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II. WELTKONGRESS DER KOMMUNISTISCHEN INTERNATIONALE



Content:[2]

Neunte Sitzung des II. Kongresses der Kommunistischen Internationale am 2. August 1920. (Morgens)
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Dittmann
Redebeitrag Wijnkoop
Redebeitrag Radek
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Bucharin
Redebeitrag Wolfstein
Redebeitrag Bordiga
Leitsätze über den Parlamentarismus (Bordiga)
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Radek
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Gallacher
Redebeitrag Schablin
Anmerkungen
Source


Neunte Sitzung des II. Kongresses der Kommunistischen Internationale am 2. August 1920. (Morgens)

Sinowjew. Die Sitzung ist eröffnet.

Heute ist es gerade ein Jahr, dass die ungarische Sowjetrepublik gefallen ist. während dieses Jahres haben wir, wie Ihr gut wisst, Tausende und Tausende unserer besten Genossen in Ungarn verloren. Heute ist es auch ein Jahr her, dass einer unserer besten Freunde, Genosse Tibor Szamuely, als erstes Opfer der ungarischen Gegenrevolution gefallen ist. Ich bitte den Kongress, sich zu Ehren dieses Genossen zu erheben, und ich gebe der Hoffnung Ausdruck, dass die Zeit nicht mehr fern ist, wo wir in Ungarn wieder eine Sowjetrepublik haben werden. Die Sowjetrepublik ist im vorigen Jahre untergegangen. Es lebe die Sowjetrepublik Ungarn!

Dittmann. Im Namen des Genossen Crispien, der wegen Erkrankung dem Kongress nicht beiwohnen kann, habe ich folgende Erklärung zu verlesen:

»In der Sitzung des Kongresses vom 30. Juli 1920, an der ich leider wegen Erkrankung nicht teilnehmen konnte, hat mich der Referent in seinem Schlusswort als Sozialpazifist bezeichnet, d. h. als ein Mann hingestellt, der von einer Versöhnung der Klassen träumt oder der glaubt, dass die Klassengegensätze in friedlicher Weise aus der Welt geschafft werden könnten.
In den mehr als 25 Jahren meiner Tätigkeit in der Arbeiterbewegung habe ich niemals sozialpazifistische Ideen vertreten. Ich lehne sie entschieden ab.
Ich bin davon überzeugt, dass die kapitalistische Klassengesellschaft nur durch den rücksichtslosen selbständigen Klassenkampf des Proletariats, durch die Eroberung der politischen Macht durch die Arbeiterklasse und durch die Diktatur des Proletariats überwunden werden kann.«

Wijnkoop. Ich habe schon in der letzten Sitzung gesagt, dass noch eine Abstimmung stattfinden muss. Der Vorsitzende Serrati hat das damals nicht ausgeführt. Daher schlage ich vor, dass jetzt abgestimmt wird über die Frage, ob man der Exekutive das Mandat gibt, mit der U.S.P. und mit der Französischen Sozialistischen Partei weiter zu verhandeln in der Weise, wie das jetzt geschieht, oder nicht. Man muss über dieses Mandat abstimmen, und ich schlage vor, diese Abstimmung jetzt vorzunehmen. Ich schlage aber auch zusammen mit den Delegierten von Bulgarien und Mexiko vor, dass die Abstimmung nicht in der Weise, wie es bisher gegangen ist, vor sich geht, sondern dass jedes Land hier seine Stimme abgibt.

Radek. Man hätte glauben können, nachdem Genosse Wijnkoop Samstag und Sonntag Zeit hatte, die Frage zu beschlafen, er sie nicht mehr stellen würde, weil sie schon entschieden ist. Wir haben nämlich eine Resolution angenommen, die das Exekutivkomitee beauftragt, nachdem die betreffenden Parteien auf ihren Kongressen unsere Bedingungen angenommen haben und es sich in der Praxis zeigt, ob sie sie ausführen oder nicht, darüber zu beschliessen, ob die Parteien in die Kommunistische Internationale aufgenommen werden oder nicht. Wenn wir der Exekutive das Recht geben, zu beschliessen, ob eine Partei aufgenommen wird oder nicht, so werden wir ihr nicht das Recht nehmen können, mit dieser Partei weiter zu verhandeln. Der Antrag ist undiskutabel, er ist schon entschieden, und ich schlage vor, ohne eine weitere Diskussion zur Tagesordnung überzugehen.

Sinowjew. Es ist vorgeschlagen, die Debatte zu schliessen. Ich werde zunächst über diese Frage abstimmen. (Abstimmung.) Der Vorschlag des Büros ist angenommen. Jetzt kommen wir zur materiellen Abstimmung. Wer für den Vorschlag des Genossen Wijnkoop ist, bitte ich die Hand zu erheben. (Abstimmung.) Der Antrag ist abgelehnt.

Ich schlage vor, statt der französischen Sprache jetzt die englische Sprache zu benutzen, und zwar aus folgenden Gründen: Es sind noch sechs oder sieben Genossen hinzugekommen, die nicht französisch verstehen. Wir haben eine Hälfte des Kongresses französisch abgehalten. Wir müssen jetzt Zeit sparen, und da jetzt besonders die Frage der Gewerkschaften und des Parlamentarismus erörtert wird, müssen wir englisch sprechen.

Zur Tagesordnung hat das Wort der Referent Genosse Bucharin.

Bucharin. Genossen! Zunächst bitte ich um Entschuldigung wegen meiner Sprache. Das wird keineswegs die deutsche Sprache sein, sondern eine Ersatzsprache. Wir haben die Arbeit in folgender Weise eingeteilt: Zuerst werde ich über die prinzipielle Fragestellung und die entsprechende Lösung dieser Frage referieren; zweitens wird die Genossin Wolfstein über die Arbeit unserer Kommission referieren, und dann kommt das Korreferat vom Genossen Bordiga, der Vertreter der Ansicht ist, dass wir in dieser Epoche der Zerstörung des kapitalistischen Weltsystems überhaupt nicht an irgendwelchen Parlamenten teilnehmen dürfen.

Jetzt zur Sache: Wir müssen, wenn wir irgend ein Problem aufstellen, stets von der Abschätzung der konkreten Epoche ausgehen. Und hier haben wir eine prinzipielle Differenz zwischen der früheren Epoche der friedlichen Entwicklung und der jetzigen, die die Epoche des Zusammenbruchs des kapitalistischen Systems, die Epoche der Klassenkriege, der Bürgerkriege und der proletarischen Diktatur ist. Die »friedliche« Epoche – diese Epoche war allerdings nicht friedlich, wenn wir die Kolonien in Betracht ziehen – kann man bezeichnen als die Epoche einer gewissen Interessengemeinschaft zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie. Diese Gemeinschaft beruhte, besonders bei dem Proletariat der hochentwickelten kapitalistischen Länder, darauf, dass die grosskapitalistischen Länder eine furchtbare imperialistische Politik geführt haben. Deswegen waren die kapitalistischen Klassen der entsprechenden Länder imstande, Extraprofite zu machen und von diesen Extraprofiten dem Proletariat der eigenen Länder höhere Löhne auszuzahlen. Es ist prinzipiell falsch, was seinerzeit Kautsky gesagt hat, dass die imperialistische Politik der Arbeiterklasse überhaupt keinen Nutzen gab. Wenn wir die Sache vom Standpunkt der vorübergehenden Interessen der Arbeiterklasse betrachten würden, so könnte man behaupten, dass die imperialistische Politik einen gewissen Nutzen gebracht hat, und das waren die höheren Löhne der Arbeiter, die von den Extraprofiten der Kapitalisten gezahlt werden konnten.

Wenn wir diese Epoche als die Epoche einer gewissen Interessengemeinschaft zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie betrachten können, so ist damit ein zweites Charakteristikum dieser Epoche gegeben, nämlich, dass sie auch die Epoche des Hineinwachsens der Arbeiterorganisationen in den bürgerlichen Staatsapparat war. Das, was die Reformisten als Hineinwachsen des Sozialismus bezeichnen, war das Hineinwachsen der Arbeiterklasse und auch der Arbeiterorganisationen in den bürgerlichen Staatsapparat. Diese Erscheinung trat besonders krass in der Zeit des Staatskapitalismus hervor, als faktisch fast alle Arbeiterorganisationen – und ziemlich grosse Arbeitermassenorganisationen – als Bestandteile des staatskapitalistischen Staatsapparats erschienen. Wenn wir die grossen politischen Parteien der Arbeiterklasse, die gelbe Sozialdemokratie, und die Gewerkschaften während des Krieges betrachten, so können wir finden, dass alle diese Massenorganisationen damals zu Bestandteilen des kapitalistischen Systems und Staatsapparats wurden. Sie wurden bürgerlich nationalisiert. Der Ausgangspunkt für diese Entwicklung liegt schon in der Zeit vor dem Kriege. Er war gegeben in dem Prozess des Hineinwachsens in den Kapitalismus, wie denn auch schon vor dem Krieg fast alle Organisationen der Arbeiterklasse sich in diesem Prozess des Hineinwachsens befinden. So können wir auch behaupten, dass die parlamentarische Vertretung der Arbeiterklasse und die Fraktionen der Arbeiterparteien in das bürgerliche Parlament hineingewachsen sind. Anstatt etwas zu sein, was gegen das System als Ganzes überhaupt und gegen das bürgerliche Parlament gerichtet war, wurden sie zum Bestandteil des parlamentarischen Apparats als solchen. Das war die frühere Epoche des friedlichen Kapitalismus. Solche Erscheinungen sehen wir auch am Anfang des Krieges.

Dann kam die neue Epoche des Zusammenbruchs des Kapitalismus und der Bürgerkriege. Was die Arbeiterklasse als Klasse betrifft, so hat sie in diesem Prozess ihre frühere, ziemlich imperialistische Ideologie verloren. Diese Ideologie, die in der Losung der »nationalen Verteidigung« gipfelte, brach zusammen, und mit ihr sind auch ihre Folgeerscheinungen zusammengebrochen. Die Arbeiterorganisationen wurden, anstatt Bestandteile des kapitalistischen Systems zu sein, allmählich zu Instrumenten des Klassenkampfes. Also aus Werkzeugen, die das kapitalistische System stützten, wurden sie zu Instrumenten seiner Zerstörung. Parallel damit ging auch die Verwandlung der parlamentarischen Fraktionen vor sich, die aus einem Bestandteil des gesamten parlamentarischen Apparats zu Instrumenten seiner Zerstörung wurden. Und damit ist der neue Parlamentarismus entstanden, dessen Anhänger wir Kommunisten sein dürfen und müssen.

Genossen, ich werde keineswegs alle Paragraphen unserer Leitsätze, die sehr ausführlich sind, kommentieren. Ich werde einige Hauptpunkte auswählen und darüber sprechen. Und dann können wir strittige Fragen lösen.

Wenn wir diese zwei Epochen ganz verschiedenen Charakters vor uns haben, so können wir schon a priori sagen, dass der Prozess des Übergangs von einer Epoche zur anderen, vom alten zum neuen Parlamentarismus als Prozess betrachtet werden muss, der in jedem konkreten Augenblick verschiedene Reste der früheren Auffassungen unter der Arbeiterklasse mit sich führen wird. Je mehr dieser Prozess sich entwickelt, desto mehr werden diese Reste verschwinden. Jetzt aber können wir diese Überbleibsel der früheren Vorstellungen bei vielen Parteien klar sehen, auch bei solchen, die sich schon in der Kommunistischen Internationale befinden. Überhaupt sind der Opportunismus und die schwankenden Parteien in der Arbeiterbewegung noch vorhanden, die Ideologie des Zusammenarbeitens mit der Bourgeoisie besteht teilweise noch, und das spiegelt sich wider in dem Vorhandensein des früheren Parlamentarismus.

