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II. WELTKONGRESS DER KOMMUNISTISCHEN INTERNATIONALE



Content:[2]

Sechzehnte Sitzung des II. Kongresses der Kommunistischen Internationale am 6.August 1920.
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Münzenberg
Redebeitrag Pankhurst
Redebeitrag Goldenberg
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Wijnkoop
Redebeitrag Pankhurst
Redebeitrag McLaine
Redebeitrag Gallacher
Redebeitrag Lenin
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Serrati
Redebeitrag Graziadei
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Wijnkoop
Redebeitrag Serrati
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Bordiga
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Meyer
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Wolfstein
Redebeitrag Meyer
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Münzenberg
Redebeitrag Radek
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Wijnkoop
Redebeitrag Radek
Redebeitrag Wijnkoop
Redebeitrag Maring
Redebeitrag Roy
Redebeitrag Vaněk
Redebeitrag Sinowjew
Redebeitrag Bringolf
Redebeitrag Sinowjew
Anmerkungen
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Sechzehnte Sitzung des II. Kongresses der Kommunistischen Internationale am 6.August 1920.

(Sinowjew eröffnet die Sitzung.)

Sinowjew. Das Büro schlägt vor, den Kongress mit der heutigen Sitzung zu Ende zu führen.

Münzenberg stellt im Auftrage der anwesenden Vertreter der Jugendorganisation den Antrag, den Kongress nicht zu schliessen, ohne die Frage der Jugendbewegung behandelt zu haben. Einerseits haben die Vertreter der Jugendbewegung alles Interesse, die Frage der Kommunistischen Jugendbewegung und ihr Verhältnis zu der Kommunistischen Internationale im Plenum zu besprechen. Andererseits ist auch die Bedeutung der Jugendbewegung für die Kommunistische Partei so wichtig, dass die Behandlung der Frage vor dem gesamten Kongress erfolgen sollte. Vielleicht ist die Erledigung heute noch möglich, dann haben wir nichts gegen den Antrag des Büros. Im anderen Falle soll die Frage der Jugendbewegung besprochen werden.

Sylvia Pankhurst. Man hat schon so lange gesessen, man könnte auch noch einige Zeit tagen. Die Frage, die jetzt verhandelt wird, ist noch nicht genug diskutiert worden. Ich bin gegen die Beendigung der Arbeiten des Kongresses.

Goldenberg. Ich wiederhole, was Münzenberg gesagt hat. Man muss die Jugendfrage diskutieren, bevor der Kongress zu Ende ist.

Sinowjew. Ich möchte den Antrag des Präsidiums verteidigen. Diejenigen Genossen, die leider mit einer grossen Verspätung angekommen sind, wie Sylvia Pankhurst, wissen, dass wir die Frage hier seit zwei Wochen diskutiert und vorher zwei bis drei Monate in der Exekutive diskutiert haben. Darum schlagen wir vor, heute zu schliessen. Denn wir können heute die Jugendfrage nicht gründlich behandeln. Für die Behandlung der Jugendfrage war es sehr nützlich, dass die Vertreter der Jugendbewegung der ganzen Diskussion beigewohnt haben. Es wird vielleicht ratsam für die Jugendbewegung und für die ganze Internationale sein, wenn wir eine Beratung haben, und die Genossen, die schon zwei Wochen von zu Hause weg sind, sollten dahin zurückkehren können. Deshalb wollen wir heute schliessen und die Frage ganz kurz und ohne Debatten lösen.

(Der Antrag wird angenommen.)

Sinowjew. Genossen, wir haben beschlossen, heute den Kongress abzuschliessen. Daher müssen wir ökonomisch mit der Zeit umgehen. Auch haben sich schon 12 Redner zu jeder Frage eingeschrieben. Ich schlage folgendes vor: Neue Amendements, die in der Kommission nicht behandelt worden sind, werden nur veröffentlicht, nicht diskutiert. Die Kommission wird dann endgültig beschliessen. Zweitens: zur Frage des Eintritts in die Labour Party werden nur zwei Redner für und zwei gegen zugelassen.

Wijnkoop. Genossen, ich bin gegen diesen Vorschlag; denn die Frage der Labour Party und der B.S.P. ist von der allergrössten Wichtigkeit. Weil dem so ist – und nicht nur für England, sondern für die ganze Welt –, so scheint es mir notwendig, dass man diese Frage wirklich frei diskutieren kann. Falls man hier nur zwei Redner für den einen Standpunkt und zwei für den anderen zulässt, dann wird in Wirklichkeit nur die britische Delegation etwas über diese Sache sagen können. Zwei vielleicht dagegen, einer dafür und vielleicht wird noch eine Partei ausser der englischen Gelegenheit haben, etwas zu sagen. Das geht doch nicht an. Die Arbeiter der ganzen Welt haben das Recht, zu wissen, warum wir uns für die eine oder die andere Seite entschliessen. Dies ist von ausserordentlicher Bedeutung und ich wäre daher für freie Diskussion in dieser Frage. Aber selbst wenn wir uns nicht zu einer freien Diskussion entschliessen, meine ich, dass zwei Redner dafür und zwei dagegen zu wenig sind. Man sollte jedenfalls noch einigen anderen Parteien die Gelegenheit geben, ihren Standpunkt zu äussern. Ich schlage vor, im Gegensatz zum Präsidium in dieser Sache freie Diskussion zu geben.

(Abstimmung. Der Antrag Sinowjews wird angenommen.)

Pankhurst. Es ist ganz unmöglich, den Arbeitern weiszumachen, welcher Unterschied zwischen der Kommunistischen Partei, der B.S.P. und der Labour Party besteht. Es ist überhaupt sehr charakteristisch für England, dass dort in der Politik keine genaue Demarkationslinie existiert, die besonders den Arbeitern die Möglichkeit geben würde, eine Partei von der anderen zu unterscheiden. Darum ist es schwer, den Arbeitern zu erklären, wodurch die Anhänger der kommunistischen Partei sich von denjenigen, deren Partei sie selbst angehören, unterscheiden würden. Denken Sie an das Beispiel des Genossen Williams, von dem man glaubte, er stände auf dem Standpunkt der Sowjets. Von ihm hat man erfahren müssen, dass er dafür war, dass die englischen Arbeiter Munition nach Polen laden.

Damit soll gesagt werden, wie leicht man sich täuschen kann. Also, einerseits behauptet man, man gehöre zu einer Strömung, und andererseits ist man wegen der Zugehörigkeit zur L.P. gezwungen, eine solche Politik zu treiben. Denken wir an die Stellung in irgend einer Phase des Wahlkampfes, so muss eine Unterscheidungslinie zwischen den Kandidaten bestehen, d. h. man möchte wissen, wer die Kandidaten sind und welche Programme sie vertreten. Ich bestreite, dass das möglich ist, und zwar wegen der Struktur der Labour Party, die von alten Traditionen beherrscht wird. Es handelt sich auch dort um offiziell bezahlte Angestellte. Ausserdem unterliegen alle Mitglieder der Parteien, die der L.P. angehören, der strengsten Disziplin. Und wenn es sich darum handelt, im Parlament in der einen oder der anderen Frage aufzutreten, so unterliegen sie offiziell der Parteidisziplin. Auch bei den Wahlen kann eine lokale Organisation ihre Kandidaten wählen, aber wenn es sich darum handelt, als Kandidat aufgestellt zu werden, so muss er von der Zentrale der Labour Party bestätigt werden. So ist es auch in den einzelnen Reden und Abstimmungen. Diese Art und Weise hat auch schon den Mitgliedern der I.L.P. Zu verstehen gegeben, dass es sehr schwer ist, Anhänger der I.L.P. Zu sein und zur selben Zeit einer anderen Partei anzugehören, weil man durch die Disziplin zu sehr gebunden ist. Ich berufe mich auf einen Ausspruch des Genossen Lenin, der sagt, man solle nicht zu extrem sein. Ich finde aber, man solle noch extremer sein, als man ist. Besonders in England fehlt es an mutigen Leuten. Trotzdem ich Sozialistin bin, habe ich sehr lange in der Frauenrechtsbewegung gekämpft und habe gesehen, wie sehr es darauf ankommt, dass man extrem ist und den Mut hat, seine Ideen zu vertreten. Ein Kandidat der I.L.P., der auch sehr radikal war, wurde als Kandidat aufgestellt und las seinen Aufruf, das Programm seinen wählern vor, bevor er der L.P. vorgeschlagen wurde. Als er das Programm nach Prüfung durch die Labour Party seinen wählern nochmals vorlas, gab es grosse Aufregung, denn die L.P. hatte das Programm seines Mitgliedes geändert. Ich betone noch einmal die grosse Abhängigkeit und Disziplin. Wenn man von der L.P. spricht, so muss man auch von ihrer äusserst verknöcherten Struktur sprechen und von der Struktur der Gewerkschaften, die ihr angehören, die auch eine bürokratische, verknöcherte Organisation sind. So findet man eine ganz andere Struktur als die, die man sich denkt. Es ist unmöglich, innerhalb der Partei zu bleiben und diese Organisation irgendwie zu ändern.

