Serrati. Die Sitzung ist eröffnet. Der Genosse Radek hat im Namen der Mandatskommission das Wort.
Radek. Die Mandatskommission hatte die Frage der amerikanischen Mandate zu entscheiden. Die beiden amerikanischen Parteien, die Kommunistische Partei und die Kommunistische Arbeiterpartei, sind hier vertreten. Inzwischen ist ein Delegierter aus Amerika, der Genosse Flynn, mit der Nachricht eingetroffen, dass sich die beiden Parteien zu einer Partei vereinigt haben. Aber bei dieser Vereinigung hat ein Teil der Kommunisten erklärt, er füge sich nicht und hat sich ausserhalb der Vereinigten Kommunistischen Partei gestellt. Die Vertreter der Kommunistischen Partei wollen daher ihre alten Mandate beibehalten. Der Genosse Flynn beantragt aber die Annullierung zweier Mandate, nämlich die der Genossen Fraina und Stocklitzki. Wir haben beschlossen, diese Genossen weiterhin als Delegierte anzuerkennen, und zwar aus folgenden Gründen: Wir haben es in Amerika einstweilen mit einer sich stark ändernden Situation zu tun. Wir haben in dem konkreten Fall nur die Berichte der jetzt Vereinigten Kommunistischen Partei vor uns. Wir sind nicht imstande, hier zu beurteilen, inwieweit es zwingende Gründe waren, die die Minderheit der Kommunistischen Partei genötigt haben, ausserhalb der vereinigten Partei zu bleiben. Die Aberkennung der Mandate würde bedeuten, dass wir uns von vornherein mit der United Communist Party als mit der einzigen kommunistischen Partei solidarisch erklären. Vielleicht wird das notwendig sein, wenn wir nähere Berichte erhalten; aber auf Grund ungenügender Nachrichten können wir eine kommunistische Organisation nicht disqualifizieren. Wir haben deshalb beschlossen, die Mandate der beiden Parteien anzuerkennen. Und da Genosse Fraina keinesfalls leugnet, dass nach seiner Kenntnis der Sachlage die Mehrheit der organisierten Kommunisten sich in den Reihen der United Communist Party befindet, haben wir die Mandate geteilt, und zwar so, dass die Vertreter der United Communist Party sechs und die Vertreter der Communist Party vier Stimmen erhielten. Genosse Fraina versuchte übrigens, zu beweisen, dass er und Genosse Stocklitzki keineswegs auf dem Boden der Spaltung ständen, aber dass sie nicht ohne weiteres der United Communist Party beitreten können. Im Namen der Mandatskommission bitte ich den Kongress, diesem Beschluss ohne weiteres zuzustimmen.
Ich habe noch eine Mitteilung zu machen, auf die die ukrainischen Genossen bestehen, nämlich, dass die Mandatskommission das Mandat der Ukrainischen Kommunistischen Partei nicht anerkannt hat. Wie es den Genossen bekannt sein dürfte, besteht die grosse Kommunistische Partei der Ukraine, und daneben hat sich eine Gruppe gebildet, die zwischen hundert und fünfhundert Mitglieder zählt. Es ist klar, dass es sich um eine ganz kleine Gruppe handelt, die mit der konkreten kommunistischen Arbeit nichts zu tun hat.
Flynn. Ich protestiere dagegen, dass man die Mandate der Kommunistischen Partei Amerikas anerkennt, beziehungsweise den Vorschlag des Genossen Radek annimmt. Infolge verschiedener Bemühungen hat sich schliesslich in Amerika eine Vereinigte Kommunistische Partei aus 30 000 Mitgliedern der Kommunistischen Partei und 20 000 Mitgliedern der Kommunistischen Arbeiterpartei gebildet. Diese Partei ging zur illegalen Arbeit über, und es entstand eine Art Scheidung in der Partei selbst, weil nur ein Teil illegale Arbeit wollte. Auf Grund dessen hat sich ein Teil der Kommunistischen Partei von der Vereinigten Partei abgesondert. Nun könnte man es noch verstehen, dass hier das Mandat der Kommunistischen Partei anerkannt würde, falls die Vereinigung der Partei auf die Initiative der amerikanischen Genossen vor sich gegangen wäre. Dem war aber nicht so. Ein Delegierter von der Kommunistischen Internationale ist nach Amerika geschickt worden, um diese Verschmelzung herbeizuführen. Da diese Verschmelzung schon stattgefunden hat, können wir es nicht verstehen, dass die Kommunistische Internationale die Absplitterung durch die Anerkennung des abgesplitterten Teils sanktioniert.
Fraina. Ich bedauere sehr, dass die Streitfrage zwischen den zwei Fraktionen in der amerikanischen kommunistischen Bewegung hier vor die Plenarsitzung gekommen ist, umsomehr, als die Mandatskommission diese Frage schon erledigt hat. Ich bin vor etwa einem Monat im Auftrage meiner Partei nach Russland gekommen und habe zusammen mit dem Genossen Stocklitzki, dem zweiten Delegierten, zwei Unterredungen mit den Delegierten der Kommunistischen Arbeiterpartei gehabt. Bevor noch der Genosse Flynn hier in Moskau als Delegierter der United Communist Party angekommen ist, habe ich selbst vorgeschlagen, dass die Vertreter der amerikanischen Bewegung von beiden Parteien hier ein Übereinkommen treffen, erstens darüber, dass sie anerkennen, dass eine vereinigte Partei der Kommunisten absolut notwendig sei, zweitens, dass sie hier auf diesem Kongress als eine vereinigte Gruppe auftreten, drittens, dass sie das Exekutivkomitee auffordern, weiter darauf hinzuwirken, dass die Vereinigung der Kommunisten in Amerika vollständig werde. Viertens, dass sie sich verpflichten, sich den Beschlüssen der Exekutive zu fügen. Es ist nicht so, wie es Flynn hier geschildert hat, nämlich, dass, wenn die zwei Genossen von der Kommunistischen Partei weiter gefördert werden, der Kongress dadurch die aha Spaltung sanktioniert. Im Gegenteil, wenn diese zwei Genossen von dem Kongresse ausgeschlossen sind, so werden dadurch die Streitigkeiten noch verschärft. Ich behaupte, dass ich das Recht habe, dem Kongress als Delegierter beizuwohnen, weil meine Partei vieles beitragen kann und muss und wird für die allgemeine Sache der kommunistischen Revolution. Wenn man den Standpunkt des Genossen Flynn annimmt, wird man dadurch nur Schaden anrichten. Wenn aber Stocklitzki und ich als Delegierte bleiben, so wird das auf die Streitigkeiten in Amerika beruhigend wirken. Die Frage, wie klein oder wie gross der Bruchteil der früheren Kommunistischen Partei ist, der sich der United Communist Party nicht anschliessen wollte, ist unwesentlich. Es mag sein, dass der grössere Teil sich mit der Kommunistischen Arbeiterpartei vereinigt hat, aber bis jetzt, solange keine offiziellen Nachrichten vorliegen, muss ich darauf bestehen, dass ich und Stocklitzki hier bleiben.
Eine Entfernung kann nur in Frage kommen; entweder, wenn die Kommunistische Partei selbst beschliesst, ihre Vertreter zurückzuziehen, oder, wenn die Exekutive, nachdem sie die Sache gründlich untersucht hat, beschliessen wird, dass die Kommunistische Partei aus der Internationale entfernt werden muss. Sonst aber haben die Vertreter das Recht, zu verlangen, als Delegierte hier zu bleiben.
(Es wird vorgeschlagen, über den Schluss der Debatte abzustimmen.)
Reed. Ich bin gegen Schluss der Debatte, weil ich ein paar Gründe vorbringen möchte, weshalb man den Vorschlag des Genossen Radek nicht annehmen sollte.
(Der Antrag auf Schluss der Debatte wird angenommen; sodann wird der Vorschlag der Mandatskommission mit 19 gegen 9 Stimmen angenommen.)
Sinowjew. Genossen, ich hoffe, dass die Bedingungen, unter welchen Arbeiter- und Soldatenräte geschaffen werden dürfen, Ihnen allen bekannt sind (in der deutschen Ausgabe Seite 70–75), und ich erlaube mir, der Hoffnung Ausdruck zu geben, dass wir diese Thesen ausnahmsweise vielleicht ohne Diskussion annehmen können; denn aus allen Gesprächen mit den verschiedenen Delegierten haben wir feststellen können, dass in dieser Frage Einstimmigkeit besteht. Es handelt sich in diesen Thesen darum, dass wir allen unseren Genossen sagen müssen, dass man Sowjets nur dann schaffen kann und soll, wenn die historischen Bedingungen dafür gegeben sind. Man soll keine künstlichen Gebilde schaffen und damit die Idee der Sowjets kompromittieren:
Wir wissen alle, dass die Idee der Sowjets die ganze Arbeiterklasse Europas und vielleicht der ganzen Welt erobert hat. Die Arbeiterklasse hat begriffen, dass sich im nächsten historischen Abschnitt das politische Leben in Form der Sowjets abspielen wird. Es ist ein grosses Glück für die Kommunistische Internationale, dass diese Idee die Massen ergriffen hat, denn da diese Idee zur Idee der Arbeitermasse geworden ist, so wohnt ihr eine grosse Kraft inne. Nun sehen wir aber, dass in verschiedenen Ländern ohnmächtige Gruppen Sowjets bilden, und zwar dort, wo jede historische Bedingung hierfür fehlt. Das war der Fall in Frankreich und auch in anderen Ländern. Wir wollen jetzt im Namen des ganzen Kongresses die Arbeiterschaft der ganzen Welt darauf hinweisen, dass man für die Sowjets immer Propaganda treiben müsse, für diese Propaganda ist die Zeit immer gegeben. Für die Bildung der Sowjets aber sind leider die historischen Bedingungen nicht überall und nicht immer gegeben.
In meinen Thesen weise ich kurz auf die Geschichte dieser neuen Ideen hin.