Betrachten wir zunächst das gesamte Bild der parlamentarischen Tätigkeit der Arbeiterklasse. Nehmen wir die Zusammensetzung verschiedener parlamentarischer Fraktionen, und wir werden ein sonderbares Bild bekommen. Zum Beispiel die U.S.P.: Diese Partei hat jetzt 82 Mitglieder im Parlament. Wenn wir aber im Rahmen der schon ziemlich gemässigten und opportunistischen Partei als solche die Zusammensetzung ihrer parlamentarischen Fraktion betrachten würden, so würden wir ungefähr folgende Zahlen bekommen: von diesen 82 Mitgliedern der parlamentarischen Fraktion gehören 20 ungefähr direkt zu den Rechten, zirka 40 zum »Sumpf« und ungefähr 20 zur linken U.S.P. Also der Prozentsatz der Rechten und des »Sumpfes« - ich betone »im Rahmen der U.S.P.«, die an und für sich schon ziemlich opportunistisch ist – ist ziemlich gross. Nehmen wir die italienische Partei und ihre parlamentarische Fraktion. Diese Partei gehört zu uns und ist in der Kommunistischen Internationale. Sie ist eine unserer besten Parteien, und wir können behaupten: Wenn wir die Mitglieder dieser parlamentarischen Fraktion in drei Teile teilen würden, nämlich in die Anhänger von Turati und Lazzari, in die von Serrati und die sogenannten Bombaccianer, so werden wir folgende Zahlen erhalten: 30 Prozent der ganzen Fraktion gehören zur Richtung Turati, 55 Prozent zum Zentrum und 15 Prozent zur Linken. Genosse Serrati hat mir einige andere Ziffern gegeben. Nach seiner Meinung zählen die Reformisten 41 Mandate. Das ist eine offizielle Angabe des Genossen Serrati und bedeutet einen sehr grossen Prozentsatz innerhalb der kommunistischen Partei. Wenn wir die französische Partei betrachten, haben wir folgende Zahlen: 68 Parlamentarier, unter ihnen 40 ausgesprochene Reformisten innerhalb der schon opportunistischen Partei und 26 vom Zentrum, – nicht in unserem Sinne des Wortes, sondern das Wort bedeutet hier das Zentrum der französischen Partei –, also Zentrum im Quadrat. Was die Kommunisten betrifft, so haben sie vielleicht 2 Stimmen. In der norwegischen Partei, die eine ziemlich gute Partei ist, hat die parlamentarische Fraktion 19 Mitglieder. Von diesen sind ungefähr 11 Rechte, 6 Zentrum und 2 sind Kommunisten. Die schwedische parlamentarische Fraktion hat ziemlich viel solcher Genossen, die keineswegs als Kommunisten bezeichnet werden dürfen. Also Summa Summarum: ein ziemlich trauriges Bild. Die Zusammensetzung der parlamentarischen Fraktionen ist unter jeder Kritik. Und wenn wir die Ursache dieser Erscheinung betrachten, so ist sie darin gegeben, dass diese Parteien auch als Parteien nicht genügend klar kommunistisch sind, weil sich innerhalb derselben eine ziemlich grosse Zahl Opportunisten befindet. Deswegen dulden sie auch solche Elemente auf ihren parlamentarischen Fraktionssitzen.

Jetzt gehe ich von der Zusammensetzung der Parteien zu der Politik über, d. h. Zu ihrer parlamentarischen Politik, und da können wir mit Recht behaupten, dass diese Politik ebenso weit vom revolutionären Parlamentarismus wie der Himmel von der Erde entfernt ist. Ich nehme als Muster wieder die U.S.P. während des Krieges, als es galt, an die Völker zu appellieren, um den Krieg zu bändigen, haben sie an die Regierung appelliert. Ich erinnere mich eines Gesprächs mit dem Genossen Haase. Er wollte uns, als wir in Berlin waren, beweisen, dass er einen wirklich revolutionären Parlamentarismus treibe. Als den besten Beweis hat er eine seiner Reden angeführt, in der er behauptet hat, dass die deutsche Regierung einen Missbrauch geübt hat, indem sie deutsche Truppen nach Finnland schickte. Man könnte diese Truppen missbrauchen. Also: wenn man sie nach der französischen Front schickt, so ist es kein Missbrauch, nur nach Finnland ist es ein Missbrauch. Das ist ein Beweis nicht des revolutionären Parlamentarismus, sondern des opportunistischen. Nehmen wir alles, was im deutschen Parlament über die Sozialisierungsfrage geschrieben und geredet wurde. Es ist zum Lachen. Wenn wir diese Reden sehen, spüren wir keinen revolutionären Standpunkt. Und auch Genosse Däumig hat, wie ich weiss, noch 1920 diese opportunistische Fragestellung vertreten, indem er über Sozialisierungspläne geschrieben hat. Oder z. B. die Rede über die Verfassung von Oskar Cohn, dem Vertreter der U.S.P. Diese Rede ist ziemlich lang, aber es ist in ihr absolut keine Spur der revolutionären Fragestellung enthalten. Hier hören wir, dass die Verfassung krank ist. Über Noske kein Wort. Das ist die Methode von Kautsky. Denn wenn er die Frage der bürgerlichen Demokratie bespricht, spricht er über Affen und wilde Menschen. Ebenso die Rede des Genossen Oskar Cohn. Hier könnte man unseren prinzipiellen Standpunkt ganz revolutionär entwickeln. Nehmen wir z. B. die Geschichte der Untersuchungskommission der Schuldigen am Kriege. An dieser reinen Komödie, die auf der Basis des Materials, das vom Auswärtigen Amt geliefert ist, geführt wird, wollen die Unabhängigen parlamentarisch die Frage der Schuld untersuchen. Hierin gibt es doch keine Spur irgendwelcher revolutionären Tätigkeit.

Nehmen wir den Antrag des Genossen Oskar Cohn im deutschen Parlament über die Aufhebung des Schutzhaftgesetzes. Dieses Gesetz galt nur für die politischen Gefangenen. Hier haben wir alles Mögliche, aber keineswegs den revolutionären Standpunkt des revolutionären Kommunisten. Nehmen wir das, was wir hier in diesem Saale von den Genossen der U.S.P. gehört haben. Als sie sich entschuldigten, dass sie uns nicht rechtzeitig die Antwort gaben, da hat, wenn ich mich nicht irre, Genosse Dittmann oder ein anderer Vertreter gesagt: Wir haben damals Wahlen gehabt, und weil wir diese so grosse Sache wie die Wahlen gehabt haben, konnten wir nicht sofort ein Antwortschreiben verfassen. Das ist ein schreiendes Beispiel, das die Genossen, die es anführen, tötet. Wenn sie einerseits die Wahlen haben und andererseits die Sache der ganzen Internationale, so ist es doch für jeden Revolutionär klar, dass er den Wahlkampf unter der Losung der Internationale führen muss. Einen Gegensatz zwischen der Internationale und den Wahlen aufzustellen, das ist eben alles Mögliche, aber nichts, was mit der Zusammengehörigkeit mit der Kommunistischen Internationale im Einvernehmen steht. Wir können die ganze parlamentarische Tätigkeit der Genossen von der U.S.P. verfolgen, und niemals werden wir eine klare zielbewusste Tätigkeit in unserem Sinne finden. Wenn wir die Französische Sozialistische Partei betrachten oder andere Parteien, so werden wir auch da ein ziemlich trauriges Bild finden. Ich werde die Aufmerksamkeit nicht darauf lenken, denn es ist genug, ein Beispiel anzuführen, um sofort die ganze Lage zu rekonstruieren. In allen diesen Erscheinungen, sowohl in der Zusammensetzung der parlamentarischen Fraktion als auch in ihrer Taktik, zeigen sich die Reste des früheren Parlamentarismus, die wir buchstäblich ausrotten müssen; denn solange wir diese Praxis und diese Methoden und eine derartige Zusammensetzung der parlamentarischen Fraktionen haben werden, können wir keine revolutionäre Tätigkeit entwickeln. Es ist absolut ausgeschlossen, mit so einem Wust in den revolutionären Kampf zu gehen.

Jetzt kommen wir zu einer anderen Frage, nämlich zu der Frage des prinzipiellen Antiparlamentarismus. Dieser Antiparlamentarismus ist das legale Kind des oben geschilderten Opportunismus und der früheren parlamentarischen Tätigkeit mit allen ihren Sünden. Dieser prinzipielle Antiparlamentarismus ist uns viel sympathischer als der opportunistische Parlamentarismus. Unter den Anhängern des Antiparlamentarismus können wir, meine ich, zwei Hauptgruppen unterscheiden: Eine Gruppe, die wirklich prinzipiell jede Teilnahme an der parlamentarischen Tätigkeit verneint, und die zweite Gruppe, die gegen den Parlamentarismus wegen besonderer spezifischer Abschätzung der Möglichkeiten der parlamentarischen Tätigkeit ist. In unserer Epoche können wir als Vertreter der ersten Richtung die amerikanischen IWW bezeichnen. Als Vertreter der zweiten Richtung wird beute Genosse Bordiga hier reden. Was nun den prinzipiellen Antiparlamentarismus betrifft, so kann man von der ersten Gruppe behaupten, dass diese Lehren oder diese Taktik, wenn man sie theoretisch verfolgt, auf einer vollständigen Konfusion der Grundbegriffe des politischen Lebens basieren. Zum Beispiel machen sich die IWW überhaupt keinen klaren Begriff darüber, was eigentlich der politische Kampf ist. Sie meinen, dass es kein politischer Kampf ist, wenn sie einen Generalstreik ökonomischer Natur haben, der faktisch gegen den bürgerlichen Staat gerichtet ist, der aber nicht von der politischen Partei, sondern von den Gewerkschaften geführt wird. Sie verstehen also absolut nicht, was eigentlich politischer Kampf heisst. Sie verwechseln den politischen Kampf mit parlamentarischer Tätigkeit. Sie meinen, dass man unter politischem Kampf nur parlamentarische Tätigkeit oder die Tätigkeit der parlamentarischen Parteien verstehen muss. Ich werde hier diese Frage nicht untersuchen, denn sie ist in unseren Leitsätzen klar besprochen. Die Genossen brauchen die Leitsätze nur durchzulesen. Es ist ganz klar, dass dieses negative Verhalten zum Parlamentarismus auf verschiedenen Irrtümern prinzipieller Natur beruht, vor allem auf dem falschen Begriff von dem, was eigentlich politischer Kampf ist. Historisch betrachtet, weist der amerikanische Parlamentarismus soviel Niederträchtigkeit und Korruption auf, dass viele ehrliche Elemente in das Lager des prinzipiellen Antiparlamentarismus übergehen. Der Arbeiter denkt keineswegs abstrakt, er ist ein ziemlich grober Empiriker, und wenn man ihm nicht empirisch beweisen kann, dass der revolutionäre Parlamentarismus möglich ist, dann verneint er glatt die ganze Geschichte. Solche Elemente, die nur alle Niederträchtigkeiten gesehen haben, gehen in sehr grossem Masstabe in das Lager des prinzipiellen Antiparlamentarismus über.

Ich komme zur zweiten Gruppe, die hier im Saale von Bordiga vertreten wird. Er sagt uns, dass sein Standpunkt keineswegs mit dem des prinzipiellen Antiparlamentarismus zu verwechseln ist, und ich muss sagen, dass sein Standpunkt, formell betrachtet, alle theoretischen, aber keine anderen Ausgangspunkte hat. Genosse Bordiga behauptet, dass man gerade vom Standpunkt der jetzigen Epoche der Massenkämpfe des Proletariats, vom Standpunkt der Schätzung dieser Epoche a!s Epoche der Bürgerkriege, nur von diesem spezifisch historischen Standpunkt aus nicht in die Parlamente gehen dürfe. Das meint er. Ich meine aber, man kann beweisen, dass es eine prinzipielle Brücke gibt zwischen der Taktik des Genossen Bordiga und der Taktik derer, die prinzipiell dagegen sind. Genosse Bordiga hat seine eigenen Leitsätze ausgearbeitet, und wir lesen darin zum Beispiel folgendes:

»Es ist notwendig, mit der bürgerlichen Lüge ein für allemal zu brechen, mit der Lüge, die glauben machen will, dass sich jedes Zusammentreffen der feindlichen Parteien, jeder Kampf um die Eroberung der Macht im Rahmen des demokratischen Mechanismus, in Wahlkämpfen und parlamentarischen Debatten abspielen muss. Es wird nicht gelingen, dieses Ziel zu erreichen, ohne dass man sich von der traditionellen Methode, die Arbeiter zur Teilnahme an den Wahlen aufzufordern, wo sie Seite an Seite mit der bürgerlichen Klasse arbeiten, völlig lossagt, ohne dem Schauspiel ein Ende zu machen, dass die Delegierten des Proletariats auf dem gleichen parlamentarischen Boden wie seine Ausbeuter auf treten.«

Hier meint Genosse Bordiga, dass der Delegierte der Arbeiterklasse, wenn er sich physisch in einem Zimmer mit einem Bürgerlichen befindet, damit eo ipso Seite an Seite mit der bürgerlichen Klasse arbeitet. Das ist eine naive Vorstellung, die für die IWW typisch ist.

