfe auf seine Verwirklichung. Die Überlegungen, die auf solche offensichtlichen finanziellen Verbindungen Ägyptens zum Dollarraum hindeuten, lassen die Auswirkungen der erfolgreichen diplomatischen Operation Moskaus bei der Regierung in Kairo in ihrem richtigen Licht erscheinen. Ja, die Lieferung von Waffen und Ausbildern an die ägyptische Armee schafft günstige Bedingungen für die Ausweitung des russischen Einflusses im Land, aber es ist ebenso klar, dass Moskau auf Sand bauen wird, solange die Regierung in Kairo bei den US-Plutokraten um Dollars bettelt. Es ist daher kein Zufall, dass Russland Hilfe für den neuen grossen Assuan-Staudamm angeboten hat. Der ägyptische Botschafter in den USA, der dies am 18. Oktober auf einer Pressekonferenz in Washington bekannt gab, betonte jedoch, dass Ägypten den Ausgang der Verhandlungen mit der Weltbank abwarten werde, bevor es das russische Angebot prüfen werde. Wird Kairo nach den Waffen auch die Rubel annehmen? Wird die gemeinsame Ablehnung des Bagdader Pakts in Zukunft ausreichen, um die derzeitige russisch-ägyptische Freundschaft aufrechtzuerhalten?
Der [Zweite Welt-]Krieg hat dem Nahen Osten enorm genützt. Wir scheuen uns nicht, das zu sagen, denn wir beurteilen die Ereignisse nicht nach den Massstäben eines dummen und ergebnislosen Pazifismus. Es ist auch wahr, dass der Krieg in Europa und Amerika letztlich die Revolution um Jahrzehnte verzögert hat: Anstatt revolutionären Defätismus zu betreiben und auf den Klassenkampf zu setzen, hat sich das internationale Proletariat vom Opportunismus korrumpieren und täuschen lassen und sich bereit erklärt, für die kriegführenden Staaten zu kämpfen, sei es in der Uniform des regulären Soldaten oder in der Partisanenjacke hinter der Front. Aber in Abwesenheit der proletarischen Diktatur und des Sozialismus haben sich Asien und Afrika bewegt. Die dort stattfindenden nationalen Revolutionen sind auf das Ziel der kapitalistischen Industrialisierung ausgerichtet, daran besteht kein Zweifel, aber ihre Bewegung ist real und effektiv, weil sie die für den asiatischen Despotismus charakteristischen sozialen Formen hinter sich lässt. So kommt es, dass nach all dem Gerede über die »Unbeweglichkeit des Ostens« in der Vergangenheit gerade Asien in Bewegung kommt, während der fortgeschrittene euro-amerikanische Raum, der mehr als reif für den revolutionären »Sprung« in den Sozialismus ist, beim Kapitalismus stehen bleibt. Natürlich zeigt sich das Erneuerungsphänomen nicht mit der gleichen Intensität und im gleichen Rhythmus auf der ganzen grossen geopolitischen Bühne des Nahen und Mittleren Ostens.
Im Nahen Osten begann die Bewegung mit dem Zerfall des Osmanischen Reiches, das, solange es bestand, als mächtige reaktionäre Bastion fungierte, gegen die die radikalen Strömungen des westlichen politischen Denkens absolut nichts ausrichten konnten. In dieser wichtigen Region der Welt war praktisch »nichts passiert«, seit mehr als hundert Jahren – also seit Napoleons Ägyptenfeldzug – bis das Reich von Konstantinopel, Verbündeter der Mittelmächte, unter den Schlägen der militärischen Niederlage zusammenbrach. Von da an begann der Prozess der Bildung der heutigen unabhängigen Staaten; aber die virtuelle revolutionäre Bewegung wurde durch den Eintritt der britischen Macht und, in untergeordneter Position, des französischen Kolonialismus in die begehrte Region (die inzwischen zum Gegenstand imperialistischer Auseinandersetzungen geworden war) blockiert.