Auf dem Gebiete des Parlamentarismus befindet man sich in England in einer schweren Lage. Es handelt sich um ein Land mit einer langjährigen parlamentarischen Tradition und mit wirklichen demokratischen Traditionen. Auch in den Arbeitern ist diese Tradition eingewurzelt, und wenn man ihnen vorschlägt, sich an den Wahlen zu beteiligen, um die L.P. dadurch zu schädigen, so würden die englischen Arbeiter solche Ratschläge nicht verstehen. Das ist ihnen unzugänglich, weil sie durch die bürgerliche Presse bearbeitet werden. Man kann diese Erfahrungen nicht mit den Erfahrungen in Russland vergleichen. In England liest ein jeder Arbeiter die bürgerliche Presse. Ich selbst habe gesehen – und ich war eine derjenigen Redner, die am meisten in der Frage der russischen Revolution aufgetreten sind –, dass es am schwersten war, den Arbeitern die Stellung zum Parlamentarismus beizubringen. Sie fragten, warum man die Konstituante zusammenberufen und dann nachher vernichtet hat. Ich glaube, dass in den englischen Arbeitern die demokratischen Vorurteile tief wurzeln, mit denen man zu rechnen hat. Es gibt noch einen Grund, weshalb ich gegen den hier von der Internationale vertretenen Standpunkt bin. Wenn man den Parteien sagen würde, sie sollten der Labour Party beitreten und sich durch eine allgemeine Disziplin und Aktion binden lassen, so würde man dadurch das Schicksal der englischen proletarischen Revolution in die Hände der alten Gewerkschaften geben. Alle Argumente, die man hier vorgebracht hat, sind dagegen, und man sieht es täglich, wie schwer es ist, die alten Gewerkschaften mit einem neuen Geiste zu beseelen.

Wenn man den englischen Kommunisten zumutet, sich der L.P. anzuschliessen, so würde man dadurch das Schicksal der Gewerkschaften und der Sowjets den alten verknöcherten Gewerkschaften in die Hände geben. Man muss die speziellen Verhältnisse in Betracht ziehen, unter denen man in England lebt. Man muss in der Politik den extremsten Standpunkt vertreten. Das hat sich in der Frage der Unterstützung der Sowjetmacht in England erwiesen und auch dort, wo es sich darum handelte, mutig aufzutreten. Ich bestehe auf meinem Standpunkt und bitte also, den Antrag auf Eintritt in die L.P. nicht anzunehmen.

McLaine. Was hier gesagt wurde, ist nichts Neues, weil es bekannt ist, wie sich die Genossin Pankhurst überhaupt zum Parlamentarismus stellt. Der Beschluss, der dem Kongress hier von der Kommission vorgeschlagen wird, ist nur eine logische Entwicklung derjenigen Beschlüsse, die bereits in anderen Fragen angenommen worden sind. Es kann kein blosser Zufall sein, dass gerade diejenigen, die am meisten für den Beitritt der Kommunistischen Partei zur L P. aufgetreten sind, Vertreter eines Landes sind, in dem die Diktatur des Proletariats schon existiert. Es waren meistens russische Genossen. Was ist eigentlich diese L.P.? Die L.P. ist nichts anderes als der politische Ausdruck der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter. Die Arbeiter in der L.P. vertreten den ökonomishen Standpunkt in der einen oder der anderen Frage. Neun Zehntel derer, die der L.P. angehören, gehören auch gleichzeitig den Gewerkschaften an. Das Beispiel der Genossin Pankhurst ist kindisch. Sie hat die allerreaktionärste Gewerkschaft herausgegriffen. Im grossen und ganzen kann es keinen Menschen geben, der nicht einsieht, dass die gewerkschaftlich organisierten Arbeiter sich links orientieren. Man sieht die gewerkschaftliche Bewegung sich unter dem Druck der Zeit und der Ereignisse verändern. Man kann die Gewerkschaften und ihre Mitglieder nicht als etwas ewig Gegebenes betrachten. Ich erinnere an den grossen Streik der Mechaniker von Manchester im Jahre 1917. Verschiedene Genossen haben daran teilgenommen. Dort sind die Kommunisten aufgetreten und haben den Standpunkt der Streikenden im Lichte der kommunistischen Bewegung geschildert. Wir haben das allerbeste Resultat erzielt. Anfangs hatte man beantragt, die L.P. sollte sich der Kommunistischen Internationale anschliessen. Aber der Antrag ist dann nicht zur Abstimmung gekommen. Doch hat die Tatsache, dass diese Frage aufgeworfen wurde, ein grosses politisches Interesse erweckt. Denn überall in England ist die Frage besprochen worden, in allen Sektionen der L.P., die sonst nichts zu hören bekommen hatten. Eine mächtige Agitation ist dadurch entfaltet worden.

Im Gegensatz zu dem, was hier gesagt wurde, und trotzdem die B.S.P. ein Glied der L.P. wird, bewahrt sie doch die volle Freiheit der Kritik. Ich selbst und meine Parteigenossen haben zu wiederholten Malen die Presse und bei anderen Gelegenheiten auf verschiedenen Kongressen die Führer der L.P. kritisiert, ohne dass das zu irgend welchen Konsequenzen geführt hätte. Ich bestehe auf zwei Standpunkten: erstens, dass die L.P. der politische Ausdruck der gewerkschaftlich organisierten Arbeiter ist und als eine politische Organisation aufgefasst werden muss, und zweitens, dass innerhalb der L.P. die Anhänger einer anderen Partei ihre volle Bewegungs- und Kritikfreiheit bewahren.