Die Idee der Arbeiterräte ist, wie Sie alle wohl wissen, im Jahre 1905 geboren, also erst 15 Jahre alt. Im Jahre 1905, bei der ersten russischen Revolution, wurde als erstes zeitweiliges Gebilde der Petrograder Sowjet geschaffen, und seine Geschichte zeigt uns, dass für die Sowjets spezielle historische Bedingungen nötig sind. Die Sowjets vom Jahre 1905 wurden sofort vernichtet. Sie starben, nachdem der Zarismus den Sieg über die Revolution davongetragen hatte. Als es sich zeigte, dass die revolutionäre Flut einer Ebbe gewichen war, da wurde es klar, dass die Sowjets sich nicht mehr halten können. Auch damals wurde diese kluge Idee geäussert, die jetzt von den Menschewiki und von den rechten Unabhängigen verteidigt wird, nämlich, dass die Sowjets bloss Klassenorganisationen sind, aber keine Staatsorganisation bilden können. »Die Sowjets sollen als eine Klassenorganisation des Proletariats wirken, aber nicht als eine Staatsorganisation«, das ist was Kautsky und viele seiner Anhänger während der deutschen Revolution propagiert haben. Die Geschichte der letzten 15 Jahre hat gezeigt, dass die Sowjets nur dann Bedeutung haben, wenn sie nicht einfache alltägliche Klassenorganisationen sind, wie die Gewerkschaften, sondern zu einer Staatsorganisation werden, zu einer Form der proletarischen Diktatur. Das zeigte die erste russische Revolution, der erste Abschnitt unserer neuen Revolution, die ersten acht historischen Monate der Regierung Kerenski, und das zeigt auch die Geschichte der deutschen und österreichischen Revolution, besonders aber der deutschen Revolution. Als die Arbeiterklasse in Deutschland im November 1918 einen Sieg davongetragen hatte, da entstanden die Arbeiter- und Soldatenräte von selbst. Als aber die Sozialdemokratie die Sache der Arbeiterschaft verriet und die Bürgerlichen zusammen mit der konterrevolutionären Sozialdemokratie die Arbeiter besiegten, da haben die Sowjets sofort angefangen, abzusterben. Den letzten Lebensfunken brachten die Sowjets während der Kapp-Tage auf. Das ist nur eine ganz kurze historische Episode; aber wie in einem kleinen Tropfen Wasser spiegelt sich hierin das Schicksal der Sowjets. Als die Arbeiter auf dem Wege zum Siege waren, da hatten die Sowjets noch einmal die Tendenz, aufzuleben, als aber der Stiefel der Reaktion gesiegt hatte, sind die Sowjets sofort wieder abgestorben. Diese letzte Episode zeigt uns, dass die Sowjets nur dann Bedeutung haben, wenn sie wirklich von einer grossen Massenbewegung getragen werden, die auf dem Wege ist, die Sowjets zu einer Staatsmacht zu gestalten. Am Anfang 1917, als wir noch in der Emigration waren, als die revolutionäre Bewegung in Russland schon sehr hoch stand und unsere Genossen schon angefangen hatten, Arbeiterdeputiertenräte zu bilden, da haben wir unseren Genossen vom Auslande aus gesagt: diese Idee kann sich nicht halten. Wir sollen für die Idee der Sowjets Propaganda machen; aber die Losung der Bildung der Sowjets sollen wir nur dann ausgeben, wenn wir die Überzeugung haben, dass die Vorbedingungen da sind, dass die Massen selbst dafür sind, dass sie für die Sache kämpfen wollen. Darum sind wir gegen diejenigen Versuche, die unsere Genossen jetzt in Frankreich machen, wo sie eine kleine Gruppe bilden und ein Organ herausgeben, wo sie als Sowjet im Namen von einigen hundert Mitgliedern auftreten und das für eine Sowjetbewegung erklären. Ich habe manches Flugblatt unserer Schweizer Genossen während der Wahlkampagne in der Schweiz gelesen: Wo alles zu den Wahlen geht, kommt unsere Partei mit der Losung: »Wir fordern die Sowjets.« Hier werden also die Sowjets von den Bürgerlichen, von der Regierung gefordert. Doch Sowjets fordert man nicht, man bildet sie dort, wo die Arbeiterklasse bereit ist, Revolution zu machen. Ist es etwa kommunistisch, eine solche Forderung aufzustellen? Man muss die Arbeiterklasse organisieren, sie aufrütteln, sie vorbereiten und dort, wo der Moment gekommen ist, da braucht man nicht zu fordern. Darum glaube ich, dass jetzt, wo der Moment gekommen ist, wo die Frage des Kampfes um die Macht, wo die Revolution akut wird und wo die Idee der Sowjets die Arbeiterklasse in den verschiedenen Ländern schon gewonnen hat, für die Kommunistische Internationale es sich nicht mehr darum handeln kann – wie es noch mit der ersten und zweiten der Fall war –, diese Idee zu popularisieren. Dafür ist schon gesorgt, die Idee ist populär genug. Es handelt sich jetzt um etwas Grösseres: Es handelt sich darum, der Arbeiterklasse der ganzen Welt einzuprägen, welche Bedingungen dazu nötig sind, um Sowjets zu bilden. Das ist der zweite Schritt, den wir tun müssen. Die Thesen haben den Zweck, eine Grundlage dafür zu bilden. Wir sollen der Arbeiterklasse klar sagen, unter welchen Bedingungen wir solche Sowjets bilden können und müssen. Denn wenn wir künstlich Sowjets bilden, so werden wir den Gegnern dieser Idee dienen. Man wird uns auslachen, wie es schon in manchen Ländern vorgekommen ist. In diesem Falle können wir diese grosse Idee kompromittieren. Wir sollen mit diesem Worte nicht spielen. Wir sollen der Arbeiterklasse klar den Weg zeigen und ihr erklären, unter welchen Bedingungen die Sowjets zu bilden sind.
Wir haben in diesen Thesen versucht, die Erfahrungen verschiedener Parteien zu analysieren. In Österreich ist eine eigenartige Lage, ungefähr wie es hier während der ersten Periode der Kerenski-Zeit war. Es gibt dort einen ziemlich starken Arbeiterrat. Die Mehrheit darin gehört den Sozialpatrioten und dem Zentrum. Die Kommunisten sind in der Minderheit, wachsen aber täglich. Die Sowjets sind dort eine gewisse Macht, Nebenbuhler der legitimen Regierung, der Herren Renner u. Co. Die Sowjets sind eine Art Nebenregierung in einer anderen historischen Situation. Dasselbe haben wir bei uns während der ersten acht Monate der Revolution gehabt. Eine solche Bewegung ist ernst, und unsere Genossen müssen daran teilnehmen. Sie müssen innerhalb der Sowjets um die Macht kämpfen und ihren Einfluss dort geltend zu machen suchen. Ein anderes Beispiel liegt in Deutschland vor, wo es Sowjets gibt. Dort ist eine Anzahl von guten und schlechten Büchern über das Sowjetsystem geschrieben worden. Unsere deutschen Genossen kommen immer mit dem »System«. Nun, sie haben eins, aber keine Sowjets. Wir wollten lieber, dass sie ein schlechteres System, aber gute Sowjets hätten. Alle Pläne, das Sowjetsystem der bürgerlich-sozialdemokratischen konterrevolutionären Republik einzufügen, sind künstlich. Und darum handeln sie – objektiv genommen – manchmal sogar konterrevolutionär, denn man sagt der Arbeiterklasse nicht, unter welchen Bedingungen allein man Sowjets aufstellen kann. Wir haben in den Thesen versucht, die Erfahrungen in Deutschland auf zunehmen und selbstverständlich in erster Linie die Erfahrungen in Russland, wo die Sowjetidee geboren ist. Auf Grund dieser Beispiele der russischen Revolution von 1917, der beiden Revolutionen von 1918 in Deutschland und in Österreich wollen wir der Arbeiterklasse zeigen, unter welchen Bedingungen wir die Sowjets bilden können. Ich bin überzeugt, dass der zweite Kongress der Kommunistische Internationale der Vorläufer eines internationalen Kongresses der Sowjetrepubliken ist. Diejenigen von uns, die noch nicht zu alt sind, werden diesen Moment erleben, wo wir einen solchen internationalen Kongress der Sowjetrepubliken haben werden. Aber um diesen Augenblick schneller herbeizuführen, müssen wir den Weg klar sehen, die Idee rein halten und der Arbeiterklasse konkret vorstellen, auf welchem Wege wir wirklich zu einer internationalen Sowjetrepublik kommen können. (Abstimmung über die Thesen. Die Thesen werden angenommen.)
Radek. Genossen, die Kommission zur Frage der Gewerkschaften nahm entsprechend dem Beschluss des Plenums die Thesen des Exekutivkomitees als Basis und ergänzte sie nur durch eine Reihe von Amendements. Bevor ich zu diesen übergehe, möchte ich darauf hinweisen, dass die Kommission in einem entscheidenden Punkte zu keinem gemeinsamen Beschluss gelangt ist, und dass deshalb hier ein Vertreter der Minorität der Kommission noch das Wort ergreifen wird. Es handelt sich darum, dass die amerikanischen Genossen in der Form eines Amendements die tatsächliche Aufhebung des Hauptinhaltes der Thesen vorgeschlagen haben.