Bekannt ist, dass der am 11. August 1920 unterzeichnete Vertrag von Sèvres England das »Mandat« über Palästina, Transjordanien und Mesopotamien und Frankreich das »Mandat« über Syrien zuwies. Arabien profitierte von einem formal autonomen Regime, spaltete sich aber in mehrere unabhängige Staaten auf, die später weitere Veränderungen durchliefen, bis 1926 die Herrschaft endgültig an die Al Saud überging, die Dynastie, die heute regiert. Die britische Vorherrschaft in der Region bedeutete nicht für alle einheimischen sozialen Schichten eine Unterdrückung von aussen und von oben. Denn die Ziele der Weltpolitik Grossbritanniens (es ist eine Tatsache, dass die englische Herrschaft über Indien in derselben historischen Phase endete, in der der englische Einfluss im Nahen Osten stark abnahm) deckten sich mit den Interessen der konservativen lokalen Klassen, für die eine nationale Revolution nur das Ende ihrer Privilegien bedeuten konnte. Die absoluten Monarchien, Fürstentümer, niederen Hierarchien und Bürokratien der asiatisch-despotischen Regime, also alle Kräfte, die an der Aufrechterhaltung der aristokratischen Herrschaft über das Land und die primitiven Gemeinschaften interessiert waren, die oft die Form nomadischer Stämme annahmen, konnten keinen besseren Schutz finden als im Schatten des britischen Empire. Das ist der Fall im äussersten Nordwesten Afrikas, wo sich der metropolitan-indigene Kapitalismus französischer Nationalität gegen die Unabhängigkeitsbewegung stellt und sich mit den lokalen halbfeudalen Kasten verbündet.
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Die revolutionäre Bewegung kam mit dem Zweiten Weltkrieg wieder in Schwung. Um die Kriegsfront in Nordafrika zu versorgen und später die Expeditionstruppen für die Invasion der italienischen Halbinsel zu unterstützen, verwandelten die Alliierten den Nahen Osten in einen riesigen Operationsstützpunkt, in dem es von britischen und Commonwealth-Einheiten, polnischen, französischen, griechischen, amerikanischen und anderen Truppen wimmelte. Die sozialen Auswirkungen, die sich aus der dauerhaften Präsenz dieser bewaffneten Massen ergaben, werden von einer Quelle beschrieben, die sicherlich nicht im Verdacht steht, sozusagen »fortschrittlich« zu sein, nämlich dem »Journal of the Royal Central Asian Society«.
In Bezug auf den Verbleib der alliierten Streitkräfte in der Region schrieb diese Zeitschrift im Januar 1945:
»Daraus entstanden soziale Kontakte von immenser Vielfalt und Verschiedenartigkeit, die über einen langen Zeitraum hinweg bestanden und deren Auswirkungen alles andere als vergänglich waren und nicht übersehen werden dürfen.
Dazuhin gaben die alliierten Soldaten, sowohl privat als auch über Militärverträge, viel Geld aus, das 1942 und 1943 die nationalen Haushaltsmittel überstieg, in manchen Fällen sogar deutlich. Ein grosser Teil dieses Geldes landete in den Taschen von Ladenbesitzern, Händlern und grossen und kleinen Landbesitzern. Diese wiederum profitierten vom Rückgang des Überseehandels und der damit verbundenen Notwendigkeit, die lokale Lebensmittelproduktion zu steigern und die Preise anzuheben, um Waren auf die Märkte zu bringen.
Die Kehrseite der Medaille sind die Schwierigkeiten, unter denen andere Bevölkerungsschichten aufgrund der Preissteigerungen und der Warenverknappung zu leiden hatten. Alle sozialen Gruppen mit relativ festem Einkommen, wie Arbeitnehmer, die keine Anstellung beim Militär gefunden hatten, Landarbeiter, Staatsbeamte und Angestellte, litten unter den Folgen der gesunkenen Kaufkraft der Währung. Die Regierungen versuchten, durch die Regulierung der Lebensmittelverteilung und in einigen Fällen durch Subventionen zur Stabilisierung des Preisniveaus eine echte Hungersnot abzuwenden. Diese Massnahmen waren aber nicht umfassend oder effektiv genug, um die Bildung grosser Reichtümer und die Verarmung bestimmter Klassen zu verhindern: Die beiden Extreme waren so gegensätzlich und ausgeprägt wie nie zuvor.