Am Ende seiner 9. These lesen wir: »Daher werden die kommunistischen Parteien niemals einen grossen Erfolg mit der Propaganda der revolutionären marxistischen Methode erzielen, wenn sie ihre Arbeit nicht unmittelbar auf die Diktatur des Proletariats und die Arbeiterräte stützen und auf jede Berührung mit der bürgerlichen Demokratie verzichten.«

Also, eine physische Berührung in einem Zimmer ist schon ein Sündenfall, und dann geht die ganze Geschichte kaputt. Ich meine aber, dass dieser Fehler noch grösser sein wird, weil wir nicht immer die Arbeiterräte haben. Genosse Bordiga ist mit uns einverstanden, dass wir nicht sofort in allen Ländern die Arbeiterräte organisieren können. Die Räte sind Kampforganisationen des Proletariats. Wenn keine Bedingungen vorliegen, um diesen direkten Kampf zu führen, dann hat es keinen Sinn, diese Räte zu bilden. Dann verwandeln sie sich in kulturelle Anhängsel anderer Einrichtungen, die absolut reformistisch werden, und es ist die grosse Gefahr vorhanden, dass sich die Arbeiterräte dann sozusagen nach französischem Muster organisieren, wo ein paar Leute zusammenkommen und eine humanitär-pazifistische Organisation gebildet wird, die keinen revolutionären Wert hat. Alle diese Einrichtungen bestehen auch noch gar nicht, sie sind nicht real gegeben. Aber das bürgerliche Parlament ist real gegeben. Wir sagen in unseren Leitsätzen: Wir müssen hier in diesen Einrichtungen unsere revolutionären Agenten haben, hier arbeiten unsere proletarischen Kundschafter Seite an Seite mit der bürgerlichen Klasse. Hier ist eine ganz negative Vorstellung gegeben, die nicht logisch ausgearbeitet ist, die aber vom Gefühlsstandpunkt ganz begreiflich ist. Vom Standpunkt der revolutionären Logik und Zweckmässigkeit ist das entscheidende Moment in der ganzen Fragestellung das, dass wir revolutionären Kommunisten behaupten: Es gibt eine Möglichkeit, in die bürgerlichen Parlamente zu gehen, um zu versuchen, sie von innen heraus zu sprengen. Früher, als die parlamentarischen Fraktionen in die parlamentarischen Institutionen hineinwuchsen, wurden sie zu Bestandteilen des Systems als solches. Wir aber wollen unsere Tätigkeit so entwickeln, dass ein immer schrofferer Gegensatz zwischen dem parlamentarischen System und unserer Fraktion entsteht. Wir brauchen nicht zu sagen, dass das Primäre für uns dabei ist, dass unsere parlamentarische Tätigkeit mit den Massen der Arbeiterklasse koordiniert werden muss. Verfolgen wir die Leitsätze des Genossen Bordiga weiter.

Zunächst eine kleine Bemerkung. Ich behaupte, dass bei einigen Genossen ein prinzipieller Antiparlamentarismus vorliegt, weil diese Genossen sich fürchten, als revolutionäre Parlamentarier aufzutreten, denn dieser Boden ist ihnen zu gefährlich. und weil sie in der Revolution von dieser schwersten Aufgabe auf irgendwelchem Wege wegzulaufen suchen. Man zitiert grosse Parteien. um zu beweisen, dass diese Tätigkeit überhaupt nicht möglich ist. Ich sage das nicht vom Genossen Bordiga; aber in seiner Fraktion gibt es solche Elemente, und wenn er zu uns kommt und in seiner 12. These sagt:

»Der eigentliche Charakter der Debatten, die sich im Parlament und in anderen demokratischen Organen abspielen, schliesst jede Möglichkeit aus, von der Kritik an der Politik der Gegenparteien zu einer Propaganda gegen das Prinzip des Parlamentarismus überzugehen, zu einer Aktion, die die Grenzen der parlamentarischen Verfassung überschreitet.«

Genosse Bordiga sagt, es sei technisch nicht möglich, das Parlament auszunutzen; aber das muss man beweisen. Niemand wird sagen, dass wir unter dem Zarismus bessere Verhältnisse in unserer Duma gehabt haben als jetzt in der Italienischen Deputiertenkammer. Niemand hat versucht, so zu sprechen, wie man müsste. Warum haben Sie schon a priori behauptet, dass das unmöglich ist? Versuchen Sie es zuerst; machen Sie verschiedene Skandale; lassen Sie sich verhaften; machen Sie einen politischen Prozess im grossen Stile. Sie haben das alles nicht gemacht. Diese Taktik muss man in einem sich steigernden Masse entwickeln. Und ich behaupte, dass dies möglich ist. Französische Genossen, zum Beispiel Lefèvre, behaupten, man könnte in der Französischen Kammer kein scharfes Wort gegen Clemenceau sagen. Niemand hat das probiert, niemand hat den Versuch gemacht. Ich meine, dass hier eine direkte Furcht vorliegt. Die Leute sagen: Ja, das ist zu gefährlich. Wir können propagandistisch nur rein legale Arbeit treiben. Sie haben sich hier selbst demaskiert. Weil es ein zu gefährlicher Boden ist, wollen sie von dieser schweren Aufgabe weglaufen. Genosse Bordiga führt uns im § 10 als Argument gegen die parlamentarischen Wahlen folgendes an:

»Die überaus grosse Bedeutung, die man in der Praxis den Wahlkämpfen und ihren Ereignissen beimisst, die Tatsache, dass die Partei ihnen für einen ziemlich langen Zeitraum alle ihre Kräfte und ihre Hilfsquellen an Menschen, Presse, ökonomischen Mitteln widmete, bringt es einerseits mit sich, dass trotz aller Versammlungsreden und aller gegenteiligen theoretischen Erklärungen die Überzeugung gestärkt wird, dass dies die wirkliche Hauptaktion zur Erreichung der kommunistischen Ziele ist. Andererseits führt sie zum beinahe völligen Verzicht auf jede Arbeit der revolutionären Organisation und Vorbereitung, indem sie der Parteiorganisation technisch einen Charakter gibt, der im völligen Gegensatz zu den Anforderungen der legalen und illegalen revolutionären Arbeit steht.«

Vielleicht gibt es so etwa in Italien, aber Sie müssen uns beweisen, warum das logisch notwendig ist. Wenn Sie auf dem Standpunkt des Genossen Dittmann stehen und sagen: der Wahlkampf ist ein Gegensatz zur Frage der Internationale, dann haben Sie recht. Unser Standpunkt besteht aber darin, dass die ganze Wahlkampagne unter dem revolutionären Gesichtspunkt zu entwickeln ist. Dann kann sich kein solcher Gegensatz ergeben. Es ist kein logischer Widerspruch, wenn wir sagen: wir müssen den ganzen Wahlkampf unter den schärfsten revolutionären. Losungen entwickeln, um in die Dörfer zu gehen und zu arbeiten, dort, wo kein politisches Interesse vorhanden ist, und um die Leute als Massenorganisation zusammenzuschweissen, um alle diese Kampagnen verschiedener Art in Kontakt zu halten. Ja, sagen Sie, das ist gerade ein Morden der revolutionären Arbeit. Genosse Bordiga hat das deswegen geschrieben, weil er von der wirklichen revolutionären Wahlkampagne wenig gesehen hat, wie auch die Genossen von den IWW keinen revolutionären Parlamentarismus gesehen haben. Deswegen stellt Genosse Bordiga solche Behauptungen auf, die er aber wenigstens begründen müsste. Ich meine, dass es trotzdem viele empirische Beweise für den revolutionären Parlamentarismus gibt. Ich werde sie wiederholen, die Namen sind uns bekannt. Es war die Tätigkeit von Liebknecht, die Tätigkeit von Höglund, dann bei den bulgarischen Genossen und auch bei uns. Wir haben einen revolutionären Parlamentarismus gehabt unter den verschiedensten historischen Umständen, z. B. während der zweiten Duma, während des Vorparlaments von Kerenski und während der Konstituante. Wir hatten keine Furcht, uns Seite an Seite mit den Bürgerlichen, mit den Sozialrevolutionären oder mit den Kadetten zu stellen, weil wir eine feste revolutionäre Taktik, ganz klare taktische Linien hatten. Deswegen ist nun diese ganze Frage, nämlich die Frage der Partei, die Kardinalfrage. Wenn Sie eine wirkliche kommunistische Partei haben, dann brauchen Sie nicht zu fürchten, einen Ihrer Männer in das bürgerliche Parlament zu schicken, denn er wird handeln, wie ein Revolutionär handeln muss. Wenn Sie aber in der Partei einen Mischmasch haben, wo 40 Prozent reine Opportunisten sind, dann schleichen natürlich gerade diese Herren in die parlamentarischen Fraktionen hinein, auf solche Plätze, wo sie am besten situiert sind. Deswegen sind sie fast alle Mitglieder der parlamentarischen Fraktionen. Dann können sie ihre revolutionären kommunistischen parlamentarischen Pflichten nicht ausüben. Das ist eine Parteifrage.

Ich wiederhole, wenn wir unter den Parteien der Kommunistischen Internationale wirkliche kommunistische Parteien haben, die in ihrem Schosse keine Opportunisten und keine Reformisten beherbergen, wenn wir diese Reinigung schon durchgeführt haben, dann haben wir die Garantie, dass wir nicht den alten Parlamentarismus haben werden, sondern einen wirklichen revolutionären Parlamentarismus und eine zuverlässige Methode der Zerstörung der Bourgeoisie, des ganzen bürgerlichen Staatsapparates und des bürgerlichen Systems.

Wolfstein. Genossen! über die Arbeiten der Parlamentskommission kurz folgendes: An Stelle des Paragraphen 1 auf Seite 60 ist eine ausführliche historische Einleitung zu der Frage des Parlamentarismus, geschrieben vom Genossen Trotzki, geschlossen worden. Die Gesamtüberschrift der Leitsätze lautet jetzt: »Die Kommunistischen Parteien und der Parlamentarismus«. Der erste Absatz an Stelle des bisherigen Paragraph 1 »Die neue Epoche und der neue Parlamentarismus« lautet:

»Die Stellung der sozialistischen Parteien zum Parlamentarismus war anfänglich, in der Zeit der I. Internationale, die der Ausnützung der bürgerlichen Parlamente zum Zweck der Agitation. Die Teilnahme am Parlament wurde vom Gesichtspunkt der Entwicklung des Klassenbewusstseins, d. h. des Erwachens der Klassenfeindschaft des Proletariats gegen die herrschende Klasse betrachtet. Dieses Verhältnis wandelte sich, nicht durch den Einfluss der Theorie, sondern unter dem Einfluss der politischen Entwicklung. Durch die ununterbrochene Steigerung der Produktivkräfte und durch die ständige Ausdehnung des kapitalistischen Ausbeutungsgebiets gewannen der Kapitalismus und mit ihm die parlamentarischen Staaten an Festigkeit und Beständigkeit.

Hieraus entstand die Anpassung der parlamentarischen Taktik der sozialistischen Parteien an die »organische« gesetzgeberische Arbeit des bürgerlichen Parlaments und ergab sich die immer grössere Bedeutung des Kampfes um Reformen im Rahmen des Kapitalismus. Die Herrschaft des sogenannten Mindestprogramms der Sozialdemokratie, die Wandlung des Maximalprogramms in eine Debattierformel für ein überaus entferntes »Endziel« war die Folge. Auf dieser Grundlage entwickelten sich dann die Erscheinungen des parlamentarischen Strebertums, der Korruption, des offenen oder versteckten Verrats an den elementarsten Interessen der Arbeiterklasse.