Gallacher. Ich bedaure, dass dieser Kongress sich mit denselben abgedroschenen Phrasen befassen muss, die seit 20 Jahren innerhalb der englischen Arbeiterbewegung diskutiert werden, und zwar seitens der B.S.P., die denselben Standpunkt vertreten hat, der heute hier vertreten wird. Es wird gesagt, dass man diesen Beitritt zur L.P. befürwortet, besonders aus dem Grunde, weil man glaubt, dadurch in Berührung mit den Massen zu kommen. Wir stehen mit den Massen in Berührung. Man muss zwischen denen unterscheiden, die wirklich in Berührung mit den Massen stehen wollen, und denen, die es nicht tun wollen. (Im Anschluss daran zitiert der Genosse viele Fälle aus der letzten Periode des Kampfes in Schottland, wo die Anhänger der L.P. ganz bescheiden wurden und mit den Sozialreformisten zusammen in entschiedene Beziehungen mit den Bürgerlichen traten und sich nicht erlaubten, selbständig zu handeln.) Sie waren es, die in Glasgow in Schottland grosse Demonstrationen organisiert haben. Die grössten Redner Englands sind nach Schottland gekommen und wollten dort sozialpatriotische Reden halten. Sie hatten ihre Klique mitgebracht, den schlimmsten Teil der Bevölkerung. Sie wurden unterstützt. Und trotzdem die Vertreter der I.L.P. ihnen empfahlen, ruhig zu bleiben, haben die Genossen es doch so weit gebracht, dass die betreffenden Redner nicht zu Worte kamen. Die grössten Volksmeetings sind veranstaltet worden, trotzdem man es ihnen nicht erlauben wollte, zu Worte zu kommen. Ich betone diese Art des direkten Verkehrs mit den Massen. Ich berufe mich auf die Erfahrungen während des Krieges, als die schottischen Arbeiter trotz des Chauvinismus, der herrschte, dafür gesorgt haben, dass man den Frauen und Kindern der deutschen Internierten die Möglichkeit gab, menschenmöglich zu leben, während die anderen Arbeiterparteien, die durch ihre Neigungen zu den Bürgerlichen in ihrer Bewegungsfreiheit gehindert waren, sich nicht auf diesem Gebiete beteiligen konnten. Ich weise auch auf die verschiedenen weltbekannten Sozialpatrioten wie Thomas und Henderson hin, die die Arbeiterklasse verschiedentlich verraten haben. Wie würde es aussehen, wenn wir im Namen derselben Partei auftreten würden, deren Vertreter Henderson ist. Meine Ansichten habe ich in meinem Artikel gegen den Chauvinismus klargelegt. Das Blatt, das diesen Artikel seinerzeit nicht veröffentlichen wollte, war der »Call«. Es hat mich sehr sonderbar berührt, hier zu hören, dass Genosse Lenin und andere auf dem Standpunkt des Genossen McLaine stehen. Die Verantwortung, die Genosse McLaine auf sich genommen hat, ist wahrscheinlich sehr schwerwiegend, da er die anderen Kommunisten zu diesem Standpunkt, der den Interessen nicht entspricht, bekehrt hat. Es kommt darauf an, die Massen durch Agitation und durch Aktionen zum Verständnis des gegenwärtigen Moments zu bringen. Man sollte die Empörung des Proletariats hervorrufen, mit allen Mitteln und Wegen die Massen zur Aktion bringen und nicht solche Umwege, solche Mittel, die sie von ihrem revolutionären Kampf abbringen könnten, wählen. Ich schliesse meine Rede mit der Bitte, dass man den Antrag, der hier gestellt wurde, und der die kommunistische Partei veranlassen würde, ihren Charakter zu entstellen, nicht annehmen soll. Ich bitte die Genossen, die hier die verschiedenen Parteien vertreten, sich in dieser Frage nicht zu überstürzen. Man soll uns die Möglichkeit geben, eine echte kommunistische Partei zu gründen auf einer wirklich kommunistischen Basis, die Mittel und Wege zu finden, zu den Massen zu sprechen. Dann wird man ihnen die Möglichkeit geben, auch diese Frage zu entscheiden. Man kann von uns nicht verlangen, dass wir all dem entgegenarbeiten und entgegensprechen, wofür wir seit Jahren gekämpft haben. Das ist die Entscheidung zwischen den revolutionären und den kommunistischen Elementen. Man soll die Lage der schottischen Genossen nicht schwer und unerträglich machen, indem man ihnen einen Beschluss aufdrängt, den sie in ihrer Lage nicht verteidigen können, denn er steht im Widerspruch zu dem, was sie bisher in ihrem Leben verteidigt haben und wodurch sie gross geworden sind.

Lenin. Genossen! Genosse Gallacher hat damit seine Rede begonnen, dass er bedauert, dass wir hier gezwungen sind, zum hundertsten und tausendsten Male die Reden zu hören, die der Genosse McLaine und andere Genossen in England schon tausendmal in Reden, in Zeitungen und Zeitschriften wiederholt haben. Ich glaube, wir brauchen das nicht zu bedauern. Die Methode der alten Internationale bestand darin, solche Fragen den einzelnen Parteien in den betreffenden Ländern zu überlassen. Das ist grundfalsch. Es ist sehr wohl möglich, dass wir die Verhältnisse in der einen oder anderen Partei nicht ganz genau kennen, aber hier gilt es, die Taktik einer Kommunistischen Partei prinzipiell festzulegen. Das ist sehr wichtig, und wir müssen hier den kommunistischen Standpunkt im Namen der Kommunistischen Internationale ganz genau klarlegen.

Erstens möchte ich eine kleine Unrichtigkeit des Genossen McLaine erwähnen – oder jedenfalls kann man damit nicht einverstanden sein. Er nennt die Labour Party die politische Abteilung der Trade-Union-Bewegung. Er hat das noch einmal wiederholt: die Labour Party sei »politischer Ausdruck der gewerkschaftlichen Bewegung«. Diese Äusserung habe ich mehrmals in der Zeitung der B.S.P. gelesen. Das ist unrichtig, und durch diese Unrichtigkeit rufen sie eine Opposition, in einem kleinen Punkte vielleicht eine berechtigte Opposition der revolutionären britischen Arbeiter hervor. Wirklich, »politische Abteilung der Trade Union Bewegung«, oder »politischer Ausdruck« dieser Bewegung, das ist nicht richtig. Natürlich besteht die Labour Party zum grossen Teil aus Arbeitern. Aber ob ein Partei wirklich eine politische Arbeiterpartei ist oder nicht, das hängt nicht nur davon ab, ob sie aus Arbeitern besteht, sondern auch davon, von wem sie geleitet wird und was der Inhalt ihrer Aktionen und ihrer politischen Taktik ist. Nur das ist bestimmend, ob wir wirklich eine politische Partei des Proletariats haben. Von diesem einzig richtigen Standpunkt aus ist die Labour Party eine durch und durch bürgerliche Partei, die aus Arbeitern besteht, aber von Reaktionären geleitet wird – den schlimmsten Reaktionären im Sinne und im Geiste der Bourgeoisie –, eine Organisation der Bourgeoisie, um mit Hilfe der englischen Scheidemann und Noske die Arbeitermassen systematisch zu belügen und zu betrügen.

Nun kommen vom anderen Standpunkt aus Genossin Sylvia Pankhurst und Genosse Gallacher und erzählen uns, wie sie die Geschichte betrachten. Worin bestand der Inhalt der Reden Gallachers und mehrerer seiner Freunde? Sie sagen uns, dass wir nicht genug mit den Massen verbunden sind. Aber nehmen Sie die British Socialist Party; sie hat bis jetzt noch schlechtere Verbindung mit den Massen, sie ist sehr schwach. Und Genosse Gallacher hat uns hier erzählt, dass er und seine Freunde die revolutionäre Bewegung in Glasgow in Schottland wirklich ausgezeichnet organisiert haben, und wie sie während des Krieges sogar taktisch sehr gut manövrierten, dass sie die kleinbürgerlichen Pazifisten, Ramsay, MacDonald und Snowden zu unterstützen wussten, als sie nach Glasgow kamen, um mit Hilfe dieser Unterstützung eine grosse Massenbewegung gegen den Krieg zu organisieren.

Unser Zweck geht eben dahin, diese ausgezeichnete neue revolutionäre Bewegung, die durch Genosse Gallacher und seine Freunde vertreten ist, in die Kommunistische Partei zu bekommen mit einer wirklich kommunistischen d. h. marxistischen Taktik. Das ist die Aufgabe. Einerseits ist die B.S.P. zu schwach und versteht es nicht gut, unter den Massen zu agitieren. Andererseits haben wir junge revolutionäre Elemente, die hier so gut durch den Genossen Gallacher vertreten waren, die mit den Massen in Verbindung stehen, die aber keine politische Partei bilden und als solche noch schwächer sind als die B.S.P. und es gar nicht verstehen, ihre politische Arbeit zu organisieren. In dieser Lage müssen wir unsere Meinung über die richtige Taktik ganz offen sagen. Wenn Genosse Gallacher gesagt hat, die B.S.P. sei »hopelessly reformistic«, »hoffnungslos reformistisch«, so ist das eine Übertreibung. Der allgemeine Sinn und der Inhalt aller Resolutionen, die wir hier angenommen haben, beweist absolut, dass wir eine Änderung der Taktik der B.S.P. in diesem Sinne fordern, und die einzige richtige Taktik der Freunde Gallachers besteht darin, in die Kommunistische Partei hineinzugehen und die Taktik dieser Partei im Sinne unserer Resolutionen zu gestalten. Wenn sie so viele Anhänger in Glasgow haben, um Massenmeetings organisieren zu können, dann ist es nicht schwierig, in die Partei mehr hinein zu bekommen als zehntausend. Der letzte Kongress der B.S.P. in London, der vor drei bis vier Tagen stattfand, hat sich als Kommunistische Partei konstituiert und als Programm angenommen: Teilnahme an den Parlamentswahlen und Anschluss an die Labour Party. Es waren dort 10 000 organisierte Mitglieder vertreten. Es wäre für die schottischen Genossen gar nicht schwierig, mehr als 10 000 revolutionäre Arbeiter, die die Kunst der Arbeit unter den Massen besser verstehen, in diese »Communist Party of Great Britain« zu bekommen und dann die alte Taktik der B.S.P. im Sinne der besseren Agitation, im Sinne der mehr revolutionären Aktion zu ändern. Genossin Sylvia Pankhurst sprach darüber mehrere Male auch in der Kommission, indem sie sagte, wir brauchen in England Extremisten. Ich sagte natürlich, das sei ganz richtig, aber nur nicht zu sehr nach »links« gehen. Sie sagte, wir sind bessere Pioniere, wir machen viel mehr Lärm (»noisy«). Das verstehe ich gar nicht im schlechten Sinne, sondern in gutem Sinne des Wortes, dass sie bessere revolutionäre Agitation zu führen wissen. Das schätzen wir, und das müssen wir schätzen. Das haben wir in allen unseren Resolutionen ausgedrückt, weil wir immer betonen, dass wir dann, und nur dann eine Partei als Arbeiterpartei anerkennen können, wenn sie wirklich mit den Massen verbunden ist und gegen die alten Führer, die durch und durch faul sind, sowohl gegen die rechtsstehenden Chauvinisten als auch gegen diejenigen, die die vermittelnde Stellung einnehmen, wie die rechten Unabhängigen in Deutschland, vorgehen. In allen unseren Resolutionen haben wir das zehnmal, vielleicht auch öfter behauptet und wiederholt, und das heisst eben, dass wir die Änderung der alten Partei im Sinne der besseren Verbindung mit den Massen fordern.