Die Haltung des Kongresses, wie sie in der Abstimmung Ausdruck gefunden hat, besteht erstens darin, dass wir allen Genossen, allen kommunistischen Parteien die Arbeit innerhalb der Gewerkschaften zur Pflicht machen. Die Minderheit der Kommission, die amerikanischen Genossen in erster Linie, haben äusserlich diesen Beschluss akzeptiert. Sie haben keinesfalls einen Antrag gestellt, der diesen Beschluss in Worten aufhebt. Sie haben aber Amendements vorgeschlagen, die den Beschluss des Kongresses faktisch aufheben. Ich habe schon in meinem Referat darauf hingewiesen, dass die Thesen, die wir vorgeschlagen haben, in einem gewissen Sinne zu eng gefasst sind, dass sie nicht berücksichtigen, dass in Amerika 80 Prozent der Arbeiter unorganisiert sind, dass die Federation of Labour nicht nur nichts tut, um diese unqualifizierten Arbeiter zu organisieren, sondern, dass sie durch sehr hohe Beiträge ihnen den Eintritt in die Gewerkschaften unmöglich macht. Aus diesem Grunde schlagen wir vor, neben den Fällen, wo wir als Ursache des Austritts aus den alten Gewerkschaften und der Bildung neuer Gewerkschaften die Unterdrückung der revolutionären Agitation in den Gewerkschaften angeben, noch einen zweiten Fall zu erwähnen, nämlich die Notwendigkeit der Bildung neuer Gewerkschaften in den Fällen, wo die alten Berufsorganisationen aus aristokratischen Gründen die unqualifizierten Arbeiter nicht organisieren. Die amerikanischen Genossen schlagen eine andere Fassung vor, die darauf hinausgeht, den amerikanischen Kommunisten zu ermöglichen, den Beschluss des Kongresses zu sabotieren. Ich will hier nicht das ganze Amendement vorlesen, das drei Punkte unserer Resolution ersetzen soll, sondern nur den entsprechenden Punkt. Darin wird folgendes gesagt: (Verlesung von »Die neuen Gewerkschaften« bis »darstellen«) [Fehlt im Stenogramm]. Unter diese drei Rubriken, wo man aus den alten Gewerkschaften austreten und neue Gewerkschaften bilden soll, kann man jeden Fall einreihen. Die Kommunisten, die keine Lust haben, in den Gewerkschaften zu arbeiten, die es für viele kommunistischer halten, viel Papier mit Artikeln über die Schlechtigkeit der Gewerkschaftsbürokratie voll zu schreiben und ausserhalb der Gewerkschaften zu bleiben, können immer vorschützen, dass entweder die Struktur der Gewerkschaften es nicht erlaubt, sie zu ändern, oder, dass sich so starke revolutionäre Gefühle im Proletariat angehäuft haben, dass es dafür in den Gewerkschaften keinen Platz mehr gibt. Dass wir hier keine Gespenster sehen, dass es sich hier um eine strikte Aufforderung zum prinzipiellen Boykott der grossen amerikanischen Gewerkschaften handelt, das beweist am besten der Beschluss der Vereinigten Kommunistischen Partei Amerikas. Wir haben eben jetzt die Nummer der Zeitschrift der Kommunistischen Partei bekommen mit ihrem Beschluss über die Gewerkschaften. Dieser Beschluss besagt folgendes: (Verlesung von »Craftunionism«) [Fehlt im Stenogramm]. Jetzt kommt der entscheidende Punkt (Verlesung von »Die Taktik« bis »durchgeführt werden«). Wir haben also in diesem Beschluss die strikte Negierung des Beschlusses, den wir angenommen haben, der es den Kommunisten zur Pflicht macht, für die Eroberung der Gewerkschaften von innen heraus zu kämpfen. Es handelt sich hier also nicht nur um die Frage, ob man in die Gewerkschaften gehen soll, um sie zu zerstören. Es wird das Bohren von innen, der Kampf innerhalb der Gewerkschaften überhaupt abgelehnt. Dieser Standpunkt steht im Gegensatz zum Standpunkt unserer Thesen, und das, was die Genossen von der United Communist Party hier vertreten, bedeutet nichts anderes als eine sinnfällige Negierung unseres Standpunktes. Die Genossen suchen, um ihren Standpunkt zu retten, von der Verteidigung zum Angriff überzugehen. Sie weisen darauf hin, dass dieser Standpunkt, den die United Communist Party jetzt angenommen hat, noch vor ein paar Monaten der Standpunkt der Exekutive war. Man beruft sich auf einen Brief der Exekutive an die amerikanische Partei, in dem gesagt worden ist (Verlesung) [Der Brief fehlt im Stenogramm]. Ich stehe nicht an, offen zu sagen, dass dieser Brief der Exekutive, der keinesfalls von der Exekutive in ihrer Gesamtheit angenommen worden ist, ein falscher war, und dass die Genossen sich formell auf diesen Standpunkt berufen können, obwohl er nicht ganz identisch mit dem ihrigen ist; denn in diesem Aufruf wurde eben das Ziel der Federation of Labour festgestellt. Aber hier handelt es sich nicht darum, ob die Exekutive in der Vergangenheit einen falschen Standpunkt in dem einen Brief vertreten hat oder nicht, sondern augenblicklich handelt es sich darum, ob die Vertreter der United Communist Party hier offen den Standpunkt ihrer Partei vertreten oder nicht. Sie hatten die Möglichkeit, hier den Standpunkt ihrer Partei zu vertreten, und sie haben es nicht getan. Sie haben behauptet, sie seien Gegner der Spaltung als Prinzip. Sie suchen uns ein trojanisches Pferd in die Resolution einzusetzen. Ich glaube, es wird Sache des Kongresses sein, nicht nur dieses Amendement abzulehnen, sondern in einem besondern Beschluss den Standpunkt der amerikanischen Genossen hervorzuheben als einen, der sich im Widerspruch befindet mit dem Standpunkt der Kommunistischen Internationale. In dieser Frage muss der Kongress mit der ganzen Schärfe auftreten, weil es sich nicht darum handelt, ob wir den amerikanischen Genossen, wenn sie diese konterrevolutionäre Organisation zerstören könnten, das Recht zugestehen, es zu tun; sondern es handelt sich darum, ob sie sich selbst zerstören werden oder nicht.
Da dieser Punkt einen Nachklang auch bei dem Genossen Bombacci fand, so müssen noch ein paar Worte darüber gesagt werden. Der Standpunkt Bombaccis unterscheidet sich vom Standpunkt der amerikanischen Genossen darin, dass er eine Spielerei ist und nicht ein revolutionärer Standpunkt. Denn, wenn die Amerikaner einerseits sagen: »Nieder mit der F. of L.«, so rufen sie andererseits: »Hoch die IWW! Wir wollen neue Gewerkschaften bilden!« Nicht so Genosse Bombacci, der mit Nonchalance erklärt: »Ich pfeife auf die Gewerkschaften, sie sind dazu verurteilt, immer konterrevolutionär zu sein.« Aber wenn er davon ausgeht, dass die Gewerkschaften in Italien sich in den Händen von Reformisten mit sehr ehrwürdigen Bärten befinden oder in den Händen von Syndikalisten, so sagen wir ihm öffentlich, das ist ein Spiel, eine Sportpolitik, aber keine kommunistische Politik. Wenn Bombacci für den marxistischen Standpunkt eintritt, dann soll er dafür in der italienischen Partei kämpfen und nicht hier sagen: Die Gewerkschaften haben keine Bedeutung, sie werden immer konterrevolutionär sein. Wir erheben Einspruch gegen eine solche Behandlung der ernstesten Frage der Arbeiterbewegung, und wir legen besonders Gewicht darauf, eine vollkommen klare Stellungnahme des Kongresses in dieser Frage herbeizuführen.
Ich sagte früher, ich wäre bereit, weitere Amendements entgegenzunehmen. Bei der jetzigen Situation jedoch, nach diesem Beschluss der United Communist Party ist jeder Kompromiss, jedes Zurückweichen unmöglich. Man muss den Kommunismus dorthin führen, wo die kommunistische Arbeit beginnt und wo kommunistische Sektenmacherei und Sektenspiel enden.
Die weiteren Fragen, die zur Debatte standen, sind die folgenden. Es handelt sich um unsere Stellungnahme zu den Betriebsräten. Wir schlagen ein Amendement vor, in dem folgendes gesagt wird: (Verlesung von »indem die Kommunisten« bis »unterstützt«) [siehe Ziff. II, 5 der Gewerkschaftsthesen], und dann sagen wir (Verlesung von »nur in dem Masse« bis »zu unterstützen«). Dieser letzte Passus besagt, dass in den Ländern, wo die Gewerkschaftsbürokratie das Heft in den Händen hat, die Kommunisten die Pflicht haben, den Kampf der Betriebsräte und aller gleichartigen Organisationen um ihre selbständige Existenz zu unterstützen. Nur dann kann es den Kommunisten gelingen, das Heft in den Gewerkschaften in die Hand zu bekommen, wenn sie aus diesen Betriebsorganisationen in den Fabriken die Keimzellen der neuen Gewerkschaften und ihrer kommunistischen Fabrikorganisationen machen. Ich habe zu diesen Amendements zwei ergänzende Ausführungen zu machen. Vorerst da, wo gesagt wird: (Verlesung von »wo sich in dem Rahmen« bis »unterstützen«). Es wurde die Frage gestellt:
»Wenn Ihr Gegner der Bildung kleiner revolutionärer Gewerkschaften, die sich im Gegensatz zu den grossen befinden, für die aber die Nötigung zu einer Sondergründung nicht vorliegt, seid, wie könnt Ihr dann die Unterstützung all dieser Betriebsorganisationen fordern?« Ich mache darauf aufmerksam, dass wir hier sagen: »die sich im Rahmen der Gewerkschaften bilden oder ausserhalb derselben, aber nicht gegen sie«. Die Betriebsräte in Deutschland sind keinesfalls Organisationen, die bestimmt sind, den Gewerkschaften das Wasser abzugraben. Sie sind Organisationen, die zum Teil selbständige Funktionen haben, zum Teil aber die Gewerkschaftsbürokratie vorwärts treiben sollen. Sie sind nicht gegen die Existenz der Gewerkschaften gerichtet, soweit es sich um die Organisation handelt. Die Organisationen, die gegen die Gewerkschaften sind, stehen ausserhalb unserer Unterstützung, denn wir haben in den Thesen gesagt, in welchen Fällen wir die Bildung besonderer Gewerkschaften für zweckmässig halten.