Das Verhältnis der Kommunistischen Internationale zum Parlamentarismus wird nicht durch eine neue Doktrin, sondern durch die Veränderung der Rolle des Parlamentarismus selbst bestimmt. In der vorhergehenden Epoche hat das Parlament als Werkzeug des sich entwickelnden Kapitalismus eine in gewissem Sinne historisch fortschrittliche Arbeit geleistet. Unter den gegenwärtigen Bedingungen des zügellosen Imperialismus aber hat sich das Parlament in ein Werkzeug der Lüge, des Betrugs, der Gewalttat und des entnervenden Geschwätzes verwandelt. Angesichts der imperialistischen Verheerungen, Plünderungen, Vergewaltigungen, Räubereien und Zerstörungen verlieren die parlamentarischen Reformen, des Systems, der Stetigkeit und der Planmässigkeit beraubt, für die werktätigen Massen jede praktische Bedeutung.

Wie die ganze bürgerliche Gesellschaft verliert auch der Parlamentarismus seine Festigkeit. Der plötzliche Übergang von der organischen zur kritischen Epoche schafft die Grundlage für eine neue Taktik des Proletariats auf dem Gebiet des Parlamentarismus. So hat die russische Arbeiterpartei (die Bolschewiki) das Wesen des revolutionären Parlamentarismus schon in der vorhergegangenen Periode ausgearbeitet, weil das kapitalistische Russland seit 1905 aus dem politischen und sozialen Gleichgewicht gebracht und in die Periode der Stürme und Erschütterungen eingetreten war.

Soweit einige Sozialisten, die zum Kommunismus neigen, darauf hinweisen, dass der Augenblick für die Revolution in ihren Ländern noch nicht gekommen sei, und es ablehnen, sich von den parlamentaristischen Opportunisten abzuspalten, gehen sie, dem Wesen der Sache nach, von der bewussten Schätzung aus, dass ihr Land sich in einer Epoche der relativen Festigkeit der imperialistischen Gesellschaft befindet, und nehmen an, dass auf dieser Grundlage im Kampf um Reformen eine Koalition mit den Turati und Longuet praktische Resultate ergeben könne.

Der theoretisch klare Kommunismus wird dagegen den Charakter der gegenwärtigen Epoche richtig einschätzen. (Höhepunkt des Kapitalismus; imperialistische Selbstverneinung und Selbstvernichtung; ununterbrochenes Anwachsen des Bürgerkrieges etc.). In den verschiedenen Ländern können die Formen der politischen Beziehungen und Gruppierungen verschieden sein. Das Wesen bleibt aber überall ein und dasselbe: es handelt sich für uns um die unmittelbare politische und technische Vorbereitung des Aufstandes des Proletariats zur Zerstörung der bürgerlichen und für die Aufrichtung der neuen proletarischen Macht.

Das Parlament kann gegenwärtig für die Kommunisten auf keinen Fall der Schauplatz des Kampfes um Reformen, um eine Verbesserung der Lage der Arbeiterklasse innerhalb der kapitalistischen Wirtschaftsweise sein, wie dies in gewissen Augenblicken der vorhergegangenen Periode der Fall war. Der Schwerpunkt des politischen Lebens ist gegenwärtig ganz und endgültig über die Grenzen des Parlaments hinaus verlegt. Andererseits ist die Bourgeoisie nicht nur kraft ihrer Beziehungen zu den werktätigen Massen, sondern auch kraft ihrer verwickelten Wechselbeziehungen innerhalb der bürgerlichen Klassen gezwungen, einen Teil ihrer Massnahmen auf die eine oder andere Weise im Parlament durchzuführen, wo die verschiedenen Kliquen um die Macht handeln, ihre starken Seiten offenbaren, ihre schwachen Seiten verraten, sich blossstellen usw.

Deshalb ist es die unmittelbare historische Aufgabe der Arbeiterklasse, diese Apparate den Händen der herrschenden Klassen zu entreissen, sie zu zerbrechen, zu vernichten und an ihre Stelle neue proletarische Machtorgane zu setzen. Gleichzeitig aber ist der revolutionäre Stab der Arbeiterklasse stark daran interessiert, seine Kundschafter in den parlamentarischen Einrichtungen der Bourgeoisie zu haben, um diese zerstörende Aufgabe zu erleichtern. Hieraus ergibt sich ganz klar der Grundunterschied zwischen der Taktik des Kommunisten, der mit revolutionären Zielen in das Parlament einzieht, und der Taktik des sozialistischen Parlamentariers. Der letztere geht von der Voraussetzung der relativen Festigkeit, der unbestimmten Dauer der bestehenden Herrschaft aus. Er macht es sich zur Aufgabe, mit allen Mitteln Reformen zu erreichen, und ist daran interessiert, dass jede Errungenschaft von der Masse in gebührender Weise als Verdienst des sozialistischen Parlamentarismus geschätzt werde (Turati, Longuet und Konsorten).

An die Stelle des alten Anpassungsparlamentarismus tritt der neue Parlamentarismus als ein Werkzeug zur Vernichtung des Parlamentarismus überhaupt. Die widerwärtigen Überlieferungen der alten parlamentarischen Taktik stossen jedoch einige revolutionäre Elemente in das Lager der grundsätzlichen Gegner des Parlamentarismus (IWW), der revolutionären Syndikalisten (KAPD). Der Zweite Kongress erhebt daher folgende Thesen zum Beschluss.«

Darauf wird in allen Paragraphen verschiedenes geändert. Der Paragraph 1 lautet nach der Umänderung durch die Kommission: »Der Parlamentarismus als Staatssystem ist eine »demokratische« Herrschaftsform der Bourgeoisie geworden, die auf einer bestimmten Entwicklungsstufe der Fiktion einer Volksvertretung bedarf, die äusserlich als eine Organisation eines ausserhalb der Klassen stehenden »Volkswillens« erscheint, in Wirklichkeit aber eine Maschine zur Unterdrückung und Unterjochung in den Händen des herrschenden Kapitals ist.«

Paragraph 4, 3. Zeile ist eingefügt: »können als solche nicht auf die Dauer erobert werden«.

Ferner Paragraph 9, Zeile 4: »Die Massenaktionen werden von den revolutionären Massenorganisationen (Gewerkschaften, Parteien, Räte) des Proletariats unter der allgemeinen Führung einer einheitlichen, disziplinierten, zentralisierten kommunistischen Partei organisiert und geleitet.«

Paragraph 11, Zeile 8, heisst jetzt: »sondern um vom Parlament aus den Massen zu helfen, die Staatsmaschine und das Parlament selbst durch die Aktion zu sprengen.«

Im Paragraphen 12 ist hinzugekommen in der 5. Zeile: »befangen von demokratischen Illusionen, nach der Parlamentstribüne schauen«.

Dann ist Paragraph 13 in seiner bisherigen Form gänzlich herausgenommen und dafür ein neuer Paragraph über das Verhalten in Kommunaleinrichtungen, falls dort die Mehrheit gewonnen ist, eingesetzt: »Falls die Kommunisten die Mehrheit in Kommunaleinrichtungen haben, so sollen sie a) revolutionäre Opposition gegen die bürgerliche Zentralgewalt treiben; b) alles tun, um der ärmeren Bevölkerung Dienste zu leisten (wirtschaftliche Massnahmen, Durchführung oder Versuche zur Durchführung der bewaffneten Arbeitermiliz etc.); c) bei jeder Gelegenheit die Schranken zeigen, die die bürgerliche Staatsgewalt wirklich grossen Veränderungen entgegensetzt; d) auf dieser Grundlage schärfste revolutionäre Propaganda entwickeln, ohne den Konflikt mit der Staatsgewalt zu fürchten; e) unter gewissen Bedingungen die Gemeindeverwaltungen etc. durch lokale Arbeiterräte ersetzen. Die ganze Tätigkeit der Kommunisten in der Kommunalverwaltung muss also ein Bestandteil der allgemeinen Zersetzungsarbeit des kapitalistischen Systems sein.«

Im Paragraph 15 ist im letzten Satz der Name Höglunds gestrichen, weil Höglund nur zu einer gewissen Zeit diese revolutionäre Tätigkeit im Parlament entfaltete. Heute ist er nicht mehr in diesem Sinne tätig.

Der Abschnitt 3 heisst jetzt: »Der revolutionäre Parlamentarismus«. In ihm sind nur einige unbedeutende, mehr redaktionelle Änderungen vorgenommen.

Die Hauptarbeit der Kommission, die mit allen gegen zwei Stimmen mit dem Inhalt der Leitsätze einverstanden war, bestand überhaupt darin, einen guten deutschen, englischen und französischen Text herzustellen. Das war entschieden eine schwierigere Aufgabe, als die Leitsätze Bordigas zu erledigen, auf die in der Kommission zwei Stimmen entfielen. Das Ergebnis der übrigen Abstimmungen war: Annahme der Einleitung Trotzkis gegen zwei Stimmen; Paragraph 1–6 einstimmig. Paragraph 7 und 10 gegen zwei Stimmen; 8–9 einstimmig, 11–18 gegen eine Stimme, 19 einstimmig. 3. Abschnitt, Paragraph 1–4 gegen eine Stimme, Paragraph 5 gegen zwei Stimmen, Paragraph 6–7 einstimmig, die übrigen Paragraphen bei einer Stimmenthaltung. Die zwei Stimmen, die grundsätzlich gegen die Leitsätze abgegeben wurden, waren die des Vertreters der Schweiz und der IWW. In der letzten Kommissionssitzung war der Vertreter der IWW infolge Erkrankung nicht anwesend.

Bordiga. Die linke Fraktion der Italienischen Sozialistischen Partei ist antiparlamentarisch gesinnt, und zwar aus Gründen, die nicht allein für Italien gültig sind, sondern einen allgemeinen Charakter tragen.

Handelt es sich hier nun um eine Frage des Prinzips? Gewiss nicht. Wir sind doch im Prinzip alle Gegner des Parlamentarismus, weil wir ihn als Mittel der Befreiung des Proletariats und als politische Form des proletarischen Staates ablehnen. Die Anarchisten sind im Prinzip Antiparlamentaristen, da sie sich gegen jede Machtvertretung erklären. Die syndikalistischen Gegner der politischen Aktion der Partei, die eine ganz andere Auffassung des Befreiungsprozesses des Proletariats haben, sind es ebenfalls. Was uns betrifft, so stützt sich unser Antiparlamentarismus auf die marxistische Kritik der bürgerlichen Demokratie. Ich will hier die Argumente des kritischen Kommunismus nicht wiederholen, der die bürgerliche Lüge über die politische Gleichheit entlarvte, als ein Mittel, die wirtschaftliche Ungleichheit und den Klassenkampf zu verwischen. Dieser Auffassung liegt die Idee eines historischen Prozesses zugrunde, in welchem die Befreiung des Proletariates nach einem heftigen Klassenkampf, der durch die Diktatur des Proletariats unterstützt wird, erreicht wird.

Diese theoretische Auffassung, die im »Kommunistischen Manifest« klargelegt ist, hat in der russischen Revolution ihre erste historische Verwirklichung gefunden. Zwischen diesen beiden Tatsachen liegt eine lange Zeitspanne. währenddessen ist die Entwicklung der kapitalistischen Welt weit vorgeschritten. Die marxistische Bewegung ist zu einer sozialdemokratischen herabgesunken und hat ein gemeinsames Arbeitsfeld für die kleinen Interessen der Zusammenarbeit einzelner Arbeitergruppen und der bürgerlichen Demokratie geschaffen. Die gleiche Erscheinung ist in den Gewerkschaften und in den sozialistischen Parteien zu bemerken.

Man hatte die marxistische Aufgabe der marxistischen Partei, die im Namen der ganzen Arbeiterklasse hätte sprechen und ihrer alten historischen revolutionären Aufgaben eingedenk sein müssen, also fast vollständig vergessen. Man fabrizierte eine ganz neue Ideologie, die mit dem Marxismus nichts gemein hat, die Gewaltmassregeln verwarf und von der Diktatur des Proletariats absah, um an ihre Stelle die Illusion einer sozialen Entwicklung auf friedlichem und demokratischen Wege zu setzen.

Die russische Revolution hat die marxistische Theorie in bewunderungswürdiger Weise verwirklicht, indem sie die Notwendigkeit eines heftigen Kampfes und der Einführung der Diktatur des Proletariats bewies. Aber die historischen Bedingungen, unter denen sich die russische Revolution entwickelt hat, sind andere als die Bedingungen für die proletarische Revolution in den Ländern Westeuropas und Amerikas. Die Lage in Russland könnte vielleicht mit der Lage in Deutschland im Jahre 1848 verglichen werden, wo zwei Revolutionen nacheinander ausbrachen, eine bürgerlich- demokratische und eine proletarische.

