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AUF DEM WEGE ZUR »KOMPAKTEN UND STARKEN« PARTEI VON MORGEN


Content:

Auf dem Wege zur »kompakten und starken« Partei von morgen
Der Brief von Bordiga an Korsch
Die Auslandsfraktion
Eine Polemik an zwei Fronten
Ein Kern gewiss, aber eine Partei
Zwei unterschiedliche Laufbahnen, die sich aber zu treffen bestimmt sind
Wie und wann »treffen sie zusammen«?
»Das ist es, wovon wir träumen müssen«
Notes
Source


Auf dem Wege zur »kompakten und starken« Partei von morgen

Dank der Verteidigung der geschichtlichen Kontinuität des Marxismus verfügt die Partei seit ihrer Entstehung über ein lückenloses Fundament aus untrennbaren theoretischen und programmatischen Positionen sowie taktischen Richtlinien. Und diese Bedingung muss sie auch auf jeden Fall erfüllen, wenn sie ihren »Termin mit der Geschichte«, ihren Termin mit der realen Bewegung, die unter dem Druck der kapitalistischen Gegensätze ausbrechen wird, nicht verpassen will.

Es wäre aber ein mechanistischer und fatalistischer Fehler, würde man diese notwendige Bedingung als eine ausreichende Bedingung ausgeben. Andererseits würde man einen ebenso grossen Fehler begehen (diesmal einen idealistischen und spontaneistischen Fehler), wenn man umgekehrt behaupten würde, von Partei im engen Sinne des Wortes könne erst dann die Rede sein, wenn sich infolge der Entwicklung des Klassenkampfes eine beträchtliche Anzahl von Proletariern um diese Partei geschart haben wird, ja sogar erst dann, wenn diese Entwicklung eine Reihe von Kräften, die von anderen oder selbst ganz verschiedenen Positionen ausgingen, auf die theoretische und programmatische Plattform, die die Partei als einzige gegen den Strom vertreten hat, geführt haben wird.

Der erste Fehler würde die Aktion lähmen, die die Partei führen muss, um als Faktor – und nicht als blosses Produkt – der Geschichte zu jener kompakten und starken Partei zu werden, die sie zum Zeitpunkt ihrer Entstehung nicht sein kann. Der zweite Fehler verweist diese Entstehung selbst auf eine unbestimmte Zukunft, die von unwägbaren Faktoren abhängig ist, und auf die wir keinen Einfluss nehmen können – es sei denn dadurch, dass wir »Licht in die Finsternis« tragen. Der eine wie der andere Fehler laufen darauf hinaus, der proletarischen Klasse das Organ vorzuenthalten, das sie auf dem Weg zur Eroberung der Macht führen muss. Denn: Wie könnte dieses Organ seine Aufgaben erfüllen, wenn es nicht auch in der schlimmsten Saure-Gurken-Zeit den ganzen Aktionsbereich beanspruchen und – soweit es in seiner Macht liegt – wahrnehmen würde, der die Klassenpartei in den günstigen und fruchtbaren Perioden charakterisiert?

Gegenüber unseren Positionen bedeuten diese Fehler keine einfachen »Abweichungen«; sie beruhen im Gegenteil auf völlig anderen Positionen. In den letzten Jahren haben wir der Kritik an dem ersten Fehler viel Platz in unserer internationalen Presse gewidmet. Es ist aber gerade heute wichtig, den zweiten zu bekämpfen, und wir glauben, dass wir dabei am besten so vorgehen, dass wir auf die fernen und nahen Ursprünge der Bildung unserer Partei zurückkommen. Wir fangen also mit der Phase der Zersetzung der Komintern infolge des Sieges des Stalinismus an.

Der Brief von Bordiga an Korsch

1926 hatte Karl Korsch im Namen einer kleinen »linken« Strömung, die sich soeben in der Kommunistischen Partei Deutschlands gebildet hatte, Amadeo Bordiga als Vertreter der Linken in der KP Italiens aufgefordert, die Führung einer internationalen Opposition gegen den Stalinismus innerhalb der Komintern zu übernehmen. Bordiga antwortete im November 1926. Wir werden hier weder die in seiner Antwort gegebene Beurteilung der Vereinigten Opposition in Russland[1], noch die darin enthaltene Einschätzung der Kampfperspektiven in den Reihen der Komintern selbst behandeln. Was diese Perspektiven anbelangt, so sei nur darauf hingewiesen, dass man sie damals (zwar langfristig und nicht unmittelbar) als günstiger einschätzte, als sie sich in der Folge erwiesen haben. Was uns hier interessiert, ist die Frage, wie die Kommunistische Linke Italiens die unerlässlichen Bedingungen für die Entstehung einer solchen Oppositionsströmung kennzeichnete, und zwar unabhängig davon, ob man diese Opposition als das mögliche Instrument einer Wiederaufrichtung der Komintern oder als eventuellen Keim der neuen und zukünftigen Internationale bzw. Weltpartei betrachtete.

Die Einladung Korschs richtete sich an unsere Strömung, und sie kam nicht von einem x-beliebigen Flügel der europäischen Arbeiterbewegung: Sie kam nicht vom Rätesozialismus der Gorter und Pannekoek und auch nicht vom Anarchosyndikalismus der Rosmer und Souvarine; sie kam also nicht von Strömungen, die sich zwar zwischen 1919 und 1921 aufgrund der damals herrschenden Umstände der Internationale angenähert hatten, aber immer als Fremdkörper in ihr geblieben waren, bevor sie sie früher oder später verliessen. Die Einladung kam auch nicht von jenem »zerstrittenen« Wespennest eines schwankenden Protestlertums, das sich je nach den Ereignissen entweder nach »links« oder nach »rechts« schlug und von Fischer und Maslow vertreten wurde. Nein, die Aufforderung ging von einer Strömung aus, die innerhalb der Internationale in der damaligen Situation als einzige taktische Positionen vertreten hatte, die denjenigen, welche die Linke der KP Italiens in den grossen Debatten von Moskau beständig vertreten hatte, nahe standen. Sowohl durch die gemeinsame theoretische Wurzel (die in den Grundsätzen der Internationale bestand) als auch durch die Ausarbeitung ähnlicher taktischer Richtlinien näherte sich diese Strömung tendenziell unserer politischen Plattform. Die Antwort auf Korschs Einladung war deshalb nötig und möglich zugleich.

In seiner Antwort schliesst Bordiga theoretisch in keiner Weise aus, dass beide Strömungen in einem bestimmten Stadium zusammenfliessen können. Aber diese Möglichkeit hindert ihn nicht daran, den Versuch der Gründung einer internationalen linken Opposition, die eine wirkliche und nicht nur episodische und flüchtige Existenz haben würde, vom Gesichtspunkt der Prinzipien wie auch der Situation aus als verfrüht anzusehen. Nicht dass eine solche Opposition nicht wünschenswert gewesen wäre: Der Briefwechsel mit Korsch findet zu einem Zeitpunkt statt, wo die Vereinigte Opposition in Russland ihren entscheidenden Kampf führt, und trotz aller Meinungsverschiedenheiten über die Richtung der Internationale und die Art und Weise, sie zu führen, mussten alle revolutionären Marxisten die russische Opposition voll und ganz unterstützen. Wenn man aber aus der kurzen Existenz der III. Internationale eine Lehre (bzw. für uns eine Bestätigung) ziehen musste, so gerade die, dass man die einheitliche Weltpartei der proletarischen Revolution nicht auf der zerbrechlichen Grundlage eines »Blocks von lokalen oder nationalen Oppositionen« aufbauen konnte, die sich »nur unter dem Einfluss einer gegebenen Situation« einander angenähert hatten. Die Weltpartei konnte man nur aufbauen oder wiederaufbauen, wenn man sich als erstrangiges und unaufschiebbares Ziel die Ausarbeitung einer »wirklich allgemeinen und nicht zufälligen linken Linie« setzte. Man dürfe zwar nicht verkennen, dass sich die verschiedenen und zeitlich entfernten Phasen voneinander objektiv unterscheiden. Eine wirklich allgemeine linke Linie müsse aber im Laufe all dieser Phasen und Situationen
»eine eigene Kontinuität behaupten und ihnen ausnahmslos auf dem guten Boden der revolutionären Politik entgegentreten«[2].
Und man konnte zu diesem Ziel (das Lenin angesichts des Niedergangs der II. Internationale erreicht hatte und das unsere Strömung in einem bescheideneren Rahmen zu erreichen sich bemüht hatte) nur unter folgender Bedingung gelangen: Man musste die Pfeiler der marxistischen Theorie in ihrer Gesamtheit wiederaufrichten und auf dieser Grundlage die Bilanz der Arbeiterbewegung ziehen, mit ihren Höhen und Tiefen bis zu den neuesten und dramatischen Ereignissen.

Der Beitritt von vormals sozialistischen Parteien oder Parteiteilen in die Kommunistische Internationale zwischen 1919–21 war nicht das natürliche Ergebnis der Ausarbeitung einer wirklich allgemeinen und nicht zufälligen linken Linie«, die die objektive Bewegung weitgehend vorweggenommen hätte – er fand vielmehr im Schlepptau dieser objektiven Bewegung statt. Lenin versuchte, diese Verspätung, in der man sich angesichts des objektiven Drucks in der revolutionären Nachkriegszeit befand, aufzuholen, indem er die verschiedenen Gruppen zunächst nur materiell in der Internationale einreihte, um
»sie erst nachher in der Gluthitze der russischen Revolution zu einem einheitlichen Ganzen zu verschmelzen«[3].
Dieser Versuch Lenins war »zum grossen Teil« misslungen[4].

1926 hatte sich die »Gluthitze« der Oktoberrevolution verflüchtigt. Alle diejenigen, die dem Stalinismus aufrichtig einen linken Damm entgegensetzen wollten, konnten nicht a priori (wie die ungeduldigen »Schreibtischparteigründer«) behaupten, dass dieser Damm die Grundlage für eine Wiedergeburt der Internationale bilden würde, sie konnten dies aber auch nicht ausschliessen. Ihre erste Aufgabe bestand genau darin, das zu tun, was die riesige Mehrheit der Parteien, Gruppen und Fraktionen, die 6 oder 7 Jahre zuvor nach Moskau gerannt kamen, um an die Tür der Komintern zu klopfen, gegenüber ihrer Vergangenheit versäumt hatte. Der seinem Ende zuneigende historische Zyklus lieferte das Material für eine solche Bilanz unter der Voraussetzung, dass man seine Entwicklung von Anfang an verfolgte. Weit davon entfernt, von einer unmittelbaren Einschätzung der Lage auszugehen, um daraus die Elemente einer dann zwangsläufig zufälligen Linie abzuleiten, musste man genau umgekehrt vorgehen: Eine nicht zufällige Linie musste man aus einer allgemeinen kritischen Bilanz der Arbeiterbewegung entwickeln und in diesem Rahmen auch aus einer kritischen Bilanz der
»keineswegs theoretischen, aber taktischen, organisatorischen und disziplinarischen Fehler, die die dritte Internationale bereits zu Anfang gemacht hatte, denn sie haben die Internationale noch anfällig für Entartungsgefahren gemacht«,
und setzten nunmehr auch die Diktatur des Proletariats in Russland ähnlichen und immer drohenderen Gefahren aus[5].