Sylvia Pankhurst hat gesagt: Ist es möglich, dass eine Kommunistische Partei in eine andere politische Partei hineingeht, welche zur II. Internationale gehört? Das sei unmöglich. Aber wir haben da in der englischen Labour Party ganz eigentümliche Zustände. Das ist eine ganz originelle Partei; das ist keine Partei im gewöhnlichen Sinne. Sie besteht aus Mitgliedern aller gewerkschaftlichen Organisationen, jetzt aus vier Millionen Mitgliedern. Sie gibt genügende Freiheit für alle politischen Parteien, die darin sind. Dort ist also die grosse Masse der englischen Arbeiter, geführt von den schlimmsten bürgerlichen Elementen, von Sozialverrätern schlimmer als Scheidemann und Noske und alle ähnliche Herren. Die L.P. lässt aber doch zu, dass die B.S.P. ihr angehört, dass diese Partei Organe hat, in denen Mitglieder der Labour Party frei und offen sagen, dass die Führer Sozialverräter sind. McLaine hat diese Äusserung der B.S.P. genau zitiert. Ich habe wiederholt bestätigt, dass auch ich in der Zeitung der B. S.P., im »Call«, gelesen habe, dass diese Arbeiterführer Sozialpatrioten und Sozialverräter sind. Das heisst also: eine Partei, die zu der »Labour Party« gehört, kann nicht nur scharf kritisieren, sondern auch ganz offen, unter Nennung von Namen, die alten Arbeiterführer als Sozialverräter behandeln. Es sind ganz originelle Verhältnisse, dass eine Partei enorme Massen von Arbeitern organisiert, als ob sie eine politische Partei wäre, und trotzdem gezwungen ist, ihnen volle Freiheit zu lassen. Genosse McLaine hat hier darauf hingewiesen, dass z. B. auf dem Kongress der Labour Party diese Scheidemänner gezwungen waren, die Frage des Anschlusses an die Kommunistische Internationale offen zu stellen, und alle Organisationen, alle Lokalsektionen dieser Partei waren gezwungen, darüber zu sprechen. Unter diesen Verhältnissen ist es unrichtig, sich dieser Partei nicht anzuschliessen. Privatim hat mir Genossin Sylvia Pankhurst gesagt: Wenn wir wirklich Revolutionäre sind und in die L.P. hineingehen, dann werden diese Herren uns ausschliessen. Nun, das wäre gar nicht schlimm. In unserer Resolution steht, dass wir für den Anschluss sind, sofern die L.P. Freiheit genug gibt für Kritik. Also in diesem Punkte sind wir so fest wie möglich. Genosse McLaine hat auch betont: Jetzt gibt es in England so originelle Zustände, dass eine politische Partei, die wirklich eine revolutionäre Arbeiterpartei sein kann und will, trotzdem mit dieser originellen, halb gewerkschaftlichen, halb politischen, von Bourgeois geführte Arbeiterorganisation von vier Millionen Arbeitern verbunden ist. Unter diesen Bedingungen wäre es der grösste Fehler der besten revolutionären Elemente, nicht alles Mögliche zu tun, um in dieser Partei zu bleiben. Mögen die Herren Thomas und andere Sozialverräter, die als solche behandelt werden, sie ausschliessen. Das wird auf die Massen der englischen Arbeiter einen ausgezeichneten Einfluss haben.

Die Genossen betonen, dass die Arbeiteraristokratie in England stärker ist als in anderen Ländern. Das ist in der Tat richtig. Sie haben nicht nur Jahrzehnte, sondern Jahrhunderte hinter sich. Dort hat die Bourgeoisie, die viel mehr Erfahrung – demokratische Erfahrung – hat, es auch verstanden, die Arbeiter zu bestechen und eine grosse Schicht – grösser als in anderen Ländern, aber doch klein im Verhältnis zu der grossen Masse der Arbeiter – zu schaffen, die durch und durch von bürgerlichen Vorurteilen durchdrungen ist, vollständig bürgerlich reformistische Politik führt. So haben wir in Irland 200 000 englische Soldaten, die die Irländer mit dem schlimmsten Terror unterdrücken. Revolutionäre Propaganda unter diesen Soldaten wird von englischen Sozialisten nicht geführt. Wir sprachen aber in unseren Resolutionen klar aus, dass nur solche englische Parteien von uns als Mitglied der Kommunistischen Internationale anerkannt werden, die unter den englischen Arbeitern und Soldaten wirklich revolutionäre Propaganda treiben. Ich betone: man hat es weder hier noch in der Kommission widerlegt, dass wir das gefordert haben.

Die Genossen Gallacher und Sylvia Pankhurst konnten das nicht widerlegen. Sie sind nicht imstande, das zu widerlegen, nämlich, dass die B.S.P. Freiheit genug hat, in der Labour Party zu bleiben und trotzdem zu schreiben, diese und diese Führer der Labour Party sind Verräter; diese alten Führer vertreten die Interessen der Bourgeoisie; sie sind Agenten der Bourgeoisie in der Arbeiterbewegung; das ist absolut richtig. Wenn die Kommunisten solche Freiheit haben, dann sind sie verpflichtet – wenn sie mit der Erfahrung der Revolutionäre aller Länder und nicht nur der russischen Revolution rechnen wollen, denn wir sind hier nicht auf einem russischen, sondern auf einem internationalen Kongress –, sich der Labour Party anzuschliessen. Genosse Gallacher machte hier darüber Scherze, dass wir von der B.S.P. überzeugt worden sind. Wir sind überzeugt worden durch die Erfahrungen aller Revolutionen in allen Ländern. Und wir glauben, das der Masse sagen zu müssen. Die englische kommunistische Partei soll genügende Freiheit behalten, um die Arbeiterverräter, die in England viel stärker sind als in anderen Ländern, zu denunzieren und zu kritisieren. Das ist nicht so schwierig zu verstehen. Es ist unrichtig, wenn Genosse Gallacher es so darstellt, dass, falls wir den Eintritt in die Labour Party beschliessen, die besten revolutionären englischen Arbeiter nicht mit uns gehen werden. Wir müssen die Probe aufs Exempel machen. Wir sind überzeugt, dass in allen englischen revolutionären sozialistischen Zeitungen alle Resolutionen und Beschlüsse, die wir hier auf dem Kongress annehmen, abgedruckt und in allen Lokalorganisationen und Lokalsektionen diskutiert werden. Der allgemeine Inhalt unserer Resolution zeigt so klar wie möglich, dass wir die revolutionäre Taktik der Arbeiterklasse in allen Ländern vertreten, dass wir gegen den alten Reformismus und Opportunismus zu kämpfen gewillt sind. Die Ereignisse beweisen, dass unsere Taktik den alten Reformismus wirklich besiegt. Dann kommen auch die besten revolutionären Elemente der Arbeiterklasse zu uns, die jetzt so unzufrieden sind mit dem langsamen Tempo der Entwicklung – in England wird es vielleicht noch langsamer vor sich gehen als in anderen Ländern. Die langsamere Entwicklung rührt daher, dass die englische Bourgeoisie die Möglichkeit hat, der Arbeiteraristokratie bessere Bedingungen zu geben. Dadurch wird möglicherweise die revolutionäre Entwicklung in England gehemmt. Deshalb sind die Revolutionäre in England gezwungen, nicht nur die Massen zu revolutionieren, was sie vortrefflich tun – Genosse Gallacher hat das bewiesen –, sondern sie müssen auch eine wirkliche Partei der Arbeiterklasse schaffen. Weder Genosse Gallacher noch Genossin Sylvia Pankhurst, die beide hier aufgetreten sind, gehören bis jetzt einer revolutionären kommunistischen Partei an. Eine so ausgezeichnete proletarische Organisation wie die Shop Stewards besitzt bis jetzt keine politische Partei. Wenn die sich politisch organisieren, so werden sie sehen, dass unsere Taktik darauf beruht, dass sie die ganze Geschichte der politischen Entwicklung in den letzten Jahrzehnten wiedergibt und dass eine wirklich revolutionäre Arbeiterpartei nur so gebildet sein kann, dass sie die besten Elemente der revolutionären Klasse aufnimmt, aber jede Möglichkeit ausnutzt, um gegen die reaktionären Führer zu kämpfen, eben dort, wo diese reaktionären Führer auftreten.