Die taktischen Erfahrungen der russischen Revolution können nicht auf andere Länder übertragen werden, in denen die bürgerliche Demokratie bereits seit langer Zeit durchgeführt ist und wo die revolutionäre Krise in einem direkten Übergang von dieser Ordnung zur Diktatur des Proletariats bestehen wird.

Die marxistische Bedeutung der russischen Revolution liegt darin, dass sie in ihrer Endphase (die Auflösung der Konstituierenden Versammlung und das Ergreifen der Macht durch die Sowjets) auf marxistischer Grundlage aufgebaut ist und der Entwicklung jeder neuen Bewegung, der Entwicklung der Kommunistischen Internationale, den Boden vorbereitete, welche mit den Sozialdemokraten, die, zu ihrer Schande sei es gesagt, in der Kriegszeit gänzlich versagt haben, endgültig gebrochen hat.

Das revolutionäre Problem verlangt von dem westlichen Europa vor allem, den Boden der bürgerlichen Demokratie zu verlassen, zu beweisen, dass die Forderung der Bourgeoisie, jeder politische Kampf solle nur durch den Mechanismus des Parlaments ausgetragen werden, falsch ist, und dass der Kampf auf eine neue Weise, durch direkte revolutionäre Tätigkeit zur Erkämpfung der Macht geführt werden muss.

Die Partei braucht eine neue technische Organisation, d. h. eine neue historische Bildung. Diese wird durch die kommunistische Partei verwirklicht, die, wie es in den Leitsätzen des Exekutivkomitees, die Frage der Rolle der Partei betreffend, heisst, »in der Epoche des direkten Kampfes um die Diktatur des Proletariats« geboren wurde (Leitsatz 4).

Der erste Mechanismus der Bourgeoisie, der zerstört werden muss, bevor man zum wirtschaftlichen Aufbau des Kommunismus übergeht und bevor man den neuen Mechanismus des proletarischen Staates, der den Regierungsapparat vertreten soll, schaffen kann, ist das Parlament.

Die bürgerliche Demokratie arbeitet unter den Massen mit indirekten Verteidigungsmassregeln, während der Staatsapparat sich bereit hält, direkte Gewaltmittel anzuwenden, die in Tätigkeit gesetzt werden, sobald die letzten Versuche, das Proletariat auf den Boden legaler demokratischer Politik zu ziehen, missglückt sind.

Es ist also von äusserster Wichtigkeit, dieses Spiel der Bourgeoisie zu entlarven und den Massen den ganzer Betrug des bürgerlichen Parlamentarismus zu zeigen.

Die Praxis der traditionellen sozialistischen Parteien hatte bereits vor dem Weltkriege eine antiparlamentarische Reaktion in die Reihen des Proletariats getragen: die syndikalistisch-anarchistische Reaktion, die jeder politischen Tätigkeit den Wert absprach, um die Aktivität des Proletariats auf das Gebiet der wirtschaftlichen Organisationen zu konzentrieren, und die dadurch die falsche Vorstellung verbreitet hat, dass es ausserhalb der Wahl- und Parlamentstätigkeit keine politische Tätigkeit gibt. Gegen diese Vorstellung wie auch gegen die sozialdemokratische Illusion muss angekämpft werden; diese Auffassung steht der wahren revolutionären Methode ganz fern und führt das Proletariat in seinem Befreiungskampf auf einen falschen Weg.

In der Propaganda ist grössere Klarheit nötig; die Massen brauchen eine einfache und klare Ausdrucksweise.

Von marxistischen Prinzipien ausgehend, schlagen wir vor, dass in Ländern, wo die demokratische Ordnung seit langem entwickelt ist, die Agitation für die Diktatur des Proletariats auf die Propagierung des Boykotts der Wahlen und der demokratischen bürgerlichen Organe aufgebaut wird.

Die grosse Bedeutung, die man der Wahltätigkeit in der Praxis beimisst, enthält eine zweifache Gefahr: Einerseits erweckt sie den Anschein, dass sie die Haupttätigkeit bildet, andererseits nimmt sie alle Kräfte der Partei in Anspruch, wodurch die Arbeit in den übrigen Zweigen der Bewegung lahmgelegt wird. Die Sozialdemokraten sind nicht die einzigen, die den Wahlen eine grosse Bedeutung beimessen. Selbst in den von der Exekutive vorgeschlagenen Leitsätzen heisst es, dass es wichtig sei, in der Wahlkampagne alle Mittel der Agitation anzuwenden (Leitsatz 15).

Die Organisation der Partei, die die Wahltätigkeit ausübt, entwickelt einen ganz besonderen technischen Charakter, der sich von dem Charakter der Organisation, die den revolutionären legalen oder illegalen Bedürfnissen entspricht, stark unterscheidet. Die Partei teilt sich in eine Menge von Wahlkomitees, die sich ausschliesslich mit der Vorbereitung und Mobilisierung der wähler befassen. Wenn es sich um eine alte sozialdemokratische Partei handelt, die sich der kommunistischen Bewegung angeschlossen hat, liegt in der Ausübung der Parlamentsaktion, wie sie früher praktiziert wurde, eine grosse Gefahr. Wir haben zahlreiche Beweise dafür.

Was die in Vorschlag gebrachten und von den Rednern verteidigten Leitsätze betrifft, möchte ich bemerken, dass ihnen eine historische Einleitung vorangeht, mit deren erstem Teil ich fast vollständig einverstanden bin. Es heisst dort, dass die I. Internationale sich des Parlamentarismus zu Agitations-, Kritik- und Propagandazwecken bediente. Später, in der II. Internationale, trat die schädliche Einwirkung des Parlamentarismus zutage, der zum Reformismus und zur Zusammenarbeit der Klassen (Burgfrieden) führte. Daraus wird in der Einleitung der Schluss gezogen, dass die Kommunistische Internationale zur Parlamentstaktik zurückkehren soll zwecks Vernichtung des Parlaments von innen heraus. Die Kommunistische Internationale muss aber im Gegenteil, wenn sie dieselbe Doktrin annimmt wie die I., die ganz verschiedenen historischen Verhältnisse in Betracht ziehen und eine ganz andere Tätigkeit entfalten, nämlich nicht mit der bürgerlichen Demokratie zusammenzuarbeiten.

Der erste Teil der darauffolgenden Leitsätze steht auch mit den von mir unterstützten Ideen in keiner Weise in Widerspruch. Erst wo es sich um die Ausnutzung der Wahlkampagne und der Parlamentstribüne zu Massenaktionen handelt, beginnt der Unterschied. Wir weisen den Parlamentarismus nicht zurück, weil es sich um ein legales Mittel handelt. Man kann ihn aber nicht in derselben Weise benutzen, wie die Presse, die Freiheit der Vereinigung usw. Hier handelt es sich um ein Aktionsmittel und dort um eine bürgerliche Institution, die durch proletarische Institutionen, durch Arbeitersowjets ersetzt werden muss. Wir denken nicht daran, nach der Revolution von der Ausnutzung der Presse, der Propaganda usw. abzustehen; aber wir sind bestrebt, zu allererst den demokratischen Apparat zu vernichten und an seine Stelle die Diktatur des Proletariats aufzurichten. Das ist ebenso wenig ein von uns behauptetes Argument wie das über die »Führer« der Bewegung. Es kann gar nicht in Frage kommen, dass die Führer abgeschafft werden könnten.

Wir wissen sehr gut, und wir haben es den Anarchisten seit Beginn des Krieges gesagt, dass es nicht richtig ist, den Parlamentarismus abzulehnen, um die Führer abzuschaffen. Wir werden ihrer immer bedürfen als Propagandisten, Journalisten etc.

Gewiss ist in der Revolution eine zentralisierte Partei notwendig, die die Tätigkeit des Proletariats leitet. Diese Partei braucht selbstverständlich auch Führer; aber die Rolle der Partei, die Rolle der Führer ist eine ganz andere, als sie es bei den Sozialdemokraten war. Die Partei leitet die Tätigkeit des Proletariats in dem Sinne, dass sie die gefährlichste Arbeit verrichtet, die die grösste Aufopferung verlangt. Die Leiter der Partei sind nicht nur Führer der siegreichen Revolution, sie sind es auch, die bei einer Niederlage zuerst unter den Schlägen der Feinde fallen. Ihre Stellung ist eine ganz andere als die Stellung der Parlamentsführer, die die vorteilhaftesten Posten in der bürgerlichen Gesellschaft einnehmen.

Man sagt uns: Man kann auch von der Rednerbühne des Parlaments aus Propaganda machen. Darauf will ich mit einem etwas kindlichen Beweisgrund antworten: Was man auf der Rednertribüne des Parlaments sagt, wird in der Presse wiederholt. Wenn es sich um die bürgerliche Presse handelt, wird alles falsch dargestellt sein, handelt es sich aber um unsere Presse, so ist es verlorene Mühe, das, was später gedruckt wird, vorher auf der Rednerbühne vorzutragen.

Die von dem Redner angeführten Beweise werden unseren Leitsätzen keinen Abbruch tun. Liebknecht hat im Reichstag in einer Zeit gewirkt, in der wir die Möglichkeit der Parlamentstätigkeit anerkannten, um so mehr, da es sich damals nicht darum handelte, den Parlamentarismus selbst zu sanktionieren, sondern die bürgerliche Macht zu kritisieren.

Wenn wir aber Liebknecht, Höglund und die übrigen wenig zahlreichen Fälle der revolutionären Tätigkeit im Parlament auf eine Waagschale legen und in die andere die ganze Masse des Verrats der Sozialdemokraten, so wird das Ergebnis für den revolutionären Parlamentarismus durchaus ungünstig sein.

Die Parlamentstätigkeit der Bolschewiki in der Duma, im Vorparlament Kerenskis, in der Konstituierenden Versammlung wurde unter ganz anderen Verhältnissen ausgeübt, als es die sind, unter denen wir vorschlagen, die Parlamentstaktik zu verlassen. Ich will nicht auf den Unterschied zurückkommen, der zwischen der Entwicklung der russischen Revolution und der Revolution in den anderen bürgerlichen Ländern liegt.

Ich bin auch nicht für den Gedanken, dass man die Wahlen in die bürgerlichen kommunalen Institutionen ausnützen muss. Ein sehr wichtiges Problem kann ich aber nicht mit Schweigen übergehen. Ich denke daran, die Wahlkampagne zu Agitations- und Propagandazwecken für die kommunistische Revolution auszunutzen; aber diese Agitation wird um so wirksamer sein, je kräftiger wir den Massen den Boykott der bürgerlichen Wahlen predigen.

Man kann übrigens nicht voraussehen, worin die zerstörende Tätigkeit bestehen könnte, die die Kommunisten im Parlament ausüben könnten. Der Referent legt uns über diese Frage den Entwurf einer Bestimmung hinsichtlich der Tätigkeit der Kommunisten im bürgerlichen Parlament vor. Das ist sozusagen die reine Utopie. Es wird nie gelingen, eine Parlamentstätigkeit zu entfalten, die den Prinzipien des Parlamentarismus widerspricht und aus den Grenzen der Parlamentsbestimmungen heraustritt.

Jetzt noch ein paar Worte über die Argumente des Genossen Lenin, die er in seiner Broschüre über den »linken« Kommunismus anführt.

Ich glaube nicht, dass man unsere antiparlamentarische Tendenz für eine solche halten kann, die den Austritt aus den Gewerkschaften fordert.

Die Gewerkschaft ist immerhin, wenn auch verdorben, ein Arbeitermilieu. Aus den sozialdemokratischen Gewerkschaften austreten – hiesse die Auffassung der Syndikalisten teilen, die sich in revolutionären Kampforganen von einem anderen ökonomischen Typus vereinen wollen.

Das ist vom marxistischen Standpunkt aus ein Irrtum, der nichts mit den Argumenten zu tun hat, auf die sich unser Antiparlamentarismus stützt.

In den Leitsätzen heisst es jedoch, dass die Frage des Parlamentarismus für die kommunistische Revolution erst an zweiter Stelle komme; anders aber stehe es um die Frage der Gewerkschaften.