Es gab viele Arbeiterunruhen in Form von Streiks und Demonstrationen. Überall wurde das Bewusstsein der intellektuellen Schichten für soziale Gerechtigkeit stärker. Aus den Berichten von gut informierten Beobachtern, die aus diesen Ländern zurückkehrten, geht klar hervor, dass soziale Probleme ein noch nie dagewesenes Interesse wecken, vor allem in Ägypten und Persien. Für den Nahen Osten steht eine entscheidende Phase bevor. Die Einkommen grosser Teile der Bevölkerung, vor allem der Bauern und Arbeiter, die durch Militärverträge Arbeit gefunden haben, werden unweigerlich sinken, und wenn keine geeigneten Massnahmen ergriffen werden, um die Gefahr abzuwenden, wird es zu grosser Arbeitslosigkeit kommen. Es ist möglich, dass diese Bedingungen zu sozialen Unruhen führen, die durch den Krieg selbst noch angeheizt wurden«.
So schrieb das »Journal of the Royal Central Asian Society« im Januar 1945, also am Ende des Zweiten Weltkriegs. Abgesehen von einigen Begriffen könnte die treffende Beschreibung der Lage von einem Marxisten stammen, denn die Ursachen für die aktuellen Umwälzungen und die – zu Recht vorhergesagten – künftigen Erschütterungen werden nicht in der Welt der einfachen Metaphysik gesucht, auf die die vulgäre politische Kultur unweigerlich zurückgreift, sondern genau in der Struktur der gesellschaftlichen Ökonomie ausgemacht. Der Nahe Osten wird als in permanenter Unruhe befindlich gesehen, nicht weil die traditionellen »moralischen Werte« eine Umgestaltung erfahren hätten, sondern weil der Krieg, der den schlummernden lokalen Wirtschaftsweisen einen mächtigen Schlag versetzt hat, und zu spürbaren Verschiebungen im gesellschaftlichen Überbau führte. Was im historischen Bild nach dem Krieg am deutlichsten hervortritt, ist die Ausdehnung der Sphäre der Warenproduktion, d. h. der Marktwirtschaft. Dass es sich dabei nicht um Kleinproduktion handelt, sondern um moderne kapitalistische gesellschaftliche Produktion, zeigt nicht nur die Zunahme der Proletarier, sondern auch die Tatsache, dass die Bildung der für die bürgerliche Gesellschaft typischen sozialen Klassen im Rahmen der von Marx entdeckten und in seiner Lehre vom »wachsenden Elend« beschriebenen Phänomene stattfindet.
Die Stelle in dem oben zitierten Text, in der der Autor sagt, dass die Extreme der Bereicherung an einem Pol der komplexen Nachkriegsgesellschaft im Nahen Osten und der Verarmung am anderen Pol »so gegensätzlich und ausgeprägt wie nie zuvor waren«, haben wir hervorgehoben, weil er das ganze Material zusammenfasst und die wesentliche Bedeutung herausstellt. Eine gesellschaftliche Veränderung, bei der die Konzentration des gesellschaftlichen Reichtums (Mittel der kollektiven Produktion) mit der Verarmung der unteren produktiven Klassen einhergeht, also mit der Enteignung des Kleinproduzenten, der nur noch die Arbeitskraft seines eigenen Körpers besitzt, die er in den gesellschaftlichen Produktionsprozess einbringen kann, kann nur den Übergang zum Kapitalismus bedeuten, also zu der historischen Gesellschaftsform, in der die »Armen« die vom kapitalistischen Unternehmer angeheuerten Proletarier sind. Aber die Industrialisierung und die kapitalistische Konzentration, wenn auch noch in den Kinderschuhen, konnten, einmal in die »unbewegliche« arabische Welt importiert, nur die Frage nach der Ersetzung der alten reaktionären Produktionsverhältnisse aufwerfen. Wir erleben diesen revolutionären Kampf zwischen dem »alten«, halbfeudalen und despotischen und dem »neuen«, bürgerlichen und nationalistischen System. Eine Verwechslung von geografischen Gebieten und historischen Epochen ist hier nicht möglich: In Asien, in Afrika, in den Ländern, die noch auf kolonialem Niveau liegen, kann das »Neue«, zu dem man streben muss, nicht die Diktatur des Proletariats und der Sozialismus sein. Es ist an uns, dem Proletariat Europas und Amerikas, das seit 1917, wenn nicht sogar seit 1871, stillsteht und sich ausserhalb des revolutionären Feldes befindet, uns auf diese Stufe zu erheben: Dies kann auch diesen Ländern nur als Rückstoss auf die westliche Revolution zuwachsen.