Wollte man zunächst heterogene Kräfte organisatorisch unter ein Dach kriegen, so hätte man die »spontane« Aufarbeitung auf der Grundlage einer globalen Bilanz der Vergangenheit nur gehemmt. Andererseits waren weder die »Bewegung im allgemeinen« noch x-beliebige »linke Kräfte« der III. Internationale dieser Aufgabe gewachsen. Hierzu war mehr als eine blosse oppositionelle Haltung gegenüber dem Stalinismus erforderlich; diese war als gemeinsamer Nenner auf jeden Fall unausreichend. So forderte unsere Strömung nur jene Kräfte, die sich in der entscheidenden Situation der Jahre 1926–27 einer ernsthafteren, tiefgreifenderen Perspektive näherten, dazu auf, in diesem Sinne an die gemeinsame Aufgabe heranzugehen, um nicht nur durch theoretische Arbeit, sondern auch durch eine Aufarbeitung der im jeweiligen historisch-geographischen Aktionsfeld gemachten Erfahrung ihren Beitrag zur besten Lösung der bisher nicht gelösten Probleme der allgemeinen Orientierung der Bewegung zu leisten. Einzig und allein das Ergebnis dieser Arbeit würde zeigen können, ob aus den Qualen dieser katastrophalen Jahre ein neuer Organismus entstehen könnte oder nicht, der mit einer wesentlichen Eigenschaft, die der III. Internationale gefehlt hatte, ausgestattet wäre, nämlich mit der Homogenität des Ursprungs, der Orientierung, der Organisation und also auch der räumlichen wie zeitlichen Kontinuität der Aktion.

Aber indem man somit jeden Voluntarismus ausschaltete und das Problem streng deterministisch stellte, setzte man zugleich die Bedingungen für eine unvermeidliche Selektion. Wenn Bordiga 1926 der Aufforderung des Militanten Korsch nicht a priori zurückweist, so betrachtet er die Möglichkeit eines Zusammenfliessens mit dessen Strömung doch mit einer unverhohlenen Zurückhaltung. Er sieht nämlich mit Sicherheit voraus, dass die dem Stalinismus entgegengesetzten Kräfte auf ihren gegenwärtigen Grundlagen dem Kurs folgen werden, der ihnen von ihrer Vergangenheit und ihren theoretischen Ansatzpunkten diktiert wird. Und in der Tat wird die trotzkistische Opposition zwar ein heldenhaftes Rückzugsgefecht führen, aber es wird ihr nicht gelingen, sich von dem Gros der verwirrten Armee ausreichend abzugrenzen, um
»die zersetzenden Elemente der fälschlich als bolschewistisch und leninistisch bezeichneten ›manövristischen‹ Taktik«
klar zurückzuweisen[6]. Die schwache und nur kurz aufleuchtende deutsche Opposition wird ihrerseits die unheilvollen Schwankungen, die die Augenblicksborniertheit der KPD seit ihrer Entstehung charakterisiert hatten, selber fortsetzen, um ihre chaotische Laufbahn schliesslich im Schosse der Demokratie zu beenden. Was den Versuch einer Beantwortung der Frage »Wohin geht Russland?« anbelangt (die sich 1926 massiv stellte und die schwer auf den folgenden Jahrzehnten lasten sollte), so blieb die trotzkistische Opposition in der Formel des »degenerierten Arbeiterstaates« befangen, während die deutsche Opposition unfähig war, die Entwicklung überhaupt zu begreifen, und in Russland nur einen »diktatorischen Machtapparat« feststellte, der dem vermeintlichen »bürgerlichen Charakter« der Oktoberrevolution entsprechen sollte. Und die eine wie die andere zogen die strategischen und taktischen Konsequenzen, die sich unausweichlich aus ihren jeweiligen Positionen ergaben. Wenn auch auf verschiedene Weise, so werden doch beide der realen Bewegung in ihrer Rückflussphase hinterherlaufen, anstatt sich als kritisches Bewusstsein dieser Bewegung zu behaupten und sich somit darauf vorzubereiten, in der Aufschwungsphase – so entfernt sie auch sein mag – ihre Führung zu übernehmen.

Dank der Kontinuität ihres Kampfes zur Verteidigung einer »wirklich allgemeinen und nicht zufälligen linken Linie« und dank der streng marxistischen Analyse der russischen und weltweiten Konterrevolution konnte unsere Strömung im Laufe ihrer Geschichte dieses kritische Bewusstsein erreichen. Und wenn sie sich 25 Jahre nach dem tragischen Jahr 1926 zum organisierten kritischen Bewusstsein, zum handelnden militanten Organismus, zur Partei konstituieren konnte, so weil sie dieses Bewusstsein erreicht hatte. Wir werden später sehen, unter welchen Bedingungen und auf welcher Grundlage dies geschah, wir können aber auf Anhieb sagen, dass die Erlangung dieses kritischen Bewusstseins nicht von einer ansteigenden Bewegung getragen wurde, sondern ganz im Gegenteil ihr weit vorausging. Nicht weniger als gestern müssen wir heute (und morgen) diese Arbeit weiterverfolgen, müssen wir
»für die Periode der Geschichte, wo die Niederträchtigkeiten der bestehenden Gesellschaftsordnung die kämpfenden Massen erneut an die vorderste Front des geschichtlichen Geschehens zwingen werden, die gesunde und handlungsfähige, die wahre Partei vorbereiten«,
dieses unerlässliche, »kompakte und starke« Organ der Revolution[7], das wir noch nicht sind. Die kleine, 1951–52 wie heute »mikroskopische« Partei stellte den einheitlichen Block der theoretischen, programmatischen und taktischen Positionen wieder her und schuf somit die Grundlage und den organisatorischen Rahmen für diese Vorbereitung, die auf einer anderen Grundlage und woanders nicht möglich ist und die somit die zwei falschen, am Anfang dieses Artikels erwähnten Auffassungen ausschliesst.

Wie wir gesehen haben, machte Bordiga in seinem Brief an Korsch die Bildung einer internationalen Linksopposition keineswegs von dem weiteren allgemeinen Verlauf des spontanen Klassenkampfes und der damit einhergehenden Erfahrungen des Proletariats abhängig: Es ging nicht darum zu warten, bis im Laufe dieser Entwicklung das Bedürfnis nach einer anderen Organisation und letztendlich nach einer neuen Partei entstehen würde. Es ging vielmehr um die Frage, ob die in der Kommunistischen Internationale gegen den Stalinismus auftretenden Oppositionsbewegungen in der Lage sein würden, eine allgemeine Bilanz und Bestandsaufnahme durchzuführen. Diese Aufgabe, die man in den entscheidenden Wenden der Geschichte nur unter der Voraussetzung erfüllen kann, dass man gegen den Strom der realen Bewegung schwimmt, kann die Arbeiterklasse, selbst wenn sie hierfür die Kräfte liefert, niemals von sich aus wahrnehmen.

In dem Augenblick, wo der Brief an Korsch geschrieben wurde, dachten wir alle, dass in Russland die Partie noch nicht verloren war, und deshalb war
»die Spaltung der Parteien und der Internationale nicht wünschenswert«.
Man musste sich vielmehr fragen, warum die Parteien, die Internationale und die siegreiche proletarische Diktatur hatten degenerieren können, und man musste die Antwort auf diese Fragen nicht ausserhalb der Thesen, auf denen sich die Internationale konstituiert hatte, sondern auf der Grundlage dieser Thesen (d. h. des einheitlichen Blocks der marxistischen Theorie) suchen[8]. Einige Monate sollten ausreichen, um zu zeigen, dass keine der »linken kommunistischen Strömungen« die Kraft dazu hatte. Nicht nur fehlte ihnen die unerlässliche, solide theoretische Ausrüstung, um nicht in spontaneistische, kurzsichtig empirische, gegen die Partei und gegen die Diktatur gerichtete, kurzum demokratische Ableitungen zu verfallen, sondern sie folgten auch planlos dem objektiven Lauf der Bewegung. Sie hätten die kritische Kraft der Bewegung sein müssen, in Wirklichkeit waren sie aber so oder so nur deren (oft auf den Kopf gestellte) Widerspiegelung.

Andererseits haben die Tatsachen gezeigt, dass die Partie, die man noch nicht verloren glaubte, dies bereits war und zwar unwiderruflich. Im tragischen Verlauf der 30er-Jahre hat sich das Problem also immer mehr verlagert: Was zunächst ein Kampf innerhalb der Internationale gewesen war, um diese auf der Grundlage ihrer eigenen Ausgangspositionen (deren fortschreitendes Verlassen einer kritischen Bilanz unterzogen werden musste) wiederentstehen zu lassen, wurde später zu einem Kampf ausserhalb der verlorenen Organisation und gegen sie, in Richtung auf die Neubildung der kommunistischen Weltpartei ex novo.

Die Auslandsfraktion

Das Verdienst unserer »Auslandsfraktion«[9] bestand darin, sowohl hinsichtlich dieser Fragen, die wir anhand des Briefes an Korsch untersuchten, als auch in anderen Bereichen auf Positionen zu beharren, die zwangsläufig gegen den Strom liefen. Sie hat die verschiedenen Hände, die man ihr reichte – und insbesondere diejenige Trotzkis – zwar nicht a priori abgewiesen. Was sie aber mit Recht zurückwies, war ein Prozess der Zusammenwürfelung von heterogenen Kräften und Strömungen, die nur durch den negativen Faktor der Opposition gegenüber dem Stalinismus miteinander verbunden waren, den sie im übrigen entsprechend ihrer unterschiedlichen ideologischen Voraussetzungen auf ebensoviele verschiedene Weisen interpretierten. Die Fraktion lehnte eine Vereinigung von Strömungen ab, die unfähig waren, sich aus dem zwangsläufig begrenzten Rahmen der Probleme, mit denen sich die russische Opposition hatte beschäftigen müssen[10], zu befreien, um zu einer Gesamteinschätzung der Probleme zu gelangen, die sich der ganzen internationalen kommunistischen Bewegung stellten und deren Wurzeln in einem weitläufigeren, auf jeden Fall komplexeren Boden lagen, Probleme, die nicht nur die Gegenwart, sondern auch die Vergangenheit betrafen.