Ich finde, dass man aus der Opposition gegen die Parlamentstätigkeit kein endgültiges Urteil über einzelne Genossen oder kommunistische Parteien fällen kann. Genosse Lenin beschreibt uns in seinem interessanten Werk eine kommunistische Taktik, indem er seine sehr weite Tätigkeit bestimmt, auf Grund einer sehr aufmerksamen Analyse der Situationen in der bürgerlichen Welt, und er macht den Vorschlag, bei dieser Analyse in den kapitalistischen Ländern die Erfahrungstatsachen der russischen Revolution anzuwenden.

Er betont auch die Notwendigkeit, dem Unterschied zwischen den verschiedenen Ländern Rechnung zu tragen.

Ich unternehme es nicht, diese Methode hier zu erörtern.

Ich will nur bemerken, dass eine marxistische Bewegung in den demokratischen westlichen Ländern eine viel direktere Taktik verlangt, als die Taktik, die in der russischen Revolution angewandt wurde.

Genosse Lenin beschuldigt uns, das Problem der kommunistischen Aktion im Parlament ausschalten zu wollen, weil uns seine Lösung zu schwierig erscheint und weil die antiparlamentarische Taktik die geringste Anstrengung kostet.

Wir sind vollständig darin einig, dass die Aufgaben der proletarischen Revolution sehr gross und schwierig sind. Wir sind überzeugt, dass wir, wenn wir nach dem Problem der Parlamentsaktion auch die übrigen viel wichtigeren Probleme erörtert und bestimmt haben, doch nicht weitergekommen sein werden, und dass ihre Lösung nicht so einfach sein wird, wie wir es uns denken.

Deshalb beabsichtigen wir, die Hauptkräfte der kommunistischen Bewegung für wichtigere Gebiete, als das Parlament es ist, zu verwenden.

Wir schrecken vor keinen Schwierigkeiten zurück. Wir bemerken nur, dass die opportunistischen Parlamentarier, die auch eine leichte Taktik einschlagen, deshalb durch ihre parlamentarische Tätigkeit nicht weniger mit Arbeit belastet sind.

Daraus schliessen wir, dass wir zur Lösung des Problems des kommunistischen Parlamentarismus nach den vorgeschlagenen Leitsätzen (wenn wir diese Lösung annehmen) eine grosse Anstrengung und eine unermüdliche Tätigkeit brauchen werden, und dass dann für die wirklich revolutionäre Tätigkeit wenig Mittel und Energie zurückbleiben werden.

Man kann nicht schon in der bürgerlichen Welt diejenigen Etappen auf politischem Gebiet durchmachen, die erst nach Ausbruch der Revolution durch die ökonomische Umwandlung des Kapitalismus zum Kommunismus ausgekämpft werden müssen.

Der Übergang der Macht von den Ausbeutern an die Ausgebeuteten zieht eine Veränderung in dem Vertretungsapparat nach sich. Der bürgerliche Parlamentarismus muss durch das Sowjetsystem ersetzt werden.

Die alte demokratische Maske des Klassenkampfes muss zerrissen werden, damit die direkte revolutionäre Aktion eingeleitet werden kann.

Das ist unser Standpunkt dem Parlamentarismus gegenüber, ein Standpunkt, der mit der revolutionären marxistischen Methode in vollem Einklang steht.

Ich kann mit einer Ansicht schliessen, die wir mit dem Genossen Bucharin teilen. Diese Frage kann und darf nicht dazu beitragen, dass eine Spaltung in der marxistischen Bewegung stattfindet.

Wenn die Kommunistische Internationale die Schaffung eines kommunistischen Parlamentarismus auf sich nehmen will, unterwerfen wir uns ihrer Bestimmung. Wir glauben nicht, dass dieser Plan gelingen wird; aber wir erklären, dass wir nichts unternehmen werden, um dieses Werk umzustossen.

Ich wünsche, dass der nächste Kongress der Kommunistischen Internationale nicht über die Resultate der Parlamentsaktion zu debattieren braucht, sondern viel mehr die Siege der kommunistischen Revolution in einer grossen Anzahl von Ländern prüfen wird.

Sollte das nicht möglich sein, so wünsche ich dem Genossen Bucharin, dass er uns ein weniger trauriges Bild des kommunistischen Parlamentarismus vorlegen kann, als das, mit welchem er diesmal seine Einleitung beginnen musste.

(Genosse Bordiga verliest darauf folgende Leitsätze:)

Leitsätze über den Parlamentarismus, aufgestellt vom Genossen Bordiga im Namen der kommunistischen abstentionistischen Fraktion der Sozialistischen Partei Italiens.

1. Der Parlamentarismus ist die Form der politischen Vertretung, die der kapitalistischen Ordnung eigen ist. Die prinzipielle Kritik der kommunistischen Marxisten an dem Parlamentarismus und der bürgerlichen Demokratie führt im allgemeinen zu der Feststellung, dass das allen Bürgern aller sozialen Klassen gewährte Stimmrecht bei den Wahlen in die Vertretungskörper des Staates es nicht verhindern kann, dass jeder Regierungsapparat des Staates zum Komitee des Schutzes der Interessen der herrschenden kapitalistischen Klasse wird und dass der Staat sich als das historische Organ des Kampfes der Bourgeoisie gegen die proletarische Revolution organisiert.

2. Die Kommunisten bestreiten die Möglichkeit, dass die Arbeiterklasse je die Macht erobert durch die Mehrheit der Parlamentsmandate. Allein der bewaffnete revolutionäre Kampf wird sie zu ihrem Ziele führen. Die Eroberung der Macht durch das Proletariat, die den Ausgangspunkt des ökonomischen kommunistischen Aufbaus bildet, führt zur gewaltsamen und sofortigen Beseitigung der demokratischen Organe und zu ihrem Ersatz durch Organe der proletarischen Macht – durch Arbeiterräte. Die Ausbeuterklasse wird auf diese Weise jedes politischen Rechts beraubt und die Diktatur des Proletariats, d. h. ein Regierungssystem mit Klassenvertretung errichtet. Die Beseitigung des Parlamentarismus wird zur historischen Aufgabe der kommunistischen Bewegung. Mehr noch: die repräsentative Demokratie ist gerade die erste Form der bürgerlichen Gesellschaft, die gestürzt werden muss, und zwar noch früher als das kapitalistische Eigentum, noch früher als die bürokratische Staatsmaschinerie.

3. Das gleiche muss mit den Kommunaleinrichtungen geschehen, die man den Staatsorganen nicht theoretisch gegenüberstellen sollte. In Wirklichkeit ist ihr Apparat identisch mit dem Staatsmechanismus der Bourgeoisie. Sie müssen vom revolutionären Proletariat ebenfalls vernichtet und durch örtliche Sowjets der Arbeiterdeputierten ersetzt werden.

4. Im gegenwärtigen Augenblick ist es die Aufgabe der Kommunisten, in ihrem Bestreben, die Revolution geistig und materiell vorwärtszutreiben, das Proletariat vor allem von den Illusionen und Vorurteilen zu befreien, die durch den Verrat der alten sozialdemokratischen Führer in den Massen verbreitet werden. In den Ländern, in denen seit langer Zeit eine demokratische Ordnung herrscht, die in den Gewohnheiten und dem Gedankenkreis der Massen, wie auch der alten sozialistischen Parteien eingewurzelt ist, ist diese Aufgabe von besonderer Wichtigkeit und tritt unter den Problemen der Vorbereitung zur Revolution an die erste Stelle.

5. Die Teilnahme an den Wahlen und an der parlamentarischen Tätigkeit während einer Zeit, in der man vom Gedanken der Eroberung der Macht durch das Proletariat noch weit entfernt war und als noch nicht die Rede von direkten Vorbereitungen für die Revolution und von der Verwirklichung der Diktatur des Proletariats war, kann grosse Möglichkeiten für Propaganda, Agitation und Kritik bieten. Andererseits kann in solchen Ländern, wo noch erst eine bürgerliche Revolution im Gang ist und neue Institutionen schafft, der Eintritt der Kommunisten in die Vertretungskörper, die sich noch im Stadium der Bildung befinden, einen grossen Einfluss auf die Entwicklung der Ereignisse haben, um einen glücklichen Ausgang der Revolution und den endgültigen Sieg des Proletariats herbeizuführen.

6. In der gegenwärtigen historischen Epoche, die mit dem Ende des Weltkrieges und seinen Folgen für die soziale Organisation der Bourgeoisie, mit der russischen Revolution als erster Verwirklichung der Idee der Eroberung der Macht durch das Proletariat und der Bildung der neuen Internationale im Gegensatz zur Sozialdemokratie der Verräter begonnen hat, – und in den Ländern, in denen die demokratische Ordnung seit langer Zeit durchgeführt ist, gibt es keine Möglichkeit, die Parlamentstribüne für die revolutionäre Sache des Kommunismus auszunutzen. Die Klarheit der Propaganda nicht weniger als die Vorbereitungen des endgültigen Kampfes für die Diktatur des Proletariats erfordern, dass die Kommunisten eine Agitation für den Boykott der Wahlen von seiten der Arbeiter führen.

7. Unter diesen historischen Bedingungen, unter denen die revolutionäre Eroberung der Macht durch das Proletariat zum Hauptproblem der Bewegung geworden ist, muss jede politische Tätigkeit der Partei diesem Ziel gewidmet sein. Es ist notwendig, mit der bürgerlichen Lüge ein für allemal zu brechen, mit der Lüge, die glauben machen will, dass jedes Zusammentreffen der feindlichen Parteien, jeder Kampf um die Eroberung der Macht, sich im Rahmen des demokratischen Mechanismus, in Wahlkämpfen und parlamentarischen Debatten abspielen muss. Es wird nicht gelingen, dieses Ziel zu erreichen, ohne dass man sich von der traditionellen Methode, die Arbeiter zur Teilnahme an den Wahlen aufzufordern, wo sie Seite an Seite mit der bürgerlichen Klasse arbeiten, völlig lossagt, ohne dem Schauspiel ein Ende zu machen, dass die Delegierten des Proletariats auf dem gleichen parlamentarischen Boden wie seine Ausbeuter stehen.

8. Die ultraparlamentarische Praxis der alten sozialistischen Parteien hat die gefährliche Auffassung verbreitet, dass jede politische Aktion nur in Wahlkämpfen und parlamentarischer Tätigkeit besteht. Andererseits hat die Abneigung des Proletariats gegen diese Verräterei den syndikalistischen und anarchistischen Tendenzen, die der politischen Aktion und der Tätigkeit der Partei jeden Wert absprechen, einen fruchtbaren Boden geschaffen. Daher werden die kommunistischen Parteien mit der Propagierung der revolutionären marxistischen Methode niemals einen grossen Erfolg erzielen, wenn sie ihre Arbeit nicht unmittelbar auf die Diktatur des Proletariats und auf die Arbeiterräte stützen und auf jede Berührung mit der bürgerlichen Demokratie verzichten.

9. Die überaus grosse Bedeutung, die man in der Praxis den Wahlkämpfen und ihren Ergebnissen beimisst, die Tatsache, dass die Partei ihnen für einen ziemlich langen Zeitraum alle ihre Kräfte und ihre Hilfsquellen an Menschen, Presse und ökonomischen Mitteln widmet, bringt es einerseits mit sich, dass trotz aller Versammlungsreden und allerlei theoretischen Erklärungen die Überzeugung gestärkt wird, dass dies die wirkliche Hauptaktion zur Erreichung der kommunistischen Ziele ist; andererseits führt sie zum beinahe völligen Verzicht auf jede Arbeit der revolutionären Organisation und Vorbereitung, indem sie der Parteiorganisation einen technischen Charakter gibt, der im völligen Gegensatz zu den Anforderungen der legalen und illegalen revolutionären Arbeit steht.

10. Was die Parteien anbetrifft, die sich durch einen Mehrheitsbeschluss der Kommunistischen Internationale angeschlossen haben, so verhindert die weitere Teilnahme an den Wahlkämpfen die erforderliche Aussiebung der sozialdemokratischen Elemente, ohne deren Beseitigung die Kommunistische Internationale ihre historische Rolle nicht wird durchführen können.