Die entschiedene Behauptung des revolutionären Charakters der Ereignisse, die sich im Nahen Osten wie auch in anderen Regionen Asiens und Afrikas abspielen, mag im Widerspruch zu der klaren Vorstellung von der enormen Kontroll- und Einflussmacht des Imperialismus stehen, dessen weltweite Macht wir sicherlich nicht unterschätzen wollen. Da es unbestritten ist, dass die Grossmächte die Region wirtschaftlich und damit auch politisch kontrollieren, könnte man sich weigern, die Existenz revolutionärer Bewegungen in dieser Region anzuerkennen, aus Angst, damit die marxistischen Vorstellungen vom Imperialismus zu verleugnen. Aber wie falsch wäre das! Und warum? Der Imperialismus, also die moderne historische Phase der kapitalistischen Herrschaft, ist bedingungslos gegen das Proletariat, dessen Revolution er um keinen Preis akzeptieren kann, sondern sich ihr nur nach einem schrecklichen bewaffneten Kampf unterwerfen kann. Aber die gleiche bedingungslose Ablehnung kann der Imperialismus nicht gegenüber nationalen Revolutionen haben, die zwar schwere internationale Krisen auslösen und neue zukünftige Spaltungen der Welt in interkontinentale Militärblöcke schüren können, aber keine Bedrohung für die Existenz des Kapitalismus darstellen. Im Grunde genommen haben die alten imperialistischen Hegemonialmächte und die neu entstandenen Nationalstaaten eine gemeinsame soziale Eigenschaft: die sozialen Verhältnisse und den bürgerlichen Staat. Aufgrund ihres gemeinsamen Ursprungs und ihrer kapitalistischen Natur kann es keinen Widerspruch zwischen der Politik der imperialistischen Zentren und den nationalistischen Impulsen der neuen unabhängigen Staaten geben. Das ist keine theoretische Überlegung, denn die amerikanische Durchdringung des Nahen Ostens und die Gründung des Staates Israel liefern den Beweis für die Richtigkeit unserer Annahme.
Im Gegensatz zum Zusammenbruch des Osmanischen Reiches gelang es Grossbritannien nach dem Zweiten Weltkrieg nicht, eine absolute Vorherrschaft im Nahen Osten zu erlangen. Der Einfluss Frankreichs ist nach der Erhebung Syriens und des Libanons zu unabhängigen Staaten und vor allem wegen des allgemeinen Niedergangs des französischen Imperialismus fast ganz verschwunden, aber Grossbritannien ist deshalb nicht die dominierende Macht in der Region geblieben. Frankreich ist mittlerweile in eine Ecke gedrängt worden, wo es gegen seine Verbündeten und Rivalen England und die USA murrt. Ganz neu ist die Präsenz der Vereinigten Staaten, die erst ab 1943 – dem Jahr, in dem die Amerikaner die Bedeutung der Region für die Ölförderung »entdeckten« – damit begonnen haben, die Positionen Grossbritanniens subtil zu untergraben. Der mächtige Vormarsch des amerikanischen Kapitals verlief nicht ohne einen dumpfen Konflikt mit den Briten, der so weit wie möglich im Verborgenen gehalten wurde, sich aber offen manifestierte, als die Briten sich hartnäckig gegen die weltweite zionistische Kampagne zur Schaffung eines »jüdischen Nationalzentrums« in Palästina stellten. Die entschiedene und konstante politische und finanzielle Unterstützung der Vereinigten Staaten für die jüdische Nationalbewegung zeigte damals den Konflikt zwischen den angelsächsischen Grossmächten, der später überwunden wurde. Die Gründung des Staates Israel, der vor allem von den Vereinigten Staaten unterstützt wurde, zeigte vor allem eine wesentliche Unterschiedlichkeit in den Methoden, die die Briten und die Amerikaner bei ihrer Politik der Durchdringung des Nahen Ostens verfolgten. Während England seiner traditionellen Politik der Verständigung mit den arabischen Dynastien und der Erhaltung der bestehenden sozialen Verhältnisse treu blieb, setzte der skrupellose amerikanische Imperialismus entschlossen auf die israelische Karte und förderte die Errichtung einer modernen bürgerlichen Republik. Damit lieferte er ein in der Geschichte der nationalen Ordnungen nicht neues Beispiel dafür, wie der Imperialismus für die Zwecke seiner Konservierungspolitik verkrustete soziale Verhältnisse aufbrechen und in rückständigen Gebieten den Wettlauf um die Industrialisierung in Gang setzen kann.