Die Auslandsfraktion bekämpfte die Illusion Trotzkis, der sich bei der Wiederaufrichtung bzw. später beim Wiederaufbau der Internationale auf Kräfte stützen wollte, die in sich keinerlei Fähigkeit mehr zur Gesundung aufwiesen (so die stalinistischen Parteien) oder gar seit langem ihrer Natur wegen für die Sache des revolutionären Kommunismus gestorben waren (so die sozialdemokratischen Parteien, denen Trotzki durch »Entrismus« Teile abgewinnen wollte, wobei Trotzki selbst in den Jahren der Revolution in völliger Übereinstimmung mit uns diese Kräfte als verloren eingeschätzt hatte). Der Voluntarismus kann zwar bis zu einer Opferbereitschaft führen, die an Heroismus grenzt. Von einer materialistischen Einschätzung der Kräfteverhältnisse bleibt er aber immer abgeschnitten. Man musste sich aber gerade von jeder voluntaristischen Einbildung befreien, um dann auch begreifen zu können, dass sich die Bewegung trotz jedes gegenteiligen momentanen Anscheins in einer Phase der qualvollen Agonie ohne Möglichkeit einer unmittelbaren Wiedergeburt befand. Man musste wieder ganz von vorn anfangen!

Trotzki seinerseits wollte in den 30er Jahren die Internationale wiederaufbauen, so als hätte man sich auf Weltebene in einer ähnlichen Situation des revolutionären Aufschwungs befunden wie in den Jahren 1918–20. Aber das war nicht alles! Er verschlimmerte sogar (und dies war eine zwangsläufige Folge des Auseinanderklaffens zwischen seiner Perspektive und der objektiven Wirklichkeit) noch die taktischen und organisatorischen Fehler, die die Internationale unmittelbar nach dem ersten Weltkrieg in der Perspektive begangen hatte, die heterogenen Strömungen im Feuer der Revolution zu verschmelzen.

Doch hatte die Unreife, die, wie wir ständig wiederholt haben, Trotzkis Versuch unausweichlich zum Scheitern verurteilte, indessen noch eine andere Konsequenz, die die Auslandsfraktion nicht vorausgesehen hat und die sie auch nicht voraussehen konnte. Es ist der Fraktion dank einer hervorragenden Schlacht gelungen, die Kontinuität fest aufrechtzuerhalten, indem sie die tausend Auswege, mit deren Hilfe die anderen Oppositionen glaubten, schneller dem Schraubstock der wachsenden Konterrevolution entgehen zu können, verwarf. Heute diese Kontinuität zu beanspruchen, bedeutet allerdings ebenfalls, die materiellen Ursachen zu verstehen, aufgrund derer die Fraktion neben den vielen positiven Werten, die sie uns hinterlassen hat, auch unrichtige Auffassungen vertrat. Es ist eine Tatsache, dass die »Lehren der Konterrevolution« (wie wir sie später nannten) nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt gezogen werden können. Eine Lage, die dadurch gekennzeichnet wird, dass man sich noch in den Schlingen der Niederlage herumschlägt und diese Niederlage selbst noch nicht als vollzogen betrachtet, wirft ihre Schatten zwangsläufig auf alle Bereiche, selbst auf den ideologischen.

Stellte die Konterrevolution in dieser Phase, in der man ihre Tragweite und das Ausmass ihrer Verwüstungen noch nicht überblicken konnte, alle Ereignisse und Entwicklungen in ein verzerrendes Licht, und war es unmöglich, sich den dadurch bedingten optischen Täuschungen gänzlich zu entziehen, so musste dies auch die Auslandsfraktion zu Abweichungen führen, wie z. B. in der nationalen und kolonialen Frage oder in Bezug auf Russland (was sich hier weniger in der Einschätzung dessen, was aus Russland geworden war, äusserte, als vielmehr in der Suche nach den sozusagen besser geeigneten innenpolitischen und wirtschaftlichen Massnahmen, die die Bolschewiki nicht ergriffen hätten und die in Zukunft eine Wiederholung der Katastrophe der Jahre 1926–27 verhindern sollten). Hier bei diesem Aufsatz geht es uns aber nicht darum, sondern um die Irrtümer, welche die Fraktion in der Frage der Partei bzw. der Internationale beging: Wie Trotzki wollte die Fraktion aus der Entwicklung der realen Massenbewegung ableiten, ob die Bedingungen für den Wiederaufbau der Internationale reif waren. Die Lageeinschätzung war jeweils verschieden, denn Trotzki glaubte, dass eine Tendenzwende bereits stattgefunden hätte, und er ging demzufolge an die sofortige Gründung seiner »IV. Internationale« heran, während unsere Auslandsfraktion diese Tendenzwende erst als Folge des Ausbruchs des zweiten imperialistischen Weltkrieges bzw. als Reaktion auf diesen Krieg erwartete. Beiden war aber gemeinsam, dass sie in der Rückkehr der grossen Massen auf den Boden der direkten Auseinandersetzung mit dem Feind die Rahmenbedingung für die Wiederentstehung der Partei erblickten.

So ist der Artikel »In Richtung auf die 2 ¾. Internationale…?«, der in der Nummer 1 der Zeitschrift »Bilan«, dem monatlichen theoretischen Organ der Fraktion, erschienen ist[11], grundlegend, weil er den trotzkistischen Voluntarismus kritisiert und in nachdrücklich dialektischen Worten die Notwendigkeit betont, den Wiederaufbau der Partei und der Internationale auf eine historische Bilanz zu gründen, eine Aufgabe, für die sämtliche linken Strömungen keineswegs vorbereitet waren. Anschliessend stellt er aber eine zweite Bedingung für den Wiederaufbau der Partei auf, nämlich das
»Ausbrechen revolutionärer Bewegungen«, denn dadurch würden »die Klassenverhältnisse, die sich infolge des Sieges des Opportunismus herausgebildet haben«, umgestossen werden und somit der Fraktion erlauben, »wieder die Führung der Kämpfe in Richtung auf den Aufstand zu übernehmen« (S. 19). Und weiter heisst es:
»Die linken Fraktionen werden sich erst dann in eine Partei verwandeln können, wenn die Gegensätze zwischen der entarteten Partei und der Lage des Proletariats das ganze System der Klassenverhältnisse, das aus dem Sieg des Zentrismus (d. h. Stalinismus) innerhalb der (kommunistischen) Parteien hervorging, in Frage stellen« (S. 21).
Derartige Passagen dienen heute als Stützpunkt für die Spekulationen von Gruppen, die (wie »Révolution Internationale«[12]) die Auffassung vertreten, dass die Partei sich erst in der zukünftigen revolutionären Welle bilden kann. Dieser Gruppe zufolge führt jeder Versuch, die Klassenpartei vor der revolutionären Welle zu bilden, unvermeidlich zur opportunistischen Degenerierung der betreffenden Organisation. In absolutem Einklang mit dieser Grundauffassung beschäftigt sich diese Gruppe in der Zwischenzeit mit der vollständigen Revision der Gründungsthesen der Komintern: Darin besteht ihre »Bilanz«…

Will man sich mit den diesbezüglichen Positionen der Fraktion beschäftigen, so muss man zwischen den Fehleinschätzungen im Hinblick auf die Anlässe und den Zeitpunkt für den erneuten Ausbruch des proletarischen Klassenkampfes einerseits und andererseits dem Fehler in der Frage der Partei unterscheiden. Die Auffassung, derzufolge der opportunistische Kurs der noch nicht formell aufgelösten (aber in Wirklichkeit bereits gestorbenen) Komintern zu einer Reaktion innerhalb der Kominternsektionen oder gar innerhalb der Klasse im allgemeinen führen würde, bzw. dass damit einhergehend ein Bruch zwischen den bestehenden Parteien und dem Proletariat stattfinden würde, war, ebenso wie die Erwartung, dass der Ausbruch von revolutionären Bewegungen mit der Katastrophe des zweiten Weltkriegs zusammenfallen würde, eine zugespitzt optimistische Fehleinschätzung, der man sich in der damaligen explosiven Lage übrigens kaum entziehen konnte. Der wirkliche Fehler bestand darin, die Entstehung der Partei und das Zusammentreffen von Partei und Klasse miteinander gleichzusetzen, den Prozess der Bildung der Partei mit demjenigen der Eroberung eines entscheidenden Einflusses auf das Proletariat und gar mit der Eroberung der Führung des Proletariats im Kampf um die Macht zu verwechseln.

Wir haben weiter oben gesagt, dass man die Lehren der Konterrevolution nicht zu jedem beliebigen Zeitpunkt ziehen kann. »Aus der Konterrevolution lernen« bedeutet, dass man versteht, dass die marxistische Theorie, die Waffe, mit der man in den Kampf gezogen war, um den Feind zu schlagen, trotz der Niederlage keineswegs widerlegt, sondern voll und ganz bestätigt wurde. Dies bedeutet, dass man versteht, dass man sich für die Bildung der Partei, des Organs der Revolution, nicht auf den Wiederaufschwung der Arbeiterbewegung, sondern einzig und allein auf den monolithischen (unteilbaren und unveränderbaren) Block der eigenen programmatischen und theoretischen Positionen stützen muss. Und gerade für diese radikale »Rückbesinnung« mussten materielle Bedingungen vorhanden sein, die es einem auch minimalen Kern von Militanten (erinnern wir uns daran, dass Marx und Engels jahrelang eine »Zweimannpartei« bildeten) ermöglichen würden, sich von der in die Flucht geschlagenen Armee zu lösen und im Lichte des Marxismus die Ursachen der Niederlage und zugleich die Bedingungen einer zukünftigen Offensive zu verstehen. Erst nachdem die beherrschende Kraft der Konterrevolution (der Stalinismus, der damals noch relativ unverfänglich »Zentrismus« genannt wurde) seine Laufbahn bis zum Ende durchschritten hatte und sich offen als »linker« Pfeiler der bestehenden Ordnung erwies, erst als sich damit zugleich erwies, dass die Arbeiterklasse fast vollzählig dem Stalinismus (und der Sozialdemokratie!) folgte und also – unglücklicherweise, aber das ist das Gesetz der Geschichte – mit in den Abgrund der Konterrevolution hineingerissen worden war, erst dann konnte man die »Lehren der Konterrevolution« in absoluter Konsequenz ziehen und somit die Partei wiederbilden. Aber das heisst zugleich, dass die Partei wiederentstehen kann, noch lange bevor das Proletariat aus dem Abgrund, in den es hinabgestürzt war, wiederaufsteigt. Mehr noch: Sie muss diesem Wiederaufschwung der proletarischen Klassenbewegung notwendigerweise vorausgehen.