Nun zur zweiten Frage. Wir sagen, dass nur in dem Masse, wie die Gewerkschaften zu revolutionären Organisationen werden, wir ihr Bestreben, sich die Betriebsräte unterzuordnen, unterstützen. Da wurde auf die Lage in Deutschland hingewiesen, auf die Tatsache, dass in Deutschland in erster Linie gesetzliche Betriebsräte bestehen, in denen die Kommunisten die Aufgabe haben, ihre Funktionen über den Rahmen des Gesetzes hinaus auszubreiten, dass aber diese Betriebsräte den Gewerkschaften schon untergeordnet seien. Ich behaupte auf Grund des mir vorliegenden Materials, dass das nicht der Fall ist. Der Kampf der Gewerkschaftsbürokratie um die Beherrschung und Einreihung dieser Betriebsräte ist erst im Gange, und da sagen wir, dass wir es für die Pflicht der Kommunisten halten, selbst wenn es sich später herausstellen würde, dass wir nicht die Kraft haben, den Kampf gegen die Bemühungen der Legien, diese Räte in die Hand zu bekommen, zu führen, dennoch den Kampf um die Beherrschung der Betriebsräte zu unterstützen. Ich halte es für fehlerhaft, von vornherein hier auf den Kampf zu verzichten, denn er entscheidet nicht nur über eine formelle Frage, sondern über die zukünftige Haltung der Kommunisten in den Betriebsräten. Selbst wenn die grosse Mehrheit der Betriebsräte sich den Gewerkschaften freiwillig unterordnet und es unzweckmässig wäre, die revolutionär gesinnten Betriebsräte innerhalb der anderen zu halten, ist es klar, dass unser jetziger Kampf, wo wir die Masse vor Legien und seinen Zwecken warnen, seine Folgen haben wird, indem er unsere Position in den den Gewerkschaften untergeordneten Betriebsräten für die Zukunft stärken wird. Es ist eine andere Frage, ob man – wenn schon der Kampf aussichtslos sein sollte – sich kaprizieren sollte auf die Isolierung kleiner Gruppen; wenn der Kampf einstweilen nicht zum Siege führte, würden wir dann auf dem Boden der den Gewerkschaften untergeordneten Betriebsräte weiterzukämpfen? Aber so steht einstweilen die Frage nicht. In grossen Bezirken in Mitteldeutschland und in Berlin tobt der Kampf, und wenn die deutschen Kommunisten sagen, man soll den grossen Kampf gegen die Legien nicht in einen Kampf um die Form verwandeln, so sagen wir: es ist Eure Sache, dafür zu sorgen, dass dieser Kampf als prinzipieller Kampf ausgefochten wird und nicht nur als Kampf darüber, wem diese Betriebsräte untergeordnet sein sollen. Es handelt sich um eine prinzipielle Sache, um die Stärkung des Widerstandsgeistes gegen die Gewerkschaftsbürokratie.
Wir schlugen schliesslich ein Amendement vor, das die in der Resolution bisher zerstreuten einzelnen Bemerkungen über die zukünftige Rolle der Gewerkschaften in einem besonderen Paragraphen zusammenfasst. Dieser sagt (Verlesung von »indem die Kommunisten« bis »durchführen«) [siehe Ziff. II, 7 der Gewerkschaftsthesen].
Ich möchte nur in ein paar Worten darauf hinweisen, welcher Unterschied zwischen dieser Auffassung der Funktionen der Gewerkschaften nach der Eroberung der politischen Macht seitens des Proletariats und der syndikalistischen Auffassung liegt. Die Syndikalisten haben sich die Entwicklung des Sozialismus in der Weise vorgestellt, dass das Proletariat, nachdem es durch allgemeine Streiks die Bourgeoisie niedergeworfen hat, sich in den grossen Gewerkschaften zu einer Föderation der Gewerkschaften organisiert, und diese Föderation würde im freien Abkommen, zusammen mit den Kommunisten, ohne proletarischen Staat das Wirtschaftsleben leiten. Wir halten diese Auffassung für falsch. Erstens kann das Proletariat ohne die Diktatur, ohne die Aufrichtung des proletarischen Staates als eines Organs, mit dessen Hilfe das Proletariat den Widerstand der Bourgeoisie brechen soll, nicht die Macht in die Hände bekommen, und zweitens ist die Leitung des Wirtschaftslebens weder eine Sache, die jede Gewerkschaft für sich erledigen könnte, noch ist sie eine Sache, die nur durch ein freies Abkommen der Gewerkschaften geregelt werden könnte, und zwar, weil einzelne Kategorien der Arbeiterklasse im Industrieprozess eine hervorragende Rolle spielen und weil diese Arbeiterkategorien für ihre Mitglieder eine aristokratische, privilegierte Stellung im ganzen Wirtschaftsprozess schaffen und unter Ausnützung dieser Lage für sich Privilegien gegenüber den schwächer entwickelten, weniger wichtigen Gruppen der Arbeiterklasse durchsetzen könnten. Die Arbeiterklasse muss im proletarischen Staat die Wirtschaft so leiten, dass neben den Organisationen, die die Arbeiterschaft der einzelnen Industriezweige zusammenfassen, die Arbeiter in diesen Industriezweigen noch eine weitere grosse Aufgabe erhalten. Neben den Organisationen, die ihre Aufgaben vom Standpunkte eines Industriezweiges ansehen, muss die Arbeiterklasse, in der Form ihres proletarischen Staates, den Gedanken an die proletarische Gesamtheit vertreten. Der wirtschaftliche Plan und seine Durchführung muss unter dem starken Druck des proletarischen Gesamtinteresses stehen. Aus diesem Grunde sehen wir hier, wie neben der hervorragenden, entscheidenden Rolle der Gewerkschaften die regulierende Form der Staatsorganisationen sich vorzüglich in Gestalt der Räte ausgebildet hat, dass also die Gewerkschaften die Wirtschaft mitleiten durch die allgemeinen staatlichen Organe.
Das wären die Hauptamendements, die in die Thesen hineinkommen. Wir haben dabei mehr als im ersten Entwurf die Tatsache berücksichtigt, dass in vielen Ländern die Gewerkschaften eine aristokratische Politik treiben. Wir haben es den Kommunisten zur Pflicht gemacht, in diesen Fällen selbständig zur gewerkschaftlichen Organisation der Massen zu schreiten. Zweitens machen wir den Kommunisten die Unterstützung der jetzt spontan entstehenden neuen ökonomischen Gebilde des Proletariats, der Betriebsräte, zur Pflicht. Die Kommunisten müssen die Unabhängigkeit der Betriebsräte gegenüber der Gewerkschaftsbürokratie verteidigen, aber sie als einen Teil der Gewerkschaften ansehen, wo die Gewerkschaften revolutioniert sind.
Das dritte Amendement begrenzt die Aufgaben der Gewerkschaften nach der Eroberung der politischen Macht.
Die vierte Frage ist die Frage der internationalen Vereinigung der Gewerkschaften.
Wir haben uns in der Kommission in dieser Frage einstweilen mit der Annahme des schon abgedruckten dritten Punktes unserer Thesen begnügt. Aber dieser Punkt sprach nicht über die konkrete jetzige Lage, über die Bildung des internationalen revolutionären Gewerkschaftsrates, der hier in Moskau von den Vertretern der italienischen, eines Teiles der englischen, der russischen, der bulgarischen Gewerkschaften gebildet worden ist. Wir hatten hier einerseits den Standpunkt der amerikanischen und englischen Genossen, der hier entwickelt wird, die diese Bildung in ihrer vorliegenden Form für verfehlt und für verfrüht halten, auf der anderen Seite den Standpunkt der russischen Parteigenossen, die eine Resolution vorlegten. Da eine solche von einzelnen Mitgliedern der Exekutive verworfen wurde und es gestern schon vier Uhr morgens war, lehnte ich es ab, mich dort irgendwie festzulegen. Genosse Sinowjew wird seinen Standpunkt hier vertreten.
In der Gewerkschaftsfrage bestehen tiefgreifende Meinungsunterschiede. Sie haben auf dem Kongress nicht den Charakter der prinzipiellen Auseinandersetzung bekommen. Aber wir sollen die Augen nicht davor verschliessen, dass die Gärung, in der sich die Arbeiterklasse befindet, in allen Ländern zu Versuchen der Bildung neuer Gewerkschaften geführt hat, dass auf diesem Standpunkt viele Mitglieder in allen kommunistischen Parteien stehen. Wir sollen uns über die Gefahren, die darin liegen, nichts vormachen lassen. Der Kongress muss diese Gefahren ins Auge fassen und den kommunistischen Parteien eine klare Marschroute geben.
Die zweite Frage, die die Aufmerksamkeit des Kongresses in Anspruch nehmen kann, und in Zukunft die der Internationale in viel grösserem Masse als bisher, ist die Frage der Betriebsräte, aller neuen Organisationen, der Shop-Steward-Committees usw. Hier müssen wir eins sagen: Nicht, dass die Frage wenig geklärt ist. Sie ist in der Entwicklung. Es handelt sich nicht um die Klärung. Wir müssen die Möglichkeit ins Auge fassen, dass die Entwicklung der Revolution hier ganz neue Dinge schafft, dass die Kommunisten diesen neuen Erscheinungen gegenüber keinen starr ablehnenden Standpunkt einnehmen sollen. Das, was bisher gesagt werden konnte, versuchen wir in den Thesen niederzulegen; aber jeder von uns hat das Gefühl, dass das nicht das letzte Wort sein kann, dass sich diese Organisationen entwickeln, uns vor ganz neue Fragen stellen werden, dass wir dieser Frage mit der Bereitschaft, die neuen Tatsachen zu würdigen, entgegentreten müssen. Die Kommunistische Internationale wurde gebildet in der Zeit revolutionärer Gärung, wo vieles den Eindruck des Chaos macht, das.später zu festen wertvollen Gebilden wird. Ich unterstreiche mit voller Absicht den werdenden Charakter dieser Erscheinungen, damit die Kommunistische Internationale auf diese Erscheinungen vorbereitet wird, damit wir nicht in die Rolle des alten Zopfes der Gewerkschaften verfallen und alles Neue verpönen. Wir wissen noch nicht, was die englischen Shop Stewards werden. Sie sind erst in der Bildung begriffen. Wir wissen nicht, was aus den deutschen Betriebsräten werden wird; sie sind einstweilen noch Produkte der zurückgehenden Revolutionswoge. Sie wurden gebildet, als sich die Arbeiter an die Idee der Räte klammerten, ohne politische Räte zu bilden. Wir wissen noch nicht, welches neue Leben die neue Woge der Revolution, die zweifellos im Anzuge ist, in diese Organisationen bringen wird. Wir wissen sogar noch nicht, ob diese Organisationen als vollkommen revolutionierte Elemente in den Gewerkschaften auftreten werden. Eins aber ist zu sagen. Wie die Dinge bis heute liegen, ist es die Aufgabe der Kommunisten, den Arbeitern zu erklären: »Ihr dürft die Gewerkschaften nicht fallen lassen. Sie sind die grössten Massenorganisationen des Proletariats«. Das zweite, was wir sagen können, ist, dass wir tastend an die Aufgabe der Betriebsräte herantreten und festzustellen suchen, welches ihre Aufgaben sind und welche die Aufgaben der Gewerkschaften, dass wir uns über das Verhältnis der beiden Organisationen zueinander klar zu werden suchen. Aber das ist nicht unser letztes Wort. Wenn die Revolution in Westeuropa einen schleppenden Gang nehmen wird, wenn die kapitalistische Zersetzung weitergreifen wird und das Proletariat nicht in schnellen Schlägen die Macht erobert, so kann auf diesem Gebiete für die von uns vorbereiteten Massen ein neues Feld der Arbeit liegen, indem wir diesen Dingen nicht mit starren Formeln entgegen treten, sondern mit prüfendem Verstand und dem Willen, der bereit ist, zu handeln und die neuen Erscheinungen zu formen.