Wenn die englische kommunistische Partei damit beginnt, in der Labour Party revolutionär zu wirken, und wenn die Herren Henderson gezwungen sind, diese Partei auszuschliessen, so wird das ein recht grosser Sieg der kommunistischen und revolutionären Arbeiterbewegung in England sein.

Sinowjew. Es muss jetzt über die Frage des Eintritts der englischen Parteien in die Labour Party abgestimmt werden. Wer für den Antrag der Kommission ist, also für den Anschluss an die Labour Party, soll die Hand heben. (Der Antrag wird mit 58 gegen 24 Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen angenommen.) Jetzt wollen wir über die ganze Resolution abstimmen, aber vorher noch einigen Genossen zu Erklärungen das Wort erteilen.

Serrati. Ich erkläre, dass ich gegen die Thesen stimme und zwar wegen der Stellungnahme in der amerikanischen und englischen Frage und gegen der Kritik, die am Parteivorstande der italienischen Partei geübt worden ist. Ich möchte den Kongress nicht durch eine längere Erklärung aufhalten, werde aber dem Präsidium eine längere Erklärung für das Protokoll übergeben.

Graziadei. Wir schlagen vor, dass die These 11 wie folgt formuliert werde:

»Was die Italienische Sozialistische Partei anbetrifft, so anerkennt der zweite Kongress der Kommunistischen Internationale, dass die Revision des Programms, der der Parteikongress von Bologna im letzten Jahre zugestimmt hat, eine sehr wichtige Etappe ihrer Umwandlung zum Kommunismus bezeichnet, und dass die Vorschläge, die dem Generalrat der Partei von der Sektion Turin vorgelegt wurden und in der Zeitung »Ordine Nuovo« vom 8. Mai 1920 veröffentlicht worden sind, übereinstimmen mit den kommunistischen Grundprinzipien. Der Kongress ersucht die Sozialistische Partei Italiens, auf ihrem nächsten Kongress, der auf Grund der Statuten und der allgemeinen Aufnahmebedingungen zur Kommunistischen Internationale stattzufinden hat, die obigen Vorschläge und alle Beschlüsse der beiden Kongresse der Kommunistischen Internationale prüfen zu wollen, besonders die betreffend die Parlamentsfraktion, die Gewerkschaften und die nichtkommunistischen Elemente der Partei.«
Gez. Graziadei, Bombacci, Polano.

Sinowjew. Ich erkläre im Namen dreier Mitglieder der russischen Delegation, für Lenin, Bucharin und für mich, dass wir diese Fassung von Graziadei akzeptieren und hoffen, dass auch die Mehrheit der Kommission diese Fassung annehmen wird.

Wijnkoop. Ich möchte hier erklären, dass ich für diese Thesen stimme, obgleich sie gegen meine Ansicht in der englischen Frage sind, weil sie sehr scharf gegen die Opportunisten Stellung nehmen und in der Kommission gerade in der italienischen Frage noch verschärft worden sind.

Serrati. Ich halte, trotz der Erklärung, die jetzt von Graziadei und von den Mitgliedern der Kommission abgegeben worden ist, doch an meiner Erklärung fest, da tatsächlich kein Unterschied besteht zwischen dem, was in den Thesen gesagt worden ist, und dem, was jetzt gesagt wurde. Vielleicht könnte ein Advokat einen Unterschied heraus oder hineinlesen, aber wir sind kein Kongress von Advokaten, sondern von Kommunisten. Die Thesen bedeuten eine Desavouierung des italienischen Parteivorstandes und des »Avanti«. Das sollte man glatt aussprechen.

Sinowjew. Ich muss erklären, dass Serrati recht hat. Es ist in der Tat dasselbe; aber es ist ein Vorschlag der italienischen Genossen und wir sind ihnen entgegengekommen. Den Genossen, die gegen Advokaten kämpfen wollen, sind wir immer bereit, ein Entgegenkommen in der Form zu machen. Ich sage, hier in dieser Frage steht die Mehrheit der Kommission und des Kongresses auf Seiten des Genossen Serrati.

Bordiga. Ich erkläre im Namen des linken Flügels der italienischen Partei, dass es mir auf die Form, auf die Stilisierung der Thesen gar nicht ankommt, sondern auf den Inhalt.

Und ich glaube, dass aus allen Reden, die von Lenin und Sinowjew gehalten worden sind, hervorgeht, dass man die italienische Partei als solche kritisiert, weil sie bei dem Kongress in Bologna noch nicht ihre Pflicht getan hat in der Frage der parlamentarischen Tätigkeit. Sollte die italienische Partei die Möglichkeit haben, denjenigen Pflichten, die sie hier auf sich genommen hat, gerecht zu werden, so wird sie es tun. Das Zentralkomitee wird imstande sein, den Beschlüssen, die hier gefasst worden sind, Geltung zu verschaffen.

Sinowjew. Wir schreiten jetzt zur Abstimmung über die Thesen im Ganzen.

(Die Thesen werden gegen zwei Stimmen bei einer Stimmenthaltung angenommen.)

Sinowjew. Damit ist die Frage erledigt. Wir schreiten zu dem Bericht der zweiten Kommission über die Bedingungen zur Aufnahme in die Kommunistische Internationale. Das Wort hat als Berichterstatter der Genosse Meyer.

Meyer. In der Kommission, die sich mit den Aufgaben des II. Kongresses beschäftigt hat, wurden auch die Bedingungen über die Aufnahme in die Kommunistische Internationale, wie sie in den Thesen des Genossen Lenin formuliert worden sind, besprochen. Auf Seite 7 sind fünf Bedingungen über den Beitritt genannt. Bei der Besprechung dieser Bedingungen wurde darauf verwiesen, dass der Kongress bereits Thesen über die Aufnahmebedingungen angenommen hat. Es fanden darauf Verhandlungen einer gemischten Kommission statt, zusammengesetzt aus sieben Mitgliedern der Kommission für die Aufgaben des Kongresses. Diese gemeinsame Kommission schlägt dem Kongress vor, die Thesen über die Aufnahme in die Kommunistische Internationale etwas zu ändern. In dem § 7 der Aufnahmebedingungen Seite 82 der deutschen Ausgabe werden genannt als notorische Reformisten Kautsky, Turati, Hillquith, MacDonald u.a. Diese neue Kommission hat beschlossen, Hilferding einzufügen. Ferner hat sich die Kommission mit den Vorschlägen beschäftigt, die hier im Plenum gemacht und der Kommission zur Berücksichtigung überwiesen worden sind. Der Antrag der russischen Delegation, dass zwei Drittel aller Parteikörperschaften in denjenigen Parteien, die jetzt in die Kommunistische Internationale eintreten wollen, von Genossen besetzt sein müssen, die sich schon vor dem Kongress der Kommunistischen Internationale ausgesprochen haben, ist von der kombinierten Kommission angenommen worden. Ferner ist ein Antrag angenommen worden, der die Parteien, die jetzt der Kommunistischen Internationale angehören oder angehören wollen, verpflichtet, möglichst schnell, aber mindestens vier Monate nach dem II. Kongress der Kommunistischen Internationale, einen ausserordentlichen Landesparteitag einzuberufen, um alle Bedingungen, die angenommen worden sind, zu prüfen. Ferner ist in der Kommission ein Antrag angenommen worden, wonach diejenigen Mitglieder aus den Parteien, die der Kommunistischen Internationale angehören wollen, aber die Grundsätze ablehnen, aus der Partei auszuschliessen sind. Dasselbe gilt von Delegierten zum ausserordentlichen Parteitag, die gegen den Beitritt zur Kommunistischen Internationale stimmen.