Sicherlich kann es infolge einer Kette von Umständen, die unabhängig von jedem Willen sind, vorkommen, dass die Partei verspätet entsteht, dass ihre Bildung erst im Schlepptau einer Situation starker sozialer Spannungen erfolgt. Dies war im allgemeinen der Fall in Westeuropa (Italien mitinbegriffen) nach dem ersten Weltkrieg. Aber eine Gruppe, die diese Verspätung theoretisiert, bzw. die Bildung der Partei von dem Ausbruch revolutionärer Bewegungen oder gar des revolutionären Aufstands abhängig machen wollte, würde damit den Weg der Selbstvernichtung einschlagen (siehe Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg). Und die Arbeiterklasse würde dabei zum Opfertier verurteilt, weil ihr ja gerade die Führung, die nicht nur eine theoretische, sondern auch eine praktische Führung sein muss, das unerlässliche Instrument, das nicht nur ein Programm, sondern auch eine Organisation darstellt, vorenthalten würde. Aber wie kann sich diese Führung anders festigen, als im Laufe eines zwar langen und schwierigen, jedoch unerlässlichen Prozesses des Hineintragens der kommunistischen Theorie und des kommunistischen Programms in die Reihen des Proletariats? Und dieses Hineintragen kann wohlgemerkt nicht durch einfache Propaganda stattfinden, es vollzieht sich inmitten der proletarischen Kämpfe und durch die unerbittliche Auseinandersetzung mit den tausend »Rezepten« und falschen Lösungen, mit denen offene oder verkappte Gegner des Marxismus in den proletarischen Reihen hausieren.

Die Geschichte unserer kleinen Bewegung hat im übrigen bewiesen, dass man genau diesen Weg beschreiten muss und dass die Partei nicht entsteht, weil oder wenn die Arbeiterklasse den zwangsläufigen Weg des Klassenkampfes wiedergefunden hat. Sie entsteht, weil und wenn ein notwendigerweise »mikroskopischer« Kreis von Militanten zum Verständnis der Ursachen der unmittelbaren objektiven Lage und zur Erkenntnis der Voraussetzungen für eine zukünftige Umkehrung dieser Lage gelangt ist. Dies bedeutet auch, dass diese Militanten klar feststellen mussten, dass die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg keineswegs die Zeit nach dem ersten wiederholen und ebensowenig die baldige Perspektive eines revolutionären Aufschwungs bieten würde. Aus dieser Erkenntnis schöpfen sie aber die Kraft, den Marxismus von a bis z zu bestätigen, statt sich in den Elfenbeinturm einer »Forschungsgruppe« oder eines »Arbeitskreises« einzuschliessen, um »neue« Theorien zur »Vervollständigung« des Marxismus auszuhecken. Die Partei entsteht also, weil diese Gruppe von Militanten in der Lage ist, die Bilanz der Konterrevolution als eine vollständige Bestätigung unserer Theorie in allen Bereichen zu ziehen und sich zugleich zu einer militanten Organisation zu konstituieren. Ja, zu einer militanten Organisation, die sich mit der ganzen heutigen Gesellschaft und in erster Linie der Arbeiterklasse in
»der schlimmsten objektiven Lage, die man sich denken kann«,
befand und diese Tatsache weder übersah noch sich selbst oder der Arbeiterklasse verheimlichte, ohne deshalb allerdings auf
»irgendeine Aktionsform, die die günstigen Augenblicke charakterisieren, zu verzichten, soweit die Kräfteverhältnisse diese Aktionsformen erlauben«[13].

Und dies ist die Partei und nicht ihr Vorstadium, nicht die Fraktion, die erst noch dazu werden möchte. Dies ist die Partei, auch wenn es nicht »die starke Partei von morgen« ist, die sie damals ebensowenig sein konnte, wie sie es heute sein kann. Von ihrer Entwicklung, die eng mit dem Klassenkampf verbunden ist, erwarten wir nicht ihre Entstehung, die bereits stattgefunden hat, sondern ihre Stärkung; erwarten wir nicht, dass sie das Entwicklungsstadium der »Fraktion« überwindet, sondern dass sie sich an die Spitze der kämpfenden Klasse stellt, wenn auch sicherlich nicht allein infolge unserer Arbeit.

»Wir durchlaufen gegenwärtig einen Zeitpunkt äusserster Depression in der Kurve des revolutionären Potentials«,
schrieben wir ganz offen in dieser Periode zwischen 1951–52, in der unsere Partei als solche entstand.
»Das ist ein Zeitpunkt…,der Jahrzehnte und aber Jahrzehnte von denjenigen entfernt ist, die für die Entstehung neuer geschichtlicher Theorien geeignet waren. In einem solchen Augenblick, der keinerlei Perspektive eines grossen gesellschaftlichen Erdbebens bietet, ist nicht nur die politische Auflösung der internationalen proletarischen Klasse ein logischer Bestandteil der Situation, sondern ebenfalls logisch ist es, dass es nur kleine Gruppen sind, die den historischen Leitfaden des revolutionären Kurses wie einen grossen, zwischen zwei Revolutionen ausgespannten Bogen halten können, vorausgesetzt, dass diese Gruppen zeigen, dass sie nichts neues verbreiten wollen und dass sie sich strikt an die überlieferten Formulierungen des Marxismus halten«[14],
dessen Theorie und Voraussichten
»durch alle jüngsten grossen Ereignisse vollständig und unbestreitbar bestätigt wurden«,
so katastrophal letztere auch gewesen sein mögen.

Eine Polemik an zwei Fronten

Die Polemik war damals nicht nur gegen diejenigen gerichtet, die unter dem Vorwand, dass
»nur die Aktion und der Kampf zählt«, dazu neigten, »die Wiederherstellung der Theorie und die theoretische Arbeit, die heute so notwendig ist, wie sie es für Lenin 1914–1918 war», zu diffamieren und aufzugeben, und die »die Suche nach den seltenen Momenten und Höhepunkten der Geschichte, auf die die kommunistische Bewegung rechnen kann, durch einen wilden Voluntarismus» ersetzen wollten, »der letztendlich nichts anderes ist wie die schlimmste, krasseste Anpassung an die gegenwärtige Lage der Dinge und an ihre jämmerlichen unmittelbaren Perspektiven«[15].
Die Polemik gegen den »Aktivismus als falsches Hilfsmittel« – die für uns von grundlegender Bedeutung ist – war gleichzeitig gegen diejenigen gerichtet, die behaupteten (und wie viele haben es seitdem behauptet und behaupten es immer noch!), dass man aus der unmittelbaren Lage der im Netz der Konterrevolution gefangenen Bewegung nicht die Bestätigung der grossartigen Errungenschaften der Jahrzehnte des Aufschwungs, sondern vielmehr ihre Widerlegung, diese berühmten erneuernden »Ideen« und »Theorien« ableiten könne, die dazu dienen sollten, den Marxismus zu vervollständigen oder seine angeblichen Mängel zu heilen.

In Wirklichkeit wird eine konterrevolutionäre Periode immer nur konterrevolutionäre Ideen und Theorien hervorbringen können: niemals wird sich eine Konterrevolution selbst verleugnen! Und man kann diesem objektiven, materiell determinierten Verhängnis nur entgehen, wenn man an den historischen Faden der unveränderten Theorie und damit an den aus ergiebigeren Epochen der Geschichte übernommenen Schatz an Erfahrungen und Bestätigungen anknüpft. Anstatt im Hut des Zauberers nach einer »Spezialtheorie« zu suchen, musste man sich auf dieses Erbe beziehen. Nur so konnte man
»umfassende marxistischen Sicht der Geschichte, der Abfolge der Revolutionen bis heute, und das Wesen der Revolution, die sich anbahnt und in dessen Verlauf das moderne Proletariat den Kapitalismus umstürzt und neue gesellschaftliche Formen errichtet«,
wiederherstellen, um im Lichte dieser Geschichtsauffassung zu zeigen, dass jene revolutionäre Zukunft, der die unmittelbare proletarische Bewegung damals, zu genau demselben Zeitpunkt, mehr denn je den Rücken kehrte, eine unentrinnbare geschichtliche Notwendigkeit ist. Augenblicksbegrenztheit der Aktion und Augenblicksborniertheit des Gedankens zerstören alle beide die subjektiven Bedingungen des revolutionären Wiederaufschwungs, da sie die Aufgabe, die die Kommunisten seit dem Manifest von 1848 als ihr Merkmal beanspruchen, zurückweisen, nämlich
»in der gegenwärtigen Bewegung (die ja die schlimmsten konterrevolutionären Züge tragen kann) zugleich die Zukunft der Bewegung«
zu vertreten. Diese zwei Arten der Augenblicksborniertheit führen in dieselbe Sackgasse, die es strikt zu vermeiden galt und gilt[16].

Die Aufgabe, die wir uns gestellt hatten, war »langwierig und schwierig«; sie musste unter einem weltweit ungünstigen Kräfteverhältnis erfüllt werden, das sich »nicht vor Ablauf einiger Jahrzehnte« umkehren würde. Das war keine Aufgabe für »Gruppierungen von Weisen, Erleuchteten oder Bewussten«: Das war eine Parteiaufgabe. Aber die Partei (die somit auf einer Grundlage entstanden war, die nicht zur Debatte steht, da sie ja nicht von den Umständen dieses oder jenes Jahres abhing) konnte sich nicht auf diese Aufgabe beschränken, ganz im Gegenteil.