Über die Aufgaben der Kommunisten in den Gewerkschaften werde ich mich jetzt nicht lange auslassen. Das Richtunggebende ist das unverrückbare Bewusstsein, dass wir in der Massenbewegung des Proletariats und ihrer Organisationen wohl eine kommunistische Propaganda haben können, aber keine kommunistische Kampfpartei. Wenn wir den Kommunisten diese Marschroute geben, so handeln wir auf Grund der einfachen Erwägung, dass Organisationen, in denen Millionen von Arbeitern zusammengefasst sind, keine Kristalle sind, die man zerstören muss. Der Vergleich zwischen dem bürgerlichen Staat und den Gewerkschaften hinkt auf beiden Füssen. Wie canaillenhaft die Gewerkschaftsbürokratie auch sein mag, wie sehr sie auch der Lakai der Bourgeoisie ist, so kann sie doch nur so lange den Charakter der Gewerkschaften bestimmen, als die Entwicklung nicht in starken Fluss kommt. Tritt dieser Fall ein, dann bestimmt die Arbeiterschaft den Charakter ihrer Gewerkschaften. Gorter, der jetzt der Theoretiker des linken Kommunismus ist, sagt in seiner Broschüre; »Die Kraft der Gewerkschaftsbürokratie besteht in der mangelhaften Selbständigkeit der Massen«. Und gleichzeitig behauptet er, man könne die Gewerkschaften nicht erobern. Das bedeutet, dass dieser Genosse, der die Weltrevolution in 24 Stunden kommen sieht, dem nichts radikal genug ist, überzeugt ist, er kann die Revolution machen trotz der vorhandenen Unterwürfigkeit und Unselbständigkeit der Massen. Denn falls er auf die Abnahme der Unselbständigkeit rechnet, so kann er nicht den Satz formulieren, die Gewerkschaften seien dazu verurteilt, die Keimzellen der kapitalistischen Gesellschaft zu sein und zu bleiben. Wir sehen der Entwicklung entgegen mit dem gesunden revolutionären Optimismus, auf den eine revolutionäre Bewegung aufgebaut werden muss. Wir sind überzeugt, dass die Massen in Bewegung geraten, dass sie die sklavische Unterwürfigkeit abwerfen werden. Wenn wir in dieser Überzeugung zum Kampfe gegen die Gewerkschaftsbürokratie auffordern, so geschieht das nur darum, weil wir wissen, dass die Geschichte sich nicht ausserhalb unseres Willens abspielt, sondern dass wir selbst Faktoren dieser Entwicklung sein müssen. In diesem Sinne sind wir der festen Überzeugung, dass in den Gewerkschaften für die kommunistischen Parteien das grosse Feld liegt, auf dem sie die Hauptmassen der Arbeiter für den Kommunismus gewinnen sollen, nicht nur durch Propaganda, nicht durch Traktätchen, sondern durch die Teilnahme am Kampf, und in diesem Sinne bitten wir den Kongress, nicht nur die Thesen anzunehmen, sondern sie zur Richtschnur der Tätigkeit in den Gewerkschaften zu machen.
Reed. Ich protestiere gegen die Behauptung, man hätte hier den Vorschlag der Kommission sabotieren wollen. Es handelt sich nicht um Sabotage. Es handelt sich aber um einen inneren Unterschied und Widerspruch. Es handelt sich nicht darum, dass die englischen und amerikanischen Genossen der Meinung sind, man müsse die Gewerkschaften als solche verlassen. Es handelt sich darum, dass sie möglichst ihren Geist und ihre Struktur ändern wollen. Radek geht diesen Änderungsvorschlägen nicht auf den Grund. Was er vorschlägt, bedeutet, dass wir den alten reaktionären Geist in den Gewerkschaften nach wie vor grossziehen. Der Unterschied besteht darin, dass die Abänderungen den alten Geist in den Gewerkschaften umzugestalten versuchen, wogegen Genosse Radek sich nicht darum kümmert, diesen alten Geist zu vernichten. Es handelt sich einerseits um eine prinzipielle Änderung, andererseits nur um eine formelle. Auf diesen Unterschied muss man das Schwergewicht der ganzen Diskussion legen. Auf Grund einer Reihe von Dokumenten wies ich darauf hin, dass Radek sich in den verschiedenen Thesen widerspricht. Am meisten besteht ein Widerspruch zu den Thesen in denjenigen Briefen, die von der Kommunistischen Internationale an die IWW und die amerikanischen Arbeiter überhaupt geschickt worden sind.
Ich finde, dass die Thesen des Genossen Radek nicht die kommunistische Auffassung der ganzen Sache enthalten. Es steht nichts davon darin, dass man die Gewerkschaften als solche dem Geist nach umgestalten sollte. Ich verweise hier auf den Punkt zwei der vorgelegten Amendements und möchte die Punkte 4, 5, 6 und 7 aus den Thesen überhaupt ausgeschlossen haben, weil die einen nicht klar genug sind, die andern nicht präzise und die dritten nicht weit genug. Der einzige Genosse, der hier wirklich die Meinung der westeuropäischen Arbeiterbewegung über diese Frage wiedergegeben hat, war Genosse Bombacci. Er hat offen Stellung genommen. Die einen haben geschwiegen, und die anderen haben sich auf den falschen Standpunkt gestellt. Über die rote Internationale der Gewerkschaften zu sprechen, überlasse ich anderen Rednern, die die endgültige Meinung der Minderheit in dieser Frage ausdrücken mögen.
Zum Schluss vergesse man nicht, dass es sich um einen prinzipiellen Unterschied zwischen der Stellung Radeks und der Minderheit handelt. Ich verlese die Amendements, die vorgelegt sind, und zwar diejenigen, die da sagen, unter welchen Verhältnissen den einzelnen Kommunisten das Recht zugesprochen wird, die alten Gewerkschaften zu verlassen. Es ist eine Reihe von Bedingungen, von denen Radek gesagt hat, dass man sie auf alle Verhältnisse anwenden kann und dass auf Grund dieser Bedingungen ein jeder Kommunist sich sehr leicht einen Vorwand schaffen könnte, die Gewerkschaften zu verlassen. Ich bestreite, dass dem so sei. Gerade diejenigen, die die prinzipielle Durchführung unseres Standpunktes ermöglichen sollen, beweisen das Gegenteil.
Zum Schluss meine ich, dass die Frage, die eine Prinzipienfrage ist, hier besprochen werden muss. Ich weise darauf hin, dass sich in den Thesen des Genossen Radek und seiner Stellungnahme und in der Stellungnahme der Kommunistischen Internationale viele Widersprüche befinden, so dass man mit Recht fragen könnte, welches ihre Stellung zum parlamentarischen Kampf und zur Arbeiterbewegung überhaupt ist. Aus diesen Thesen ergibt sich kein klares Bild dieser Stellung. Die Kommunistische Internationale muss sich aber in dieser Frage klipp und klar ausdrücken. Seitens der englisch-amerikanischen Minderheit war nicht der Wunsch ausschlaggebend, zu disputieren, sondern ihren Standpunkt durchzuführen, und zwar durch Amendements, die dem Genossen Radek nicht neu sein dürften.
Es liegt der englisch-amerikanischen Delegation lediglich daran, den alten Gewerkschaften einen neuen Geist zu verleihen. Unter den Verhältnissen, die durch die Annahme der Thesen geschaffen werden, kann davon keine Rede sein. An diese Umgestaltung müssen die Kommunisten jedoch gehen. Wenn nicht, so werden die Kommunisten allein bleiben, sich bloss zu einer kleinen Partei verschmelzen und werden ein Offizierskorps sein ohne Soldaten, denn die Soldaten werden ausserhalb ihres Einflusses stehen.