Es geht hier natürlich nicht darum, den amerikanischen Imperialismus gegenüber dem englischen zu bevorzugen. Man muss die Frage dialektisch verstehen, also im Licht der realen kapitalistischen Widersprüche. Da die USA im Nahen Osten als letzte ankamen und ihre britischen Cousins schon »vor Ort« waren, benutzte die US-Regierung, die jetzt gegen die russischen »Aggressoren« wettert, die gleichen Methoden wie diese, nämlich sich einen Brückenkopf in der zu erobernden Region zu schaffen. Den Vereinigten Staaten blieb nur dieser Weg. Das Ergebnis sollte eine regelrechte Transplantation des modernen Kapitalismus in die Wüstengebiete Palästinas sein, die jahrzehntelang verlassen waren und heute dank der Urbarmachung und Wiederbewirtschaftung des Bodens sowie der Einführung einer der fortschrittlichsten Techniken der Welt zu ihrer alten Blüte aus biblischen Zeiten zurückkehren. Man muss auch bedenken, dass die kapitalistische industrielle Revolution in der Republik Israel die äusserste Grenze ihrer historischen Möglichkeiten erreicht hat und ein Beispiel für eine »durch und durch bürgerliche Revolution« ist, da es keine Spuren früherer feudaler Verhältnisse gibt.
Widersprüche derselben Art, die den amerikanischen Imperialismus dazu treiben, die israelische Revolution zu unterstützen, zwingen Russland, das sich als grosse Mutter aller »fortschrittlichen« Bewegungen in den halbkolonialen Gesellschaften aufspielt, Ägypten zu unterstützen, das eine bürgerliche Revolution nur zur Hälfte vollzogen hat, denn das revolutionäre Regime, das heute in Kairo herrscht, hat zwar die nationale Frage vollständig gelöst und die britischen Truppen aus dem Kanalgebiet abgezogen, aber die Landfrage völlig vernachlässigt, die nach wie vor – wie zu Zeiten des fetten und despotischen Faruq – im Besitz einer kleinen Oligarchie von Grossgrundbesitzern ist, die die Arbeit der nilotischen »Fellachen« ungehemmt ausbeuten. So kommt es, dass Russland die Republik Israel bekämpft, deren Landwirtschaft wegen der berühmten »Kollektivfarmen« (Kibbuzim) der viel gepriesenen »Kolchosen-Landwirtschaft« ähnelt, und Ägypten mit Waffen versorgt, das landwirtschaftliche Produktionsverhältnisse aufrechterhält, die selbst im Vergleich zum Zarismus rückständig erscheinen. Aber über solche Ungereimtheiten wundert sich nur, wer wirklich an die unterschiedliche soziale Zusammensetzung der Staaten des amerikanisch-westlichen und des russisch-östlichen Blocks glaubt und sich der Illusion hingibt, dass der Konflikt zwischen den beiden mächtigen Koalitionen, die heute auch im Nahen Osten Abgründe der Rivalität aufreissen, über den Klassenkampf zwischen Kapitalismus und Sozialismus entscheiden wird.
In weiteren Artikeln werden wir die brennenden Fragen vor Ort im Detail untersuchen und uns insbesondere mit dem Konflikt zwischen Israel und Ägypten befassen, der viele Gemeinsamkeiten mit den nationalen Befreiungskriegen des letzten Jahrhunderts in Europa aufweist. Aus Platzgründen müssen wir uns in diesem Artikel auf einen Überblick über die Ereignisse beschränken. Bevor wir zum Schluss kommen, wollen wir jedoch die Situation, zu der der verdeckte Wettbewerb zwischen Briten und Amerikanern geführt hat, in Zahlen darstellen. Die Vereinten Nationen haben kürzlich eine Studie über die wirtschaftlichen Bedingungen im Nahen Osten veröffentlicht, insbesondere über sieben Länder der Region: Ägypten, Irak, Iran, Israel, Libanon, Syrien und Türkei. Daraus geht hervor, dass die Wirtschaft dieser Länder eine Expansionstendenz aufweist, die besonders im Erdölsektor deutlich zu spüren ist. Tatsächlich sind zwischen 1945 und 1954 die nachgewiesenen Erdölreserven von etwa 5 Milliarden auf 12,5 Milliarden Tonnen (von 40 auf 60 Prozent der weltweiten Reserven) gestiegen, die Produktion von 36 Millionen auf 136 Millionen Tonnen (von 9,4 auf 19,7 Prozent der weltweiten Gesamtproduktion) und die Raffineriekapazität von 41,5 Millionen Tonnen im Jahr 1947 auf 67 Millionen Tonnen im Jahr 1954.