Für den Marxismus gibt es keine chinesische Mauer zwischen Revolution und Konterrevolution und auch keine zwischen Theorie und Praxis. Sicher hat in bestimmten Wenden der Geschichte die Verteidigung der Theorie eine viel grössere Bedeutung als die praktische Aktion. Letztere wird dadurch aber nicht ausgelöscht, sondern dient vielmehr, selbst wenn sie sehr bescheiden ist, als Nährboden der ersteren. Und dies kann auch nicht anders sein, denn
»eine Trennwand zwischen Theorie und praktischer Aktion zu errichten, würde jenseits einer gewissen Grenze bedeuten, uns selbst sowie alle unsere Prinzipiengrundlagen zu zerstören«[17].
Umgekehrt wird die Verteidigung und Erhärtung der Theorie in den grossen Augenblicken der Geschichte, in denen die praktische Aktion vorherrschend ist, ebensowenig ausgelöscht. Ganz im Gegenteil: Gerade solchen Zeiten verdanken wir Werke wie »Staat und Revolution«, das am Vorabend des Oktober geschrieben wurde, »Der Renegat Kautsky« und »Terrorismus und Kommunismus«, die inmitten des Bürgerkriegs geschrieben wurden, oder die Reihe »Partei und Klasse«»Partei und Klassenaktion«»Das demokratische Prinzip«, die im ersten, äusserst kriegerischen Jahr der KP Italiens verfasst wurden. Hier ging man den höchsten Prinzipienfragen nach, um die brennenden strategischen und taktischen Probleme der Bewegung zu klären. In jedem Fall findet diese Verteidigung der Theorie, durch die sich das »Klassenbewusstsein« verdichtet und verstärkt, weder im Schädel noch so genialer Denker noch in so grossmütigen wie schwabbeligen Propagandagruppen von »fortgeschrittenen« Elementen statt. Sie verwirklicht sich in einem
»Netz und System, das inmitten der proletarischen Klasse organisch die Funktion hat, die revolutionäre Aufgabe in allen ihren Aspekten und in allen ihren komplexen (geschichtlichen) Phasen zu vollziehen«[18].
Dieses Netz kann einzig und allein die Partei sein, kämpfende Organisation, Theorie und Wille der Revolution, selbst wenn die Revolution noch weit entfernt liegt, und es darum geht, zwar nicht deren Ausbruch, so doch deren Sieg vorzubereiten, einen Sieg, der ohne dieses Führungsorgan, das im Laufe eines langen und schwierigen Kampfes geschmiedet wurde, unmöglich ist.

Wir behaupteten die grundlegende Notwendigkeit der Wiederherstellung der Theorie, die ausschliessliche Sache und unerlässliche Waffe der organisierten proletarischen Avantgarde ist. Damit verwarfen wir gleichzeitig die völlig idealistische Auffassung von einer »Arbeitsgruppe«, einem Kreis von Gelehrten, einer Sekte von Gebetsbrüdern, die zurückgezogen in ihrem Tempel darauf warten, vom Wiederaufschwung der Bewegung auf die Bühne gerufen zu werden[19], kurzum die Vorstellung von der »Elite«. Indem sich unsere Organisation Partei nannte (und zwar nicht aus Verzücktheit über das Etikett oder etwa aus blödsinnigem Voluntarismus), gab sie sich folgende genau bestimmte Richtlinie als Bestandteil ihrer »Aufnahmebedingungen«:
»Es sind also die Ereignisse und nicht der Wille oder die Entscheidung der Menschen, die auch die Einflussnahme auf die breiten Massen bestimmen und sie auf einen kleinen Sektor der Gesamttätigkeit reduzieren. Die Partei verpasst dennoch keine Gelegenheit, durch jeden Riss, durch jeden Spalt in diese Massen einzudringen, denn sie weiss sehr genau, dass die Wiederaufnahme der Klassenbewegung nicht kommen wird, ehe (merken wir uns dieses »ehe« gut) dieser Sektor entschieden gewachsen und vorherrschend geworden ist«[20].
Was einen selbst winzig kleinen Kern von Militanten als Partei kennzeichnet, ist einerseits das Bewusstsein, dass er auf die Klasse einen Einfluss erobern muss, den er zunächst nur potentiell besitzt, andererseits die ständige Anstrengung, die er zur Erreichung dieses Zieles unternimmt und die nicht nur in der Propaganda seines Programms, sondern auch in der aktiven Teilnahme an den Kämpfen und den spontanen Organisationen der Klasse besteht. Und genau dies charakterisierte uns bereits zu diesem Augenblick als eine Partei.

Die Wiederherstellung der Theorie selbst ist übrigens weder schulmässig noch nach dem Geist einer Akademie für reine Philosophie oder für theoretische Physik abgelaufen. Sie hat sich entsprechend dem Ablauf und den Erfordernissen einer polemischen Auseinandersetzung mit den Tatsachen, den Strömungen und den Auffassungen, die auf der sozialen und politischen Bühne oder im kulturellen Überbau nach und nach auftraten, entwickelt. Es handelte sich um einen unaufhörlichen Kampf, der mit jener »Waffe der Kritik« geführt wurde, die in den düsteren und trüben Zeiten, wo die »Kritik der Waffen« noch nicht auf der Tagesordnung stehen kann, das notwendige Vorspiel dazu bildet. Es handelte sich um ein beständiges Bemühen, über den »Faden der Zeit« die Gegenwart wieder mit der Vergangenheit zu verknüpfen, um sich in der Zukunft orientieren zu können. Es hat sich niemals um ein Spiel oder um eine kalte intellektuelle Spekulation und noch weniger um eine Schulübung gehandelt. Es ging nicht darum, aus der traurigen Gegenwart in ein Gedankenreich zu entfliehen, sondern darum, gegen die Gegenwart mit den einzigen Waffen, die die historische Konjunktur zuliess, zu kämpfen und die »Ideen«, die auf ihrem Misthaufen gärten, zu zerstören. Es ging darum, diesen Kampf auf der Grundlage einer nicht nur programmatischen, sondern auch physischen Kontinuität zu führen, innerhalb eines Organismus, der durch das Band zwischen mehreren Generationen von Militanten, die einer ununterbrochenen Kampftradition verpflichtet waren, gefestigt war und deshalb als einziger in der Lage war, der neuen Generation nicht die inhaltslose Form, sondern die von einem Jahrhundert des Klassenkrieges geerbte Kraft zu übermitteln.

Ein Kern gewiss, aber eine Partei

»Parteikern«? Im Vergleich zur »kompakten und starken Partei von morgen«, ganz gewiss. Aber Partei; eine Partei, die nur auf ihren eigenen Grundlagen wachsen kann, nicht durch die »Konfrontation« verschiedener Standpunkte, sondern durch den Kampf selbst gegen diejenigen, die ihr »nahezustehen« scheinen. Denn die Partei ist nicht der Erbe einer »kulturellen Nachlassenschaft«, sondern einer Kampftradition. Einer Tradition, die die Art ihrer Waffen und die Richtung, in die sie zielen, nicht mit der Stärke und Richtung des Windes verändert, sondern ganz im Gegenteil an der rauhen historischen Wirklichkeit (Konterrevolutionen ebenso wie Revolutionen) ihre Waffen schärft und ihr Ziel noch besser fixiert.

1949, als man bereits begonnen hatte, die theoretischen und programmatischen Grundlagen der Partei festzulegen, wurde der »Aufruf zur internationalen Reorganisation der revolutionären marxistischen Bewegung« verfasst[21]. Was man hiermit den verstreuten, kleinen Gruppen von revolutionären Proletariern, die (und sei es nur auf mikroskopischer Stufenleiter) gegen den unheilvollen Lauf des Opportunismus angehen wollten, vorschlug, hatte nichts mit einem Basar zu tun, auf dem das freie und gemischte Warenangebot denjenigen zur »freien Wahl« stand, die mit nicht zueinander passenden Produkten, deren Mängel sich gegenseitig aufheben sollten, das wacklige Geschäft der »Einheit der revolutionären Kräfte«, wovon alle Welt faselt, aufbauen wollten. Man schlug ihnen ganz im Gegenteil eine homogene Kampfgrundlage vor. In diesem »Aufruf« wiederholte man, dass die »theoretische Kritik« und eine »schreckliche historische Erfahrung« die Nichtigkeit der Lösungen all derjenigen Gruppen gezeigt hatten,
»welche – und sei es auch nur teilweise und indirekt – unter dem Einfluss des spiessbürgerlichen Konformismus der Propaganda, die die Welt heimsucht, stehen«.
Man zeigte die Notwendigkeit, den alten Klassenkampf auf einer einzigen, eindeutigen und unverwechselbaren Marschroute wiederaufzunehmen. Diese Marschroute war nicht das Produkt des freien Denkens, sondern die Bilanz eines Jahrhunderts von Kämpfen, von physischen und häufig blutigen Kämpfen zwischen den Klassen und – innerhalb des Proletariats selbst – zwischen dem revolutionären Marxismus und allen Arten des Revisionismus: Gerade deshalb konnte sie nicht in Frage gestellt werden.

Sicherlich befand sich die Partei »im Aufbau«, und sie wusste, dass sie »in ihrem Entstehungsprozess begriffen« und nicht etwa »vollendet« war. Aber eben das ist der Punkt: Die Klassenpartei befindet sich immer im »Aufbau«, von ihrer Entstehung bis zu ihrem Verschwinden in einer Gesellschaft, die nicht mehr in Klassen gespalten sein wird.

Nicht die Tatsache, dass die Partei »vollendet« und ihr Aufbau »abgeschlossen« ist, bescheinigt ihre Existenz, sondern die Tatsache, dass sie auf derselben Grundlage, auf der sie entstand, wächst, ohne ihr Wesen zu verändern – wie ein Organismus, der sich mit den Zellen und der Struktur, die er bei seiner Geburt hatte, entwickelt. Und sie wächst und stärkt sich in der Auseinandersetzung mit der Realität, um dort gegen alle hemmenden Tendenzen ihre Aufgaben zu erfüllen, nämlich das Proletariat auf dem Weg zur Revolution zu organisieren. Nur so kann sie im wirklichen und nicht metaphysischen Sinne zur Führung der Klasse werden.