Gallacher. Als ich nach Russland kam und man mir in Petrograd die Broschüre des Genossen Lenin über »Die Kinderkrankheiten der linken Kommunisten« zu lesen gab, habe ich in der Broschüre auch meinen Namen und meine Tätigkeit geschildert gefunden. Ich habe diesen Tadel hingenommen, wie ein Kind den Tadel seines Vaters hinnimmt. Jetzt kommt Genosse Radek und versucht ebenfalls, uns zu belehren; aber das wird ihm nicht gelingen. Wenn er auf dem Standpunkt beharrt, den er hier eingenommen hat, wird er sehen, dass er keine so leichte Aufgabe zu lösen haben wird. Es ist einfach Unsinn und lächerlich, von der Eroberung der alten Gewerkschaften mit ihrer verknöcherten Bürokratie zu sprechen. Man kann durch Agitation die Massen unter der Fahne einer linken gewerkschaftlichen Organisation in Bewegung setzen, nicht nur innerhalb, sondern auch ausserhalb dieser Gewerkschaften. Wir sind schon 25 Jahre in den englischen Gewerkschaften tätig, ohne dass uns die Revolutionierung der alten Gewerkschaften von innen heraus gelungen wäre. So oft es uns geglückt war, unsere eigenen Genossen zu Beamten der Gewerkschaften zu machen, erwies es sich, dass dann, anstatt dass eine Änderung der Taktik eingetreten wäre, die Gewerkschaften auch unsere eigenen Genossen korrumpierten. Wir haben aus unseren Genossen öfters grosse Gewerkschaftsbeamte gemacht; aber wir haben gesehen, dass durch eine solche Arbeit nichts für den Kommunismus und die Revolution erzielt werden kann. In den Gewerkschaften sind tatsächlich keine Massen vorhanden. Zum Beispiel sind von einer Gewerkschaft, die 500 Mitglieder zählt, gewöhnlich nur 30 Mitglieder in den Gewerkschaftsversammlungen anwesend, und diese stehen unter der Kontrolle der Bürokratie. Man kann aber an die Massen herankommen durch die Arbeit in den Werkstätten und Fabriken selbst.
Ich selbst bin viele Jahre hindurch in den Gewerkschaften tätig gewesen und war selbst Gewerkschaftsbeamter. Die Schlüsse, die ich gezogen habe, sind daher das Resultat meiner eigenen Erfahrung. Ich will als Beispiel folgenden Fall anführen. Als Lloyd-George nach Glasgow kommen sollte, wollten die Beamten ihm einen herrlichen Empfang bereiten. Ich, der ich damals einer der Beamten war, habe dagegen gekämpft, und es stellte sich heraus, dass, während es im offiziellen Komitee gelungen war, durchzusetzen, dass man Lloyd-George keinen Empfang bereite, das inoffizielle Komitee doch an die Arbeit ging, den Empfang durchzuführen. Wir haben dann in den Werkstätten und Fabriken agitiert und gekämpft, und jetzt ist Glasgow eine Stadt, in die Lloyd-George nicht zu kommen wagt, da die Arbeiter durch die Agitation in den Werkstätten revolutionär gestimmt sind. Wenn die Thesen von Radek angenommen werden und man danach den Massen sagen soll, dass sie gegenüber den alten Gewerkschaften und ihren Beamten loyal bleiben müssen, dann wird man ausgelacht. Es ist ein ebensolcher Unsinn, von der Eroberung der Gewerkschaften zu sprechen, wie von der Eroberung des kapitalistischen Staates. Man muss den revolutionären englisch-amerikanischen Genossen Gelegenheit geben, für die kommunistischen Ideen ausserhalb der Gewerkschaften zu kämpfen.
Sinowjew. Es wird vorgesehen, abwechselnd einen Redner für und einen gegen die Thesen sprechen zu lassen.
(Der Vorschlag wird angenommen.)
Sinowjew. Genossen! Wir müssen unbedingt in dieser Frage absolute Klarheit schaffen, und ich setze voraus, dass wir hier den englischen Genossen keine einzige Konzession machen werden; denn was sie wollen, das ist die Vernichtung der Kommunistischen Internationale. Wenn wir ihren Standpunkt annehmen, so wird das Resultat sein, dass wir nicht die Gewerkschaften vernichten, sondern den Kommunismus. Die englischen und amerikanischen Genossen sind einerseits sehr optimistisch. Die soziale Revolution wird von heute auf morgen kommen; wir haben den Sieg der sozialen Revolution in der Tasche usw. Nun aber, wo es sich um die Gewerkschaften handelt, da sehen wir plötzlich sofort einen unerhörten Pessimismus in bezug auf die Arbeiterklasse. Da sagt man: wir werden die Morgan und die Rockefeller beseitigen, den Kapitalismus beseitigen, aber die Bürokratie in den Gewerkschaften, die werden wir niemals beseitigen können. Wir werden immer reaktionäre Statuten haben. Es wird Ihnen aber nichts helfen, die Arbeiterklasse wird sie ebenso am Kragen packen wie die Bourgeoisie. Den englischen und amerikanischen Genossen scheint es, dass die Gewerkschaftsbürokratie das schlechteste ist, was es gibt. Das ist nicht so. Es gibt noch viel schlechtere Tiere als Gompers, bei dem die Zähne schon faul sind und dem wir die letzten Zähne ohne chirurgische Instrumente ausschlagen können. Die Statuten sind selbstverständlich reaktionär. Das ist wahr. Die Beiträge sind hoch. Aber was glauben Sie? Die Arbeiterklasse wird tagtäglich revolutioniert, sie will den ganzen Kapitalismus niederschlagen, und sie wird auch mit diesen Gewerkschaftsstatuten so handeln, wie sie handeln muss. Sie wird sie zum Fenster hinauswerfen. Sie können nicht in Abrede stellen, dass die Gewerkschaften Millionen von Arbeitern in sich organisiert haben. Unsere Parole ist: »Zu den Massen!« Und am meisten gilt diese Parole für unsere englischen und amerikanischen Parteien. Sie müssen zu den Massen gehen, weil sie noch nicht beiden Massen sind.
Genossen, wenn Sie die Reden der englisch-amerikanischen Genossen hören, so können Sie ein Gesetz aufstellen, dass nämlich hier die umgekehrte Proportion vorliegt: je weniger organisierte Arbeiter man hat, desto radikaler ist man. Man sagt: »Wir brauchen die alten Gewerkschaften nicht, wir werden neue errichten«. Wir haben in England und Amerika eine riesige, nach Millionen zählende Arbeiterklasse und einen stark entwickelten Grosskapitalismus, der die Arbeiter drückt. Wir haben dort eine sich von Tag zu Tag revolutionierende Arbeiterklasse. Aber die von uns bisher organisierten Massen zählen fast nicht mit. Die Vereinigte Kommunistische Partei Amerikas zählt ungefähr 12 000 Mitglieder. Das ist einfach lächerlich. Unsere Genossen haben noch nicht die ersten Schritte getan; sie müssten in diesen Gewerkschaften sein, in denen Millionen von Arbeitern organisiert sind. Und was haben wir in England? In England haben wir ein paar kommunistische Parteien, von denen eine jede ein paar hundert Mitglieder zählt. Wir haben dort eine riesige Arbeiterklasse, die immer revolutionärer wird. Es ist unsere Aufgabe, mit der Masse zu sein, ihr voranzugehen, ihr den Weg zu zeigen, wo sie in Bewegung und in der Entwicklung begriffen ist. Sollen wir an den Gewerkschaften nicht teilnehmen, wo in ihnen einige Millionen Arbeiter organisiert sind ? Ich habe die Resolution des vereinigten Parteitages der amerikanischen Kommunisten gelesen. Eine grössere Konfusion kann ich mir nicht vorstellen als an der Stelle, wo davon gesprochen wird, dass man die Gewerkschaften Amerikas zerstören müsse.
Genosse Gallacher hat erklärt, wir sollen gegen die Gewerkschaften ebenso vorgehen wie gegen den bürgerlichen Staat. Das ist lächerlich. Die Gewerkschaften bestehen aus Arbeitern, der Staat besteht aus der Bourgeoisie, und nun kommt man und sagt uns, das sei das gleiche. Wohin steuern wir eigentlich? Will man die Internationale lächerlich machen? Gewerkschaften, wo Millionen von Arbeitern organisiert sind, brauchen wir nicht zu zerstören, sondern wir müssen sie revolutionieren und auf unseren Weg führen. Wir werden keine proletarische Revolution machen, wenn die in den Gewerkschaften organisierten Millionen gegen uns sein werden. Genosse Gallacher sagt, man wird uns auslachen, wenn wir in den Gewerkschaften weiterarbeiten. Ich antworte ihm: Sie sollen die Gewerkschaften revolutionär machen. Sie haben gut gehandelt, dass Sie Lloyd-George nicht empfangen wollten. Sie sollen illegale Gruppen innerhalb der Gewerkschaften bilden, um nicht nur mit Worten, sondern auch mit der Waffe zu kämpfen. In Deutschland kämpft man schon mit der Waffe in der Hand. Viele Male haben unsere Genossen aus der kommunistischen Partei gegen die gelben Gewerkschaften mit der Waffe in der Hand gekämpft. Sollten wir aber aus den Gewerkschaften weggehen, so wäre das das beste Geschenk für die Legien und Konsorten. Die werden sagen: »Die Kommunisten sind dumm genug; sie haben uns die Arbeiter überlassen«. Das brauchen ja die Gompers und Legien gerade. Aber das werden wir niemals tun. Wir sind keine Sekte. Wir wollen eine wirkliche Kommunistische Internationale sein, die siegen wird. Und um zu siegen, brauchen wir die Millionen der Arbeiterklasse. Schwierigkeiten gibt es genug. Es ist leicht, zu sagen: Wir werden fortgehen, wir wollen nichts mit diesen Leuten zu tun haben. Wir werden eine reine Arbeiterunion bilden. Vielleicht werden in dieser Union 20 000 Arbeiter sein und bei Legien – 8 000 000.