Im gleichen Zeitraum 1945–1954 beliefen sich die gesamten Auslandsinvestitionen auf insgesamt 3,823 Milliarden Dollar. Von dieser Finanzmasse flossen allein 2,2 Milliarden Dollar in den Erdölsektor, was etwa 58 Prozent der Gesamtsumme entspricht. Der Rest umfasst Militärhilfen und private Spenden. An der Spitze der Kapitalexportländer stehen natürlich die westlichen Mächte, wobei die Vereinigten Staaten mit 2,595 Milliarden Dollar den ersten Platz einnehmen (»Relazioni Internazionali«, № 31).
Die Wall-Street-Magnaten, die sich erst 1943 für den Nahen Osten zu interessieren begannen, haben einen langen Weg zurückgelegt! In der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen betrieben Grossbritannien und andere europäische Staaten ohne grosses Aufsehen ihre Aktivitäten zur Erforschung und Erschliessung der Vorkommen, bis amerikanisches Kapital in die Region strömte und die sozialen Unruhen verschärfte, die die Briten mit ihrem ausgeprägten politischen Gespür schon seit Kriegsende angeprangert hatten. Während wir das hier schreiben, wird die riesige Nahost-Frage vom Aussenministerrat der USA, Russlands, Frankreichs und Englands diskutiert. Aber während die Ärzte diskutieren, schreitet die Krankheit voran. Der letzte Akt – in chronologischer Reihenfolge – des andauernden Kampfes ist die Unterzeichnung eines gegenseitigen Beistandspaktes zwischen Ägypten und Syrien. Die Vertragsparteien haben ein gemeinsames Militärkommando eingerichtet, dessen Organisation aus einem gemeinsamen Fonds finanziert wird, zu dem Ägypten 65 Prozent und Syrien 35 Prozent beitragen. Werden also tschechoslowakische und russische Waffen auf Umwegen auch zur Stärkung der syrischen Armee dienen? Ein ähnliches Abkommen hat Ägypten am 27. Oktober mit Saudi-Arabien geschlossen, während Syrien und der Libanon gemeinsame Verteidigungspläne ausarbeiten. Der offensichtliche Versuch Ägyptens, die Republik Israel militärisch zu umzingeln – die derzeit über eine grössere Militärmacht verfügt als alle arabischen Nachbarstaaten zusammen –, ist jedoch nicht vollständig gelungen. Der Irak, der sich seit Anfang des Jahres endgültig von Ägypten losgesagt hat, beeinflusst aufgrund der dynastischen Bindungen zwischen den Haschemiten-Monarchien die Politik Jordaniens, das offensichtlich auch unter dem Einfluss der britischen Politik zu westlichen Positionen tendiert.
Das Wettrüsten geht weiter. Es gibt Gerüchte, dass die ersten Lieferungen tschechischer und russischer Waffen in ägyptischen Häfen angelandet sind und bereits im Gazastreifen angekommen sind, dem Hauptkonfliktpunkt zwischen den gegnerischen Lagern Israels und Ägyptens. England verstärkt seinerseits die Massnahmen des Bagdad-Paktes: Kürzlich gab die »Daily Mail« bekannt, dass Düsenflugzeuge, Panzer und moderne Kanonen in den Irak geschickt werden sollen. »Das ist unsere Antwort auf die Entscheidung Ägyptens, Waffen aus der Tschechoslowakei und der UdSSR anzunehmen«, kommentierte die Londoner Zeitung zufrieden und drohend. Am 30. Oktober hat der zypriotische Rundfunk bekannt gegeben, dass England Jordanien zehn Düsenjäger vom Typ »Vampire« geliefert hat, die den Kern der neuen jordanischen Streitkräfte bilden werden. Unterdessen drängt die Regierung in Tel Aviv die amerikanische Regierung auf weitere Waffenlieferungen.
Niemand kann sagen, ob die Kanonen feuern werden. Sicher ist jedoch, dass die zukünftige Front des dritten imperialistischen Krieges bereits durch den Nahen Osten verläuft.