Dieses Wachstum geht, wie wir sehen werden, weder reibungslos noch linear vor sich. Es wird aber von vornherein verbaut, wenn man von den Voraussetzungen ausgeht, die z. B. die Tendenz kennzeichnen, die sich um die italienische Zeitschrift »Praxis« gruppiert. Wir werden diese Zeitschrift hier zitieren, weil sie in offener und erhellender Weise die… »Praxis« aller sogenannten Linken zusammenfasst. Sie schlägt in der Tat
»als grundlegendes Terrain, um Stück für Stück eine wirkliche Einheit der revolutionären Linken herzustellen… eine ernsthafte Debatte über eine Reihe von politisch-kulturellen und ideologischen Problemen« vor, die zwischen den »ernsthaften und qualifizierten Beiträgen«
von Genossen verschiedener Einstellung stattfinden soll[22]. Auf diesem Terrain wird man immer alle möglichen »Einheiten« herstellen können, niemals aber die Partei aufbauen. Die Partei ist kein Aggregat: Ihre theoretische Grundlage ist kein Sammelsurium von Meinungen«, ihre Organisation keine Zusammenwürfelung von »Tendenzen«. Und wenn sich die Partei im Laufe ihres beständigen »Aufbaus« »qualifizieren« muss, so nicht in den Augen eines Tribunals von Intellektuellen auf der Suche nach dem Absoluten, sondern im Gegenteil am unerbittlichen Prüfstein des Klassenkampfes, oder mit anderen Worten, indem sie sich ihren »statutenmässigen«, theoretischen, programmatischen, taktischen und logistischen Aufgaben gewachsen zeigt.

Zwei unterschiedliche Laufbahnen, die sich aber zu treffen bestimmt sind

Wie wir gesehen haben, ist die Klassenpartei, die revolutionäre marxistische Partei nicht das Produkt der unmittelbaren Bewegung, d. h. der Aufstiegs- und Rückflussphasen, in denen sich letztere typisch äussert. Im Bereich der Theorie ist diese Frage spätestens seit Lenins »Was tun?« endgültig geklärt. Ihre Lösung wurde in den »Leitsätzen der Kommunistischen Internationale über die Rolle der Kommunistischen Partei in der proletarischen Revolution« (1920), sowie in den parallelen Texten der kommunistischen Linke Italiens zum Thema »Partei und Klasse« systematisch festgehalten[23]. Will man die Theorie »konkret belegen«, so genügt es, daran zu erinnern, dass die Arbeiterbewegung im Laufe der Geschichte auf Weltebene überall grossartige Höhen erreicht hat, während kommunistische Parteien, die dieses Namens würdig sind, bis jetzt die äusserst seltene Ausnahme und nicht die Regel, nicht einmal die relative, bildeten. Es gibt sogar ganze Gebiete, wo ausgesprochen heftige soziale Kämpfe stattgefunden haben (so in England und Nordamerika), wo es aber nicht nur kein Zusammentreffen von Partei und Klasse gab, sondern wo die Partei nicht einmal existiert hat, Gebiete, wo die Partei als »Pervertierer« der proletarischen Spontaneität abgelehnt wurde und wird.

Dazu ist noch zu sagen (worin natürlich keine »Neuentdeckung« gegenüber den Texten, die wir zitiert haben, liegt), dass die zwei Laufbahnen, nämlich diejenige der Klassenbewegung und diejenige der Klassenpartei eine eigene und unterschiedliche Dynamik haben. Sie nähern sich nur in seltenen historischen Augenblicken einander an, und noch seltener treffen sie sich. Sie fallen hingegen während langer Intervalle auseinander. In diesen Perioden, in denen die reale Bewegung, in einem Rückfluss begriffen, eine Gefangene ihrer Spontaneität bleibt (Lenin spricht von Tradeunionismus, von Nurgewerkschaftlerei) versperrt sie sich der revolutionären Partei, ja sie öffnet sich lediglich denjenigen Organisationen und Gruppierungen, die genau ihre unmittelbaren Aspekte, ihre Spontaneität widerspiegeln. Ob es sich hierbei nun um offen reformistische Organisationen und Parteien oder um rebellische, voluntaristische und (im weiten Sinne des Wortes) anarchistische Strömungen handelt, sie sind allesamt an die unmittelbar gegebene Situation gebunden und unfähig, dies zu überwinden, um eine Brücke zwischen Ebbe und Flut zu schlagen.

Die Laufbahn der Partei kann ihrerseits durch den Rückfluss der Bewegung (der nach der Springflut des grossen Aufstiegs immer verhängnisvoll ist) sicherlich abgebrochen werden. Sie wird ihre Kontinuität jedoch niemals dadurch wiederherstellen können, dass sie sich von dieser Bewegung tragen lässt, sondern einzig und allein indem sie gegen den aktuellen Strom schwimmt, um einerseits an ihre eigene Vergangenheit wiederanzuknüpfen, andererseits eine Zukunft vorzubereiten, die sie wissenschaftlich als sicher und unausweichlich voraussieht.

Und wenn diese Zukunft für uns Materialisten sicher und unausweichlich ist, so nicht, weil innerhalb der Arbeiterklasse ein »Reifungsprozess des Bewusstseins« über ihre historische Mission stattfinden würde. Sie ist unausweichlich, weil die Arbeiterklasse, bevor sie es weiss und ohne dass sie es weiss, durch die objektiven Bedingungen dazu getrieben wird, für den Kommunismus zu kämpfen, indem sie gegen die Grundlagen der Produktionsweise kämpft, die sie unterdrückt und ausbeutet.

Die Auffassung, derzufolge die spontane Bewegung mechanisch die Partei hervorbringt, ist so falsch wie die idealistische Auffassung, derzufolge die proletarische Revolution aus einem »sozialistischen Bewusstsein« hervorgeht. Würde in dem einen Fall die Partei immer zu spät entstehen und die Klasse führungslos der Niederlage preisgegeben, so spricht man in dem anderen Fall der Partei die Führungsfunktion überhaupt ab, denn man reduziert ihre Rolle auf eine »Erleuchtung der Geister«. Idealisten von der Sorte »Révolution Internationale« gestehen ihr allerdings nicht einmal diese Rolle zu, hat ja ihnen zufolge
»die Organisation der Revolutionäre weder heute noch morgen die Aufgabe, die Klasse zu organisieren, zu entmystifizieren oder zu führen«[24].
Ganz im Sinne der heiligen Tradition der Intelligenzia wird in dieser Auffassung die »Organisation der Revolutionäre« nur dann zu einem »handelnden Faktor«, wenn sie… nicht handelt, wenn sie nicht organisiert, nicht entmystifiziert und vor allem (Gott bewahre!) nicht führt!

Der wirkliche Gegensatz besteht nicht zwischen »Anbetern« und »Widersachern« (uns angeblich) der Spontaneität. Er besteht vielmehr zwischen denjenigen, die nur die Spontaneität sehen und sich im übrigen vor allem von deren ideologischen Reflexen bedingen lassen, und denjenigen (uns), die die Spontaneität als eine materielle Tatsache von riesiger Kraft (deren ideologisches Selbstbild allerdings auf den Kopf gestellt ist) erkennen, aber davon ausgehen, dass die Spontaneität von sich aus nicht zur revolutionären Lösung führen kann, denn gerade dafür muss sie an einem bestimmten Moment der Geschichte mit einem »Faktor des Bewusstseins und Willens« zusammentreffen und sich mit ihm verschmelzen. Dieser Faktor – die Partei – ist weder spontan noch ein Produkt des jeweiligen Augenblicks. Er unterscheidet sich von der »realen Bewegung«, da ja die Partei
»in den verschiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinsamen, von der Nationalität unabhängigen Interessen des gesamten Proletariats hervorhebt und zur Geltung bringt« und da sie ja »in den verschiedenen Entwicklungsstufen, welche der Kampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie durchläuft, stets das Interesse der Gesamtbewegung vertritt«, bzw. weil sie »in der gegenwärtigen Bewegung zugleich die Zukunft der Bewegung« vertritt. Und sie kann dies nur, weil sie
»theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung voraus hat[25]

»Erschaffen kann man die Revolutionen nicht. Man leitet sie«, heisst es in einem unserer Parteitexte[26]. Man kann sie nicht erschaffen, weil es weder der Wille noch das Bewusstsein der Partei und noch weniger der Wille oder das Bewusstsein der Proletarier (selbst wenn man diese nicht als Individuen, sondern als Avantgarde betrachtet) sind, die die Klasse in Bewegung setzen: Dies geschieht durch den Druck der materiellen Verhältnisse. (Dasselbe gilt im übrigen auch für die Partei, die, wie wir erklärt haben, nicht in einem beliebigen, sondern nur in ganz bestimmten Augenblicken der Geschichte entstehen bzw. wiederentstehen kann). Man leitet die Revolutionen, weil ihre Entwicklungslinie – die mit der Entwicklungslinie der Bewegung zusammenfällt – nicht das Produkt unvorhersehbarer geschichtlicher Umstände ist, sondern im Gegenteil vorweggenommen wird von jener
»Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung«.
Diese Einsicht, über die die Partei allein verfügt, wäre aber zu nichts nutze, wenn sie nur ein »gedankliches Erbe« bliebe und sich nicht in einen praktischen Führer, eine organisierte Führung, ein Organ und ein Klasseninstrument umsetzen würde.

Nachdem wir nun das Problem der Revolution in sein richtiges Verhältnis gesetzt haben, bleibt noch die Frage offen: Wie, unter welchen Bedingungen und aufgrund welcher objektiven und subjektiven Faktoren ist es möglich, dass sich die zwei Laufbahnen an einem bestimmten Punkt treffen und dass die Revolution, die aus objektiven Bestimmungen entsteht, geführt wird?

Wie und wann »treffen sie zusammen«?

Wir haben gesagt, dass die Laufbahn der Klasse und der Partei sich nur zu seltenen historischen Augenblicken einander annähern und dass sie sich zu noch selteneren Augenblicken treffen. Aber diese Augenblicke fallen nicht vom Himmel: ihre objektiven Bedingungen gären unter der Oberfläche der Gesellschaft, während sich ihre subjektiven Bedingungen innerhalb des Führungsorgans der proletarischen Klasse vorbereiten.

Für die Partei gibt es nicht eine Etappe, in der sie sich ausschliesslich der Wiederherstellung der Theorie, und dann eine Etappe, in der sie sich ausschliesslich der praktischen Aktion widmet. Ebensowenig sind Revolution und Konterrevolution säuberlich in sich abgeschlossene Phasen, etwas jeweils Absolutes im Leben des Proletariats. Was die Partei anbelangt, so entsteht sie (bzw. entsteht sie wieder) wie gesagt, wenn sie als militante Organisation, die versucht, den Keil ihrer eigenen Aktion in die grossen, kleinen oder sogar mikroskopischen Risse zu treiben (und diese Risse müssen sich in einer in Klassen gespaltenen Gesellschaft immer notwendig auftun), in der Lage gewesen ist, das vollständige und monolithische, alle fremden Einflüsse abweisende Gebäude ihrer eigenen Theorie zu errichten (bzw. wiederherzustellen). Durch diese Eingriffe in die materielle Wirklichkeit arbeitet die Partei seit ihrer Entstehung für eine Annäherung der zwei Kurven, so weit diese auch voneinander entfernt sein mögen. Und durch diese Tätigkeit selbst stärkt sie sich, gewinnt sie in der Klasse einen Einfluss, dessen Wachstum sich freilich nicht monatlich oder jährlich messen lässt, und qualifiziert sie sich, um die Klasse zu führen, selbst wenn diese ihr noch den Rücken kehrt – und wir werden nie genug wiederholen können, dass »Führen« ein materieller und nicht ein »ideeller« Vorgang ist!