So hat es die KAPD gemacht. Sie hat eine Arbeiterunion gebildet gegen die 8 000 000 Anhänger Legiens. Das ist kindisch. Mit welchen Massen werden wir die proletarische Revolution in Deutschland machen. Mit dieser Arbeiterunion, die gar nicht zentralisiert, die gar nicht organisiert ist? Wir müssen in die Gewerkschaften gehen. Oft sieht man, wie Sie die Erfahrungen der russischen Revolution anbeten. Wir bitten Sie aber, sie auch zu studieren. Wir hatten auch hier Gewerkschaften, die verräterisch waren, aber nach einigen Monaten, nach dem Siege der bolschewistischen Revolution waren. wir in der Mehrheit. Wir haben jahrzehntelang darum gekämpft, und wir haben die Gewerkschaften gewonnen, wären wir aber weggelaufen, so hätten die Menschewiki gehabt, was sie wollten. Die englischen und die amerikanischen Genossen sagen: »Wir gehen nicht in die Gewerkschaften. Wir sind reine und gute Kommunisten; aber die Arbeitermassen sind bei den Verrätern.« Nun Genossen, heisst dies nicht, das Instrument der Opportunisten sein? Was Genosse Reed vorschlägt, ist ein gefundenes Fressen für Gompers. Mehr braucht er nicht als das. Hätten wir das getan, dann hätten sich die Huysmans und Vandervelde die Hände gerieben und gesagt: »Die Leute haben unsere Geschäfte besorgt». Unsere Parole ist: Immer mit den Massen! Das heisst aber nicht, dass wir immer die Massen loben. Wir sagen ihnen: ihr habt unrecht, aber wir gehen nicht fort. Wir bleiben hier, um mit euch zu sein, um euch auf Schritt und Tritt zu führen. Den Irrtum, dass sie weglaufen, darf die Kommunistische Internationale nicht begehen. Tut sie das, so sind wir verloren. Der Sozialismus wird zwar auch dann siegen; aber vielleicht nach zehn Jahren, und unsere Aufgabe besteht gerade darin, den Sieg zu beschleunigen. Darum müssen wir den englischen und amerikanischen Genossen sagen: Wollt ihr zur Kommunistischen Internationale gehören, so dürft ihr nicht von den Gewerkschaften fortgehen, ihr müsst hinein in die Gewerkschaften, dort kämpfen, die Massen revolutionieren, ihnen den rechten Weg zeigen und eine starke kommunistische Partei bilden, die die Gewerkschaften revolutioniert und die proletarischen Massen zur Revolution weiterführen wird.
Fraina. Ich wundere mich, dass die Genossen Radek und Sinowjew so erregt sind. Sie bestehen darauf, dass die Arbeitern den Gewerkschaften notwendig sei. Aber das ist nur ein Argument gegen den Vertreter der United Communist Party of America, der sich gegen die Arbeit in den alten Gewerkschaften ausspricht. Die Stellung der United Communist Party ist keineswegs die derjenigen Genossen, die die Thesen des Genossen Radek kritisieren. In meinem Eingangsreferat betonte ich, dass wir für die Arbeit in den alten Gewerkschaften sind, nicht allein wegen der Argumente, die man hier gebracht hat, sondern weil die ganzen Erfahrungen der amerikanischen Bewegung uns diese Politik auferlegen. Die Shop Stewards – sind sie gegen die Arbeit in den alten Gewerkschaften? Es wäre albern, uns da zu versichern; die Shop Stewards und ähnliche Organisationen sind Teile der alten Gewerkschaften, der angemessenste Ausdruck der Radek-Sinowjew-Politik der Arbeit in den alten Gewerkschaften. Ich habe gesagt, dass, was die Vereinigten Staaten betrifft, annähernd 80 Prozent der Arbeiter unorganisiert sind, aber nichtsdestoweniger ist es unmöglich, die alten reaktionären Gewerkschaften zu verlassen und wenn aus keinem anderen, so doch aus einem besonderen Grunde: die Mehrheit der unorganisierten Arbeiter sind Ausländer, die Mehrheit der organisierten Arbeiter Amerikaner. Wir müssen den Kontakt mit diesen amerikanischen Arbeitern herstellen, da sie notwendig die Führerschaft in der Revolution bilden werden – nicht in der Theorie, sondern in der revolutionären Aktion.
Aber wie werden Sie in den alten Gewerkschaften arbeiten? Das ist die entscheidende Frage, die Frage der Methoden und Mittel. Wenn Sie sagen: Arbeitet in den alten Gewerkschaften, sagen Sie viel und – nichts. Es ist notwendig, kommunistische Gruppen in den alten Gewerkschaften zu haben; aber was müssen diese tun? Müssen sie einfach abstrakten Kommunismus predigen? Radek antwortet: Nein, sie müssen die Führer im wirtschaftlichen Kampfe der Arbeiter werden. Sehr gut, aber das erfordert Mittel. Und die Mittel, behaupten wir, bestehen nicht in der friedlichen Durchdringung der Gewerkschaften, in dem Versuch, neue Beamten anstelle der alten zu wählen, einen Fetisch aus den alten Gewerkschaften und Formen der Gewerkschaften zu machen; die Mittel bestehen im aggressiven Kampf in den Gewerkschaften, in der Mobilisierung der Massen gegen die Bürokratie und der Befreiung von ihr, in der Agitation für ausserordentliche Organisationen und industrielle Gewerkschaftsverbände und deren Aufbau. Der Genosse Radek anerkennt und akzeptiert dies, aber er macht es nicht zu einem lebendigen und wirklichen Teil seiner Thesen; Radek ist so von den Problemen in Deutschland abgelenkt, wo gewisse Leute die Parole des »Austritts aus den alten Gewerkschaften« herausgegeben haben, dass er die gegenteilige Politik übertreibt. Und wiederum wegen seiner Konzentrierung auf Deutschland behandelt Radek die Frage der Organisation neuer und besonderer Gewerkschaften sehr gelind. Unter gewissen Bedingungen ist eine Spaltung notwendig. Sie muss nicht erzwungen werden; aber gleichzeitig dürfen wir nicht zugeben, dass wir zu einer Spaltung gezwungen werden. Wir müssen nicht wie Lämmer sein, wir müssen eine Politik der neuen Gewerkschaften besitzen, die uns die Initiative in dieser Sache in die Hand gibt und nicht unseren Feinden. Schliesslich ist eine Spaltung in einem gewissen Grade ein revolutionärer Akt; sie kann die Massen mehr vorwärts treiben als Monate und Jahre gewöhnlicher Agitation. Zuweilen kann es sogar notwendig sein, eine Spaltung zu erzwingen. Es ist die Aktion, die wir fordern. Auf der Grundlage der Aktion und nicht der theoretischen Abweichungen müssen Spaltungen vor sich gehen. Ferner fordern wir die Anerkennung der neuen Formen, die sich in den Gewerkschaften entwickeln. Besonders in England und Amerika ist diese Entwicklung von äusserster Wichtigkeit. Wir müssen diese Entwicklung objektiv studieren, aus ihr lernen und unsere Theorien den besonderen Verschiedenheiten und den zahllosen Formen des Lebens selbst anpassen. Das ist revolutionäre Praxis; das ist das, was besonders bei den Problemen der Gewerkschaften notwendig ist. Wir müssen die Massen in den Gewerkschaften befreien für die Aktion. Durch ihre wirtschaftlichen Kämpfe, durch das Verständnis und unsere Anpassung an die Verschiedenartigkeiten, die sie in den Formen ihrer Organisation und Aktion entwickeln, mobilisieren wir die Massen für die Revolution. Wir dürfen nicht abstrakt sein oder doktrinär; wir müssen uns immer bewusst sein, dass es die Aktion der Massen ist, die die Mittel und die Formen des revolutionären Endkampfes bildet.
Ich wiederhole von neuem: Unsere Differenzen mit dem Genossen Radek liegen nicht im Prinzip, sondern in der Betonung. Aber unsere russischen Genossen müssen die neuen und bunten Formen der Gewerkschaften erkennen, die sich entwickeln; sie müssen erkennen, dass in unseren Ländern die Gewerkschaften einen viel lebendigeren Faktor in der Revolution bilden als in ihrer Revolution. Ich fühle, dass wir auf dem nächsten Kongress einig sein werden.
(Ein Antrag auf Schluss der Debatte wird angenommen. Reed beantragt, über den Antrag der Minorität ebenfalls abzustimmen und zwar zuerst über die Amendements. Abstimmung der Leitsätze Radeks, die angenommen werden. Es folgen persönliche Erklärungen.)
Bombacci. Ich wundere mich, dass man von mir gesagt hat, ich treibe Sport mit den Gewerkschaften. Im Gegenteil, Genosse Radek treibt Sport mit der Gewerkschaftsfrage. Lenin erklärte, er hätte meine Rede weder gehört noch gelesen. Ich betone, dass ich seit 15 Jahren in der Gewerkschaftsbewegung stehe, 10 Jahre Sekretär einer Arbeitergewerkschaft gewesen bin und gegenüber den Gewerkschaften eine klare Stellung habe. Es ist mir nicht eingefallen, zu sagen, dass die Kommunisten sich nicht für die Gewerkschaftsfrage interessieren sollen. Ich erinnere daran, dass die italienischen Kommunisten sich seit 1914 bemüht haben, den Reformisten die Gewerkschaftszentrale zu entreissen und sie in die Hände der Kommunisten zu bringen. Ich habe in dieser Richtung eine klare Linie in Italien verteidigt und auch häufig gesagt, dass die Gewerkschaften eine Grube darstellen, aus der man für die Revolution Gold holen soll, und dass das Parlament eine kleine Tribüne darstellt im Vergleich zu den Gewerkschaften. Aber die Gewerkschaften sind nicht revolutionär und werden nicht revolutionär sein.
Radek. Das letzte, was der Genosse Bombacci geäussert hat, bestätigt das, was ich vorhin von ihm gesagt habe. Er erklärt, die Gewerkschaften waren niemals, sind nicht und werden niemals revolutionäre Organisationen sein. Damit hat der Genosse Bombacci bestätigt, was ich gesagt habe: Unser Verhältnis zu den Gewerkschaften muss dasselbe sein wie zu dem Parlament. Wir sollen die Gewerkschaften ausnutzen, um dort kommunistische Propaganda zu führen. Aber die Gewerkschaften werden niemals revolutionäre Organisationen werden zum Zwecke der Eroberung der Diktatur. Dasselbe sagt Genosse Bombacci nach einem ausführlichen Bericht der »Iswestija«. Der Widerspruch ist mir umso unverständlicher, als nicht nur die Gegenpartei seine Rede so verstanden hat, sondern alle italienischen Delegierten, die ich über die Rede Bombaccis befragt habe, den Inhalt der Rede bestätigten. Wenn Genosse Bombacci fünfzehn Jahre in den Gewerkschaften gearbeitet hat, so aus welchem Grunde? Wenn er die Gewerkschaften als konterrevolutionäre Institutionen betrachtet, ohne gleichzeitig mit einer Partei für deren Zerstörung zu wirken, so vertritt er einen Standpunkt, der für einen Revolutionär nicht ernst zu nehmen ist.