11. Der eigentliche Charakter der Debatten, die sich im Parlament und in anderen demokratischen Organen abspielen, schliesst jede Möglichkeit aus, von der Kritik an der Politik der Gegenparteien zu einer Propaganda gegen das Prinzip des Parlamentarismus überzugehen, zu einer Aktion, die die Grenzen der parlamentarischen Verfassung überschreitet, ebenso wie es unmöglich ist, ein Mandat zu erhalten, welches das Recht zu sprechen gibt, wenn man sich weigert, sich allen Formalitäten des Wahlverfahrens zu unterwerfen.
Der Erfolg des parlamentarischen Gefechts kann bloss durch die Geschicklichkeit in der Benutzung dieser gemeinsamen Waffe der Prinzipien, auf die sich die Institution selbst gründet, und durch Ausnützung der Feinheiten des Reglements errungen werden, ebenso wie der Erfolg des Wahlkampfes immer mehr nach der Anzahl der Stimmen und der erhaltenen Mandate beurteilt werden wird.
Jedes Bestreben der kommunistischen Parteien, der Praxis des Parlamentarismus einen ganz anderen Charakter zu verleihen, wird bloss zu einem Bankrott der Energie führen, die man dieser Sisyphusarbeit wird opfern müssen. Die Sache der kommunistischen Revolution fordert unverzüglich zur direkten Aktion gegen das kapitalistische System der Ausbeuter auf.

Sinowjew. Im Namen des Büros habe ich Euch folgenden Vorschlag zu unterbreiten: Es haben sich 19 Redner zum Wort gemeldet. Wir meinen aber, dass wir von heute ab etwas schneller arbeiten müssen, damit wir am Donnerstag schliessen können. Es gibt jetzt zwei Entwürfe von Leitsätzen, und daher schlagen wir vor, Generalredner aufzustellen, z. B. – drei Redner für die Leitsätze Bucharin und drei für die Leitsätze Bordiga und sich für diese Frage damit zu begnügen.

Radek. Ich schlage vor, einen Redner für und einen gegen die Parlamentsbeteiligung sprechen zu lassen. Diese ganze parlamentarische Geschichte hängt einem zum Halse heraus. Die allgemeinen Argumente wurden bereits genügend breitgetreten. Ich schlage vor, in dieser Frage nur noch einem Redner dafür und einem dagegen das Wort zu geben und dann den zwei Koreferenten.

(Es wird über beide Anträge abgestimmt. Der Antrag Sinowjews wird angenommen.)

Sinowjew. Jetzt müssen wir eine kleine Enquete veranstalten. Ich werde fragen, wer für die Leitsätze Bordiga und wer für die Leitsätze Bucharin ist.

Beide Gruppen sollen sich sammeln und ihre Generalredner aufstellen.

Gallacher. Es tut mir leid, feststellen zu müssen, dass auch die Kommunistische Internationale auf dem Wege ist, opportunistisch zu werden. Statt Mittel und Wege zu finden, um in die Massen einen Geist der Empörung hineinzutragen, denkt man hier daran, wie man sich an den parlamentarischen Wahlen beteiligen soll. Es ist naiv, zu glauben, dass, wenn unzuverlässige Elemente in das Parlament hineinkommen, sie in der Richtung der Kommunistischen Internationale und der Revolution kämpfen werden. In England gibt es dafür manches Beispiel. Was tut man dort? Man denkt hauptsächlich daran, wie man sich legal an den Wahlen beteiligen kann. Man hat oft gesagt: Wenn man in das Parlament hineingeht, kann man dort Reden halten und dadurch agitieren. Das Ergebnis ist aber, dass das Proletariat sich daran gewöhnt, an die demokratischen Institutionen zu glauben. Von denen, die in das Parlament kommen, kann man keine Aktionen verlangen. Die kommunistischen Parteien der ganzen Welt haben jetzt etwas anderes zu tun, als Zeit für die parlamentarischen Wahlen zu verlieren. Jetzt gilt es, unter der Führung der Exekutive die revolutionären Mittel und Wege und die Taktik zu studieren. Und jetzt will man stattdessen die Aufmerksamkeit von diesem Ziele ablenken. Die kommunistische Partei, die sich in England bildet, schwört darauf, der Kommunistischen Internationale anzugehören. Aber das ist Mode, wie es auch Mode ist, sich für die Diktatur des Proletariats auszusprechen.

Was sollen wir sagen? Ist man vorbereitet, für die Diktatur des Proletariats zu wirken? Ich sage: nein. Liebknecht hat gewiss Grosses getan, aber nur insofern, als er auch ausserhalb des Parlaments unter den Massen wirkte. Wenn er nur im Parlament geredet hätte, so wäre er am Leben geblieben wie MacDonald und viele andere auch. Was das russische Beispiel anbetrifft, so hat es seine eigene Geschichte, die man aber nicht verallgemeinern darf. Der Kampf und die Erfahrungen der russischen Revolutionäre sind durch Tränen und Blut geschmiedet worden. Das Verhalten der Bolschewiki in der russischen Duma ist ein Ergebnis der vieljährigen schweren Kämpfe der Arbeitermasse. Die Kommunistische Internationale wie auch die Völker aller Länder stehen jetzt vor einer Alternative. Es gibt zwei Taktiken; die eine, die im Volke durch allerlei demokratische Phrasen das Gefühl der Unterwerfung entwickelt, die andere, die darin besteht, den revolutionären Geist in den Massen zu entwickeln. Das Beispiel des Deputierten Maclean, der in grossen Wahlversammlungen davon sprach, er sei Bolschewik und würde das ganze Parlament stürzen, ist typisch. Seit Maclean im Parlament ist, ist er ein kleinbürgerlicher Sozialist, der erklärt, er sei kein Bolschewik. Unsere Energie muss nur darauf verwandt werden, den revolutionären Kampf in den Massen zuzuspitzen. Die Kommunistische Internationale befindet sich jetzt vor der Alternative, entweder den Weg der Unterwerfung oder den des Kampfes zu gehen.

Schablin [Iwan Nedelkow]. Genossen! Die Kommunistische Partei Bulgariens besitzt in bezug auf den Parlamentarismus bereits Erfahrungen, die zeigen, dass die kommunistischen Parteien dort, wo noch ein bürgerliches Parlament vorhanden ist, den Kampf der revolutionären Arbeitermassen mit dem Kampfe im Parlament Hand in Hand führen können und müssen. Wenn die uns vom Genossen Bordiga vorgelegten Leitsätze auch eine marxistische Phraseologie aufwerfen, muss doch gesagt werden, dass sie nichts mit der wirklich marxistischen Idee gemein haben, der zufolge die kommunistische Partei jede uns von der Bourgeoisie gebotene Möglichkeit ausnutzen muss, um mit den unterdrückten Massen in Berührung zu kommen und den kommunistischen Ideen unter ihnen zum Siege zu verhelfen. Diese Leitsätze enthalten nur die Reste der kleinbürgerlichen Vorurteile, die in der Arbeiterbewegung mancher Länder noch vorhanden sind. Ich glaube, dass die Erfahrung Bulgariens die beste Antwort auf die Leitsätze des Genossen Bordiga gibt, und deshalb bitte ich, meiner kurzen Einleitung zu dieser Frage ein wenig Aufmerksamkeit zu schenken, umsomehr, da sie keine leeren, sogenannten marxistischen Phrasen, sondern aus dem Leben herausgegriffene Tatsachen enthält.

Die Kommunistische Partei Bulgariens hat gegen den Balkankrieg 1912–13 energisch angekämpft, und als dieser Krieg mit einer Niederlage und einer tiefgehenden wirtschaftlichen Krise für das Land endete, war der Einfluss der Partei in den Massen soweit gewachsen, dass sie bei den Wahlen in die gesetzgebenden Körperschaften im Jahre 1914 auf Grund einer streng prinzipiellen Agitation 45 000 Stimmen und 11 Mandate im Parlament erhielt. Die Parlamentsgruppe hat mehrmals heftig gegen den Entschluss der bulgarischen Regierung, sich an dem europäischen Kriege zu beteiligen, protestiert und hat jedesmal demonstrativ gegen die Kriegsanleihen gestimmt. Die Partei hat mit Hilfe von Broschüren und illegalen Flugblättern, durch eifrige Agitation und Propaganda einen heftigen Kampf gegen den einmal erklärten imperialistischen Krieg begonnen, sowohl im Innern des Landes, als auch an der Front.

Diese revolutionäre Tätigkeit erwirkte die Verfolgung der Parlamentsgruppe und der ganzen Partei. Drei kommunistische Deputierte, Lukanow, Dimitrow und Ziporanow wurden in der Kriegszeit durch das Feldgericht zu 3–5 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt, für einige Monate in Haft gesetzt und dann befreit. Hunderte von Genossen wurden zu den verschiedensten Strafen verurteilt, und eine Anzahl Kommunisten sind erschossen worden. Der Generalstab der Armee hatte den Soldaten verboten, unser Parteiorgan »Rabotnitscheski Westnik« zu lesen, und Soldaten, die das Verbot übertraten, wurden verhaftet, verfolgt und erschossen.

Dieser erbitterte Kampf gegen den Krieg, der vollständige Bankrott der Eroberungspolitik der Bourgeoisie, sowie die durch den Krieg verursachte schwere Krise haben der Kommunistischen Partei die Möglichkeit gegeben, ihr Arbeitsfeld und ihren Einfluss in den Massen zu erweitern und die stärkste politische Partei unseres Landes zu werden. Bei den Parlamentswahlen 1919 erhielt die Kommunistische Partei 120 000 Stimmen und zog mit 47 kommunistischen Deputierten ins Parlament ein. Die Sozialpatrioten, die »Sozialisten«, konnten nur 34 Vertreter stellen, trotzdem das Ministerium des Innern sich in den Händen eines der Führer dieser Partei befand, in den Händen des bulgarischen Noske traurigen Angedenkens, Pastuchov.

Der Erfolg der Kommunistischen Partei und deren Ausnutzung der Parlamentstribüne zu revolutionären Zwecken veranlasste die erschreckte Bourgeoisie, die Kammer aufzulösen. Es wurden Neuwahlen ausgeschrieben, die im März 1920 stattfanden. Auch diese Wahlen ergaben trotz des von der Regierung ausschliesslich gegen uns gerichteten Terrors (Tausende von Genossen wurden verhaftet, Hunderte in den Gefängnissen misshandelt und geschlagen, viele getötet; man hat die Militärgerichte, die Zensur, die Gendarmerie, die reguläre Armee, die weisse Armee und die ganze Regierungsmaschinerie der Vernichtung und Unterdrückung gegen uns gerichtet) einen glänzenden Sieg der Kommunistischen Partei. Sie hat nicht nur ihre eroberten Stellungen behalten, sondern sie vielmehr stark gefestigt. Sie erhielt 187 000 Stimmen und 50 Deputierte, und die Anzahl der Mandate der »Sozialisten« fiel von 39 auf 9. Die Regierung befand sich nun in der Minderheit. Um sich eine Mehrheit zu schaffen, entzog man neun kommunistischen Deputierten ihre Mandate und stiess sie aus dem Parlament aus. Auf diese Weise wurde die kommunistische Parlamentsgruppe von der Regierung auf 41 Deputierte herabgesetzt. Durch diese Tatsache hat die Bourgeoisie die Maske ihrer Loyalitätsheuchelei lüften müssen. In den Augen der Massen wurden dadurch die Grundlagen der Gesetzmässigkeit des demokratischen bürgerlichen Parlaments zerstört und sein Einfluss auf die werktätigen Massen des Landes beeinträchtigt. Die Arbeiter und die Bauern der beiden Wahlkreise von Philippopel und von Wratza, deren Vertreter aus dem Parlament vertrieben worden waren, versammelten sich in grossen Protestversammlungen, auf denen sie für die Vernichtung des bürgerlichen Parlaments kämpften, in dem die wirklichen Volksvertreter keinen Zugang haben, und auf dem sie sich für die Schaffung von Arbeiter- und Bauernsowjets erklärten.

Die Kommunistische Partei hat den Wahlkampf auf Grund ihres auf dem Kongress vom Mai 1919 angenommenen kommunistischen Programms geführt; sie hat offen erklärt, dass sie keine der Illusionen hinsichtlich des Parlaments verteidigt, dass die Eroberung der Macht durch das Proletariat nur durch die revolutionäre Aktion der Massen möglich ist, indem man bis zum bewaffneten Aufstand der Arbeiter und Bauern und zur Vernichtung des Parlaments und des bürgerlichen Staates selbst gehen muss.