Die Subkommission der Aufnahmekommission hat sich heute noch mit den Beschlüssen der kombinierten Kommission beschäftigt und einige kleine Änderungen vorgenommen. So soll der Exekutive vorbehalten bleiben, Ausnahmen zu gestatten in bezug auf die Besetzung der Parteikörperschaften aus Anhängern der Kommunistischen Internationale und in bezug auf den Ausschluss der notorischen Reformisten. Der betreffende Passus lautet jetzt wörtlich:

»Alle Parteien, die der Kommunistischen Internationale angehören oder einen Antrag auf Beitritt gestellt haben, sind verpflichtet, möglichst schnell, aber spätestens 4 Monate nach dem II. Kongress der Kommunistischen Internationale, einen ausserordentlichen Kongress einzuberufen, um alle diese Bedingungen zu prüfen. Dabei müssen die Zentralen dafür sorgen, dass allen Lokalorganisationen die Beschlüsse des II. Kongresses der Kommunistischen Internationale bekannt werden.
20. Diejenigen Parteien, die jetzt in die Kommunistische Internationale eintreten wollen, aber ihre bisherige Taktik nicht radikal geändert haben, müssen vor ihrem Eintritt in die Kommunistische Internationale dafür sorgen, dass nicht weniger als zwei Drittel der Mitglieder ihrer Zentralinstitutionen aus Genossen bestehen, die sich noch vor dem II. Kongress der Kommunistischen Internationale unzweideutig für den Eintritt der Partei in die Kommunistische Internationale öffentlich ausgesprochen haben. Ausnahmen sind zulässig mit Zustimmung des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale. Die Exekutive der Kommunistischen Internationale hat das Recht, auch für die im § 7 genannten Vertreter der Zentrumsrichtung Ausnahmen zu machen.
21. Diejenigen Parteiangehörigen, welche die von der Kommunistischen Internationale aufgestellten Bedingungen und Leitsätze grundsätzlich ablehnen, sind aus der Partei auszuschliessen. Dasselbe gilt namentlich von Delegierten zum ausserordentlichen Parteitage.«

Die Kommission, die diese Änderungen durch Mehrheitsbeschluss angenommen hat, schlägt Ihnen vor, diesen Änderungen zuzustimmen. Auf diese 21 Bedingungen muss in den Thesen über die Aufgaben des II. Kongresses verwiesen werden.

Sinowjew. Es liegen zwei Wortmeldungen vor, ich schlage aber vor, ohne weitere Diskussion abzustimmen.

(Wird gegen eine kleine Minderheit angenommen.)

Sinowjew. Wir müssen jetzt über die 21 Bedingungen. wie sie jetzt formuliert sind, abstimmen.

(Sie werden gegen zwei Stimmen angenommen.)

Sinowjew. Wir kommen jetzt zur Frage des Statuts. Es ist nur eine Abänderung vorgeschlagen. Im Statut wurde vorgeschlagen, die Exekutive folgendermassen zu bilden: fünf Vertreter des Landes, wo die Exekutive ihren Sitz haben soll, und zehn Vertreter der anderen Parteien. Im Namen der russischen Partei möchte ich vorschlagen, nicht zehn Vertreter, sondern zehn bis dreizehn zu sagen. Als wir die Liste zusammengestellt haben, hat sich herausgestellt, dass eine Anzahl bedeutender Parteien von der Teilnahme an der Exekutive ausgeschlossen wird, wenn wir zehn sagen. Wenn wir zehn bis dreizehn sagen, dann haben wir eine Exekutive von höchstens 18 Mitgliedern. Wenn niemand das Wort haben will, dann stimmen wir darüber ab, ob zehn bis dreizehn Vertreter von den anderen Parteien aufgenommen werden sollen.

(Der neue Vorschlag wird einstimmig angenommen.)

Sinowjew. Jetzt müssen wir über das Statut mit diesen Abänderungen abstimmen.

(Zuruf: »Das Statut ist gestern angenommen worden.«)

Dann braucht man keine Abstimmung mehr darüber. Jetzt wollen wir beschliessen, wo der Sitz der Exekutive für die nächste Zeit sein soll, bis ein neuer Weltkongress anders beschliesst. Es wird Russland vorgeschlagen.

(Es wird einstimmig beschlossen, dass die Exekutive für die nächste Zeit in Russland bleibt.)

Sinowjew. Jetzt bleibt noch die Frage der Frauen und der Jugendorganisation. Wir schlagen vor, diese zwei Fragen der neuen Exekutive zu überweisen, nicht darum, weil wir den Fragen keine Bedeutung beilegen – sie haben grosse Bedeutung –, sondern weil wir sie nicht in einer halben Stunde behandeln wollen. Darum wollen wir der neuen Exekutive, die ziemlich erweitert wird, die Frage gemeinsam mit den Vertretern der Frauen- und Jugendorganisation überlassen.

(Gegen eine Minderheit wird beschlossen, dass die Frauenfrage und die Jugendfrage der Exekutive überlassen wird.)

Sinowjew. Wir kommen jetzt zum Bericht der Kommission über Parlamentarismus.

Rosi Wolfstein. Die Kommission hat nur noch abzustimmen über die Abänderungen, die von den Genossen Levi und Bucharin eingebracht wurden. Sämtliche Mitglieder der Kommission haben sich dafür erklärt. Wir legen Ihnen die Thesen mit den Abänderungen, die im Plenum vorgelegt wurden, vor und müssen jetzt darüber abstimmen.

(Das wird angenommen.)

Meyer. Der Antrag Graziadei über die Kooperative wäre noch in die Thesen einzufügen. Die Kommission ist darin einig. Wenn der Kongress damit einverstanden ist, dann ist die Frage erledigt. Ich glaube nicht, dass sich darüber Debatten ergeben werden.

Sinowjew. Ich beantrage, dass die Kommission die endgültige Formulierung erledigen soll.

(Wird angenommen.)

Sinowjew. Dann liegt ein Antrag Pestaña zur Esperantofrage vor.

Sinowjew. In Übereinstimmung mit dem Genossen Pestaña schlagen wir vor, den Antrag der neuen Exekutive zum Studium zu überweisen.

(Wird angenommen.)

Damit ist die Tagesordnung erledigt.

Wir haben die Absicht, morgen eine feierliche Sitzung des Kongresses zusammen mit dem Moskauer Sowjet und dem Allrussischen Zentralkomitee der Arbeiter-, Soldaten- und Bauernräte abzuhalten, um dort das Fazit des Kongresses zu ziehen, dort einige Reden zu halten, dann den Kongress zu schliessen. Die Sitzung wird morgen nachmittag um 4 Uhr im grossen Theater [Bolschoi] stattfinden.

Münzenberg. Leider war es nicht möglich, dass der Kongress sich mit der Jugendfrage beschäftigte. Deshalb haben wir beschlossen, morgen mittag um 12 Uhr eine Konferenz der Jugendvertreter einzuberufen und wir laden dazu alle Parteigenossen ein, die irgend ein Interesse an der Jugendbewegung haben. Sie beginnt pünktlich um 12 Uhr hier im Kreml im Hause des Zentralexekutivkomitees.

Radek. Da es wahrscheinlich ist, dass die Delegierten ihre Pässe haben wollen, bitte ich, zur Beruhigung folgendes zur Kenntnis zu nehmen. Die Exekutive wird morgen über die Reihenfolge der »Evakuierung« beraten. Sie können in grösster Ruhe im Hotel sitzen. Ein Genosse wird alle Vorbereitungen treffen.