(Reed beantragt, über die Abänderungen der Thesen abzustimmen. Abstimmung.)
Sinowjew. Der Genosse Radek behandelt in seinem Referat die Frage der Roten Internationale der Gewerkschaften. Ich schlage vor, hinzuzufügen: es ist die Aufgabe … (Verlesung). – Zwei Worte zur Motivierung: Sie wissen, dass hier in Moskau am 15. Juli ein Bund der internationalen Gewerkschaften, die auf dem Standpunkte der Kommunistischen Internationale stehen, gegründet worden ist, und dass eine Anzahl von Gewerkschaften beigetreten ist, Genosse Rosmer für die Minderheit der französischen Gewerkschaften, alle russischen, die italienischen Gewerkschaften usw. Es ist eine Erklärung verfasst worden, die als Plattform ungenügend ist, aber als erster Schritt verdient, dass wir sie unterstützen und den internationalen Kongress der roten Gewerkschaften möglichst schnell organisieren. Ich schlage vor, das als selbständigen Antrag anzunehmen. Wir werden das weiterführen, damit wir die Gewerkschaften zusammenbringen können. Zweitens schlage ich vor, der Exekutive zu überlassen, einen Aufruf an alle Gewerkschaften der Welt zu richten, in dem wir die Bedeutung der Amsterdamer gelben Internationale erklären und auffordern, in die neue Gewerkschaftsinternationale einzutreten.
Tanner (bittet ums Wort, um die Beziehungen zwischen der gelben und der roten Gewerkschafts-Internationale darzulegen.)
Sinowjew. Genossen, die sich organisierende Rote Gewerkschaftsinternationale umfasst fünf Millionen Mitglieder der russischen Gewerkschaften, zwei Millionen revolutionäre Italiener, obgleich d’Aragona ein Reformist ist, die hier von Rosmer vertretene Minderheit der französischen Syndikate, die revolutionär sind und einige Millionen Mitglieder zählen, die Gewerkschaften Bulgariens, die einige hunderttausend Mitglieder haben, und noch einige andere, zusammen etwa acht Millionen in den Gewerkschaften organisierter Arbeiter. Diese acht Millionen organisierter Arbeiter wollen wir jetzt als Internationale der Gewerkschaften vereinigen. Genossen, ich frage Euch: Ist das schlecht?
D’Aragona hat unterzeichnet, weil die italienischen Arbeiter für uns sind, für die Sowjets, für die Diktatur des Proletariats. Und wir hoffen, dass, wenn nach siebenjähriger Pause endlich wieder ein Kongress der italienischen Gewerkschaften zusammenberufen wird, an der Spitze dann nicht ein Reformist, sondern ein revolutionärer Marxist stehen wird. Wir haben hier fast zehn Millionen Arbeiter, die auf dem Boden der Kommunistischen Internationale stehen, und da sagt man, wir sollen sie nicht organisieren. Tanner sagt: wir haben Kontakt mit den Massen. Wieviel Mitglieder hat die Shop-Steward-Organisation? 250 000. Wir haben sie ebenfalls eingeladen, denn wir sagen, es ist eine Massenorganisation, die wir unterstützen müssen. Aber das ist wirklich sehr bescheiden, wenn Sie sagen, sie haben genügenden Kontakt mit den Massen in einem Lande wie England. Wir sollen damit nicht zufrieden sein, sondern als internationale Organisation auftreten. Der Hauptfeind ist Amsterdam und nicht Brüssel.
Man kommt immer mit der Gewerkschaftsbürokratie, d’Aragona ist ein Bürokrat. Sollen wir darum keine Internationale bilden?
Amsterdam ist eine Kraft, es sind dort viele Millionen Arbeiter vertreten, die aber von den Herren Sozialdemokraten geführt werden und darum reaktionär sind. Wir müssen sie spalten und zu uns herüber ziehen. Das ist die Hauptaufgabe, und unser erster Schritt ist ein grosser Schritt vorwärts. Wir können jetzt jeder Gewerkschaft sagen: »Ihr sollt aus der Amsterdamer Internationale austreten. Ihr habt jetzt eine Internationale der roten Gewerkschaften und der sollt Ihr beitreten.« Es ist dies vielleicht nur ein Zimmerwald, aber von dort muss man zu Kiental schreiten und dann zu Moskau. Aber immerhin ist es doch ein Stück vorwärts. Wir haben die Shop Stewards eingeladen. Sie wollten aber das Manifest nicht unterzeichnen, weil darin von der Diktatur des Proletariats die Rede war. Sie haben sich jetzt belehren lassen. Aber man soll nicht zu uns kommen und sagen: »Warum habt ihr nicht auf freiheitlicher Basis gebaut?« Wir haben auf dieser Basis gebaut, weil wir zehn Millionen Mitglieder haben, und alle Gewerkschaften werden zu dieser Internationale kommen. Tanner sagt, es sei ein Widerspruch: Im nationalen Masstabe müssten wir in den Gewerkschaften bleiben, im internationalen Masstabe wollten wir ein selbständiges Organ. Wir wollen in den nationalen Gewerkschaften bleiben, damit wir die Leute zu uns herüberziehen, die Gewerkschaften nicht in der Amsterdamer Internationale lassen, sondern zusammen organisieren und unter die Leitung der Kommunistischen Internationale stellen. Wir wollen die Gewerkschaften gewinnen auf alle mögliche Art und Weise, im nationalen Masstabe, wenn nötig. Man muss vom Kopf bis zum Fuss doktrinär sein, um jetzt abseits zu stehen, wo wir auf einer Seite die gelbe Internationale haben und auf der anderen die Vereinigung von Moskau. Man will beiseite stehen. Soll ich nicht mit Robert Williams paktieren gegen Henderson? Selbstverständlich. Aber er steht an der Spitze der Triple-Alliance. Warum stehen nun die Genossen der Shop Stewards nicht an der Spitze dieser Millionengewerkschaft? Sie zeigen damit, dass sie Sektierer sind und nicht Revolutionäre. Ein Revolutionär muss einen Williams verjagen und sich an die Spitze stellen. Die Leute bilden kleine Gruppen, und wo Millionenbewegungen wachsen, da stehen sie abseits. Aber dadurch kämpft man nicht, dass man beiseite steht, sondern man kämpft dadurch, dass man sich an die Spitze stellt, mit der Masse zusammengeht. Ich glaube, das ist ein grosser Schritt vorwärts, dass wir einen Kernpunkt dr Gewerkschaftsinternationale haben. Das ist der wichtigste Schlag, den wir der Bourgeoisie versetzen. Wenn d’Aragona auch ein Opportunist ist, das macht nichts. Er wird gehen, aber die italienischen Arbeiter werden bleiben. Wir werden die Gewerkschaftsbürokratie beiseite schieben, und Millionen werden mit uns gehen gegen den Kapitalismus und gegen die gelbe Gewerkschaftsinternationale.
(Rudnyánszky schlägt vor, die Debatte zu schliessen. Der Vorschlag wird angenommen. Über den Antrag von Tanner und Reed, diese Frage der Kommission zur Prüfung zu übergeben, wird abgestimmt. 13 Stimmen sind für diesen Antrag, die Mehrheit aber für den Vorschlag Sinowjew bei einer Stimmenthaltung. Schluss der Sitzung.)
Anmerkungen:
[prev.] [content] [end]
Die Nummerierung der Sitzungen erfolgt nach der russischen Ausgabe des »Protokolls«. In der deutschen Ausgabe ist die Nummerierung der Sitzungen inkonsistent und unlogisch (1–11, dann 14 & 15). Zum Vergleich:
Deutsche Ausgabe [Seitenzahl] → Russische Ausgabe/sinistra.net
Erste Sitzung (19. Juli 1920) [6–56] → Erste Sitzung (19. Juli 1920)
Zweite Sitzung (23. Juli 1920) [57–99] → Zweite Sitzung (23. Juli 1920)
Dritte Sitzung (24. Juli 1920) [100–136] → Dritte Sitzung (24. Juli 1920)
Vierte Sitzung (26 Juli 1920) [137–166] → Vierte Sitzung (26 Juli 1920)
Fünfte Sitzung (28. Juli 1920) [167–233] → Fünfte Sitzung (28. Juli 1920)
Sechste Sitzung (29. Juli 1920) [234–286] → Sechste Sitzung (29. Juli 1920)
↳Abendsitzung (29. Juli 1920) [287–329] → Siebte Sitzung (29. Juli 1920)
Siebte Sitzung (30. Juli 1920) [330–401] → Achte Sitzung (30. Juli 1920)
Achte Sitzung (2. August 1920) [402–442] → Neunte Sitzung (2. August 1920)
↳Abendsitzung (2. August 1920) [443–480] → Zehnte Sitzung (2. August 1920)
Neunte Sitzung (3. August 1920) [481–508] → Elfte Sitzung (3. August 1920)
↳Abendsitzung (3. August 1920) [509–537] → Zwölfte Sitzung (3. August 1920)
Zehnte Sitzung (4. August 1920) [538–570] → Dreizehnte Sitzung (4. August 1920)
↳Abendsitzung (4. August 1920) [571–606] → Vierzehnte Sitzung (4. August 1920)
Elfte Sitzung (5. August 1920) [607–639] → Fünfzehnte Sitzung (5. August 1920)
Vierzehnte Sitzung (6.August 1920) [640–667] → Sechzehnte Sitzung (6.August 1920)
Fünfzehnte Sitzung (7. August 1920) [668–702] → Schlusssitzung (7. August 1920)[⤒]Die Rechtschreibung wurde stillschweigend verbessert und vereinzelt dem heutigen Gebrauch angepasst. Falschgeschriebene Namen wurden berichtigt, die russischen und bulgarischen Namen sind in deutscher Transkription oder in gebräuchlicher Form wiedergegeben, Namen aus Ländern mit lateinischem Alphabet entsprechend der jeweils heimischen Form. Redaktionelle Zusätze sind in [] kenntlich gemacht.[⤒]