Die Kommunistische Partei führt im Parlament einen unerbittlichen Kampf gegen die rechten wie auch die linken bürgerlichen Parteien. Sie unterzieht alle Gesetzentwürfe der Regierung einer strengen Kritik und benutzt jede Gelegenheit, um ihren prinzipiellen Standpunkt und ihre Losungen zu entwickeln. Auf diese Weise nutzt die Kommunistische Partei die Parlamentstribüne aus, um ihre Agitation unter den Massen auf breitester Grundlage zu entwickeln; sie zeigt den Werktätigen die Notwendigkeit, für die Arbeiter- und Bauernsowjets zu kämpfen, zerstört die Autorität und den Glauben an die Wichtigkeit des Parlaments und fordert die Massen auf, die Diktatur des Proletariats an die Stelle der Diktatur der Bourgeoisie zu setzen. Die Kommunistische Partei Bulgariens kämpft zugleich im Parlament und unter den Massen. Die Parlamentsgruppe hat an dem grossen Streik der Transportarbeiter, der 53 Tage, vom Dezember 1919 bis zum Februar 1920, gedauert hatte, den regsten Anteil genommen. Für diese revolutionäre Tätigkeit wurden die kommunistischen Deputierten von der Regierung des Schutzes der Gesetze beraubt, und mehrere Deputierte wurden verhaftet. Die Genossen Stefan Dimitrow, der Vertreter von Dubnitza, und Temelke Nenkow, der Vertreter von Pernik, wurden, der erste zu 12, der zweite zu 5 Jahren Gefängnis verurteilt, weil sie sich mit den Waffen in der Hand der Staatsgewalt widersetzt hatten. Diese beiden Genossen schmachten heute im Gefängnis. Ein dritter kommunistischer Abgeordneter, Genosse Kesta Ziporanow, wird von den militärischen Justizbehörden wegen Hochverrats verfolgt. Die Mitglieder des Zentralkomitees, drei Abgeordnete, werden verfolgt, weil sie im Parlament und in den Massen einen energischen Kampf gegen die Regierung, die die russischen Gegenrevolutionäre unterstützte, geführt haben. Man befreite sie vorläufig aus der Haft gegen eine Haftsumme von 300 000 Lew, die von dem Proletariat Sofias im Laufe von 2 Tagen gezeichnet und eingezahlt wurden. Alle Reden der kommunistischen Abgeordneten gegen die Bourgeoisie in der Kammer sind von solch einer Heftigkeit, dass sie häufig mit einem grossen Skandal enden und es zu Tätlichkeiten zwischen der Regierungsmehrheit und der kommunistischen Gruppe kommt.

Die kommunistische Parlamentsgruppe befindet sich unter der unmittelbaren Kontrolle des Zentralkomitees. Die Deputierten arbeiten beständig unter den Massen und nützen ihre bevorzugte Stellung aus, um an allen Kämpfen des Proletariats den regsten Anteil zu nehmen.

Zu Beginn des Jahres 1919 tauchte in der Partei eine schwache Strömung gegen die Beteiligung an den Parlamentswahlen auf. Die Vertreter dieser Richtung forderten die Boykottierung des bürgerlichen Parlaments. Aber der nationale Parteikongress, der im Mai 1919 in Sofia zusammentrat, verwarf diesen Standpunkt einstimmig und stellte sich auf den Standpunkt des Zentralkomitees. Er beschloss, die Wahlen für den revolutionären Kampf des Proletariats gegen das bürgerliche Parlamentssystem für die Arbeiter- und Bauernsowjets auszunutzen. Dieser Standpunkt wurde nach einiger Zeit durch ein Zirkular des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale wie auch durch die Ergebnisse, die wir bei den Wahlen ins Parlament und in die Gemeindevertretungen für die Entwicklung unserer politischen und gewerkschaftlichen Organisation erzielt haben, bestätigt.

Der Wahlkampf, wie auch der Kampf im Parlament und in den Gemeinden, haben viel dazu beigetragen, die kommunistischen Organisationen zu entwickeln und zu festigen und das kommunistische Selbstbewusstsein der proletarischen Massen zu wecken. Die Partei zählt heute 40 000 Anhänger, die Gewerkschaftsvereinigung 35 000 Arbeiter, und das tägliche Parteiorgan erscheint in 30 000 Exemplaren.

Die Kommunistische Partei hat sich auch an den Wahlen der Gemeinde- und Provinzialvertretungen beteiligt. In den Gemeindewahlen im Dezember 1919 und in den Provinzialwahlen im Januar 1920 hat die Partei 140 000 Stimmen erhalten und die Mehrheit in den Gemeinden, fast in allen Städten und in etwa hundert Dörfern erkämpft. In vielen anderen Stadt- und Dorfgemeinden ist die Partei durch starke Minderheiten vertreten. Für die Gemeinde- und Provinzialvertretung besitzt die Partei ein Programm für die Organisierung von Arbeiter- und Bauernsowjets in den Städten und Dörfern, deren besondere Sektionen sich im Moment der Revolution substituieren und die Funktionen der Gemeinde- und Provinzialvertretungen zu übernehmen haben.

Bis jetzt kämpft die Kommunistische Partei in den Gemeinden in denen sie die Mehrheit besitzt, für ihre Autonomie; sie ruft den Arbeitern und den ärmeren Bauern zu, durch Massenaktionen die von den kommunistischen Gemeinden angenommenen Budgets zu unterstützen, durch welche die Bourgeoisie mit einer progressiven Steuer belastet werden soll, die sich bis zur Konfiszierung des Kapitals ausdehnen kann und die Arbeiterklasse von allen Steuern befreit, wodurch grosse Summen für öffentliche Arbeiten, Volksschulen und andere ausschliesslich den Interessen der Arbeiter und der Armen dienende Zwecke angesetzt werden und die Sonderinteressen der Minderheit der Bourgeoisie und der Kapitalisten vollständig unberücksichtigt bleiben. Wir nutzen den in den kommunistischen Gemeinden geführten Kampf aus, um den Massen verständlich zu machen, dass sie allein durch ihre Organisationen der Zentralgewalt Achtung vor den durch die kommunistischen Kommunalvertretungen gefassten Beschlüssen in der Verpflegungs-, Wohnungs- und Teuerungsfrage, wie auch in allen übrigen unmittelbaren Nöten der Arbeiterbevölkerung einflössen können.

Alle Vorschläge der kommunistischen Gemeindevertretungen werden dem örtlichen Parteikomitee vorgelegt und darauf einer allgemeinen Erörterung in den Versammlungen unterzogen, an denen die ganze Arbeiterbevölkerung teilnehmen und ihre Meinung aussprechen kann. Strittige Fragen werden einer Abstimmung unterzogen. Die kommunistischen Abgeordneten in den Gemeindevertretungen aller Bezirke werden durch eine Zentralkommission geleitet, die ihren Sitz in Sofia hat und sich unter der Kontrolle des Zentralkomitees der Partei befindet.

Es ist verständlich, dass die bürgerliche Zentralgewalt eine solche Tätigkeit der kommunistischen Gemeinden nicht dulden kann. Unter lächerlichen Vorwänden hat sie Verfolgungen der kommunistischen Versammlungen eingeleitet, um die revolutionäre Tätigkeit unserer Partei in diesen Gemeinden lahmzulegen. Die Regierung hat die kommunistische Mehrheit der Gemeinde von Philippopel verhaftet und den Gemeinderat aufgelöst. Die Regierung hat mehrere Genossen aus verschiedenen kommunistischen Gemeinden verfolgt und gemordet. Aber durch alle diese Verfolgungen gruppieren sich die Arbeitermassen und die Massen der Unzufriedenen nur um so enger um die Kommunistische Partei.

Um unsere »Kommunen« zu verteidigen, rufen wir den Massen zu, uns mit allen Mitteln zu unterstützen. Wir zeigen ihnen die Notwendigkeit, den Kampf auf die Eroberung der zentralen Staatsmacht auszudehnen, die alle Versuche der Arbeiter zunichte macht, ihre Interessen in den Gemeinden durch die Ausführung der von der Mehrheit angenommenen Beschlüsse zu verteidigen. Durch den Kampf, den die Massen zur Verteidigung der kommunistischen Gemeinden führen, kommen sie selbst zu der Überzeugung, dass man den bürgerlichen Staat direkt angreifen muss, und zwar nicht nur mit dem Wahlzettel, sondern vor allem durch direkte Massenaktionen und bewaffnete Aufstände.

Auf diese Weise verwandelt sich der Parlamentarismus in den Gemeinden in den Händen der Kommunistischen Partei in ein mächtiges Mittel, die Massen in Bewegung zu setzen, sie zu organisieren, ihr Klassenbewusstsein zu vertiefen und alle ihre Kräfte zu vereinen in eine allgemeine revolutionäre Kampffront für die Eroberung der zentralen Festung der bürgerlichen Gewalt, des kapitalistischen Staates.

Die Erfahrungen unserer Partei haben gezeigt, dass man die revolutionären Massenaktionen auf der Strasse mit dem revolutionären Kampfe im Parlament und in den bürgerlichen Gemeinden vereinen kann. Deshalb unterstützt unsere Delegation die dem Kongress von dem Exekutivkomitee vorgelegten Leitsätze.

(Die Sitzung wird um 5 Uhr 15 Minuten geschlossen.)



Anmerkungen:
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  1. Die Nummerierung der Sitzungen erfolgt nach der russischen Ausgabe des »Protokolls«. In der deutschen Ausgabe ist die Nummerierung der Sitzungen inkonsistent und unlogisch (1–11, dann 14 & 15). Zum Vergleich:

    Deutsche Ausgabe [Seitenzahl] → Russische Ausgabe/sinistra.net
    Erste Sitzung (19. Juli 1920) [6–56]Erste Sitzung (19. Juli 1920)
    Zweite Sitzung (23. Juli 1920) [57–99]Zweite Sitzung (23. Juli 1920)
    Dritte Sitzung (24. Juli 1920) [100–136]Dritte Sitzung (24. Juli 1920)
    Vierte Sitzung (26 Juli 1920) [137–166]Vierte Sitzung (26 Juli 1920)
    Fünfte Sitzung (28. Juli 1920) [167–233]Fünfte Sitzung (28. Juli 1920)
    Sechste Sitzung (29. Juli 1920) [234–286]Sechste Sitzung (29. Juli 1920)
    ↳Abendsitzung (29. Juli 1920) [287–329]Siebte Sitzung (29. Juli 1920)
    Siebte Sitzung (30. Juli 1920) [330–401]Achte Sitzung (30. Juli 1920)
    Achte Sitzung (2. August 1920) [402–442]Neunte Sitzung (2. August 1920)
    ↳Abendsitzung (2. August 1920) [443–480]Zehnte Sitzung (2. August 1920)
    Neunte Sitzung (3. August 1920) [481–508]Elfte Sitzung (3. August 1920)
    ↳Abendsitzung (3. August 1920) [509–537]Zwölfte Sitzung (3. August 1920)
    Zehnte Sitzung (4. August 1920) [538–570]Dreizehnte Sitzung (4. August 1920)
    ↳Abendsitzung (4. August 1920) [571–606]Vierzehnte Sitzung (4. August 1920)
    Elfte Sitzung (5. August 1920) [607–639]Fünfzehnte Sitzung (5. August 1920)
    Vierzehnte Sitzung (6.August 1920) [640–667]Sechzehnte Sitzung (6.August 1920)
    Fünfzehnte Sitzung (7. August 1920) [668–702]Schlusssitzung (7. August 1920)[⤒]

  2. Die Rechtschreibung wurde stillschweigend verbessert und vereinzelt dem heutigen Gebrauch angepasst. Falschgeschriebene Namen wurden berichtigt, die russischen und bulgarischen Namen sind in deutscher Transkription oder in gebräuchlicher Form wiedergegeben, Namen aus Ländern mit lateinischem Alphabet entsprechend der jeweils heimischen Form. Redaktionelle Zusätze sind in [] kenntlich gemacht.[⤒]


Source: »Der zweite Kongress der Kommunistischen Internationale, Protokoll der Verhandlungen vom 19. Juli in Petrograd und vom 23. Juli bis 7. August in Moskau«, Verlag der Komm. Internationale, Hamburg 1921 / Второй конгресс. Коммунистического Интернационала, Июл–Август 1920 г., Стенографический отчет. Иад. Коммунистического Интернационала, Петроград 1921. Bearbeitung und Digitalisierung: sinistra.net 2021

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