Sinowjew. Die Frage der Exekutive ist noch nicht erledigt. Wir haben beschlossen, wieviel Parteien, aber noch nicht welche. Ich habe eine vorläufige Liste, die ich Ihnen vorlesen möchte und die lautet:

Verzeichnis der Mitglieder des Exekutivkomitees der Kommunistischen Internationale.

Nr. – Name – Land
1. Meyer (Levi) – Deutschland
2. Rosmer – Frankreich
3. Serrati – Italien
4. Quelch – England
5. Reed (N. Hourwich) – Amerika
6. Steinhardt – Österreich
7. Friis – Schweden
8. Schablin – Bulgarien
9. Milkić – Jugoslawien
10. Rudnyánszky – Ungarn
11. Bak – Der Ferne Osten
12. Sultan-Sade – Der Nahe Osten
13. Radek – Polen
14. Jansen [Jan Proost] – Holland
15. Maring – Java
16. Stučka – Lettland
17. Zchakaja – Grusien
18. Schazkin – Türkei
19. Manner – Finnland
20. Hůla – Tschecho-Slowakei

Das sind die Parteien, die das Recht haben sollen, je ein Mitglied mit entscheidender Stimme in die Exekutive zu senden.

Wijnkoop. Ich wollte sagen, dass ich nicht mit dieser Liste einverstanden sein kann. Holland ist von dieser Exekutive ausgeschlossen worden. Ich habe die Argumente für die Aufnahme Hollands schon früher gegeben. Ich meine, dass die einzige, wirklich kämpfende revolutionäre Partei, die von der Exekutive ausgeschlossen worden ist, Holland ist. Ich gehe nicht weiter auf diese Sache ein und hoffe, dass die Exekutive sich diese Sache noch einmal überlegen wird. Falls man darauf beharrt, dass Holland keine Stimme in der Exekutive bekommt, muss ich bei meinem Proteste bleiben.

Radek. Wir haben hier während des Kongresses soviel unliebenswürdige Worte mit den holländischen Genossen ausgetauscht, dass es mir peinlich ist, dass ich gegen den Protest des Genossen Wijnkoop nochmals sprechen muss. Die Gründe, weshalb Holland nicht auf der Liste der Länder steht, von denen Vertreter für das Exekutivkomitee dem Kongress vorgeschlagen worden sind, sind keine Gründe der politischen Richtung, sondern die sachlichen Gründe der Grösse der Parteien. Dieselbe Richtung, die die holländische Partei im grossen und ganzen vertritt, vertritt auch die amerikanische und ein Teil der englischen Delegation. Welche Länder sind auf der Liste? Entweder sind es Länder mit einer grossen revolutionären Bewegung, wie Russland, Deutschland, Italien, oder Länder, die schon Sowjetrepubliken waren, wie Ungarn und Finnland, Polen, das eine dreissigjährige revolutionäre Massenbewegung hat, oder Länder, wie England, Frankreich und Amerika, die, obwohl sie einstweilen eine geringe revolutionäre Bewegung haben, von entscheidender Bedeutung für die Politik der Internationale sind, mit deren Vertretern wir, obwohl sie keine grosse revolutionäre Bewegung haben, bei jeder Angelegenheit uns beraten müssen. Die holländische Kommunistische Partei hat Verdienste, die keiner von uns irgendwie herabsetzen will. Sie war eine der ersten Parteien, die es gewagt hat, zur Spaltung mit der sozialdemokratischen Partei zu schreiten. Und die holländischen Genossen haben in einer schwierigen Situation treu zur Fahne des Kommunismus gestanden. Niemand nimmt ihnen das, und wir erkennen es vollkommen an. Aber es ist eine kleine Partei, die keine ausschlaggebende Rolle in der internationalen Lage spielt. Sie würde in Betracht kommen, wenn sie vielleicht theoretische Kräfte hätte, die man beanspruchen könnte. Die Gruppe des Genossen Pannekoek und die Gruppe des Genossen Gorter stehen aber, wie Wijnkoop sagt, ausserhalb der holländischen Bewegung. Diese hat nicht soviel Kräfte, dass sie der Internationale davon zur Verfügung stellen könnte. Als die deutschen Genossen sich in grösster Not um Hilfe an sie wandten, konnten sie von dort keine Hilfe bekommen. Der Vorschlag ist vollkommen sachlich begründet ohne die geringste Animosität den holländischen Genossen gegenüber, mit denen wir trotz der Meinungsverschiedenheiten in Kameradschaft zu kämpfen hoffen. Wir hoffen, dass sie für die Zukunft mehr Kräfte gewinnen und für die Unterstützung der Internationale übrig haben werden.

Wijnkoop. Ich danke dem Genossen Radek sehr für seine freundliche Opposition gegen uns. Ich muss aber sagen, dass wir keine Ehrenmitglieder der Exekutive sein wollen. Das verlangen wir nicht; sonst würden wir es gewiss sein. Wir sind eine der ehrlichsten kommunistischen Parteien und haben immer getan, was von Kommunisten getan werden muss. Wir verlangen es, weil wir eine kommunistische Kraft sind, und das hat die Exekutive in einem anderen Stadium anerkannt; erstens: warum hat sie ein Sub-Büro in Amsterdam errichtet? Diese Sache ist in der Exekutive besprochen worden. Jeder kann Fehler machen; darüber werde ich nicht reden. Wir haben nichts anderes getan als das, was man uns als Kommunisten aufgegeben hat. Man hat uns nichts auf diesem Gebiete vorzuwerfen. Man hat uns dieses Sub-Büro gegeben unserer Bedeutung wegen, und jetzt weiss man von dieser Bedeutung nichts. Von Gorter und Pannekoek hat Radek gesprochen. Aber Pannekoek hat nicht in der holländischen kommunistischen Bewegung gearbeitet. Vielleicht in Deutschland, aber nicht in Holland. Man misst die kommunistische Kraft einer Partei doch nicht an zwei Personen, an Gorter und Pannekoek, ab. Wer die »Tribune« gut kennt, der weiss, dass nicht Gorter und Pannekoek, sondern dass Ravesteyn, Ceton und ich immer die Redakteure der »Tribune« gewesen sind, und dass wir die »Tribune« mit anderen Genossen zusammen geleitet haben. Das ist die Kraft der kommunistischen Bewegung Hollands und sie besteht noch. Man sagt, es ist dort keine grosse Bewegung. Ich habe das Gefühl, dass man zu viel mit grossen Ziffern rechnet. Obwohl wir eine kleine Ziffer haben, sind wir eine disziplinierte, revolutionäre Partei, die grossen Einfluss in ihrem Lande hat. Das zeigt sich daran, dass wir ein kommunistisches Tageblatt haben. Das zeigt sich daran, dass wir viele Mitglieder in den Gemeinderäten haben und in der Gewerkschaftsbewegung grossen Einfluss ausüben. Ich meine, dass die Exekutive diese Sachen nochmals prüfen muss und uns um so mehr eine Stimme in der Exekutive hätte geben müssen, gerade wegen der Haltung, die wir nun einmal auf diesem Kongress gehabt haben. Wir sind nicht immer einverstanden gewesen mit der Exekutive. Man braucht doch nicht immer einverstanden zu sein. Man kommt doch zur Diskussion in die Exekutive, in der die Stimmen entscheidend gehört werden sollen. Ich meine, dass die Exekutive alle Gründe hat, Holland eine Stimme zu geben. Ich hoffe, dass sie es tut. Falls sie es nicht tut, muss ich dagegen protestieren.

Maring. Wir sind damit einverstanden, dass die Ostvölker, obgleich sie noch nicht eine regelrechte Partei besitzen, Vertretung im Exekutivkomitee mit entscheidender Stimme haben. Damit wird anerkannt, dass der Osten für die Kommunistische Internationale eine grosse Bedeutung hat. Doch möchte ich noch auf folgendes hinweisen. Ich glaube, dass der Osten mit einem Vertreter nicht genügend in der Kommunistischen Internationale vertreten sein wird, eben darum nicht, weil die Verhältnisse im nahen und fernen Osten ganz verschieden sind. so dass es sehr schwierig ist, einen Vertreter zu finden, der die Interessen der beiden Teile Asiens genügend vertreten kann, und weil bei uns die Furcht besteht, dass die Genossen hier, die russischen Genossen und vielleicht auch andere Genossen, die Vertreter aus dem nahen Osten besser kennen als die Vertreter des fernen Ostens. Darum möchte ich bitten, für die Teile Asiens, die vom Standpunkt unserer Bewegung und des Imperialismus am wichtigsten sind, einen Vertreter in die Exekutive zu geben. Wir bitten also, für die Ostvölker nicht einen, sondern zwei Vertreter zu geben, damit der nahe und ferne Osten je einen Vertreter mit entscheidender Stimme in die Exekutive schicken kann. Ich hoffe, dass es möglich sein wird, und dass damit der Kongress entscheidet, dass wir aus den Thesen Lenins und Roys für die nächste Zukunft eine Realität machen, die für die Zukunft der Internationale von grösster Bedeutung sein wird.