Wie arbeitet die Partei für dieses Ziel? Einerseits indem sie ihr Programm verbreitet, wobei sie genau weiss, dass die kommunistischen Militanten, die sich um sie kristallisieren werden, in den Perioden des nachhaltigsten Rückflusses nur eine verschwindend kleine Minderheit sein werden; andererseits indem sie immer wenn möglich aktiv an jedem proletarischen Kampf teilnimmt, selbst wenn dieser schwach ist und schlecht und falsch geführt wird. Dabei weiss sie ganz genau, dass der zukünftige Einfluss auf die Gesamtheit der Arbeiterklasse sich nicht auf dem Boden der Meinungen, der Überzeugungen oder der »Ideen« entfaltet, sondern auf dem Boden des Zusammenstosses mit dem Kapital und dessen Lakaien, bzw. auf dem Boden der Organisierung dieses unausweichlichen und entscheidenden Kampfes.

In ihrem Erzidealismus stellen sich die Spontaneisten die ansteigende Kurve der Arbeiterbewegung so vor, dass Stufe nach Stufe eine neue Partei bzw. Gruppe oder Strömung auftritt, die ein immer besseres »sozialistisches Bewusstsein« der Klasse zum Ausdruck bringt. Gewiss spiegeln diese »Stufen« die fortschreitende Krise des Opportunismus und damit das Erwachen des Klassenkampfes wider, sie verkörpern aber weder diese Krise noch dieses Erwachen. Sie sind vielmehr der letzte Bodensatz der Rückflussphase der sozialen Kämpfe; sie drücken nicht die Fähigkeit des Proletariats, das opportunistische Joch abzuschütteln, aus, sondern die Tatsache, dass es hierzu noch unfähig ist; gerade sie binden die Klasse wieder an den Opportunismus und füllen dadurch mindestens teilweise die von letzterem hinterlassene Lücke aus. Und für diese Gruppen gilt dasselbe wie für den klassischen Opportunismus: Sie werden nicht einfach dadurch ausgeschaltet, dass sie hinter der weiter ansteigenden Bewegung zurückbleiben.

Müsste man überhaupt von einer solchen »evolutionistischen« Betrachtungsweise aus urteilen, so würde man sagen, dass der Menschewismus z. B. eine höhere Entwicklungsstufe als das Volkstümlertum oder der Ökonomismus war. Tatsache aber ist, dass er auf dem Weg, der zur Oktoberrevolution führte, nicht ein Verbindungselement zum Bolschewismus war, sondern ein Hindernis auf dessen Weg sowie dem der Klasse. In Russland zunächst besiegt, starb der Menschewismus allerdings nicht aus. Im Gegenteil, er schöpfte neue Kraft aus der geschichtlichen Situation, die durch die internationale Isolierung der roten Diktatur geschaffen wurde. Der europäische Zentrismus (und unter anderem seine italienische Variante, der Maximalismus) bildete seinerseits ebensowenig eine Etappe auf dem Wege zur Revolution sondern stellte sich quer zu diesem. Zunächst aus Weg dem geräumt, ist er Hand in Hand mit dem konterrevolutionären Triumph des Stalinismus machtvoll zurückgekehrt. Auch die »Linksradikalen« der 20er-Jahre treten immer wieder mit einer geradezu »beneidenswerten« Invarianz des Programms und der praktischen Haltung auf und werden mit Gewissheit an den Füssen des Proletariats hängen.

Es stimmt zwar, dass die Arbeiterklasse in den Phasen des materiell determinierten Aufschwungs nicht direkt zur revolutionären Lösung kommt, sondern durch »aufeinanderfolgende Annäherungsversuche«. Diese unausweichliche Tendenz vollzieht sich aber nicht durch die fortschreitende Assimilierung der politischen Strömungen, die die Krise der bürgerlichen Gesellschaft und des Opportunismus hinter sich zurücklässt, sondern vielmehr durch deren fortschreitende Eliminierung. Diese politischen Kräfte stellen zu überwindende Hindernisse dar. Sie sind weder Kräfte, auf die man sich stützen könnte, um vorwärtszuschreiten, noch bilden sie die Bausteine, mit denen man die Führungspartei von morgen aufbauen könnte. Sicherlich kann und muss man ihnen gesunde proletarische Energien entreissen, die noch in ihren Reihen gefangen sind. Es wäre aber eine katastrophale Illusion, sie als Gruppen oder Parteien an unsere Seite ziehen zu wollen, oder sie gar »reformieren« zu wollen, um unsere eigene zahlenmässige Stärke bzw. unseren politischen Einfluss zu vergrössern.

Die ansteigende Kurve der Arbeiterbewegung ist durch die »spontane« Anstrengung des Proletariats gekennzeichnet, aus dem Teufelskreis der Klassenzusammenarbeit auszubrechen, um den Weg des offenen und erklärten Klassenkampfes wiederaufzunehmen und sich (und sei es auch nur in keimhafter Form) ausserhalb der opportunistischen Kontrolle zu organisieren, trotz der Schwierigkeiten, der Niederlagen und Enttäuschungen, mit denen dieser Weg übersät ist. Auf diesem entscheidenden Boden muss die Partei sich mit den anderen politischen Kräften messen (d. h. diese Kräfte auch hier so bekämpfen, wie sie sie im Bereich der Theorie und der politischen Entlarvung bekämpft), um den Weg für ihren eigenen Aufstieg zu bahnen. Dadurch, dass sie diese harte Arbeit zur Eroberung von unabhängigen Klassenpositionen leistet, arbeitet die Partei daraufhin, wenn auch nicht diese Strömungen aus der Arena der sozialen Konflikte zu eliminieren (was ja erst nach der Eroberung der Macht geschehen kann), so doch zumindest jeden bedeutenden Einfluss, den sie auf das Proletariat erringen konnten, zu zerstören.

Aus diesem Grunde ist die »gewerkschaftliche« Arbeit im weiten Sinne des Wortes ein integrierender und entscheidender Bestandteil der Parteientwicklung in den Phasen einer langsamen Vorbereitung der revolutionären Wende. Und diese Arbeit ist nicht »für sich betrachtet« wichtig, denn es handelt sich dabei zwangsläufig um den Boden einer Abwehraktion der Arbeiterklasse gegen die Auswirkungen der kapitalistischen Produktionsweise. Es geht also nicht allein um den unmittelbaren Einfluss, den man dadurch auf eine bedeutende Schicht von Proletariern erringen kann, sondern um die Ergebnisse, die man auf der Ebene der allgemeinen Politik erzielen wird. Der Wert der Richtlinien, die wir heute im gewerkschaftlichen Bereich geben, besteht weniger in ihrem Inhalt an sich, als vielmehr in der Tatsache, dass sie sich als Element der Vereinigung und der Überwindung aller Betriebs-, Berufs- und Ortsgrenzen an die ganze Klasse wenden und den Weg abstecken, den die Proletarier, in dem Masse, in dem die Krise der kapitalistischen Gesellschaft sie dazu zwingen wird, als Klasse zu kämpfen, notwendigerweise beschreiten werden. Ein unmittelbarer Kampferfolg kann heute – wie wir wissen – nur in episodischen Fällen erzielt werden.

Was die heutigen Gewerkschaften sind, ist bekannt. Es ist aber für die Wiederaufnahme der Arbeiterbewegung unerlässlich, die Notwendigkeit der Wiedergeburt von unabhängigen Klassengewerkschaften bzw. des ganzen Netzes von Massenorganisationen zu propagieren und bereits heute auf ihre Wiederherstellung hinzuarbeiten, da es der Kampf selbst ist, der ihre Wiedergeburt aufzwingen wird. Die Armee der Ausgebeuteten erkennt in der Tat, zumindest vermittels ihrer Avantgarde, ihr Führungsorgan daran, dass es für die wesentlichen Erfordernisse des Klassenkrieges gekämpft hat, sogar als diese nur vage oder überhaupt nicht von der Masse nachvollzogen wurden. Sie wird sie in einer revolutionären Periode, wo die Fronten sich nicht nach den Ideen und den Meinungen, sondern nach den Tatsachen, nach den Kampfhandlungen und -methoden abgrenzen und festigen, vor allem an dieser Kohärenz erkennen können.

Es ist kein Zufall, wenn die spontaneistischen Gruppen ohne Unterlass an jeder Ecke nach politischen bzw. sofort politisierbaren oder bestenfalls »zwitterhaften« (d. h. zugleich politischen wie ökonomischen Charakters) Organen suchen und solche Organe dauernd partout hervorzaubern wollen. Diese Organe sind für sie die Arena für einen »Wettkampf der Ideen« und das Bett der in der allgemeinen Konfusion vollzogenen »Gruppenehen«, hier versuchen diese Strömungen durch die Zusammenwürfelung heterogener Kräfte und Programme zu »wachsen«. In der konfusen Vorstellung von einem revolutionären Prozess, dessen zentrales Thema die Revolution… des Bewusstseins sein soll, glauben sie so die Partei auf der Grundlage dessen aufbauen zu können, »was die Uneinigen eint«.

Im Gegensatz zu dieser Vorstellung steht der wirkliche Weg nicht auf dem Kopf. So hing in einer Periode wie der vom Februar bis zum Oktober 1917 das Schicksal der Revolution von der Fähigkeit der Bolschewiki ab, innerhalb wie ausserhalb politischer Massenorgane (der Sowjets, die ein Produkt der revolutionären Situation sind und nicht umgekehrt), die programmatischen Ziele und Prinzipien der Partei mit den von den proletarischen Massen erlebten und empfundenen Bedürfnissen, d. h. mit den berühmten »Funken« nicht des sozialistischen »Bewusstseins« sondern des instinktiven Bedürfnisses, den Kapitalismus zu zerstören, zu verbinden, und ohne diese »Funken« würde die marxistische Theorie niemals den Weg finden, um »in die Klasse hineingetragen zu werden«.