Roy. Ich bitte aus demselben Grunde, dass man zwei Delegierte für die Exekutive bewilligt, weil es sich um die Vertretung unserer Interessen handelt.

Vaněk (Tscheche). Aus den Gründen, die die beiden Vorredner vorgebracht haben, schlage ich vor, dass der Kongress folgenden Antrag annimmt: Das Exekutivkomitee wird ermächtigt, sich durch Kooptation zu ergänzen, um dadurch den Parteien die Vertretung zu ermöglichen, deren Kraft und Zahl sich für die Entwicklung der sozialrevolutionären Verhältnisse in der ganzen Welt so wichtig erweist, dass sie in dem Exekutivkomitee vertreten sein müssen. Ich brauche diesen Antrag nicht weiter zu begründen, denn ich meine, dass diese Elastizität, die dem Exekutivkomitee ermöglicht, sich selbst zu ergänzen, den ganzen Vollmachten entspricht, die im grossen Rahmen dem Exekutivkomitee schon übergeben worden sind.

Sinowjew. Zur Frage Hollands möchte ich im Namen Radeks erklären: Vom Genossen Wijnkoop ist es so ausgelegt worden, als ob es eine Zurücksetzung der alten Bewegung, der alten Genossen bedeute, dass Holland nicht auch einen Sitz in der Exekutive erhält. Selbstverständlich sind wir nicht davon ausgegangen, dass wir eine Zurücksetzung beabsichtigen, sondern davon, dass wir nicht alle Parteien aufnehmen können. Auch gegen den nahen Osten ist nichts weiter zu sagen. Man sagte, dass nur für Skandinavien eine Ausnahme gemacht wurde. Wir haben aber eine Anzahl Länder zusammengenommen. Sie sehen, dass wir dem Osten nicht eine ganze Anzahl Stimmen geben, nicht darum, weil wir Rechte beschneiden wollen, sondern weil wir keinen Kongress haben wollen, sondern eine Exekutive. Wenn eine grosse Partei kommt und alle Bedingungen erfüllt, soll die Exekutive ausnahmsweise das Recht haben, eine solche Partei aufzunehmen.

Bringolf. Ich möchte noch einige Worte zur Schweiz sagen. Wir sind in einer Situation, die uns nicht erlaubt, einen Sitz in der Exekutive zu verlangen, trotzdem es von grösster Bedeutung wäre, einen Sitz in der Exekutive zu bekommen. Humbert-Droz hat bereits früher darüber gesprochen, dass man bei der Ergänzung Rücksicht auf die Schweiz nehmen möchte, die sich in einem Klärungsprozess befindet und für die es von grösster Bedeutung ist, in direkte Beziehungen mit Russland zu kommen. In dem Bericht an die Exekutive sind wir darauf eingegangen und hoffen, dass es angenommen wird.

(Es wird über die Liste abgestimmt; sie wird mit zwei Abänderungen angenommen. Der Antrag Vaněk wird ebenfalls angenommen.)

Sinowjew. Diese Frage ist erledigt. Es liegen verschiedene Projekte für Manifeste vor. Ein Projekt für ein Manifest an die KAPD Wir sind ihr eine Antwort schuldig, nachdem ihre Delegierten von dem Kongress davongelaufen sind. (Es wird beschlossen, das Projekt eines Briefes an die KAPD der Exekutive zu überweisen.)

Sinowjew. Wir haben die Absicht, ein grosses politisches Manifest zu erlassen, das schon fast fertig ist. Die Arbeit macht in der Hauptsache der Genosse Trotzki, der auch das erste Manifest verfasst hat. Wenn die Möglichkeit besteht, werden wir es morgen verlesen. Sollte das nicht der Fall sein, so werden wir auch in dieser Frage der Exekutive Vollmacht geben und das Manifest mit der Unterschrift aller Delegationen, vielleicht zwei Delegierte für jedes Land, publizieren.

(Das wird angenommen.)

Sinowjew . Ich möchte noch mitteilen, dass morgen früh elf Uhr die erste Sitzung der neuen Exekutive stattfindet. Ich möchte alle Delegierten bitten, vorläufig ihre Mitglieder zu bestimmen. Die Zentralen der betreffenden Parteien können abwechselnd andere Delegierte senden. Aber zuerst müssen die Delegationen ihre Vertreter senden.

Die Sitzung ist geschlossen.

(Der Kongress endet mit dem Absingen der Internationale und mit Hochrufen auf die Sowjetrepublik und auf die Weltrevolution.)



Anmerkungen:
[prev.] [content] [end]

  1. Die Nummerierung der Sitzungen erfolgt nach der russischen Ausgabe des »Protokolls«. In der deutschen Ausgabe ist die Nummerierung der Sitzungen inkonsistent und unlogisch (1–11, dann 14 & 15). Zum Vergleich:

    Deutsche Ausgabe [Seitenzahl] → Russische Ausgabe/sinistra.net
    Erste Sitzung (19. Juli 1920) [6–56]Erste Sitzung (19. Juli 1920)
    Zweite Sitzung (23. Juli 1920) [57–99]Zweite Sitzung (23. Juli 1920)
    Dritte Sitzung (24. Juli 1920) [100–136]Dritte Sitzung (24. Juli 1920)
    Vierte Sitzung (26 Juli 1920) [137–166]Vierte Sitzung (26 Juli 1920)
    Fünfte Sitzung (28. Juli 1920) [167–233]Fünfte Sitzung (28. Juli 1920)
    Sechste Sitzung (29. Juli 1920) [234–286]Sechste Sitzung (29. Juli 1920)
    ↳Abendsitzung (29. Juli 1920) [287–329]Siebte Sitzung (29. Juli 1920)
    Siebte Sitzung (30. Juli 1920) [330–401]Achte Sitzung (30. Juli 1920)
    Achte Sitzung (2. August 1920) [402–442]Neunte Sitzung (2. August 1920)
    ↳Abendsitzung (2. August 1920) [443–480]Zehnte Sitzung (2. August 1920)
    Neunte Sitzung (3. August 1920) [481–508]Elfte Sitzung (3. August 1920)
    ↳Abendsitzung (3. August 1920) [509–537]Zwölfte Sitzung (3. August 1920)
    Zehnte Sitzung (4. August 1920) [538–570]Dreizehnte Sitzung (4. August 1920)
    ↳Abendsitzung (4. August 1920) [571–606]Vierzehnte Sitzung (4. August 1920)
    Elfte Sitzung (5. August 1920) [607–639]Fünfzehnte Sitzung (5. August 1920)
    Vierzehnte Sitzung (6.August 1920) [640–667]Sechzehnte Sitzung (6.August 1920)
    Fünfzehnte Sitzung (7. August 1920) [668–702]Schlusssitzung (7. August 1920)[⤒]

  2. Die Rechtschreibung wurde stillschweigend verbessert und vereinzelt dem heutigen Gebrauch angepasst. Falschgeschriebene Namen wurden berichtigt, die russischen und bulgarischen Namen sind in deutscher Transkription oder in gebräuchlicher Form wiedergegeben, Namen aus Ländern mit lateinischem Alphabet entsprechend der jeweils heimischen Form. Redaktionelle Zusätze sind in [] kenntlich gemacht.[⤒]


Source: »Der zweite Kongress der Kommunistischen Internationale, Protokoll der Verhandlungen vom 19. Juli in Petrograd und vom 23. Juli bis 7. August in Moskau«, Verlag der Komm. Internationale, Hamburg 1921 / Второй конгресс. Коммунистического Интернационала, Июл–Август 1920 г., Стенографический отчет. Иад. Коммунистического Интернационала, Петроград 1921. Bearbeitung und Digitalisierung: sinistra.net 2021

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