»Das ist es, wovon wir träumen müssen«

Und aus diesem selben Grunde zielt unsere Kompassnadel nicht in Richtung auf eine »Verschmelzung der revolutionären Linken«, nicht in Richtung auf den Schnittpunkt, wo wir uns mit den ideologischen und organisatorischen Abfallprodukten des Wiedererwachens der proletarischen Klasse treffen würden. Sie zielt vielmehr auf die Klasse, auf ihre Bewegung, um sich von dem materiellen wie intellektuellen Einfluss des Feindes zu befreien, der sich hartnäckig an sie klammert. Sie zielt auf die Gewinnung der besten Militanten dieser Klassenbewegung für die Partei und auf die Beeinflussung ihrer kämpferischen Abteilungen durch Kampf- und Organisationsrichtlinien, die sich im Kampf selbst und nicht im Meinungswettstreit bewährt haben.

Die Partei zielt auf die Kristallisierung der realen Bewegung hinter ihrer Führung, dank einer Führungskraft, die auf der Grundlage ihres ursprünglichen Kerns, ihres Programms, ihrer Taktik und ihres internationalen Organisationsnetzes geschmiedet wird.

Nicht anders siegte die Oktoberrevolution, nicht anders arbeitete die kommunistische Linke, um den revolutionären Brand Anfang der 20-er Jahre auf den von Demokratie verpesteten Westen auszudehnen, nicht anders wird die proletarische und kommunistische Weltbewegung wiederentstehen.

Um Lenins Ausdruck zu gebrauchen, »das ist es, wovon wir träumen müssen«, d. h. was wir voraussehen und vorbereiten müssen.

Anmerkungen:
[prev.] [content] [end]

  1. Siehe hierzu »La crise de 1926 dans le PC russe et l’ Internationale« in »Programme Communiste«, Nr. 68, Oktober 1975, 5. 27 f.[⤒]

  2. »Brief von Amadeo Bordiga an Karl Korsch«, veröffentlicht und kommentiert im Rahmen des obigen Aufsatzes, a.a.O. S. 31 f. [⤒]

  3. »»Brief von Amadeo Bordiga an Karl Korsch«.[⤒]

  4. Dieser Versuch entsprang objektiven materiellen Bedingungen. Entgegen den Behauptungen von verschiedener Seite war er an sich nicht voluntaristisch. Nicht einmal die Spaltung von Livorno (1921) hat von diesen materiellen Bedingungen absehen können, und die Kommunistische Partei Italiens, die daraus hervorging, enthielt durch den Zwang der Umstände einen »Gramsci«-Flügel, den man gewiss nicht als marxistisch einstufen kann (siehe hierzu »Gramsci, l’‹Ordine Nuovo› et ‹Il Soviet›« in »Programme Communiste« Nr. 71, 72 und 74). Der Keim für die späteren Rückschläge lag also unter den damals herrschenden Bedingungen nicht im Versuch selbst, sondern in der Tatsache, dass man für diesen Versuch nicht die strengen und präzisen Bedingungen und Grenzen festgelegt hatte, welche erforderlich sind, um solche Elemente und Strömungen disziplinieren und assimilieren zu können. Dies haben wir seit 1920 auch wiederholt kritisiert. [⤒]

  5. »Brief von Amadeo Bordiga an Karl Korsch«.[⤒]

  6. Die Formulierung stammt aus unserem Text »Richtlinien zur Wiederherstellung der marxistischen Lehre« (1946), der in unserer Broschüre »Der Kampf gegen den alten und den heutigen Revisionismus« abgedruckt ist. [⤒]

  7. »Tesi supplementari sul compito storico, l’azione e la struttura del partito comunista mondiale«, 1966, veröffentlicht in unserer italienischen Broschüre »In difesa della continuità del programma comunista«, S. 183 f.[⤒]

  8. »Brief von Amadeo Bordiga an Karl Korsch«.[⤒]

  9. Die »Auslandsfraktion« bestand aus den Militanten der kommunistischen Linke Italiens im französischen und belgischen Exil. Sie konnte von 1928 bis 1940 einen kontinuierlichen theoretischen wie praktischen Kampf führen und lieferte nach dem Krieg zusammen mit in Italien verbliebenen Militanten den Kern der Kader, um den sich die Selektion der IKP vollzog.[⤒]

  10. Für eine Untersuchung der Positionen Trotzkis angesichts der Entwicklung in Russland siehe »Bilanz einer Revolution« in »Kommunistisches Programm« Nr. 15/16, S. 47ff und 75ff.[⤒]

  11. »Bilan«, Nr. 1, November 1933.[⤒]

  12. bzw. die »Internationale Kommunistische Strömung« (IKS), eine Gruppe, die an die Traditionen der deutsch-holländischen Linksradikalen Gorterscher Provenienz anknüpft.[⤒]

  13. »Considerazioni sull’organica attività del partito quando la situazione generale è storicamente sfavorevole«, 1965, neu in »In difesa della continuità del programma comunista«, cit. S. 166., deutsch »Betrachtungen über die organischeAktivität der Partei, wenn die allgemeine Lage historisch ungünstig ist«.[⤒]

  14. »Die historische Invarianz des Marxismus«, September 1952, deutsch in »Bulletin der IKP«, Nr. 1, S. 15. [⤒]

  15. »Teoria ed azione«, Dezember 1952, neu in »Per l’organica sistemazione dei principi comunisti«, S. 28 f. Es gibt mittlerweile eine deutsche Übersetzung des Artikels »Theorie und Aktion«.[⤒]

  16. Zitat in der Mitte des Absatzes aus »Teoria ed azione«. Mittlerweile gibt es eine deutsche Übersetzung des Artikels »Theorie und Aktion«.[⤒]

  17. »Considerazioni sull’organica attività…«, wie Anmerkung 13.[⤒]

  18. »Grundthesen der Partei«, Dezember 1951, deutsch in »Was heisst es, den Marxismus zu verteidigen?«, S. 7.[⤒]

  19. So ist z. B. die These zurückzuweisen, die im »Entwurf einer Prinzipienerklärung für das internationale Büro der Internationalen Kommunistischen Linken« (»Avant-projet de déclaration de principe pour le Bureau International de la Gauche Communiste Internationale«, veröffentlicht in Belgien, Ende 1946) vertreten wurde. Darin heisst es:
    »In einer geschichtlichen Situation, in der die Arbeiter den bürgerlichen ideologischen Faktoren unterworfen sind (nun ja, aber selbst nach der Revolution werden diese Faktoren auf den Arbeitern lasten, und zwar für keine kurze Zeit! IKP) und nicht gegen den Kapitalismus kämpfen (…), muss sich die Organisationsform (gemeint ist die Organisation der Revolutionäre, IKP), die ja immer durch den kennzeichnenden Charakter der jeweils unmittelbar gegebenen Epoche bestimmt wird, der Notwendigkeit der zu leistenden Arbeit der theoretischen Untersuchung und der Ausarbeitung des revolutionären Programms beugen: Diese Organisationen nennen wir 'Fraktionen’. In einer Situation, wo die Arbeiter unter dem Druck historischer Faktoren zum Kampf getrieben werden, tritt die Notwendigkeit einer Organisation auf, die – im Besitz des 'Programms der Revolution’ – diese Kämpfe zur Machteroberung führt. Diese Organisation nennen wir 'Partei'. Der Prozess der Umwandlung der Fraktionen in eine Partei würde von der kommunistischen Linken in seinen grossen Linien nach einem Schema festgelegt, das besagt, dass die Partei erst dann in Erscheinung treten kann, wenn die Arbeiter Kampfbewegungen begonnen haben, welche den Rohstoff zur Machteroberung liefern«.
    In dieser verheerenden Erklärung verwechselt man:
    a) jene Notwendigkeit der Partei, die sich in dem Masse aus den Kämpfen selbst ergibt, in dem sie eine Führung erforderlich machen einerseits, und andererseits die vorausgehende Existenz der Partei, die diese Kämpfe voraussieht und sich darauf vorbereitet, sie zu führen; ohne diese vorherige Existenz der Partei dreht man sich im Teufelskreis einer Situation, die erst dann revolutionär ist, wenn es die Partei gibt, und einer Partei, die es als solche erst dann gibt, wenn die Situation revolutionär ist;
    b) die Bildung der Partei einerseits, und die Stärkung der Partei, die Eroberung eines Masseneinflusses durch die Partei andererseits. Die wohl unbeschreibliche Gruppe »Révolution Internationale«, die sich an Formulierungen wie der obigen weidet, müsste schon mal zu erklären versuchen, wie eine Partei, die nicht existiert (es sei denn als sogenannter »Programmträger«), einen materiellen Einfluss auf die Klasse erobern kann.
    Fügen wir noch kurz hinzu, dass die »Auslandsfraktion« der kommunistischen Linke Italiens sich in keiner Weise auf die theoretische »Forschung« beschränkt hat, sondern auch einen harten praktischen Kampf geführt hat. Wenn sie noch nicht die Partei, sondern erst ihr Vorspiel war, so nicht mangels praktischer Arbeit, sondern eher infolge der Unzulänglichkeit ihrer theoretischen Arbeit.[⤒]

  20. »Grundthesen der Partei«, op. cit., S. 44.[⤒]

  21. »Appello per la riorganizzazione internazionale del movimento rivoluzionario marxista«, u.a. in »il programma comunista«, Nr. 18 u. 19, 1957.[⤒]

  22. »Praxis«, Nr. 14/15, 1977.[⤒]

  23. Diese Texte (»Partei und Klasse«, »Partei und Klassenaktion«, »Proletarische Diktatur und Klassenpartei«) sowie die erwähnten Leitsätze der Internationale sind in unserer Broschüre »Die Frage der revolutionären Partei« veröffentlicht. »Das demokratische Prinzip« ist in »Kommunistisches Programm« Nr. 17 enthalten.[⤒]

  24. »Revue Internationale«, Nr. 10, Juni–August 1977, S. 16.[⤒]

  25. »Manifest der Kommunistischen Partei«, 1848, Kapitel II, »Proletarier und Kommunisten«, Marx und Engels, »Ausgewählte Werke«, in 2 Bd., S. 38.[⤒]

  26. »Partei und Klassenaktion«, 1921, deutsche Übersetzung in unserer Broschüre »Die Frage der revolutionären Partei«.[⤒]


Source: »Kommunistisches Programm«, Nr.18, Mai 1978, S.13ff, sinistra.net: (April 2001) Korrektur von Zitaten aus »Theorie und Aktion«

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